TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 18.09.2019, 7Ob81/19s

OGH vom 18.09.2019, 7Ob81/19s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.

Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Kosch Partner Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei A***** SE, *****, vertreten durch Dr. Martin Neuwirth und Dr. Alexander Neurauter, Rechtsanwälte in Wien, wegen 850.669,08 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 13/19w15, womit das (Teil)Zwischenurteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 24 Cg 75/18x11, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.738,60 EUR (darin enthalten 623,10 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist in der Produktion und im Handel mit Baustoffen tätig. Die S***** GmbH ist Versicherungsnehmerin einer bei der Beklagten als Versicherer mit Wirkung vom geschlossenen Betriebs und Produktehaftpflichtversicherung. Die Klägerin betreibt eines von einer Vielzahl an mitversicherten Unternehmen. Für den Versicherungsvertrag wurde die Geltung der AHVB 1993 und der EHVB 1993 (in Folge: AHVB, EHVB) vereinbart.

Zwischen der von Seiten der Versicherungsnehmerin beauftragten Maklerin und den Vertretern der Beklagten wurde weder über die Bedeutung der Bestimmungen zum Geltungsbereich noch über jene über den Umfang der erweiterten Produktehaftpflicht oder sonstige in der Polizze oder den AHVB und EHVB enthaltene Regelungen, die die erweiterte Produktehaftpflicht betreffen, gesprochen.

Der Vertragstext lautet auszugsweise:

3.1 Geltungsbereich

Weltweit, exklusive USA und Kanada

3.2 Betriebsart

Sämtliche Aktivitäten, Eigenschaften und Rechtsverhältnisse der versicherten Unternehmen im Zusammenhang mit der gesamten Unternehmertätigkeit, insbesondere Erzeugung und Handel mit Baustoffen.

6. Vertragsgrundlagen

6.1 Allgemeine Vereinbarungen

Allgemeine und

6.2 Besondere Vereinbarungen

Die besonderen Vereinbarungen gehen den oben genannten Bedingungen voran und ändern diese ab.

6.2.3 Erweiterter Versicherungsschutz für das Produktehaftpflichtrisiko

6.2.3.1

Die besondere Vereinbarung gemäß Abschnitt A, Z 2,

6.2.3.4

Abschnitt A, Z 2,

- wenn der Versicherungsnehmer bei Montage durch den Besteller oder ein von diese

- die Montage im Auftrag der Versicherten durch externe Subunternehmer durchgeführt wird und der Schaden nachweislich auf einen Produktmangel zurückzuführen ist.

6.2.3.5

Nimmt der Versicherungsnehmer aus Gründen der Schadensminderung den Austausch mangelhafter Produkte selbst vor, ohne dass der Ersteinbau zu seinem Leistungsumfang gehörte, werden abweichend von Abschnitt A, Z 2,

6.

Wird anstelle de

6.

Abweichend von Z 2,

6.

Das Einblasen oder Einpumpen von Fertigbeton an der Baustelle gilt nicht als Anbringen, Einbau oder Verlegen im Sinn des Abschnitts A, Z 2,

6.2.9 Lieferkettenklausel

Vertreibt der Versicherungsnehmer seine Produkte auch über den Handel und besteht lediglich aufgrund der Zwischenschaltung einer oder mehrerer Händler für Ansprüche Dritter im Sinn der

Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben jedoch Ansprüche auf Nachbesserungen des Versicherungsnehmers wie auch aus selbständigen Garantiezusagen des Versicherungsnehmers.“

Die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB) 1993 lauten auszugsweise wie folgt:

Ausschlüsse vom Versicherungsschutz

1. Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht

1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;

1.2 Ansprüche, soweit sie aufgrund eines Vertrags oder einer besonderen Zusage über den Umfang der

1.3 Die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung.

[…]“

Die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (EHVB) 1993 lauten wie folgt:

Abschnitt A:

Allgemeine Regelungen für alle Betriebsrisiken

„[…

2. Produktehaftpflichtrisiko

Das Produktehaftpflichtrisiko ist nach Maßgabe der AHVB und EHVB, sowie insbesondere der nachstehend angeführten Bedingungen wie folgt mitversichert:

1. Begriffsbestimmungen

Das Produktehaftpflichtrisiko ist die Gesamtheit der gesetzlichen Haftungstatbestände für Schäden, die durch Mängel eines Produkts nach Lieferung oder durch Mängel einer geleisteten Arbeit nach Übergabe verursacht werden.

Der Mangel kann insbesondere auf Konzeption, Planung, Herstellung, Bearbeitung, Reparatur, Lagerung, Lieferung (auch Fehllieferung), Gebrauchsanweisung, Werbung oder Beratung zurückzuführen sein.

