OGH vom 04.10.2005, 4Ob87/05f

OGH vom 04.10.2005, 4Ob87/05f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang H*****, vertreten durch Dr. Erich Münzker und Mag. Peter Riehs, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Silvia S*****, vertreten durch Dr. Johann Grandl, Rechtsanwalt in Mistelbach, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.500 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 2 R 35/05i-18, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom , GZ 6 Cg 230/04k-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs des Klägers gegen die Beklagte auf Unterbleiben wettbewerbswidriger Handlungen, worauf die Unterlassungsklage gerichtet ist, wird der Beklagten ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Lebensmittel auf Märkten, wie etwa dem Schlingermarkt in Wien 21 und dem Vorgartenmarkt in Wien 2, zum Verkauf anzubieten, wenn sie nicht über die dafür erforderliche Gewerbeberechtigung einer Marktfahrerin gemäß § 154 Abs 5 GewO verfügt.

Das darüber hinausgehende Mehrbegehren, der Beklagten zu verbieten, einerseits auf Märkten auch Verzehrprodukte sowie sonstige Waren und andererseits bei Festen, sportlichen Veranstaltungen und sonstigen Anlässen, die mit größeren Ansammlungen von Menschen verbunden sind, Lebensmittel, Verzehrprodukte und sonstige Waren zum Verkauf anzubieten, wird abgewiesen."

Der Kläger hat die Kosten des Provisorialverfahrens zur Hälfte vorläufig und zur Hälfte endgültig selbst zu tragen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 586,43 EUR (darin 97,74 EUR Umsatzsteuer) bestimmten anteiligen Kosten ihrer Äußerung und die mit 1.611,45 EUR (darin 268,57 EUR Umsatzsteuer) bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger übt das Gewerbe des Marktfahrers aus, das er auch bei der Bezirkshauptmannschaft M***** angemeldet hat. Er betreibt Verkaufsstände auf mehreren Märkten in Wien, darunter auch auf dem Vorgartenmarkt im 2. Bezirk jeweils am Freitag und Samstag vormittags. Er verkauft größtenteils Fleisch- und Wurstprodukte, aber auch Eier und Mehlspeisen, die nicht aus eigener Produktion oder Landwirtschaft stammen, sondern von ihm zugekauft werden.

Die Beklagte - sie ist die Schwester des Klägers - betreibt bereits mehrere Monate an jedem Freitag und Samstag vormittags einen Marktstand auf dem Schlingermarkt im 21. Bezirk und an jedem Samstag vormittags zusätzlich einen Marktstand auf dem Vorgartenmarkt. Dabei tritt sie gegenüber den Kunden und dem Marktamt als landwirtschaftliche Produzentin ihrer Waren auf; im Besitz einer Gewerbeberechtigung als Marktfahrerin oder Handelstreibende ist sie nicht. Sie verkauft größtenteils Mehlspeisen, aber auch - auf dem Vorgartenmarkt - Eier und in geringem Umfang Eierlikör, Eiaufstrich, Holunderblütensirup und Marmelade. Im Sommer hat die Beklagte früher auch kleine Mengen an Schmalz und Grammelschmalz verkauft. Sie verkauft keine Fleisch- und Wurstprodukte und auch keine Schnäpse und Brände.

Die Beklagte ist Eigentümerin von rund 50 Hühnern. Diese werden im Stall ihrer Mutter gemeinsam mit deren Hühnern gehalten und von ihrem Stiefvater betreut. Dabei handelt es sich insgesamt um rund 100 bis 120 Hühner. Die Beklagte und ihre Mutter nehmen täglich rund 90 Eier ab, die sich etwa je zur Hälfte teilen. Damit verfügt die Beklagte wöchentlich über rund 315 bis 350 Eier, die sie bei der Herstellung der auf den Märkten verkauften Mehlspeisen verwendet; in geringem Ausmaß kauft sie auch Eier zu. Restliche Eier verkauft sie auf den Märkten. Es steht nicht fest, dass sie - ausgehend vom Verhältnis des Einkaufs- zum Verkaufswert - mehr als 25 % der verkauften oder gar der verwendeten Eier zukauft.

Die Mehlspeisen stellt die Beklagte größtenteils selbst her, lediglich in geringem Umfang verkauft sie auch von ihrer Mutter hergestellte Mehlspeisen. Von Dritten kauft sie keine Mehlspeisen zu. Die Mehlspeisen werden mit Ausnahme der Eier aus Zutaten hergestellt, die nicht aus einer von der Beklagten betriebenen Landwirtschaft stammen. Das verwendete Obst erhält sie von ihrer Mutter, die Nüsse sammelt sie in der Gegend. Eierlikör und Eiaufstrich stellt die Beklagte aus Eiern ihrer eigenen Hühner her; Holunderblütensirup und Marmeladen produziert ihre Mutter. Auch das im Sommer verkaufte Schmalz und das Grammelschmalz erhielt die Beklagte von ihrer Mutter.

