OGH vom 27.04.1999, 4Ob86/99x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz und Dr. Christian Reimitz, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei T*****, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 500.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 10/99h-6, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom , GZ 22 C 216/98a-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1. Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften im Sinn des § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.
2. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Art 177 EGV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art 1 der Verordnung (EG) Nr 3295/94 des Rates vom über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr L 341 vom ) dahin auszulegen, daß diese Verordnung auch auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, bei denen Waren der in der Verordnung näher bezeichneten Art, die auf der Durchfuhr (Transit) aus einem nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörenden Staat in einen nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörenden Staat auf Antrag eines eine Verletzung seiner Rechte behauptenden Rechtsinhabers, dessen Unternehmen seinen Sitz in einem der Europäischen Gemeinschaft angehörigen Staat hat, von Zollbehörden eines Mitgliedsstaats unter Berufung auf die genannte Verordnung in einem Mitgliedstaat vorläufig angehalten werden.
Text
Begründung:
I. Sachverhalt
Die Klägerin - ein Erzeuger auf dem Gebiete des Bekleidungssektors - besitzt Markenrechte an den Bezeichnungen "Boss" und "Hugo Boss". Sie hat unter Berufung auf diese Rechte bei den österreichischen Zollbehörden einen Bescheid nach Art 3 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 3295/94 des Rates vom (im folgenden Antipiraterieverordnung) erwirkt. Danach wurde ihr die Aussetzung der Überlassung bzw die Zurückbehaltung von Waren durch die Zollämter, wenn sie zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, zur Ausfuhr oder Wiederausfuhr angemeldet werden, bewilligt, sofern es sich bei den Waren um Nachahmungen oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen im Sinn des Art 1 Abs 2 lit a der genannten Verordnung handelt.
II. Anträge der Klägerin
Die Klägerin begehrt die Verurteilung der in Slowenien ansässigen Beklagten
1. es zu unterlassen, Bekleidungsstücke anzubieten, zu verkaufen und/oder zu vertreiben, die das Firmenschlagwort und die Standardmarke der Klägerin aufweisen, soweit es sich nicht um Erzeugnisse der Klägerin handelt,
2. auf Kosten der Beklagten von Kleidungsstücken, die nicht von der Klägerin stammen, die Marke "BOSS" zu entfernen und bei nicht entfernbaren Boss-Kennzeichen die Bekleidungsstücke zu vernichten,
3. über den Verkauf von Bekleidungsstücken, die das Firmenschlagwort und die Standardmarke der Klägerin, nämlich "BOSS", enthalten und nicht von der Klägerin stammen, Rechnung zu legen und
4. die Veröffentlichung des über die Klage ergehenden Urteils. Das Firmenschlagwort der Klägerin "BOSS" sei durch verschiedene internationale und nationale Marken weltweit geschützt, die Klägerin sei in Österreich unter anderem Inhaberin der unter der Nr AM 72/63 für Oberbekleidungsstücke registrierten Marke BOSS. Die Beklagte verkaufe Bekleidungsstücke, wobei die nicht von der Klägerin stammenden Ware deren Firmenschlagwort und Standardmarke "BOSS" aufweise. Auf Grundlage der Antipiraterieverordnung sei für die Beklagte bestimmte markenrechtsverletzende Ware am Flughafen Klagenfurt festgestellt und zurückgehalten worden. Nach deren allfälliger Freigabe würde sie in Österreich verkauft oder von Österreich ins Ausland geliefert. Damit würde die Beklagte ihre markenverletzende Handlung vom Flughafen Klagenfurt aus fortsetzen. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf Unterlassung erkennbar auf § 9 Abs 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (im folgenden UWG), ihren Rechnungslegungsanspruch auf § 56 Markenschutzgesetz (im folgenden MSchG) und ihre Beseitigungs- und Veröffentlichungsansprüche auf § 15 UWG.
