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OGH vom 25.05.2005, 7Ob83/05i

OGH vom 25.05.2005, 7Ob83/05i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johann Kölly, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, gegen die beklagte Partei Johann J*****, vertreten durch Dr. Johann Kuzmich, Rechtsanwalt in Nebersdorf, als Verfahrenshelfer, wegen EUR 38.569,61 sA und Zustimmung zur Ausfolgung von EUR 14.951,11, Gesamtstreitwert EUR 53.520,72, über den Rekurs des Beklagten (Rekursinteresse EUR 48.520,72) gegen den Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgericht vom , GZ 13 R 5/05s-37, womit das Endurteil des Bezirksgerichtes Oberpullendorf vom , GZ 2 C 633/02b-33, infolge Berufung des Beklagten aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1.) Aus Anlass des Rekurses wird der angefochtene Beschluss im Umfang der Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichtes bezüglich einer Abweisung von EUR 5.000,-- samt 10,75 % Zinsen seit als nichtig aufgehoben.

2.) Im Übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei, die dem Beklagten eine Halle in Bestand gegeben hat, in der ein Vormieter ein Autohaus samt Reparaturwerkstatt betrieben hatte, erhob am „Pachtzins- und Räumungsklage". Entsprechend einem rechtskräftigen Teilurteil über das Räumungsbegehren wurde das Bestandobjekt am geräumt. Ihr auf Zahlung rückständigen Pachtzinses gerichtetes restliches Begehren dehnte die Klägerin von ursprünglich EUR 7.630,63 sA mehrfach (erstmals am ) auf insgesamt EUR 53.520,72 aus, wobei hinsichtlich eines gerichtlich hinterlegten Teilbetrages von EUR 14.951,11 dessen Ausfolgung beantragt wurde.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er wendete im Wesentlichen ein, zwischen den Streitteilen sei ein Mietvertrag zustandegekommen. Die Klägerin habe ihm bei Abschluss des Vertrages arglistig verschwiegen, dass die zum Betrieb einer Reparaturwerkstätte bzw eines Autosalons angemieteten Räumlichkeiten nicht über eine aufrechte Betriebsanlagengenehmigung verfügten. Auf Grund des Fehlens der behördlichen Bewilligungen nehme er sein Recht in Anspruch, den Mietzins gemäß § 1096 ABGB herabzusetzen, bis ein gesetzeskonformer Zustand durch Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung hergestellt sei. Der Klagsforderung werde eine Gegenforderung von insgesamt EUR 5.541,98 (EUR 3.000,-- an Verdienstentgang auf Grund einer Unterbrechung der Strom- und Wasserzufuhr und EUR 2.541,98 als Ausgleich für eine „illegale Stromentnahme") kompensando entgegengehalten.

Ein über das Vermögen des Beklagten am eröffneter Konkurs wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 166 KO wieder aufgehoben.

Mit Bescheid des Finanzamtes E***** vom wurden die Bestandzinsforderungen der Klägerin gegen den Beklagten zu Gunsten einer Abgabenschuld der Klägerin von insgesamt EUR 40.738,87 gepfändet und dem Finanzamt überwiesen. Dem Beklagten wurde aufgetragen, im Umfang der Pfändung nicht mehr an den Abgabenschuldner zu zahlen. Das Finanzamt E***** erteilte der Klägerin die Zustimmung zur Fortsetzung des - zufolge der Konkurseröffnung zwischenzeitig unterbrochenen - gegenständlichen Verfahrens.

Der Beklagte brachte in der Streitverhandlung am unter Hinweis auf die erwähnte Pfändung vor, die Klägerin sei nun nicht mehr legitimiert, über allfällige Mietzinsforderungen zu verfügen, weil diese Rechte an das Finanzamt E***** übergegangen seien. Der Klägerin mangle es sohin an der Aktivlegitimation.

Die Klägerin erwiderte, dass das Finanzamt der Verfahrensfortsetzung durch sie zugestimmt und damit ihre Prozessführung ausdrücklich genehmigt habe.