Die Beklagte verfügt über keine eigenen Obst- und Nussbäume, ebenso wenig über Milchkühe und Schweine. Sie hat 2 Felder mit einer Fläche von rund 1,5 ha gepachtet, die sie aber nicht selbst bestellt, sondern von ihrem Nachbarn bestellen lässt. Dieser verkauft das gewonnene Getreide bzw verarbeitet es und rechnet mit der Beklagten ab. Das aus diesem Getreide hergestellte Mehl verwendet sie nicht für die von ihr produzierten Mehlspeisen.

Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten zu verbieten, Lebensmittel und Verzehrprodukte und sonstige Waren auf Märkten, bei Festen, sportlichen Veranstaltungen oder sonstigen Anlässen, die mit größeren Ansammlungen von Menschen verbunden sind, zum Verkauf anzubieten. Die Beklagte verstoße gegen § 1 UWG. Sie sei keine Landwirtin, weil sie weder eine landwirtschaftliche Fläche zur Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse bewirtschafte noch Nutztiere halte. Sie könne sich daher auch nicht auf die Nebenrechte eines Landwirts nach § 2 GewO berufen. Sie sei vielmehr selbstständig als Marktfahrerin erwerbstätig, verfüge aber nicht über die dafür notwendige Gewerbeberechtigung nach § 154 Abs 5 GewO.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Sie betreibe eine Landwirtschaft und sei in das Produzentenbuch des Magistrats der Stadt Wien eingetragen. Sie verfüge über eine landwirtschaftlich genutzte Fläche, halte Hühner und Enten und verarbeite die daraus gewonnenen Produkte zur Herstellung der auf den Märkten angebotenen Waren. Dazu sei sie als Landwirtin gemäß § 2 GewO befugt. Soweit sie Produkte zukaufe, überschreite sie nicht die Zukaufsgrenze des § 2 Abs 3 GewO. Durch ihre Verkaufstätigkeit erziele sie lediglich einen geringen Umsatz. Es bestehe kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien, weil der Kläger ein anderes Warensortiment anbiete und außerdem auf dem Schlingermarkt keinen Marktstand betreibe.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Zwischen den Parteien bestehe ein Wettbewerbsverhältnis, weil sie Waren gleicher oder verwandter Art auf Märkten in Wien zu den gleichen Zeiten anböten. Die Beklagte könne sich nicht auf die Nebenrechte eines Landwirts nach § 2 Abs 4 GewO berufen, weil dies die Ver- und Bearbeitung überwiegend des eigenen Naturprodukts unter Wahrung des Charakters des jeweiligen Betriebs als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb voraussetze. Auch wenn die Beklagte nicht mehr als 25 % an Eiern zukaufe, stehe der Wert der bei den Mehlspeisen mitverarbeiteten, zugekauften Erzeugnisse nicht in einem untergeordneten Verhältnis zum Wert der Eier; es würden auch nicht für die Herstellung jeglicher Mehlspeisen Eier benötigt. Marmelade und Holunderblütensirup stammten überhaupt nicht aus eigener landwirtschaftlicher Produktion. Die Beklagte bedürfte für ihre Tätigkeit somit einer Gewerbeberechtigung als Marktfahrerin; da sie über eine solche nicht verfüge, handle sie sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei; eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO liege nicht vor. Nicht jeder Verstoß gegen die GewerbeO sei auch als Verstoß gegen § 1 UWG zu werten; es komme vielmehr darauf an, ob die Auffassung des Verletzers über den Umfang seiner Befugnisse durch das Gesetz soweit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden könne. Da das Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft gemäß § 2 Abs 4 Z 1 GewO auch die untergeordnete Verarbeitung fremder, also zugekaufter Naturprodukte erfasse - es müsse lediglich der Wert der mitverarbeiteten Erzeugnisse gegenüber dem Wert des be- oder verarbeiteten Naturprodukts untergeordnet sein -, sei fraglich, ob die Beklagte tatsächlich gegen die GewerbeO verstoße. Jedenfalls wäre aber ein allfälliger Verstoß nur im geringen Ausmaß gegeben und der Beklagten daher subjektiv nicht vorwerfbar. Soweit die Beklagte Erzeugnisse ihrer Mutter verkaufe, sei auf die wechselseitige Hilfe und Stütze in einer Großfamilie und darauf zu verweisen, dass eine strenge Abgrenzung, wem welche Aufgaben zukommen und wer welche Erzeugnisse herstellt, nicht zumutbar und nicht möglich sei. Das Verhalten des Klägers erwecke im Übrigen den Eindruck, dass ihm nicht so sehr die Einhaltung der Gesetze am Herzen liege; vielmehr begründe der Ablauf des Geschehens die Vermutung einer Schädigungsabsicht gegenüber der Beklagten. Es könne nämlich nicht ernsthaft angenommen werden, dass Kunden der Beklagten auf einen anderen Markt fahren könnten, um dort beim Kläger Eier zu kaufen. Schließlich wäre auch das Unterlassungsbegehren zu weit formuliert, könne doch der Beklagten nicht das Feilbieten von Produkten gemeinhin untersagt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt.

