OGH vom 20.04.2018, 7Ob30/18i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Mag. K***** V***** und Mag. R***** V*****, vertreten durch die Rechtsanwälte Steflitsch OG in Oberwart, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, und deren Nebenintervenienten Mag. W***** D*****, vertreten durch die Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH in Oberwart, wegen 68.116,57 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 171/17d-23, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
1. Dem Betriebs-Haftpflichtversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen und die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2004 und EHVB 2004) der Beklagten zugrunde; die AHVB 2004 lauten auszugsweise:
„Artikel 1
Was gilt als Versicherungsfall und was ist versichert?
1. Versicherungsfall
1.1 Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Pkt. 2.) erwachsen oder erwachsen könnten. […]
2. Versicherungsschutz
2.1 Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer
2.1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen.
[…]
Artikel 7
Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)
1. Unter die Versicherung gemäß Art. 1 fallen insbesondere nicht
1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;
1.2 Ansprüche, soweit sie aufgrund eines Vertrages oder einer besonderen Zusage über den Umfang der gesetzlichen Schadenersatzpflicht hinausgehen;
1.3 die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung. […]
9. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden, die an den vom Versicherungsnehmer (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen infolge einer in der Herstellung oder Lieferung liegenden Ursache entstehen […]“
Die hier ebenfalls vereinbarte Klausel GA40 lautet auszugsweise:
„24. Vertragshaftung
Der Versicherungsschutz bezieht sich in teilweiser Abänderung von Art. 1, Pkt. 2.1 sowie abweichend von Art. 7, Pkt. 1.2 AHVB nach Maßgabe des Deckungsumfanges dieses Versicherungsvertrages auch auf die vom Versicherungsnehmer übernommene vertragliche Haftung.
Ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben jedenfalls Vertragsstrafen jeder Art, verursachungsunabhängige Haftungen sowie selbständige Garantiezusagen.
[…]
30. Reine Vermögensschäden für Baumeister und dem Baumeistergewerbe entstammende Teilgewerbe – Pflichtversicherung gemäß Bundesgesetzblatt BGBl. 85/2013
Ausschließlich für Baumeister und dem Baumeistergewerbe entstammende Teilgewerbe gilt für deren Pflichtversicherung für reine Vermögensschäden folgende Regelung:
1. Reine Vermögensschäden sind abweichend von Art. 1 AHVB mitversichert […]
1.2. Die Versicherung erstreckt sich auch auf Schadenersatzverpflichtungen aus Schäden, die an dem Bauwerk selbst entstehen, das von einem Dritten aufgrund der das versicherte Risiko bildenden Tätigkeit des Versicherungsnehmers ausgeführt oder bearbeitet wird, sofern der Versicherungsnehmer an der Ausführung oder Bearbeitung des Bauwerks in keinster Weise beteiligt ist oder beteiligt werden soll (z.B. auch als Gehilfe oder Subunternehmer).“
Rechtliche Beurteilung
2.1. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RISJustiz RS0080166 [T10]; RS0080068).
2.2. In der Betriebshaftpflichtversicherung ist grundsätzlich nicht die Ausführung der bedungenen Leistung versichert. Die Versicherung erstreckt sich daher auch nicht auf Erfüllungssurrogate. Die Kosten für die von einem Dritten vorgenommene Verbesserung der mangelhaften Leistung des Versicherten fallen daher ebenfalls nicht in die Betriebshaftpflichtversicherung (RISJustiz RS0081685). Als Erfüllungssurrogat werden dabei diejenigen Schadenersatzansprüche bezeichnet, durch die ein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand eines abgeschlossenen Vertrags geltend gemacht wird. Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die den Gläubiger in den Genuss der ordnungsgemäßen Leistung bringen sollen. Gedeckt sind hingegen Schäden aus mangelhafter Vertragserfüllung (Mangelfolgeschäden, Begleitschäden), die jenseits des Erfüllungsinteresses des Gläubigers liegen. Der Begriff „Erfüllungssurrogat“ deckt sich nicht mit dem haftungsrechtlichen Begriff des Schadenersatzrechts wegen Nichterfüllung, sondern ist eine eigenständige versicherungsrechtliche Rechtsfigur (7 Ob 190/16s mwN).