III. Die Entscheidungen der Vorinstanzen:
Das Erstgericht wies die Klage wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit zurück. Es stellte fest, daß die Ware aus Thailand versendet wurde und im Postweg nach Slowenien an die Beklagte weiterbefördert werden sollte. Die Befürchtung der Klägerin, die Ware werde nach allfälliger Freigabe in Österreich zum Verkauf gelangen, sei jedenfalls unbegründet. Die Klägerin habe auch keine von der Beklagten begangene Handlung behauptet, die den Gerichtsstand nach § 83c Abs 1 Jurisdiktionsnorm (JN) als Voraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit begründen könnte. Danach komme es für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit auf das "Einlangen" der Ware an. Der Begriff des "Einlangens" sei auf das Ende des Transportweges abzustellen; bei reinen Transitvorgängen lange die Ware erst am Ende des Transportweges (im vorliegenden Fall sohin in Slowenien) ein. Damit fehle es aber an einem die inländische Gerichtsbarkeit Österreichs begründenden Sachverhalt.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob die Antipiraterieverordnung bei einem reinen Transitvorgang auf die Zuständigkeitsprüfung nach § 83c Abs 3 JN Einfluß nehme oder ob Österreich aufgrund des völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung der Gerichtsbarkeit verpflichtet sei, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle. Die Beklagte habe ihren Sitz nicht im Inland, so daß für die örtliche Zuständigkeit (als nach § 27a JN einzige positive Voraussetzung für die inländische Gerichtsbarkeit) nur § 83c Abs 3 JN in Betracht komme. Danach gelte für die Zuständigkeit jeder Ort des Inlands als Begehungsort, an dem der Gegenstand eingelangt ist. Hinsichtlich des Begriffs "Einlangen" sei aber auf das Ende des Transportweges abzustellen, um nicht den Gerichtsstand in unabsehbarer Weise auszuweiten. Im vorliegenden Fall sei der Empfänger der Ware ein Unternehmen in Slowenien, die Ware sei auf dem Transport dorthin lediglich angehalten worden. Eine entsprechende Nahebeziehung zum Sprengel des angerufenen Gerichts im Sinn des § 83c Abs 3 JN liege damit nicht vor. Überdies lasse die Antipiraterieverordnung die nationalen Vorschriften über die Zuständigkeit der Justizbehörden ausdrücklich unberührt, so daß sich die Klägerin zur Begründung der Zuständigkeit nicht auf diese Verordnung stützen könne.
IV. Das dem Obersten Gerichtshof vorgelegte Rechtsmittel
Gegen den Beschluß des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Gericht erster Instanz die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen; sie stellt weiters den Eventualantrag, gemäß § 28 JN das Landesgericht Klagenfurt oder ein anderes Gericht als örtlich zuständig zu bestimmen.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits im Verfahren 4 Ob 244/98f dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die aus dem Spruch ersichtliche Frage gemäß Art 177 EGV zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieses Ersuchen ist zur Geschäftszahl C-383/98 (Vorabentscheidungsersuchen The Polo/Lauren Company gegen PT. Dwidna Langgeng Pratama International Freight Forwarders) anhängig. Das nun gestellte Ersuchen weicht vom früheren nur insoweit ab, als die Markenberechtigte ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft begründet hat, was im früheren Vorabentscheidungsersuchen nicht der Fall war (der Unternehmenssitz der Markenberechtigten im Vorprozeß befindet sich in den USA).
Auch im vorliegenden Verfahren sind die bereits an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften herangetragenen Fragen wesentlich, so daß die Vorlage zur Vorabentscheidung unter Angabe der im vorangehenden Ersuchen formulierten Ausführungen wie folgt wiederholt wird:
V. Österreichische Rechtslage
Inländische Gerichtsbarkeit besteht nach § 27a JN idF BGBl 1997 I/140 in bürgerlichen Rechtssachen ohne weitere Voraussetzung immer dann, wenn die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts gegeben ist und Völkerrecht nichts anderes bestimmt. Die Klägerin macht Ansprüche aus gewerblichem Rechtsschutz geltend; es käme daher - weil die Beklagte ihren Sitz nicht im Inland hat - allenfalls der Gerichtsstand des § 83c Abs 1 letzter Satz JN in Betracht, der jenes Gericht für zuständig erklärt, in dessen Sprengel die gesetzwidrige Handlung begangen worden ist. Wird diese Handlung - wie hier - durch vom Ausland abgesendete Gegenstände bewirkt, gilt nach § 83c Abs 3 JN für die Zuständigkeit - soweit hier in Betracht kommend - jener Ort des Inlands als Begehungsort, wo der Gegenstand eingelangt ist. Es stellt sich demnach die Frage, ob das von Zollbehörden in Anwendung einer gemeinschaftsrechtlichen Verordnung verursachte Anhalten von Transitwaren im Inland auch dann, wenn Absender und Empfänger der Ware ihren Sitz in Drittländern haben, als Einlangen der Ware im Sinn des § 83 Abs 3 JN zu beurteilen ist. Sind aber für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben, so hat der Oberste Gerichtshof gemäß § 28 Abs 1 Z 1 JN aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung der Gerichtsbarkeit verpflichtet ist.