1. Der Kläger strebt - unter Hinweis auf § 1 UWG - mit seinem Sicherungsbegehren ein Verbot des Anbietens von Lebensmitteln, Verzehrprodukten und sonstigen Waren zum Verkauf auf Märkten, bei Festen, sportlichen Veranstaltungen und sonstigen Anlässen, die mit größeren Ansammlungen von Menschen verbunden sind, durch die Beklagte an. Diese verstoße mit ihrer Tätigkeit gegen § 154 Abs 5 GewO (Marktfahrer). Die Beklagte beruft sich hingegen auf ihre (Neben-)Rechte als Landwirtin gemäß § 2 GewO; jedenfalls habe sie nicht bewusst rechtswidrig gehandelt.

2. Nach § 2 Abs 1 Z 1 und 2 GewO ist die GewerbeO unter anderem nicht auf die Tätigkeiten der Land- und Forstwirtschaft (Abs 2 und 3) sowie der Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft (Abs 4) anzuwenden. Nach Abs 3 gehören zur Land- und Forstwirtschaft die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte (Z 1), das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse (Z 2) und die Jagd und Fischerei (Z 3).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist die Beklagte Eigentümerin von rund 50 Hühnern, die im Stall ihrer Mutter gemeinsam mit deren Hühnern gehalten und von ihrem Stiefvater betreut werden. Sie erzielt daraus zwischen 315 und 350 Eier wöchentlich, in geringem Ausmaß kauft sie auch Eier zu. Sie hat 2 Felder mit einer Fläche von rund 1,5 ha gepachtet, die sie aber nicht selbst bestellt, sondern von einem Nachbarn bestellen lässt. Das dort gewonnene Getreide wird vom Nachbarn verkauft bzw verarbeitet und mit der Beklagten abgerechnet; die Beklagte verwendet das aus diesem Getreide hergestellte Mehl nicht für ihre Mehlspeisen.

Das Halten von Hühnern zur Gewinnung von Eiern ist eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs 3 Z 2 GewO (vgl Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO2 [2003] § 2 Rz 84), der Anbau von Getreide eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 GewO. Ob die Beklagte, die in der Revisionsrekursbeantwortung auf das „Vormerkbuch für landwirtschaftliche Produzenten" verweist, in dem vermerkt sei, dass sie über 572 m² Fläche für Obst verfüge, diese Tätigkeiten tatsächlich im Sinne der GewerbeO ausübt und daher grundsätzlich als Landwirtin anzusehen ist, bedarf jedoch im Hinblick auf folgende Überlegungen keiner abschließenden Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof.

Nach § 2 Abs 4 Z 1 GewO ist die Verarbeitung und Bearbeitung überwiegend des eigenen Naturprodukts ein Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft. Darunter kann grundsätzlich auch die Herstellung von Backwaren fallen (Winkler, Landwirtschaft und Gewerbeordnung nach der Gewerberechtsnovelle 1997 - Zukauf, Verarbeitung und Betriebsanlagenrecht, ZfV 1998, 454).