Als Produkte gelten alle körperlichen

Die Lieferung ist die

4. Versicherungsschutz aufgrund besonderer

4.1 Nur aufgrund besonderer Vereinbarung erstreckt sich der Versicherungsschutz, abweichend von Art 1 AHVB, auf gesetzliche Schadenersatzverpflichtungen, die aus Mängel

4.1.1 Schäden Dritter in

4.1.1.1 wegen des vergeblichen Einsatzes der anderen Produkte;

4.1.1.2 wegen der für die Herstellung des Endproduktes aufgewendeten Kosten, mit Ausnahme des Entgelts für das mangelhafte Produkt des Versicherungsnehmers;

4.1.1.3 wegen eines weiteren aus der Unveräußerlichkeit des Endproduktes entstehenden Vermögensnachteils. Kann das Endprodukt nur mit einem Preisnachlass veräußert werden, so ersetzt der Versicherer anstelle der Versicherungsleistung nach den Punkten 4.1.1.1 und 4.1.1.2 den entstehenden Mindererlös.

Der Versicherer ersetzt den Schaden in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für das Produkt des Versicherungsnehmers zu dem Verkaufspreis steht, der bei mangelfreier Leistung für das Endprodukt zu erwarten gewesen wäre;

4.1.1.4 wegen Aufwendungen, die zusätzlich wegen einer rechtlich notwendigen und wirtschaftlich angemessenen Nachbesserung des Endprodukt

4.1.1.5

4.1.2 Schäden, welche Dritten aus der Weiterbearbeitung oder Weiterverarbeitung mangelhafter durch den Versicherungsnehmer gelieferter Produkte entstehen, ohne da

[...]

4.1.3 Aufwendungen Dritter für Ausbau, Entfernen und

[...]

4.2 Besondere Regelungen für Fälle des Pkt 4.1

4.2.1 Versicherungsfall ist, abweichend von Art 1, Pkt 1 AHVB die Lieferung eines mangelhaften Produkts bzw die Übergabe mangelhaft geleisteter Arbeit (in der Folge kurz

5. Ausschlüsse vom Versicherungsschutz

5.1 Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind

5.1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel, soweit es sich nicht um ausdrücklich gemäß Pkt 4.1 mitversicherte Tatbestände handelt. Auf die Bestimmung des Art 7,

Die Klägerin ist Herstellerin der Produkte „B***** NanoporTop“ und „B***** NanoporColor“. Sie hat diese Produkte in ihren Produktdatenblättern so beschrieben, dass sie mit ihrem Selbstreinigungseffekt durch Fotokatalyse zusätzlich aktiven Schutz „vor organischen Verschmutzungen, die sich durch verdunstende Luftfeuchtigkeit und Regen ablösen“, bieten würden. Die Produkte seien „biozidfrei, fotokatalytisch eingestellt“. Die Klägerin verkaufte diese Produkte nicht direkt an Endabnehmer, sondern über eine zum Teil mehrgliedrige Handelskette (Großhändler, Händler, Bauunternehmen).

Tatsächlich stellte sich jedoch im Jahr 2014, in dem diese Produkte auf den Markt gebracht wurden, heraus, dass unter besonderen Umständen die fotokatalytische Wirkung nicht, nicht rechtzeitig oder nicht im gewünschten Umfang eintritt, weswegen es bei sämtlichen damit hergestellten Hausfassaden und Anstrichen binnen weniger Wochen zu einer Veralgung und zu Pilzbefall kam. Infolge dieser Beeinträchtigungen der Fassaden wurden die verarbeitenden und an den Endverkäufer abgebenden Unternehmen, die NanoporColor und NanoporTop angeboten hatten, gegenüber ihren Kunden gewährleistungspflichtig. Sie wandten sich diesbezüglich an ihre Distributoren, die die Beanstandungen an die Klägerin weitergaben.

Diese veranlasste, dass die verschmutzten Fassaden mit Hochdruckstrahl abgestrahlt und in der Folge mit von der Klägerin beigestelltem Biozid behandelt wurden. Dann wurde ein Anstrich mit NanoporColor aufgebracht. Diese Arbeiten wurden von Drittunternehmen ausgeführt.

Die von der Klägerin geltend gemachten Versicherungsleistungen betreffen sowohl solche, die sich auf das Hochdruckstrahlen der Fassaden beziehen, als auch solche, die das Aufbringen des Biozids und der NanoporColorAnstriche betreffen. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom die Deckung ab.

Die Klägerin begehrte zuletzt die Zahlung von 850.669,08 EUR sA und die Feststellung, dass die Beklagte ihr für alle zukünftigen Schadensfälle aus der Herstellung und dem Vertrieb von NanoporBeschichtungen aus dem Betriebs- und Produktehaftpflichtversicherungsvertrag Deckung bis zum vertraglich vereinbarten Höchstbetrag zu gewähren habe. Hilfsweise begehrte sie die Zahlung von 399.598,36 EUR sA und die Feststellung, die Beklagte habe ihr für seit aufgetretene und in Zukunft auftretende Schadenfälle aus der Herstellung und dem Vertrieb von NanoporBeschichtungen aus dem genannten Versicherungsvertrag bis zum vertraglich vereinbarten Höchstbetrag Deckung zu gewähren. Bei den genannten Beträgen sei ein Selbstbehalt von 20.000 EUR berücksichtigt.