Das Erstgericht stellte mit Endurteil die Klagsforderung hinsichtlich der offenen Bestandzinse mit insgesamt EUR 53.520,72 als zu Recht bestehend fest, erkannte weiters die Gegenforderung mit EUR 5.000,-- als berechtigt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von EUR 33.569,61, „davon den Betrag von EUR 25.787,76 zu Handen des Finanzamtes E*****". Weiters wurde der Beklagte schuldig erkannt, „zu Gunsten des Finanzamtes E*****" der Ausfolgung des gerichtlich hinterlegten Betrages von EUR 14.951,11 zuzustimmen.

Rechtlich führte der Erstrichter dazu im Wesentlichen aus, es liege eine Geschäftsraummiete vor. Dem Beklagten sei kein bestimmter Verwendungszweck zugesagt worden, weshalb ihn das Risiko der Erlangung der erforderlichen behördlichen Genehmigung treffe. Der Beklagte habe selbst Änderungen in der Betriebsanlage vorgenommen, ohne die erforderlichen behördlichen Genehmigungen zu beantragen. Eine Bestandzinsminderung trete daher nicht ein. Der Beklagte habe sein Vorbringen, das Nichtvorliegen einer aufrechten Betriebsanlagengenehmigung sei bei Abschluss des Vertrages arglistig verschwiegen worden, nicht beweisen können. Da feststehe, dass dem Beklagten bezüglich der überhöhten Stromrechnungen und des Verdienstentganges der Ersatz des Schadens gebühre, der Beweis über den streitigen Betrag des zu ersetzenden Schadens aber gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen sei, hätten diese Beträge nach freier Überzeugung festgesetzt werden können (§ 273 ZPO).

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht, das in nichtöffentlicher Sitzung entschied, hob das Ersturteil (zur Gänze) auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Seine Ausführungen lassen sich - soweit im Revisionsverfahren wesentlich - wie folgt darstellen:

Zur Beurteilung des vom Beklagten geltend gemachten Zinsminderungsrechtes nach § 1096 ABGB fehlten noch Feststellungen hinsichtlich des „bedungenen Gebrauches" der Bestandsache. Das Ersturteil sei aber auch noch unter einem anderen Aspekt fehlerhaft: Die vom Finanzamt E***** am zu Gunsten seiner Abgabenforderung von EUR 40.738,87 vorgenommene Pfändung und Überweisung der Bestandforderungen der Klägerin erstrecke sich, da der Begriff „fortlaufende Bezüge" nicht allzu eng auszulegen sei, nach hM auf (laufende) Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, weshalb auch die nach der Pfändung fällig gewordenen Bestandzinse bis zur Höhe der vom Finanzamt betriebenen Forderung gepfändet seien. Nach § 73 AbgEO, der weitgehend § 308 EO entspreche, ermächtige die Überweisung zur Einziehung die Republik Österreich, namens des Abgabenschuldners vom Drittschuldner die Entrichtung des im Überweisungsbescheid bezeichneten Betrages nach Maßgabe des Rechtsbestandes der gepfändeten Forderung und des Eintrittes ihrer Fälligkeit zu begehren und die nicht rechtzeitig und ordnungsmäßig bezahlte Forderung gegen den Drittschuldner in Vertretung des Abgabenschuldners einzuklagen und das für die überwiesene Forderung begründete Pfandrecht geltend zu machen. Die Überweisung einer gepfändeten Forderung zur Einziehung bewirke somit vor allem, dass grundsätzlich nur mehr der Überweisungsgläubiger berechtigt sei, die überwiesene Forderung gegen den Drittschuldner im Prozess oder im Exekutionsverfahren geltend zu machen. Vorliegend sei die Bestandzinsklage wohl vor der Pfändung erhoben worden. Allerdings habe das ursprüngliche Zahlungsbegehren nur auf EUR 7.630,63 gelautet und sei erst nach der Pfändung der Bestandzinsforderungen (mehrmals) ausgedehnt worden. Dennoch sei die Sachlegitimation der Klägerin nicht nur hinsichtlich des vor der Zustellung des Zahlungsverbotes (der genaue Zeitpunkt der Zustellung stehe nach dem bisherigen Verfahren nicht fest) eingeklagten Betrages zu bejahen. Die Sachlegitimation umfasse auch eine vor der Pfändung angemeldete Konkursforderung, zumal die Anmeldung im Konkurs hier als eine Art Klagssubstitut gelte. Anders als durch Anmeldung vor dem Konkursgericht könne der Kläger nämlich seine Bestandzinsforderung nicht geltend machen. Aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen könne aber nicht erschlossen werden, wann und in welchem Umfang eine Forderung der Klägerin im Konkurs des Beklagten angemeldet worden sei. Die Sachlegitimation der Klägerin sei allerdings auch hinsichtlich der an das Finanzamt vor gerichtlicher Geltendmachung durch sie überwiesenen Beträge gegeben, da nach stRsp und hL (zu der mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren gerichtlichen Exekution) der Verpflichtete in einem solchen Fall mit Zustimmung des Überweisungsgläubigers zur Geltendmachung des überwiesenen Anspruches befugt sei. Daran sei festzuhalten: Der Gesetzgeber habe durch die mit der ASGG-Novelle 1994 eingeführte „Notprozessführungsbefugnis" des Verpflichteten bei beschränkt pfändbaren Forderungen (§ 308a EO) ein besonderes Klagerecht des Verpflichteten geschaffen. Es sei für die Fälle vorgesorgt worden, in denen dem betreibenden Gläubiger eine beschränkt pfändbare Forderung zur Einziehung überwiesen worden sei, dieser aber die Forderung nicht einziehe bzw nicht einziehen wolle. Dass das Gesetz dabei in erster Linie (nur) auf die Gehaltsexekution abziele, sei bereits kritisiert worden, sei aber wohl auf die praktische Bedeutung der Gehaltsexekution zurückzuführen. Die Regierungsvorlage habe dazu auch herausgestrichen, dass die Verpflichteten bei beschränkt pfändbaren Forderungen besonders schutzwürdig seien (RV 1654 BlgNR 18. GP, 28f). Würde eine Klagsführung trotz Zustimmung des betreibenden Gläubigers nach allgemeinen Erwägungen tatsächlich unzulässig sein, wäre es unverständlich, warum der Gesetzgeber des Jahres 1994 dies nicht zumindest für den Bereich der Gehaltsexekution geregelt hätte. Dass vom Gesetzgeber durch die Einführung des § 308a EO (nur) auf die Säumnis des Überweisungsgläubigers, nicht aber auf dessen mögliche Zustimmung Rücksicht genommen wurde, sei leicht zu erklären: Mit Hinblick auf die oben zitierte hA habe sich eine derartige Regel nicht als notwendig erwiesen. Für den Bereich der hier zu behandelnden Abgabenexekution könne nichts anderes gelten, zumal § 73 AbgEO weitgehend § 308 EO entspreche. In der Rechtsprechung seien bisher beide Bestimmungen diesbezüglich rechtlich nicht unterschiedlich beurteilt worden. Die Zustimmung des Überweisungsgläubigers (hier des Finanzamtes E*****) liege im vorliegenden Fall durch die vom Finanzamt am gegebene Zustimmung zur Fortsetzung des Verfahrens vor. Das Finanzamt habe dadurch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es mit der Klagsführung durch die Klägerin betreffend den an es überwiesenen Betrag einverstanden sei.

Trotz der - hier also die Sachlegitimation der Klägerin betreffend den gesamten überwiesenen Betrag bewirkenden - Zustimmung des Finanzamtes habe ein Verpflichteter hinsichtlich des überwiesenen Betrages allerdings nur die Möglichkeit, auf Zahlung an den Überweisungsgläubiger (das Finanzamt) zu klagen. Davon sei das Erstgericht auch ausgegangen, ohne jedoch auf das Klagebegehren Rücksicht zu nehmen, das jedenfalls - gleichgültig ob vor oder nach der Pfändung entstandene Bestandforderungen geltend gemacht würden - auf Zahlung an den Überweisungsgläubiger lauten müsse. Das Erstgericht habe hinsichtlich der überwiesenen Forderung wohl „zu Handen des Finanzamtes" verurteilt. Ein solches Urteilsbegehren sei aber nicht gestellt worden. Vielmehr hätte der Klägerin Gelegenheit gegeben werden müssen, das zur Gänze auf Zahlung an sie (die Verpflichtete) lautende Klagebegehren entsprechend zu ändern. Es handle sich hier um ein verfehltes Klagebegehren, das aber einer amtswegigen Modifizierung nicht offen stehe. Dass der Klägerin keine Gelegenheit gegeben wurde, das Klagebegehren umzustellen, müsste mangels Rüge im Berufungsverfahren nicht aufgegriffen werden. Allerdings würde es gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen des § 182a ZPO sprechen, die Klage im Berufungsverfahren insoweit abzuweisen. Das Erstgericht werde mit den Parteien das verfehlte Klagebegehren zu erörtern und der Klägerin Gelegenheit zu geben haben, es hinsichtlich der überwiesenen Forderung im aufgezeigten Sinn richtig zu formulieren.