Voraussetzung für die Annahme eines Nebengewerbes ist allerdings, dass der Charakter des jeweiligen Betriebs als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gewahrt bleibt. Der Wert der allenfalls mitverarbeiteten Erzeugnisse muss gegenüber dem Wert des bearbeiteten oder verarbeiteten Naturprodukts untergeordnet sein. Dies setzt eine mit der Land- und Forstwirtschaft organisatorisch eng verbundene Erscheinungsform des Nebengewerbes und die Unterordnung der gewerblichen Tätigkeit gegenüber der Land- und Forstwirtschaft voraus. Die Unterordnung macht eine vergleichende Gegenüberstellung zwischen der jeweils ausgeübten Tätigkeit der Erzeugung des Naturprodukts und der Tätigkeit der Ver- und Bearbeitung notwendig. Bei diesem Vergleich ist auf alle wirtschaftlichen Merkmale der betreffenden Tätigkeiten, insbesondere auf das Ausmaß der Wertschöpfung, auf die Höhe des Ertrags und der Kosten und auf den Aufwand an Arbeitskräften und Arbeitszeit Bedacht zu nehmen (Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO Rz 88 mwN). Die Frage der organisatorisch engen Verbundenheit der fraglichen Tätigkeit mit der Land- und Forstwirtschaft ist eine solche nach der Verzahnung der betrieblichen Vorgänge, nämlich einerseits der nebengewerblichen Tätigkeit und andererseits des Betriebs der eigentlichen Land- und Forstwirtschaft. Die absolute Grenze für das Unterstellen einer Tätigkeit unter den Begriff des Nebengewerbes besteht dort, wo die Ausübung der betreffenden Tätigkeit dem Erscheinungsbild eines Betriebs entspricht, wie er in Ansehung der jeweils in Frage stehenden Tätigkeit von einem Gewerbetreibenden losgelöst von der Land- und Fortwirtschaft geführt wird (Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO Rz 89 mwN). Für die Frage des Überwiegens des eigenen Naturprodukts wiederum ist der Verkaufswert desselben mit der Summe des Einkaufswerts des zugekauften Naturprodukts plus des Wertes der mitverarbeiteten Erzeugnisse zu vergleichen und auf die 25 % - Regel des § 2 Abs 3 GewO Bedacht zunehmen (Winkler, aaO; 4 Ob 139/05b).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen beschränkt sich der „landwirtschaftliche Betrieb" der Beklagten darauf, dass sie Eigentümerin von 50 Hühnern ist und landwirtschaftliche Flächen weiterverpachtet hat, deren Erträgnisse sie nicht selbst verwertet. Dem gegenüber stellt sie insbesondere Mehlspeisen her, die sie - neben Eierlikör und Eiaufstrich - auf Märkten verkauft. Dabei kauft sie nicht nur Eier, sondern sämtliche weiteren Zutaten für die Herstellung der Mehlspeisen in einem Ausmaß zu, dass sie die 25 % - Grenze bei Weitem überschreitet.

Damit kann sich die Beklagte bei Ausübung ihrer Tätigkeit aber nicht auf die Ausnahmebestimmungen des § 2 GewO berufen. Sie bedürfte vielmehr - so wie der Kläger - einer Gewerbeberechtigung nach § 154 Abs 5 GewO.

Wer bewusst in den gesetzlichen Vorbehaltsbereich einer fremden Gewerbeberechtigung eingreift, um so im Wettbewerb einen Vorsprung gegenüber seinen gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen, handelt sittenwidrig, weil er damit ein Gewerbe ohne Gewerberechtigung, die erst den Zugang zur Ausübung des Gewerbes ermöglicht, ausübt (4 Ob 29/02x = ÖBl-LS 2002/81 - SCHWANGERSCHAFTSTEST mwN; 4 Ob 21/05z - FOTOVERSANDHANDEL). Das Anbieten von Lebensmitteln auf Märkten durch die Beklagte, die nicht über die dafür notwendige Gewerbeberechtigung verfügt, begründet daher einen Verstoß gegen § 1 UWG, vorausgesetzt, dass ihr die Verletzung gewerberechtlicher Vorschriften subjektiv vorwerfbar ist.

3. Die subjektive Vorwerfbarkeit fehlt, wenn bei unterschiedlicher Auslegung der verletzten Vorschrift die Auffassung des Beklagten über ihre Bedeutung durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann. Mit gutem Grund kann eine Auffassung vertreten werden, wenn sie der Rechtsansicht und ständigen Verwaltungspraxis der zuständigen Behörde oder einer mündlichen, als Bescheid zu qualifizierenden Verfügung der zuständigen Verwaltungsbehörde oder einer (schriftlichen) Äußerung der obersten Verwaltungsbehörde in Gewerberechtsangelegenheiten entspricht (4 Ob 21/05z - FOTOVERSANDHANDEL mwN). Die Beklagte kann sich auf keine ständige Verwaltungspraxis, die die von ihr tatsächlich ausgeübte Tätigkeit den Ausnahmebestimmungen des § 2 GewO unterstellte, berufen; ihre Auffassung widerspricht dem insofern eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs 1, 3 und 4 GewO. Die Beklagte konnte daher auch nicht mit gutem Grund der Meinung sein, bereits deshalb keine Gewerbeberechtigung als Marktfahrerin zu benötigen, weil sie Eigentümerin von rund 50 Hühnern ist (die sie nicht selbst betreut) und 1,5 ha gepachtete Landflächen von einem Nachbarn bestellen lässt (die daraus gewonnenen Erzeugnisse aber selbst nicht nutzt).

