OGH vom 18.05.2016, 3Ob85/16w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dr. A*****, vertreten durch Dr. Günther Riess, Mag. Christine Schneider, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die verpflichtete Partei Dr. M*****, vertreten durch Dr. Norbert Winkler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Exekution nach § 354 EO, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 1 R 56/16s 7, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom , GZ 21 E 185/16a 2, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Parteien wurde geschieden. Nach dem vollstreckbaren Scheidungsfolgenvergleich hat der Verpflichtete, ein Arzt, gegenüber der Ärztekammer ***** die unwiderrufliche Erklärung abzugeben, dass im Fall seines Ablebens die Betreibende „für die Witwenpension bezugsberechtigt“ sei, und zwar ungeachtet einer allfälligen Wiederverheiratung der Streitteile.
Das Erstgericht bewilligte der Betreibenden antragsgemäß die Exekution gemäß § 354 EO zur Erwirkung der Abgabe dieser Erklärung durch den Verpflichteten und drohte Letzterem eine Geldstrafe von 1.000 EUR für den Fall der Nichtabgabe der Erklärung binnen 14 Tagen an.
Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag über Rekurs des Verpflichteten ab. Habe der Verpflichtete wie hier nach dem Inhalt des Exekutionstitels eine Willenserklärung abzugeben, sei dies nicht nach § 354 EO durchzusetzen. Vielmehr gelte diese Willenserklärung gemäß § 367 Abs 1 EO mit Rechtskraft bzw Vollstreckbarkeit des Titels als abgegeben.
Das Rekursgericht sprach ersichtlich im Hinblick auf das Vorliegen einer Streitigkeit gemäß § 49 Abs 2 Z 2b JN iVm § 78 EO,§ 528 Abs 2 Z 1, § 502 Abs 5 Z 1 ZPO (vgl dazu RIS Justiz RS0044093 [T2, T 3, T 6, T 16, T 20]) (nur) aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige, und ließ den Revisonsrekurs mit der Begründung zu, dass der Abgrenzung der Exekutionsarten nach § 354 und § 367 EO über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukomme.
Der Revisionsrekurs der Betreibenden, mit dem diese die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig (vgl 3 Ob 33/10i).
Rechtliche Beurteilung
1. Soweit die Exekutionsordnung eine bestimmte Exekutionsart vorschreibt, handelt es sich um zwingendes Recht. Diese Vorschriften unterliegen nicht der Parteiverfügung und müssen daher in jeder Instanz von Amts wegen beachtet werden (RIS Justiz
RS0000006).
2. Schuldet der Verpflichtete die Abgabe einer Willenserklärung, gilt gemäß § 367 EO die geschuldete Erklärung mit der Vollstreckbarkeit des Titels als abgegeben, und zwar nicht nur der betreibenden Partei, sondern auch Dritten gegenüber, ohne dass eine Exekutionsbewilligung notwendig wäre (RIS Justiz RS0004552 [T4]; zuletzt 3 Ob 210/10v). § 367 EO ist nur dann unanwendbar, wenn der Verpflichtete nicht bloß zur Abgabe einer Willenserklärung, sondern insbesondere zur Unterzeichnung einer Urkunde verurteilt wurde, durch die diese Willenserklärung erst ihre Wirkung äußern kann, wie es bei der Unterzeichnung eines Wechsels oder der Ausstellung eines Frachtbriefs der Fall ist (RIS Justiz
RS0004455).
3. Nach dem Wortlaut des Scheidungsfolgenvergleichs hat der Verpflichtete (ua) eine inhaltlich exakt determinierte Willenserklärung gegenüber der Ärztekammer abzugeben, und dieser nicht, wie die Revisionsrekurswerberin meint, eine Anweisung zu erteilen, also auf ihre Mitwirkung hinzuwirken. Es liegt also zweifelsfrei ein Titel iSd § 367 EO vor, der nicht nach § 354 EO vollstreckt werden kann.
4. Von § 367 EO nicht fingiert wird der Zugang der Willenserklärung. Ist deren Adressat ein Dritter, ist der Titel diesem vorzulegen (3 Ob 210/10v mwN). Entgegen der Ansicht der Betreibenden kann der soeben zitierten Entscheidung nicht entnommen werden, dass eine Exekutionsführung nach § 354 EO schon dann möglich wäre, wenn der Dritte wie hier im Titel namentlich genannt ist.
5. Die von der Revisionsrekurswerberin ins Treffen geführten datenschutz und persönlichkeitsrechtlichen Bedenken gegen die Vorlage des (naturgemäß nicht nur die Abgabe der Erklärung regelnden) Scheidungsfolgenvergleichs an die Ärztekammer sind wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot unbeachtlich. Es muss deshalb nicht geprüft werden, ob dieses Vorbringen im Fall seiner Erstattung im Exekutionsantrag geeignet gewesen wäre, ein besonderes Interesse der Betreibenden an der persönlichen Vornahme der Willenserklärung durch den Verpflichteten und damit an einer Exekutionsführung nach § 354 EO (vgl dazu Höllwerth in Burgstaller/Deixler Hübner , EO § 367 Rz 13; 3 Ob 33/10i; vgl auch 8 ObA 217/00w) darzutun. Im Übrigen hat es der Verpflichtete nach wie vor in der Hand, die Vorlage des Exekutionstitels an die Ärztekammer zu verhindern, indem er umgehend die von ihm eingegangene Verpflichtung erfüllt und die geschuldete Erklärung abgibt, mag diese auch im Hinblick auf § 102 Abs 3 Ärztegesetz nicht notwendig und, soweit sie sich auf eine allfällige Wiederverehelichung der Betreibenden bezieht, angesichts der Bestimmung des § 102 Abs 6 Ärztegesetz wirkungslos sein.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00085.16W.0518.000