Die Pfändung einer Forderung erstrecke sich gewöhnlich auf die gesamte Forderung als Exekutionsobjekt. Davon sei die Überweisung einer Geldforderung, die als solche teilbar sei, zu unterscheiden, die immer nur bis zur Höhe der Geldforderung erfolge. Nachdem hier dem Finanzamt die gepfändete Forderung nur teilweise, bis zur geringeren Höhe des betriebenen Anspruches überwiesen worden sei, sei die Klägerin nicht gehindert, die - gleichfalls mit einem exekutiven Pfandrecht belastete - Restforderung einzuklagen. Soweit die (insofern auch ohne Zustimmung des Finanzamtes sachlegitimierte) Klägerin den mitgepfändeten, jedoch nicht überwiesenen Forderungsteil geltend mache, könne sie nur auf Gerichtserlag klagen. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren auch diesen Umstand zu berücksichtigen haben. Auch hier würde eine Abweisung des entsprechenden Klagsbetrags im Berufungsverfahren dem Verbot von Überraschungsentscheidungen widersprechen.

Die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles sei daher unvermeidlich, zumal durch eine umfassende Beweisergänzung im Berufungsverfahren ein bedeutend höherer Aufwand als durch eine vom Erstgericht noch vorzunehmende Verfahrensergänzung entstünde, die jedenfalls an das schon unmittelbar durchgeführte Beweisverfahren anknüpfen könne.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil eine einheitliche Rechtsprechung zur Frage des Verbotes von Überraschungsentscheidungen im Berufungsverfahren im Allgemeinen und betreffend die unrichtige Formulierung bei gepfändeten und überwiesenen Forderungen im Besonderen fehle.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Beklagten, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben und in der Sache selbst zu erkennen, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. In eventu möge der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werden.

Die Klägerin hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Zum Punkt 1.) des Urteilsspruches:

Das Erstgericht hat die Gegenforderung des Beklagten mit EUR 5.000,-- als berechtigt erkannt und der Klägerin - obwohl es die Klagsforderung hinsichtlich der offenen Bestandzinse mit insgesamt EUR 53.520,72 als zu Recht bestehend feststellte - folgerichtig nur insgesamt EUR 48.520,72 zugesprochen. Wenn auch eine spruchmäßige Abweisung des Mehrbegehrens von EUR 5.000,-- unterblieb, kann nach den Entscheidungsgründen des Ersturteiles kein Zweifel daran bestehen, dass der Entscheidungswille des Erstgerichtes auf Abweisung des genannten Betrages gerichtet war.

Dass dies auch von den Parteien so verstanden wurde, zeigen die Ausführungen in der Berufung des Beklagten und in der Berufungsbeantwortung. Darin wurde von der Klägerin ausdrücklich betont, dass das Erstgericht die Gegenforderung zu Recht unter Anwendung des § 273 ZPO mit EUR 5.000,-- festgesetzt habe. Obwohl das Ersturteil im Umfang der - also erschließbaren - Abweisung von EUR 5.000,-- unbekämpft blieb, hat das Berufungsgericht das angefochtene Ersturteil zur Gänze aufgehoben. Aus Anlass des zulässigen (dazu gleich) Rekurses des Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes war daher von Amts wegen der dem Berufungsgericht unterlaufene Verstoß gegen die Rechtskraftwirkung des erstinstanzlichen Urteiles aufzugreifen.