VI. Vorlagefrage
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin vertritt den Standpunkt, die Antipiraterieverordnung verlange eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 83c Abs 3 JN. Art 1 Abs 1 dieser Verordnung erfasse neben der Ein- und Ausfuhr ausdrücklich auch die Wiederausfuhr. Nach Art 1 Abs 2 der Verordnung seien "nachgeahmte Waren" solche, auf denen ohne Zustimmung des Markenrechtsinhabers Marken angebracht sind. Derartige Waren dürften nach Art 2 der Verordnung weder eingeführt noch ausgeführt noch wiederausgeführt werden und seien gemäß Art 3 Abs 2 zurückzuhalten. Die Mitgliedstaaten seien nach Art 8 der Verordnung verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die "zuständigen Stellen" für eine Vernichtung der nachgeahmten Waren und für eine Verhinderung einer Schädigung des Rechtsinhabers sorgen. Diese Verordnung gelte nach ihrem Art 17 seit , sei in allen Teilen verbindlich und gelte unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Bei gemeinschaftskonformer Auslegung des § 83c Abs 3 JN sei der Ort der zollamtlichen Zurückhaltung der Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit.
Dem Vorbringen der Klägerin ist zu entnehmen, daß sie sich auch auf die inländische Gerichtsbarkeit begründet durch völkerrechtlichen Vertrag beruft. Sie bringt dazu ausdrücklich vor, daß - sollte nicht schon die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 83c Abs 3 JN die örtliche Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts ergeben - die Voraussetzungen für die Ordination eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof nach § 28 JN vorliegen. Ihrem Vorbringen ist damit zu entnehmen, die inländische Gerichtsbarkeit bestehe schon unmittelbar aufgrund der Verordnung (die ihrerseits auf dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, somit auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruht).
Dieser Argumentation könnte das Ziel der genannten Verordnung (die wirksame Bekämpfung des illegalen Inverkehrbringens der dort genannten Waren) entgegengehalten werden. Damit soll verhindert werden, daß derartige Waren auf den Markt gelangen; soweit derartige Waren aus Drittländern eingeführt werden, soll ihre Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren in der Gemeinschaft verhindert werden. Art 1 Buchstabe a der Verordnung knüpft daher die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Zollbehörden hinsichtlich bedenklicher Waren an die Voraussetzung, daß die Waren zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, zur Ausfuhr oder zur Wiederausfuhr oder zur Überführung in ein Nichterhebungsverfahren angemeldet werden. Die von Gemeinschaftsorganen geschaffenen Rechtsnormen (sekundäres Gemeinschaftsrecht), zu denen auch die Antipiraterieverordnung zählt, stehen in der Normenhierarchie des Gemeinschaftsrechts unterhalb der Vorschriften des EG-Vertrages. Die Ziel-, Aufgaben- und Tätigkeitsbestimmungen sowie die Grundsätze des Vertrags sind geltendes Recht, binden unmittelbar die Gemeinschaftsorgane und die Mitgliedstaaten und fungieren zugleich als oberster Maßstab für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts (EuGH Rs 14/68 - Walt Wilhelm Slg 1969 1, 14; Rs 27/76 - United Brands Slg 1978, 207; Rs 85/76 - Hoffmann-La Roche, Slg 1979/461, 520 ua). Der EGV hat der Gemeinschaft die Aufgabe gestellt, einen gemeinsamen Markt zu errichten (Art 2), also einen Wirtschaftsraum, in dem Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital im Rahmen einer einheitlichen Wettbewerbsordnung frei zirkulieren können. Die Tätigkeit der Gemeinschaft umfaßt daher unter anderem alle Maßnahmen zur Herstellung und Aufrechterhaltung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt (Art 3 Buchstabe g EGV). Der räumliche Anwendungsbereich des Vertrags entspricht - mit hier nicht interessierenden Ausnahmen - dem Gebiet seiner Mitgliedstaaten (Art 227 EGV). Der Europäische Gerichtshof stellt daher bei Prüfung internationaler Sachverhalte in erster Linie darauf ab, ob die beanstandete Handlung - sei es auch nur mittelbar oder nur teilweise - auch innerhalb der Gemeinschaft begangen wurde (Territorialitätsprinzip vgl Rs 48/69 - Imperial Chemical Industries Slg 1972, 619; Rs 6, 7/73 - Commercial Solvents Slg 1974, 233). Besonders deutlich wird dieser Grundsatz im Bereich des Wettbewerbsrechts, wo der Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts von jenem der nationalen Rechte durch die sogenannte "Zwischenstaatlichkeitsklausel" im Sinn einer Kollisionsnorm abgegrenzt wird: Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen werden nur dann vom