2.3. Der Haftungsausschluss nach Art 7.1.1 und Art 7.1.3 AHVB 2004 entspricht ganz allgemein dem Grundsatz der Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer zu übertragen (RIS-Justiz RS0081518 [T4, T 7, T 8], RS0081898 [T1]); aus ihm geht klar hervor, dass unter die Versicherung weder die Erfüllung noch Erfüllungssurrogate fallen (vgl 7 Ob 31/16h). Derartige Ausschlussklauseln sind auch in der Baubranche üblich; Bedenken gegen die Bedingungen in Richtung § 879 Abs 3 ABGB (oder § 864a ABGB,§ 6 Abs 3 KSchG) bestehen nicht und es hat auch der Oberste Gerichtshof die Klauseln immer auf Rechtsfälle angewendet (vgl etwa 7 Ob 190/16s [Bauunternehmen], 7 Ob 224/15i [Bauunternehmen als Generalunternehmer], 7 Ob 147/07d [Fliesenleger]).
3.1. Pflicht-Haftpflichtversicherungen werden regelmäßig dort eingeführt, wo der geschädigte Dritte nach Ansicht des Gesetzgebers besonders schutzwürdig ist. Auch wenn keine „allriskVersicherung“ geboten ist und daher Risikobeschränkungen und -ausschlüsse grundsätzlich möglich sind, dürfen diese den Schutz des Dritten nicht entscheidend untergraben (7 Ob 152/06p, 7 Ob 33/10v). Der gebotene Inhalt eines Pflicht-Haftpflichtversicherungsvertrags muss sich daran orientieren, was der Gesetzgeber damit erreichen wollte (vgl 7 Ob 70/14s).
3.2. Dem § 99 Abs 7 GewO 1999 ist der von den Klägern unterstellte Zweck nicht zu entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus den Materialien (ErläutRV 1800 BlgNR 24. GP 2 und 18), dass die Versicherung zur Absicherung der mit der Bautätigkeit verbundenen Gefahren und dadurch verursachter Schäden dienen soll, und dass 2012 bereits 90 % der einschlägig tätigen Gewerbetreibenden über eine derartige Versicherung verfügten. Die Interpretation der betreffenden gesetzlichen Anordnung wird im Ergebnis auf den Abschluss einer Haftpflichtversicherung mit dem üblichen Deckungsumfang, also auch mit den üblichen Risikoausschlüssen und begrenzungen, hinauslaufen müssen (vgl RISJustiz RS0125940).
3.3. Für die Pflicht-Haftpflichtversicherung gelten die Vorschriften der §§ 158c bis 158i VersVG (§ 158b VersVG). Der Versicherer haftet nur im Rahmen der amtlich festgesetzten Mindestversicherungssummen und der von ihm übernommenen Gefahr (§ 158c Abs 3 VersVG). Die örtlichen, zeitlichen und sachlichen Grenzen der Gefahrenübernahme, also auch die zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer zulässig vereinbarten Ausschlüsse, gelten gegenüber dem Dritten, der sich insoweit nicht auf § 158c VersVG stützen kann. Das heißt, die Leistungspflicht des Versicherers kann nicht weiter als bei einem ordnungsgemäßen Versicherungsverhältnis gehen. § 158c VersVG führt demnach nicht zu einer Erweiterung der versicherten Gefahr (RIS-Justiz RS0129256). Fällt der vom geschädigten Dritten geltend gemachte Anspruch nicht unter das versicherte Risiko (zB wegen Vorliegens einer Risikobeschränkung), so kann sich dieser nicht auf die Bestimmung des § 158c VersVG stützen (RIS-Justiz RS0080651).
3.4. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Beklagte aufgrund des üblichen Risikoausschlusses leistungsfrei ist, hält sich damit im Rahmen der Judikatur.
4.1. Bereits aus dem klaren Wortlaut von Art 24 GA40 ergibt sich, dass der Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen, Erfüllungsansprüchen und -surrogaten nach Art 7.1.1., 7.1.3 und Art 7.9 AHVB unberührt bleibt.
4.2. Ebenso folgt aus dem diesbezüglich ebenfalls nicht interpretationsbedürftigen Wortlaut von Art 30 GA40, dass dieser sich auf von Dritten errichtete Bauwerke bezieht; hier hat jedoch die Versicherungsnehmerin das Gewerk selbst ausgeführt.
5. Auf die EHVB 2004 haben sich die Kläger in der Berufung nicht gestützt. Eine in einem selbständig beurteilbaren Teilbereich in zweiter Instanz unterlassene Rechtsrüge kann aber in der Revision nicht nachgeholt werden (RIS-Justiz RS0043573 [T33]). Überdies steht fest, dass die aufgetretenen Schäden ausschließlich am von der Versicherungsnehmerin errichteten Gewerk entstanden sind und es keine Schäden an anderen Gütern gab.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00030.18I.0420.000 |
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