Der Hinweis der Beklagten auf das „Vormerkbuch für landwirtschaftliche Produzenten" vermag daran nichts zu ändern, weil dieses - ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichts - offensichtlich auf unrichtigen Annahmen beruht und diese Unrichtigkeit der Beklagten zumindest bekannt sein musste. Die Beklagte hat daher den Tatbestand des § 1 UWG auch in subjektiver Hinsicht erfüllt.

4. Die Beklagte macht in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auch Rechtsmissbrauch durch den Kläger geltend; diesem gehe es nicht um die Einhaltung der Gesetze, sondern er wolle die Beklagte schädigen und deren Existenz zerstören. Hintergrund dieses Verfahrens sei eine familienrechtliche Streitigkeit.

Rechtsmissbrauch (§ 1295 Abs 2 ABGB) liegt vor, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt. Der Schädigungszweck muss so augenscheinlich im Vordergrund stehen, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten. Behauptungs- und beweispflichtig für das rechtsmissbräuchliche Vorgehen ist stets derjenige, der den Rechtsmissbrauch behauptet, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt. Begründet der Ablauf eines Geschehens aber die Vermutung der Schädigungsabsicht, ist es Sache des Betreffenden, einen gerechtfertigten Beweggrund für sein Verhalten zu behaupten und zu beweisen (4 Ob 139/03z = EvBl 2004/19 mwN).

Die Beklagte hat sich im Verfahren erster Instanz gar nicht auf Rechtsmissbrauch berufen. Ein die Vermutung der Schädigungsabsicht begründender Ablauf des Geschehens liegt - jedenfalls nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt - auch nicht vor. Gesichert ist lediglich, dass die Parteien Geschwister sind und der Kläger eine inhaltsgleiche Unterlassungsklage gegen die Mutter eingebracht hat. Das Lauterkeitsrecht verbietet die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen Familienangehörige nicht. Auch wenn daher möglicherweise tatsächlich ein familiärer Hintergrund Auslöser für die beiden Unterlassungsklagen gewesen sein mag, kann von einem Rechtsmissbrauch des Klägers nicht ausgegangen werden.

Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt nicht schon darin, dass der Kläger ein Detektivbüro eingeschaltet hat. Dies gilt auch für (angeblich) unrichtige Antragsbehauptungen des Klägers; maßgeblich ist vielmehr, ob die Vorinstanzen einen Sachverhalt festgestellt haben, der zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung geführt hat.

5. Zu Recht macht die Beklagte aber geltend, das Unterlassungsbegehren des Klägers sei jedenfalls zu weit gefasst.

Die Beklagte hat durch den Verkauf von verschiedenen Lebensmitteln auf dem Schlinger- und dem Vorgartenmarkt, ohne über eine Gewerbeberechtigung nach § 154 Abs 5 GewO zu verfügen, gegen § 1 UWG verstoßen. Ausgehend von diesen Wettbewerbsverstößen war ihr daher der Verkauf von Lebensmitteln auf Märkten, wie etwa dem Schlinger- und dem Vorgartenmarkt, zu verbieten, dies aber mit der Einschränkung, solange sie nicht über eine Gewerbeberechtigung im Sinne des § 154 Abs 5 GewO verfügt. Auf Festen, sportlichen Veranstaltungen oder bei sonstigen Anlässen, die mit größeren Ansammlungen von Menschen verbunden sind, hat die Beklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen bislang keine Lebensmittel angeboten; ebenso wenig hat sie bislang auf Märkten Verzehrprodukte oder sonstige Waren angeboten. Dies hat der Kläger, der sein Begehren offensichtlich an der Textierung des § 154 Abs 5 GewO orientiert hat, auch gar nicht behauptet und ebenso wenig vorgebracht, dass die Beklagte beabsichtige, ihre Geschäftstätigkeit entsprechend auszuweiten. Das Unterlassungsgebot war daher insoweit abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 EO iVm § 43 Abs 1, § 50 ZPO. Der Kläger hat den Sicherungsantrag zu weit gefasst. Mangels anderer Anhaltspunkte für die Bewertung werden Obsiegen und Unterliegen mit jeweils 50 % bewertet.