Verbot des Art 85 Abs 1 EGV erfaßt, wenn sie geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Eine konkrete Maßnahme unterliegt nur dann dem Gemeinschaftsrecht, wenn sie aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände geeignet ist, die Freiheit des Handels zwischen den Mitgliedstaaten in einer Weise zu gefährden, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteilig sein kann. Eine Beeinträchtigung liegt immer nur dann vor, wenn sich bei einem Vergleich des Wirtschaftsverkehrs infolge der wettbewerbsbeschränkenden Maßnahme mit dem (hypothetischen) Wirtschaftsverkehr ohne diese Maßnahme ergibt, daß sich der Wirtschaftsverkehr ohne diese Maßnahme anders entwickelt hätte oder anders hätte entwickeln können, er also von seinem normalen von Wettbewerbsbeschränkungen freien Weg abgelenkt wurde oder abgelenkt worden sein könnte (Bleckmann, Das Recht der Europäischen Gemeinschaft5 Rz 1268 ff mwN). Diese Praxis der Gemeinschaftsorgane bei Anwendung von Gemeinschaftsrecht auf Sachverhalte mit extraterritorialem Bezug entspricht damit den in Lehre und Praxis unstreitigen allgemeinen Grundregeln des Völkerrechts über Hoheitsausübung mit exterritorialem Bezug, wonach staatliches Recht nur dort exterritorial gelten kann, wo anerkannte Anknüpfungspunkte zu einer Person, einer Sache, einem Sachverhalt oder einem Rechtsverhältnis vorliegen, um für diese Adressaten oder Regelungsgegenstände eine hoheitliche Regelung zu erlassen.
Aus diesen grundsätzlichen Überlegungen folgt, daß man mit guten Gründen den Standpunkt vertreten kann, die Antipiraterieverordnung knüpfe nur an solche Sachverhalte an, durch die Waren der dort näher definierten Art in den gemeinsamen Markt gelangen können, oder die sonst geeignet sind, eine Wirkung auf diesen Markt hervorzurufen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist bei einem reinen Transitvorgang, bei dem Waren aus einem Drittland durch einen Mitgliedstaat in ein anderes Drittland befördert werden, dann fraglich, wenn - wie hier - weder Absender noch Empfänger ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben. Der in Art 1 Abs 1 Buchstabe a der Antipiraterieverordnung genannte Tatbestand der Anmeldung zur Ausfuhr setzt ja nach dem Gesagten voraus, daß die Ware entweder im Binnenmarkt erstmals in Verkehr gesetzt oder zuvor in den Binnenmarkt nicht nur zu dem ausschließlichen Zweck eingeführt worden ist, von dort wieder in ein Drittland weiterbefördert zu werden; beides ist bei dem hier vorliegenden reinen Transitvorgang nicht der Fall. Bejaht man aber im Sinne dieser Argumentation das Fehlen von Auswirkungen des vorliegenden Sachverhalts auf den Binnenmarkt, wäre sowohl die völkerrechtliche Regelungskompetenz der Gemeinschaftsorgane als auch das Vorliegen eines der genannten Verordnung zu unterstellenden Sachverhalts fraglich. Allerdings befindet sich im vorliegenden Fall der Sitz des Markenrechtsinhabers in einem der Europäischen Gemeinschaft angehörenden Staat, so daß Auswirkungen des vorliegenden Sachverhalts auf den Binnenmarkt nicht ohne weiteres verneint werden könnten.
VII. Verfahrensrechtliches
Die Frage der Anwendbarkeit der Antipiraterieverordnung auf den vorliegenden Sachverhalt ist Vorfrage für die hier gebotene Beurteilung, ob für die Klage der Gerichtsstand des § 83c Abs 3 JN vorliegt oder ob Österreich im angerufenen Fall aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung der Gerichtsbarkeit verpflichtet ist. Von der Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens hätte nur dann Abstand genommen werden können, wenn die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auf den vorliegenden Sachverhalt so hinreichend hätte beurteilt werden können, daß keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Fragen bleibt (Dauses, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art 177 EG-Vertrag2 116 mwN; Gamerith, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art 177 EGV in Wettbewerbssachen, ÖBl 1995, 51 [57] mwN; ÖBl 1997, 83 - Football Association, ZfRV 1997, 245). Dies ist aber angesichts des Umstands, daß die Antipiraterieverordnung nicht darauf abstellt, ob sich der Sitz des Unternehmens des (eine Verletzung seiner Rechte behauptenden) Markenrechtsinhabers in einem der Europäischen Gemeinschaft angehörigen Staat oder einem Drittstaat befindet, nicht der Fall. Eine Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu dieser Frage fehlt ebenso wie zur Frage der Anwendbarkeit der Antipiraterieverordnung auf Transitvorgänge der vorbeschriebenen Art.
Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens gründet sich auf § 90a Abs 1 GOG.