Sie sei ein in dem Betriebs und Produktehaftpflichtversicherungsvertrag mitversichertes Unternehmen. Im Zuge der Sanierung sei die oberste funktionale Schicht ihrer Produkte durch Verwendung eines Hochdruckreinigers abgetragen worden. Anstelle der NanoporEndbeschichtung sei zweimal eine B*****- Sanierlösung aufgebracht worden, um die zugesicherten Eigenschaften des zusätzlichen aktiven Schutzes vor organischen Verschmutzungen erfüllen zu können. Die Sanierung sei von Dritten ausgeführt und der Klägerin zu angemessenen, ortsüblichen Preisen verrechnet worden. Die Klägerin habe das Material für diese Sanierungen hergestellt, dessen Ersatz vom Versicherungsschutz nicht umfasst sei.

Die Besondere Vereinbarung gemäß Abschnitt A, Z 2, Pkt 4 EHVB sei getroffen worden. Der Text des Versicherungsvertrags stamme von keiner der beiden Parteien, sondern von der als Dritte zu betrachtenden Versicherungsmaklerin der Versicherungsnehmerin. Gemäß Art 6. des Versicherungsvertrags sei abweichend von Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB vereinbart worden, dass der Versicherer auf Wunsch des Versicherungsnehmers Schäden aus der Erweiterten Produktehaftpflicht durch Zahlung erledige, sofern nachgewiesen sei, dass das vom Versicherungsnehmer oder in seiner Verantwortung gelieferte Produkt mangelhaft gewesen sei. Sie mache keine Forderungen für die Erbringung von Gewährleistung geltend, sondern stütze ihren Anspruch auf den Ersatz von Aufwendungen Dritter im Sinn des Abschnitts A, Z 2, Pkt 4.1.3 EHVB und von Aufwendungen, die zusätzlich wegen einer rechtlich notwendigen und wirtschaftlich angemessenen Nachbesserung des Endprodukts oder einer anderen Schadensbeseitigung entstanden seien, dies im Sinn von Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.1.4 EHVB.

Aufgrund der Ablehnung der Versicherungsdeckung seien sämtliche Leistungsansprüche fällig geworden, lediglich aus anwaltlicher Vorsicht werde ein Eventualbegehren gestellt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Es liege kein Deckungsfall vor. So bestehe keine allgemeine Deckungspflicht gemäß Art 6. des Versicherungsvertrags. Bedeutung dieser Bestimmung sei, dass insbesondere nicht nachgewiesen werden müsse, dass der Hersteller des Produkts bzw seine Erfüllungsgehilfen schuldhaft einen Schaden verursacht hätten, was für einen Mangelfolgeschaden im Sinn der Gewährleistungsregelungen ansonsten notwendig sei. Die Textierung des Versicherungsvertrags stamme von der von der Klägerin beauftragten Maklerin. Allfällige undeutliche Bestimmungen seien zu ihren Lasten auszulegen.

Die einzelnen Deckungstatbestände nach Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB lägen nicht vor. Es bestehe ein Deckungsausschluss wegen Schäden nach Feuchtigkeit gemäß Art 7.11 AHVB.

Mit (Teil)Zwischenurteil erkannte das Erstgericht das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin 850.669,08 EUR samt Zinsen zu zahlen, als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Die Forderungen der Klägerin seien nicht solche, die sich aus der Erfüllung von Gewährleistungsverpflichtungen ergäben, sondern ein Resultat der Mangelhaftigkeit ihrer Produkte. Der unter dem Titel Produktehaftung vereinbarte Versicherungsschutz beziehe sich auf jene Schäden, die dadurch entstanden seien, dass die Produkte der Klägerin bei der Herstellung von Fassaden (das sei eine Verbindung mit anderen Sachen – konkret mit dem zu verkleidenden oder zu streichenden Bau) verwendet worden seien. Die Sanierung habe eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft der Fassade, nämlich zumindest zeitlich begrenzt gegen Algen und Pilzbefall Widerstand leisten zu können, nicht erreicht. Nach Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.3 EHVB sei neben dem Ausbau und dem Entfernen auch das Freilegen mangelhafter Produkte und der Einbau, das Anbringen oder Verlegen mangelfreier Ersatzprodukte umfasst.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im das (Haupt)Zahlungsbegehren abweisenden Sinn ab. Nach Art 7.1.1 AHVB seien Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, nach Pkt 1.3 die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung. Das von der Klägerin hergestellte und auf den Markt gebrachte Produkt (Endbeschichtung für Fassaden und zwar in Form einerseits von Putz und andererseits von Farbe) habe entgegen der Beschreibung die zugesicherte Wirkung nicht aufgewiesen, wodurch es auf den Fassaden und Anstrichen zu Veralgung und Pilzbefall gekommen sei. Die von der Klägerin beauftragten dritten Unternehmen hätten die oberste funktionale Schicht des Oberputzes bzw der Farbe der verschmutzten Fassaden mit Hochdruck abgestrahlt, sie mit Biozid behandelt und mit NanoporColor gestrichen, sodass diese die zugesicherten Eigenschaften erfüllen könnten und wieder eine funktionsfähige Oberflächenbeschichtung vorhanden sei. Die von der Klägerin von den Drittunternehmen in Rechnung gestellten Leistungen beträfen damit zur Gänze die Behebung des Mangels der Produkte der Klägerin. Die der Klägerin in Rechnung gestellten Kosten für die Herstellung der Mangelfreiheit ihrer Produkte seien gemäß Art 7.1.1 und 7.1.3 AHVB nicht vom Versicherungsschutz umfasst.