2.) Zum Punkt 2.) des Urteilsspruches:

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund - insbesondere zur Rechtslage nach Einfügung des § 182a ZPO durch Art II Z 14 ZVN 2002 fehlt noch oberstgerichtliche Judikatur - zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Der erkennende Senat erachtet die Rekursausführungen des Beklagten für nicht stichhältig, die damit bekämpfte eingehende Entscheidungsbegründung des angefochtenen Beschlusses hingegen in allen Punkten - sowohl im Ergebnis, als auch in der methodischen Ableitung - für zutreffend. Gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz iVm § 528a ZPO reicht es daher aus, auf die Richtigkeit der Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz hinzuweisen und diese, auf die Rechtsrüge des Rekurswerbers Bezug nehmend, lediglich wie folgt zu ergänzen:

Die Rechtsrüge des Beklagten, der allen anderen vom Berufungsgericht geäußerten und vielfach durch Zitate oberstgerichtlicher Judikatur belegten Rechtsmeinungen ohnehin gar nicht (mehr) widerspricht, wendet sich allein gegen die Auffassung der zweiten Instanz, eine darauf, dass die Klägerin nicht Zahlung an das Finanzamt bzw Gerichtserlag begehrt habe, gestützte sofortige Klagsabweisung würde dem Verbot von Überraschungsentscheidungen widersprechen. Er, der Beklagte, habe seinen Antrag, das Klagebegehren abzuweisen, ausdrücklich auch mit der mangelnden Aktivlegitimation der klagenden Partei begründet und dieses Thema sei vom Erstgericht auch ausführlich erörtert worden. Da eine Partei stets damit rechnen müsse, dass sich das Gericht dem Standpunkt der Gegenseite anschließt, könne hier von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden; Erst- bzw Berufungsgericht seien nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin auf die notwendige Änderung des Klagebegehrens hinzuweisen.

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Die durch die ZVN 2002 eingefügte Bestimmung des § 182a ZPO normiert die Pflicht des Gerichtes, das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern und schreibt das von der Rsp schon bisher aus § 182 ZPO abgeleitete „Verbot von Überraschungsentscheidungen" fest (Beran ua, [Franz] Klein, aber fein; Die Zivilverfahrensnovelle 2002 aus Sicht des „Arbeitskreises-Verfahrensvereinfachung" in RZ 2002, 258 [265]). Danach darf das Gericht, sieht man von Nebenansprüchen (Zinsen, Kosten uä) ab, seine Entscheidung nur auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, stützen, wenn es sie zuvor mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Damit wurde die stRsp, dass die Parteien von einer Rechtsansicht nicht überrascht werden dürfen (SZ 57/85; SZ 63/138; ZVR 1997/147 uva; RIS-Justiz RS0037300), in das Gesetz aufgenommen. Überraschend war allerdings nach der bisherigen Judikatur nur eine Rechtsansicht, wenn sie bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz von keiner der Parteien ins Treffen geführt wurde und daher keine Gelegenheit zur Stellungnahme bestand (SZ 72/28; JBl 2002, 385; Schragel in Fasching/Konecny2 II/2 §§ 182, 182a Rz 10). Wie der genannte Autor zutreffend fortfährt, erweitert § 182a ZPO nun die Pflichten der Gerichte, weil eine Partei auch erkennbar rechtliche Gesichtspunkte, die von der Gegenseite bereits ins Spiel gebracht worden waren, übersehen oder für unerheblich gehalten haben kann. Erkennt dies das Prozessgericht, hat es im Rahmen der Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens darauf hinzuweisen; erkannte das Prozessgericht den Irrtum der Partei nicht, war er aber erkennbar, was nach der Aktenlage überprüfbar ist, liegt ein Verfahrensmangel vor.

