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OGH vom 13.06.2012, 2Ob98/12v

OGH vom 13.06.2012, 2Ob98/12v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch den Hofrat Dr. Veith, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerinnen 1. mj Linnea K*****, geboren am *****, und 2. Jutta K*****, beide wohnhaft *****, beide vertreten durch Dr. Franz Bixner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Nevenka R*****, vertreten durch Dr. Thomas Fried, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Vaterschaft, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 167/12w 45, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom , GZ 3 Fam 29/10b 39, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mirko R***** war seit mit der Antragsgegnerin verheiratet. Er brachte 2005 die Scheidungsklage ein. Über dieses Begehren war im Zeitpunkt seines Todes am noch nicht entschieden. Er lebte seit November 2006 mit der Zweitantragstellerin in einer Lebensgemeinschaft. Am wurde bei der Zweitantragstellerin eine Schwangerschaft ärztlich bestätigt und daraufhin im Verlassenschaftsverfahren nach Mirko R***** für das ungeborene Kind ein Kurator bestellt. Dieses Kind, die Erstantragstellerin, wurde am geboren. Mit Einantwortungsbeschluss vom wurde der Nachlass der Erstantragstellerin und der Antragsgegnerin aufgrund des Gesetzes jeweils zur Hälfte eingeantwortet, nachdem beide ihr wechselseitiges Erbrecht zugestanden hatten. Mirko R***** ist der außereheliche Vater der Erstantragstellerin.

Die Antragstellerinnen beantragten mit Eingabe vom unter anderem die Feststellung, dass Mirko R***** der außereheliche Vater der minderjährigen Erstantragstellerin sei.

Dies stellte das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss fest, wobei es in der rechtlichen Beurteilung darlegte, dass ein positiver Abstammungsbeweis iSd § 163 Abs 1 ABGB nicht gelungen sei. Nach Abs 2 der Bestimmung könne auf Antrag des Kindes als Vater aber auch der Mann festgestellt werden, der der Mutter innerhalb der kritischen Frist beigewohnt habe, es sei denn, dieser weise nach, dass das Kind nicht von ihm abstamme. Eine solche Feststellung sei nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Tod des Mannes zwar grundsätzlich nicht mehr möglich, davon bestehe aber eine Ausnahme dann, wenn das Kind nachweise, dass ihm der positive Abstammungsbeweis aus Gründen auf Seiten des Mannes nicht gelinge. Hier sei der positive Abstammungsbeweis mangels Verfügbarkeit genetischen Materials, somit aus rechtlichen Gründen, die auf Seiten des Mannes lägen, nicht möglich. Der Antragsgegnerin sei die Widerlegung der Vermutung der Zeugung ebenfalls nicht gelungen, weshalb die Vaterschaft aufgrund der Beiwohnungsvermutung festzustellen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Gesetzgeber gehe in § 163 Abs 2 Satz 2 ABGB auch beim verstorbenen Mann davon aus, dass zuordenbare DNA Spuren verfügbar und daher ein positiver Vaterschaftsbeweis zeitlich unbegrenzt zulässig sei. Dagegen sei die Feststellung der Vaterschaft durch Zeugungsvermutung nur innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod des Mannes zulässig, weil nach Ablauf eines größeren Zeitraums der Nachweis der Beiwohnung und ein allfälliger Gegenbeweis nur schwer zu erbringen sei. Die Feststellung der Vaterschaft in diesem Sinne solle aber in jenen Fällen unbeschränkt möglich sein, in denen das Kind beweise, dass der positive Abstammungsbeweis aus Gründen auf Seiten des Mannes, also aus solchen, die der Sphäre des Mannes zuzurechnen seien, nicht gelungen sei. Nach 7 Ob 75/07s sei davon auszugehen, dass sich weder aus dem Gesetzestext noch aus den Erläuterungen zu seiner Einführung ergebe, dass die Gründe auf Seiten des Mannes verschuldensabhängig sein müssten. Die beispielhafte Aufzählung von Fällen, in denen sich der Vater der positiven Vaterschaftsfeststellung entziehe oder seine Verwandten dies unmöglich machten, spreche nicht dagegen. Mit einer solch großzügigen Handhabung der „Sphärenzurechnung“ könne auch allfälligen, in der Literatur vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung begegnet werden.

Hier habe das Erstgericht bereits im Oktober 2010 ein an die zuständige Behörde in Serbien gerichtetes Rechtshilfeersuchen gestellt, das in der Folge vergeblich urgiert worden sei, und damit erfolglos versucht, bei dem in Serbien Beigesetzten eine Exhumierung zum Zweck der Entnahme einer Gewebeprobe für die Erstellung eines DNA Gutachtens über die Abstammung der Erstantragstellerin zu erreichen. Da das für die Abstammung benötigte genetische Material nicht beigeschafft habe werden können, liege ein Hindernis in der Sphäre des Mannes vor, weshalb die Zweijahresfrist im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelange und die Feststellung der Vaterschaft durch Zeugungsvermutung auch nach Ablauf dieser Frist zulässig sei. Der Antragsgegnerin sei als eingeantworteter Erbin der Beweis nicht gelungen, dass ihr verstorbener Ehemann nicht der Vater der Erstantragstellerin sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde zugelassen, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob und inwieweit ein unbeantwortet gebliebenes Rechtshilfeersuchen zur Beischaffung einer Gewebeprobe als Hinderungsgrund iSd § 163 Abs 2 Satz 2 ABGB gewertet werden könne.

Die Rechtsmittelwerberin meint in ihrem Revisionsrekurs lediglich, dass die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Gründe nicht überzeugten. Nach Ablauf einer größeren Zeitspanne (also von mehr als zwei Jahren) sei der Nachweis der Beiwohnung und ein allfälliger Gegenbeweis nur noch schwer zu erbringen. Das Beispiel des „flüchtigen Mannes“ sei für den gegenständlichen Fall nicht anzuwenden und müsse daher der Umstand, dass das Rechtshilfeersuchen unerledigt blieb, dazu führen, dass eben infolge Fristablauf die Vaterschaftsfeststellung nicht mehr möglich sei. Es werde daher die Abweisung des Feststellungsantrags beantragt.

Die Antragstellerinnen streben in ihrer Revisionsrekursbeantwortung die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Revisionsrekurses an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig , er ist aber nicht berechtigt .

Der Oberste Gerichtshof erachtet die Entscheidung des Rekursgerichts und dessen Begründung für zutreffend, sodass es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 71 Abs 3 Satz 2 AußStrG). Die Rechtsmittelwerberin bringt in ihrem Revisionsrekurs keine neuen Argumente vor. Wie bereits das Rekursgericht dargelegt hat, sind die in den Materialien aufgezählten Beispiele des „flüchtigen Mannes“ sowie der Erben, die genetisches Material „verschwinden“ lassen, lediglich „insbesondere“ angeführt. Der erkennende Senat schließt sich der in 7 Ob 75/07s = RIS Justiz RS0122644 vertretenen Ansicht an, dass weder aus den Erläuterungen noch aus dem Gesetzestext der Schluss zu ziehen ist, dass die in § 163 Abs 2 Satz 2 ABGB genannten Gründe „auf Seiten des Mannes“ verschuldensabhängig sein müssten. So wie im dortigen Fall aufgrund „des degradierenden Effektes von Formalin auf die DNA“ das vorhandene Gewebematerial für ein DNA Gutachten nicht brauchbar war, ist es auch hier der Sphäre des Mannes zuzurechnen, wenn trotz wiederholter Bemühungen eine Gewebeprobe nicht erlangt werden kann.