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OGH vom 19.05.2010, 6Ob80/10y

OGH vom 19.05.2010, 6Ob80/10y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek sowie Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Dr. K***** P*****, vertreten durch Mag. Christian August Hacker, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Mag. C***** P*****, vertreten durch Imre Schaffer Rechtsanwaltspartnerschaft OG in Gleisdorf, wegen 145.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 7/10i-13, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, ob ein Verhalten den Tatbestand des § 768 Z 2 ABGB erfüllt und auch vorwerfbar ist, betrifft wegen ihrer Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0106221). Dies gilt auch für die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten oder Unterlassen den Tatbestand des Erbunwürdigkeitsgrundes der gröblichen Vernachlässigung der aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern sich ergebenden Pflichten (§ 540 2. Fall ABGB) erfüllt, und für die Frage, ob ein Verhalten den Tatbestand des § 768 Z 4 ABGB verwirklicht.

Dem Berufungsgericht, das von einer nicht berechtigten Enterbung und dem Nichtvorliegen eines Erbunwürdigkeitsgrundes ausgegangen ist, ist eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung nicht unterlaufen.

Notstand im Sinn des § 768 Abs 2 ABGB ist jeder Zustand der nicht nur wirtschaftlichen Bedrängnis, der nach den Grundsätzen der Menschlichkeit gerechterweise zur Erwartung berechtigt, der Noterbe werde dem Erblasser helfen (RIS-Justiz RS0012839 [T3]). Die ausführlich begründete Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sich die Erblasserin, die noch sehr rüstig war und ihr Leben selbstständig führen konnte, die niemals krankheitsbedingt hilfsbedürftig war und keine finanziellen Schwierigkeiten hatte, nach dem festgestellten Sachverhalt nie in einer Situation befunden habe, die die Annahme eines Notstands rechtfertigen würde, ist jedenfalls vertretbar. Der Revisionswerber zeigt denn auch nicht konkret eine Notlage der Erblasserin im dargelegten Sinn auf.

Der Erbunwürdigkeitsgrund des § 540 2. Fall ABGB ist im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „gröbliche Vernachlässigung“ noch enger, keinesfalls aber weiter als jener des § 768 Z 2 ABGB zu sehen (RIS-Justiz RS0037146), sodass er nicht vorliegt, wenn schon wie im Anlassfall - der Enterbungstatbestand des § 768 Z 2 ABGB zu verneinen ist (2 Ob 252/00y).

Der Enterbungsgrund nach § 768 Z 4 ABGB erfordert, dass die unsittliche Lebensweise des Kindes öffentliches Ärgernis erregte und dass sie beharrlich fortgesetzt, somit mit Wissen und Willen des Noterben länger andauert bzw durch eine Vielzahl von Verstößen gekennzeichnet ist (RIS-Justiz RS0015375; 6 Ob 204/97m SZ 70/229 mwN) und gegen den Willen des Erblassers geführt wird (6 Ob 204/97m SZ 70/229 mwN). Die Strafbarkeit eines Verhaltens genügt für sich allein nicht, um eine Enterbung nach § 768 Z 4 ABGB zu begründen (3 Ob 252/75). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die einmalige Begehung eines Betrugs, der mit bedingt nachgesehener Freiheitsstrafe von zwölf Monaten bestraft wurde, keine „beharrliche“ Lebensweise des Klägers im Sinn der angeführten Gesetzesstelle ist und dass das festgestellte Verhalten des Klägers gegen die Erblasserin nicht geeignet war, in der Öffentlichkeit Anstoß zu erregen, weil nicht festgestellt wurde, dass es öffentlich gesetzt oder bekannt wurde, ist vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung jedenfalls vertretbar.

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers liegt auch kein Erbunwürdigkeitsgrund gemäß § 540 1. Fall ABGB vor, weil dem Kläger wenn überhaupt nur eine vorsätzliche Körperverletzung nach § 83 StGB anzulasten wäre, die nicht mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.