Mit den Produkten der Klägerin seien rohe (oder allenfalls mit einer Dämmung versehene) Wände mit NanoporTop verputzt oder mit NanoporColor gestrichen worden. Durch diese Vorgänge sei eine Verbindung der von der Klägerin gelieferten Produkte mit Sachen Dritter im Sinn des Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.1 EHVB vorgenommen worden. Der klare Wortlaut der Klausel erfordere, dass durch die Verbindung eine Sache neu entstanden sei. Zwar sei ein Haus ein „dauerhaftes Sachganzes“, doch sei die Verbindung mit dem (neuen) Fassadenputz und/oder anstrich weder für die Existenz noch für das Funktionieren eines Hauses eine notwendige Voraussetzung. Durch die Verbindung mit den von der Klägerin gelieferten Materialien sei daher keine Sache „neu entstanden“.

Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.2 gelange nicht zur Anwendung, weil bereits die Voraussetzung des Fehlens einer Verbindung (Vermischung oder Verarbeitung) mit anderen Produkten nicht gegeben sei. Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.3 habe zur Voraussetzung, dass die mangelhaften Produkte danach noch trennbar in der ursprünglichen (gelieferten) Form vorhanden seien, was ebenfalls nicht gegeben sei. Es bestehe daher insgesamt kein Versicherungsschutz nach Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB. Aus Art 6. des Versicherungsvertrags sei zu schließen, dass unter dem Begriff der „Schäden“ nur solche zu verstehen seien, welche in den genannten vier Tatbeständen der „Erweiterten Produktehaftpflicht“ beschrieben würden.

Über das Eventualzahlungsbegehren der Klägerin sei nicht gesondert zu entscheiden, weil der niedrigere geforderte Kostenersatz notwendigerweise im höheren Betrag des Hauptbegehrens dem Grunde und der Höhe nach zur Gänze enthalten sei. Die Klägerin habe damit kein echtes Eventualbegehren, sondern nur ein Minus zum Hauptbegehren erhoben.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Der ursprünglich von der Beklagten erhobene Einwand, der klagenden (Mit)Versicherten fehle die Aktivlegitimation, wurde nicht aufrechterhalten.

2.1 Für die Haftpflichtversicherung gilt allgemein, dass der Versicherer verpflichtet ist, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat (§ 149 VersVG).

2.2 Nach Art 7.1 AHVB fallen unter die Versicherung gemäß Abs 1 nicht: Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel (Art 7.1.1) sowie die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung (Art 7.1.3). Dieser Ausschluss entspricht ganz allgemein dem Grundsatz der Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer zu übertragen (RS0081518 [T4, T 7, T 8]; RS0081898 [T1]). Aus dem klaren Wortlaut des Art 7.1 AHVB geht hervor, dass unter die Versicherung grundsätzlich weder die Erfüllung noch Erfüllungssurrogate fallen. Als Erfüllungssurrogat werden dabei diejenigen Schadenersatzansprüche bezeichnet, durch die ein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand eines abgeschlossenen Vertrags geltend gemacht werden. Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die auf das Vertragsinteresse gerichtet sind, den Gläubiger also in den Genuss der ordnungsgemäßen Leistung bringen sollen (7 Ob 31/16h mwN).

Der Versicherungsschutz umfasst demnach bei der Betriebshaftpflichtversicherung nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse des Dritten an der Leistung des Versicherungsnehmers hinausgeht (RS0081898). Die Kosten für die von einem Dritten vorgenommene Verbesserung der mangelhaften Leistung des Versicherten fallen ebenfalls nicht in die Betriebshaftpflichtversicherung (RS0081685). Gedeckt sind somit lediglich Schäden aus mangelhafter Vertragserfüllung (Mangelfolgeschäden; Begleitschäden), die jenseits des Erfüllungsinteresses des Gläubigers liegen. Der Begriff „Erfüllungssurrogat“ deckt sich nicht mit dem haftungsrechtlichen Begriff des Schadenersatzrechts wegen Nichterfüllung, sondern ist eine eigenständige versicherungsrechtliche Rechtsfigur (7 Ob 30/18i mwN).

2.3 Die von der Klägerin auf den Markt gebrachten Endbeschichtungen für Fassaden verfügten nicht über die von ihr zugesicherten Eigenschaften (fotokatalytische Wirkung). Die Kosten der letztlich von der Klägerin veranlassten Sanierung (Abstrahlen der Fassade mit Hochdruck, Behandlung mit Biozid und Anstrich mit NanoporColor) durch von ihr beauftragte Unternehmen wurden ausschließlich zur Mängelbeseitigung und ordnungsgemäßen Herstellung der von der Klägerin geschuldeten funktionsfähigen Oberflächenbeschichtung aufgewendet. Sie liegen innerhalb des Erfüllungsinteresses und sind damit von der Basisdeckung der Betriebshaftpflichtversicherung nach Art 7.1 AHVB ausgeschlossen, worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend verwies.