Auch wenn, wie erwähnt, anzunehmen ist, dass die ZVN 2002 die Erörterungs- und Anleitungspflicht des Gerichtes erweitert, hat es jedoch grundsätzlich dabei zu bleiben, dass sich die Manuduktionspflicht des Gerichtes im Rahmen des behaupteten Anspruches zu bewegen hat; nur in diesem Bereich ist auf eine Vervollständigung des Sachvorbringens oder auch darauf zu dringen, dass das Begehren schlüssig gemacht werde (SZ 70/199; Schragel aaO Rz 11). Die Anleitungspflicht (vgl dazu JBl 1970, 623 uva; RIS-Justiz RS0037166) ist durch § 182a ZPO nur insofern als erweitert anzusehen, dass nun auf ein verfehltes Klagebegehren, das nicht dem offenkundig verfolgten Rechtsschutzziel der Partei entspricht, aufmerksam zu machen und dem Kläger Gelegenheit zu geben ist, sein Klagebegehren auch dann zu ändern, wenn dies eine Klagsänderung darstellt (Schragel aaO). Bei Identität des Rechtsschutzzieles ist eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu erwarten, auch wenn nun über ein abweisungsreif gewesenes Klagebegehren zu verhandeln ist; immerhin ist nach stRsp die Aussichtslosigkeit des Erstbegehrens kein Grund, eine Klageänderung nicht zuzulassen; eine Klagsänderung ist vielmehr tunlichst zuzulassen, wenn dadurch ein neuer Prozess vermieden und das Ziel der endgültigen und erschöpfenden Bereinigung des Streites erreicht werden kann (Rechberger/Frauenberger in Rechberger2 , § 235 ZPO Rz 7 mwN). Die Rechtsprechung, die Anleitungspflicht des Gerichtes gehe nicht so weit, es einer Partei zu ermöglichen, ein abzuweisenden Klagebegehren durch eine Klagsänderung so abzuändern oder zu erweitern, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Stattgebung noch gegeben sein könnten (SZ 56/104; JBl 1988, 730 ua), entspricht daher nicht den Intentionen der ZVN 2002. Es ist einem Gericht überhaupt nicht zumutbar, in falsch verstandener Objektivität eine Partei ohne Hinweis für sie schädliche Handlungen setzen zu lassen (Schragel aaO).

Eine genaue Abgrenzung der vom Gericht in diesem Sinne wahrzunehmenden Prozessleitungspflicht ist nicht möglich, sondern jeweils nach den Umständen des Falles zu beurteilen (JBl 1990, 802). Die Prozessleitungspflicht geht aber nicht so weit, den Kläger etwa auf Rechtsgründe, die sich nicht einmal andeutungsweise aus den vorgetragenen (und allenfalls zu ergänzenden oder zu präzisierenden) Tatsachen ergeben, sondern ein anderes Tatsachenvorbringen erfordern, hinweisen zu müssen. Das Vorbringen des Klägers ist das Substrat, aus dem die Berechtigung des Begehrens abzuleiten ist; andere Tatsachen dürfen vom Gericht nicht unterstellt werden (Schragel aaO mwN).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, es dürfe die Klägerin mit seiner betreffenden Rechtsansicht nicht überraschen, insoweit liege ein Erörterungsmangel vor, entgegen der Auffassung des Rekurswerbers zu billigen. Die Klägerin hat auf den im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Einwand des Beklagten, sie sei zur Geltendmachung der Mietzinsforderungen nicht mehr legitimiert, weil die Ansprüche an das Finanzamt überwiesen worden seien, lediglich auf die Zustimmung des Finanzamtes zur Verfahrensfortsetzung und damit zu ihrer Prozessführung hingewiesen. Sie hat die Rechtslage damit ganz offenbar insoweit verkannt, als sich ihre Sachlegitimation zufolge Pfändung und Überweisung auf ein Begehren auf Zahlung an das Finanzamt bzw auf Gerichtserlag beschränken musste. Die Klägerin hat demnach iSd § 182a zweiter Satz ZPO einen rechtlich bedeutsamen Gesichtspunkt erkennbar übersehen.