3.1 Zu prüfen ist nun, ob durch die Vereinbarung des Erweiterten Produktehaftpflichtrisikos (Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB) das geltend gemachte Erfüllungssurrogat in den Versicherungsschutz eingeschlossen wurde.

3.2 Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung gemäß § 914 f ABGB auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71], RS0112256 [T10], RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insbesondere T 5, T 7, T 87]).

In allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendete Rechtsbegriffe sind, wenn sie in der Rechtssprache eine bestimmte, unstrittige Bedeutung haben, in diesem Sinn auszulegen (vgl RS0123773).

4.1 Abschnitt 4, Z 2, Pkt 4.1 EHVB erweitert den Versicherungsschutz für die Gesamtheit der gesetzlichen Haftungstatbestände für Schäden, die durch Mängel eines Produkts nach Lieferung oder durch Mängel einer geleisteten Arbeit nach Übergabe verursacht werden. Nach den hier interessierenden Bestimmungen Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.1 bis 4.1.3 EHVB sind zum einen bestimmte Produktionsvorgänge (Verbindung, Vermischung, Verarbeitung, Weiterver und -bearbeitung, Aus und Einbau) und zum anderen zu Pkt 4.1.1 bestimmte Schadenpositionen (Herstellungsausfall, Nachbesserungs/Schadenbeseitigungs-kosten, entgangener Gewinn) versichert, deren Ersatz der Versicherungsnehmer als Lieferant des mangelhaften Produkts seinem Abnehmer schuldet.

4.2 Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.1 EHVB umfasst Schäden infolge von Mangelhaftigkeit von Sachen, die erst durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von durch den Versicherungsnehmer gelieferten Produkten mit anderen Produkten entstehen.

4.2.1 Der Begriff „Bestandteil“ ist im ABGB nicht ausdrücklich geregelt oder auch nur erwähnt, aber in Rechtslehre und Rechtsprechung fest umrissen. Als Bestandteile bezeichnet man die Teile einer zusammengesetzten Sache; ist die Verbindung von Teilen mit der Hauptsache so eng, dass sie von dieser tatsächlich nicht oder nur durch eine unwirtschaftliche Vorgangsweise abgesondert werden könnten, spricht man von unselbständigen Bestandteilen, die sonderrechtsunfähig sind; lassen sich die Bestandteile hingegen tatsächlich und wirtschaftlich von der Rechtssache trennen, nennt man sie selbständige Bestandteile, die sonderrechtsfähig sind, also nicht notwendig das sachenrechtliche Schicksal der Hauptsache teilen müssen (RS0009891, RS0009909).

Von einer untrennbaren Einheit kann nicht gesprochen werden, wenn sich das Werk in einzelne Teile zerlegen lässt, die eines selbständigen Bestands fähig sind und durch die Trennung in ihrem Wesen nicht verändert werden. Die Teile eines Werks sind dann eines selbständigen Bestands fähig, wenn sie sich ohne unverhältnismäßige Wertzerstörung theoretisch gesondert verwerten lassen, ohne dass dies zu einer Zergliederung des Gesamtwerks und damit einer Ergänzungsbedürftigkeit des Restwerks führen würde (RS0131704). Teilbarkeit setzt den selbständigen Bestand der einzelnen Teile nach deren Trennung bzw die Wiederherstellung einer selbständigen Sache voraus (vgl RS0009909, RS0013378 [T4]).

Um einen unselbständigen Bestandteil handelt es sich hingegen dann, wenn durch seine Absonderung das Wesen der Hauptsache oder des Bestandteils so verändert wird, dass sie wirtschaftlich als etwas anderes angesehen wird, und wenn die Absonderung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre, wobei jedenfalls die Verkehrsauffassung entscheidet (3 Ob 112/87). Verliert das mit der Hauptsache in Verbindung gebrachte Material seine physische Existenz, liegt ein unselbständiger Bestandteil vor (RS0009909 [T1, T 7]).

4.2.2 Der Oberste Gerichtshof hat zu identen (7 Ob 146/08h) bzw vergleichbaren (7 Ob 154/08k = RS0124347 [Art 4 Punkt 2.2 AHVB 1999]) Bedingungen dahin Stellung genommen, dass die Begriffe Verbindung (Vermischung, Verarbeitung) nach dem der – eben ausgeführten – sachenrechtlichen Terminologie entsprechenden Verständnis des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers eine untrennbare Verbindung voraussetzen; dass heißt, dass eine Trennung der verbundenen Produkte aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht mehr möglich ist (zur insoweit vergleichbaren deutschen Bedingungslage: Schimikowski in Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung² ProdHM Rn 45; Voit in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz30 ProdHM Ziff 4.2 Rn 4; Thürmann in Langheid/Wandt Münchener Kommentar zum VVG² 310 Produkthaftpflichtversicherung Rn 83).

4.2.3 Von tatsächlicher Untrennbarkeit ist in der Regel daher dann auszugehen, wenn nach einer Trennung das mangelhafte Produkt zerstört ist, selbst wenn das verbleibende Produkt noch werthaltig ist (vgl Voit aaO; Schimikowski aaO Rn 50;aA Thürmann aaO Rn 96). Dies entspricht auch dem Verständnis des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers, der nicht von einer Trennbarkeit ausgehen wird, wenn das in die Verbindung eingebrachte Material bei der Trennung zerstört wird.

4.3.1 Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.2 EHVB umfasst Schäden, welche Dritten aus der Weiterbearbeitung oder Weiterverarbeitung mangelhafter durch den Versicherungsnehmer gelieferter Produkte entstehen, ohne dass eine Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung mit anderen Produkten stattfand.

4.3.2 Unter dem Begriff der Weiterverarbeitung werden Vorgänge verstanden, bei denen ein Dritter das vom Versicherungsnehmer gelieferte Produkt zu einem anderen Produkt umwandelt. Darunter fallen Tätigkeiten, bei denen das gelieferte Produkt als solches bestehen bleibt und einer Veredelung, Oberflächen oder Wärmebehandlung unterzogen wird. Während bei der Weiterverarbeitung dem Produkt eine neue Form oder ein neues Aussehen verliehen werden, kommt es bei der Weiterbearbeitung „nur“ zu einer – die Form erhaltenden Bearbeitung (7 Ob 146/08h mwN; vgl auch Koch in Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz9 ProdHM 2008 Ziff 4 Rn 76 f; Schimikowski aaO Rn 79).

4.4.1 Nach Abschnitt A, Z 2 Pkt 4.1.3 EHVB sind Aufwendungen Dritter für Ausbau, Entfernen und Freilegen mangelhafter Produkte und für Einbau, Anbringen oder Verlegen mangelfreier Produkte versichert. Die Klausel regelt Sachverhalte, in denen vom Versicherungsnehmer gelieferte mangelhafte Produkte vom Anbieter ausgebaut, entfernt oder freigelegt, dafür mangelfreie Ersatzprodukte eingebaut, angebracht oder verlegt werden müssen, wobei die mangelhaften Produkte danach noch trennbar in der ursprünglich gelieferten Form vorhanden sind (7 Ob 146/08h; Ziegler, Die erweiterte Produkthaftpflichtdeckung nach den AHVB/EHVB 2005, 125; Schimikowski aaO Rn 90; Voit aaO Ziff 4.4 Rn 1).

4.5 Im vorliegenden Fall wurde der mangelhafte Verputz/Anstrich der Klägerin zur Herstellung von Häuserfassaden verwendet. Dass das Auftragen des Verputzes/Anstrichs weder als Weiterverarbeitung noch als Weiterbearbeitung angesehen werden kann, liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Begründung. Abschnittt A, Z 2, Pkt 4.1.2 EHVB kommt daher nicht zur Anwendung. Der Fall ist auch Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.3 EHVB nicht zu unterstellen, weil der Verputz/Anstrich nicht mehr trennbar in der ursprünglich gelieferten Form vorhanden ist.

Denkbar ist daher allein die Anwendung des Abschnitts A, Z 2, Pkt 4.1.1 EHVB, weil der Verputz/Anstrich ohne seine Zerstörung nicht mehr abgetragen und daher als unselbständiger Bestandteil der Fassade vom Gebäude tatsächlich nicht mehr getrennt werden kann.

5. Wie ausgeführt umfasst Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.1 EHVB Schäden infolge von Mangelhaftigkeit von Sachen, die durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von durch den Versicherungsnehmer gelieferten Produkten mit anderen Produkten entstehen.

5.1 Der versicherte Schaden muss demnach auf die Mangelhaftigkeit eines Gesamtprodukts, das erst durch eine – wie erwähnt – aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht trennbare Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von mangelhaft hergestellten oder gelieferten mit anderen Produkten entstanden ist, zurückzuführen sein (7 Ob 146/08h). Durch die Verbindung muss eine Sache „neu“ entstehen (7 Ob 154/08k = RS0124347).

5.2 Nach dem Verständnis des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers wird dazu ein dauerhaftes Sachganzes vorausgesetzt, das nur durch eine entsprechende Verbindung aller wesentlichen Teile überhaupt existieren bzw funktionieren kann (7 Ob 154/08k; so auch Koch aaO Rn 28). Die Sache, die erst durch Verbinden, Vermischen oder Verarbeiten mit anderen Produkten entsteht, darf mit keiner der einzelnen Komponenten identisch sein (Ziegler aaO 87; Hinsch in Schmidt-Salzer, Produkthaftung IV/1 Rn 7.601). Es ist dabei nicht erforderlich, dass die neue Sache sich derart von den gelieferten Erzeugnissen und den anderen Produkten unterscheidet, dass sie unter einer eigenen selbständigen Bezeichnung im Rechtsverkehr geführt wird. Auch das Werte- Verhältnis der verwendeten Einzelteile zueinander oder zum Arbeitsaufwand spielt grundsätzlich keine Rolle. Die Verbindung geringwertiger gelieferter Erzeugnisse mit hochwertigen anderen Produkten führt genauso zur Entstehung einer (neuen) Sache wie die Verbindung von hochwertigen gelieferten Erzeugnissen mit relativ geringwertigen anderen Produkten (Hinsch aaO 7.602).