Dies hat das Erstgericht zwar, wie dessen Zuspruch „zu Handen des Finanzamtes" zeigt, grundsätzlich erkannt. Der Erstrichter ist aber seinerseits ganz offensichtlich davon ausgegangen, ein derartiger Zuspruch sei ihm auf Grund seiner Befugnis, dem Urteilsspruch eine klare(re) und deutlichere, vom Begehren abweichende Fassung geben zu können, ohne weiteres möglich (Stohanzl, ZPO15 § 405 E 3; Fucik in Fasching/Konecny2 III § 405 ZPO Rz 17 mwN). Nach hM ist in diesem Zusammenhang nicht nur der Wortlaut des Begehrens, sondern auch der Inhalt der Klage zu beachten (SZ 27/12; EvBl 1957/258; EvBl 1958/257; vgl RIS-Justiz RS0041254). Maßgebend ist neben dem Begehren daher der geltend gemachte anspruchsbegründende Sachverhalt, nicht aber einzelne im Verfahren hervorgekommene Beweisergebnisse (Stohanzl, ZPO15 § 405 E 6). In der Judikatur wurde daher in manchen Fällen etwa der Erlag bei einem Notar oder bei Gericht als Minus gegenüber der unmittelbaren Leistung an den Kläger angesehen (JBl 1971, 572; SZ 56/194 ua). Nach stRsp stellt ebenso auch im Falle der Erfüllungsübernahme die Verurteilung zur Zahlung an den Gläubiger statt an den Schuldner vor Zahlung durch diesen lediglich ein Minus dar und wird daher eine entsprechende, amtswegige Richtigstellung eines, ungeachtet des Umstandes, dass der Schuldner seinerseits noch gar nicht geleistet hat, auf Zahlung an ihn lautenden Klagebegehrens gefordert bzw akzeptiert (SZ 69/18 = EvBl 1996/78 = ecolex 1996, 360 = ÖBA 1996, 815 = MietSlg 48.639; Rechberger in Rechberger2 § 405 Rz 5; Fucik aaO § 405 ZPO Rz 44).

Hingegen muss im vorliegenden Fall, in dem die klagsgegenständliche Forderung im Verlauf des Verfahrens gepfändet und überwiesen wurde und die Klägerin erst über entsprechenden Einwand der Beklagten lediglich die Zustimmung des Überweisungsgläubigers zur Verfahrensfortsetzung vorbrachte, auch wenn eine gewisse Parallelität zu den Fällen der Erfüllungsübernahme gegeben zu sein scheint, die Verurteilung zur Zahlung an den Überweisungsgläubiger anstelle der Klägerin doch wohl als Aliud und nicht als Minus bezeichnet werden. Dafür spricht insbesondere auch der Umstand, dass § 308a Abs 3 EO ausdrücklich vorsieht, dass eine Änderung des Klagebegehrens auf Leistung einer gepfändeten und überwiesenen, beschränkt pfändbaren Forderung an den betreibenden Gläubiger ohne Zustimmung des Beklagten möglich ist. Dies ausdrücklich zu bestimmen bzw auszusprechen würde sich nämlich erübrigen, wäre eine solche Änderung des Begehrens ohnehin - als Minus - jeweils auch von Amts wegen vorzunehmen und in einem solchen Fall daher auch amtswegig ohne weiteres auf Zahlung an den Überweisungsgläubiger zu verurteilen (vgl Angst/Jakusch/Mohr, EO14, die in Anm 10 zu § 308a die Ansicht vertreten, bei verfehltem, zur Gänze auf Zahlung an den Verpflichteten lautendem Klagebegehren sei die Klage daher nicht abzuweisen, sondern es sei dem Verpflichteten bzw dem in den Rechtsstreit eingetretenen betreibenden Gläubiger Gelegenheit zur Richtigstellung des Klagebegehrens zu geben).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die demnach gegebene Notwendigkeit, Zahlung an das Finanzamt E***** als Überweisungsgläubiger zu verlangen, sei mit der Klägerin zu erörtern und dieser müsse die Möglichkeit zu einer Klagsänderung iSd § 308a Abs 3 EO gegeben werden, ist daher zu billigen.

Eine entsprechende Verfahrensergänzung konnte nicht vom Berufungsgericht selbst vorgenommen werden, da dieses nicht nach mündlicher Berufungsverhandlung, sondern in nichtöffentlicher Sitzung entschieden hat. Dieses Vorgehen ist aus Gründen der Prozessökonomie deshalb nicht zu beanstanden, da das erstinstanzliche Verfahren auch hinsichtlich der Frage eines Zinsminderungsrechtes nach § 1096 ABGB an Mängeln (sekundären Feststellungsmängeln) leidet, die auch im Falle einer entsprechenden Modifikation des Klagebegehrens durch die Klägerin jedenfalls eine Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht erforderlich machten.

Der Rekurs muss erfolglos bleiben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.