5.3 In diesem Sinn entstand durch das Auftragen des Verputzes/Anstrichs der Klägerin auf dem Gebäude, dessen Abtragen zu einer Zerstörung führen würde, durch untrennbare Verbindung des Hauses mit dem Verputz/Anstrich – und damit einzelner nicht mehr identischer Komponenten – ein neues Sachganzes, nämlich ein nunmehr mit einer Fassade versehenes Haus.

6.1 Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.1 EHVB setzt weiters Schäden Dritter infolge Mangelhaftigkeit des Gesamtprodukts voraus. Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.1.1 bis Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.1.5 nennen die versicherten Schadenpositionen, insbesondere den vergeblichen Einsatz anderer Produkte (4.1.1.1); Herstellungskosten (4.1.1.2); Veräußerlichkeit (4.1.1.3); Nachbesserung/andere Schadenbeseitigung (4.1.1.4).

6.2 In Betracht kommt hier nur Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.1.4 EHVB, und zwar Aufwendungen, die zusätzlich wegen einer rechtlich notwendigen und wirtschaftlich angemessenen Nachbesserung des Endprodukts oder einer anderen Schadenbeseitigung entstanden sind.

6.2.1 Bei der Nachbesserung geht es um Maßnahmen, die der Behebung des Mangels am Endprodukt dienen und das Endprodukt noch retten, sodass es nicht verworfen oder mit Preisnachlass verkauft werden muss. Bei der „anderen Schadenbeseitigung“ geht es um jene Fälle, in denen das Gesamtprodukt nicht mehr ordnungsgemäß hergestellt werden kann, aber eine Ausweichlösung zur weiteren Verwertung des Gesamtprodukts möglich ist (Ziegler aaO 101 f; 109 f; Koch aaO Rn 43; Voit aaO Ziff 4.2 Rn 8 f; Schimikowski aaO Rn 58 f; Hinsch aaO Rn 7.657 ff).

6.2.2 Bei den hier gegenständlichen Maßnahmen der Herstellung der von der Klägerin geschuldeten Fassadenoberfläche handelt es sich um Nachbesserungsarbeiten.

6.3.1 Erforderlich nach Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1.1.4 EHVB ist, dass es sich um „Schäden Dritter infolge Mangelhaftigkeit des Gesamtprodukts“ und „eine Nachbesserung des mangelhaften Endprodukts“ handelt. Diese Wortfolgen (für sich und im Zusammenhang) können von einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer nur dahin verstanden werden, dass zum einen wesentlich ist, dass die Schäden Folge der Mangelhaftigkeit des Gesamtprodukts sind und zum anderen, dass nicht (nur) das vom Versicherungsnehmer gelieferte mangelhafte Produkt nachgebessert wird, sondern das erst im Zuge der Verbindung (Verarbeitung, Vermischung) entstandene Endprodukt. Eine Nachbesserung „des Endprodukts“ liegt demnach nur vor, wenn gleichzeitig auf die anderen Produkte eingewirkt wird. Erfolgt lediglich die Nachbesserung am gelieferten Produkt so ist der Erfüllungsbereich des Vertrags tangiert und der Versicherungsschutz ausgeschlossen (vgl Ziegler aaO 102 f; Schimikowsky aaO Rn 59; Voit aaO Ziff 4.2 Rn 8 f; Hinsch aaO Rn 7.649).

6.3.2 Im vorliegenden Fall sind die Schäden Dritter lediglich in Folge der Produkte der Klägerin entstanden. Auch die Nachbesserung bezog sich ausschließlich auf die Erzeugnisse der Klägerin. Die Sanierung betraf nur den von ihr gelieferten Verputz/Anstrich, nur dessen oberste funktionale Schicht wurde nach dem Vorbringen der Klägerin mittels Hochdruckreinigers abgetragen. Nach einer Behandlung mit Biozid wurde wieder ein Anstrich mit NanoporColor aufgetragen. Das hier geltend gemachte Erfüllungsinteresse der Klägerin in Form der Kosten der Nachbesserung ihres Produkts wurde demnach auch vor dem Hintergrund der vereinbarten Erweiterten Produktehaftpflicht nicht in den Versicherungsschutz einbezogen.

7. Nach Art 6. des Versicherungsvertrags wird abweichend von Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB geregelt, dass der Versicherer Schäden aus der Erweiterten Produktehaftpflicht auf Wunsch des Versicherungsnehmers durch Zahlung erledigt, sofern nachgewiesen ist, dass vom Versicherungsnehmer oder in seiner Verantwortung gelieferte Produkte objektiv mangelhaft waren.

7.1 Die Klägerin unterstellt dieser Bestimmung des Versicherungsvertrags, der nach ihrem eigenen Vorbringen von ihrer Versicherungsmaklerin stammt, die Bedeutung eines eigenen Deckungstatbestands, der Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB einschränke. Gehe es um Schäden aus der Erweiterten Produktehaftpflicht, sei der Beklagten eine detaillierte Haftungsprüfung untersagt. Auf Wunsch des Versicherungsnehmers sei vielmehr der Schaden durch Zahlung zu erledigen, sofern nur objektiv die Mangelhaftigkeit des Produkts feststehe. Auf das Vorliegen eines der Tatbestände des Abschnitts A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB komme es hingegen nicht an. Die Beklagte meint, die Bestimmung ändere nichts daran, dass ein Tatbestand nach Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB vorliegen müsse. Sie besage nur, dass die Ersatzpflicht der Beklagten – bei objektiver Mangelhaftigkeit des Produkts – Verschulden der Klägerin nicht voraussetze.

7.2 Es handelt sich hier nicht um eine Klausel der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten, sondern um eine gesondert vereinbarte Bestimmung. Für die Auslegung von Willenserklärungen ist gemäß § 914 ABGB nicht die Vorstellung der Vertragschließenden maßgeblich, sondern es ist ausgehend vom buchstäblichen Sinn des Ausdrucks die Absicht der Parteien zu erforschen. Die Erklärung ist am Empfängerhorizont zu messen. Dabei sind die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen ist, es ist also auf konkrete Umstände, namentlich auf den Geschäftszweck und die Interessenlage Bedacht zu nehmen (RS0113932). Die maßgeblichen Auslegungskriterien müssen dem Vertrag selbst oder den ihn begleitenden relevanten Umständen zu entnehmen sein (RS0113932 [T5]).

7.2.1 Zu beurteilen ist zunächst, ob die Anwendung der in Art 6. des Versicherungsvertrags vorgesehenen Folgen das Vorliegen eines Tatbestands gemäß Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB voraussetzt oder nicht.

Bereits die Wortfolge „Schäden aus der Erweiterten Produktehaftpflicht“ kann nur dahin verstanden werden, dass sich die Verpflichtung des Versicherers ausschließlich auf solche Schäden bezieht, die aus den dort genannten Tatbeständen, die überhaupt erst durch die Vereinbarung einer Erweiterten Produktehaftpflicht in den Versicherungsschutz einbezogen wurden, resultieren. Eine andere Sichtweise hätte die in Art 6.2.3.1 des Versicherungsvertrags getroffene besondere Vereinbarung nach Abschnitt A, Z 2, Pkt 4 EHVB und eine gleichzeitig davon wieder abweichende Regelung entbehrlich gemacht. Wäre es in diesem Fall doch völlig ausreichend gewesen, Versicherungsschutz für Schäden infolge der (objektiven) Mangelhaftigkeit eines Produkts zu vereinbaren. Für diese Auslegung spricht auch, dass der Versicherungsvertrag in zahlreichen weiteren Bestimmungen (Art 6.2.3.4, Art 6.2.3.5, Art 6., Art 6.2.9) Bezug auf Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB nimmt und dort getroffene Regelungen in gewissem Umfang modifiziert, was gleichfalls völlig sinnlos wäre, würde die Ansicht der Klägerin zutreffen, dass es auf das Vorliegen eines des dort genannten Tatbestands ohnedies nicht ankäme.

7.2.2 Das Auslegungsergebnis der Klägerin, dass durch Art 6. des Versicherungsvertrags die Bestimmung Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB zur Gänze dahin ersetzt werden soll, dass der Versicherer unabhängig davon, ob überhaupt ein tatsächlich erst durch die Erweiterte Produktehaftplicht in den Deckungsschutz einbezogener Tatbestand vorliegt, bei bloß objektiver Mangelhaftigkeit des Produkts der Klägerin allein über ihren Wunsch Zahlungen zu leisten hat, kann jedenfalls nicht erzielt werden. Vielmehr ist die genannte Bestimmung im hier interessierenden Umfang schon nach dem Verständnis der Vertragsurkunde eindeutig dahin auszulegen, dass die Anwendung der in ihr vorgesehenen Folgen das Vorliegen eines der in Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB angeführten Tatbestände voraussetzt. Das trifft aber auf das geltend gemachte Erfüllungssurrogat – wie ausgeführt – nicht zu.

7.3 Ergibt die Auslegung bereits, dass die Anwendung des Art 6. des Versicherungsvertrags das Vorliegen eines der in Abschnitt A, Z 2, Pkt 4.1 EHVB angeführten Tatbestände voraussetzt (was hier nicht der Fall ist), kann dahingestellt bleiben, ob eine allfällige Unklarheit der – von der Versicherungsmaklerin der Versicherungsnehmerin stammenden – Bestimmung (RS0114041) zu Lasten der klagenden (Mit)Versicherten ginge, die sich auf diesen Vertrag beruft (RS0017992).

8. Der Revision war der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41, 50 ZPO.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00081.19S.0918.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.