OGH vom 28.03.2012, 7Ob30/12f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. F***** H*****, geboren am *****, 2. M***** H*****, geboren am *****, und 3. A***** H*****, geboren am *****, alle vertreten durch die Mutter P***** S*****, letztere vertreten durch Mag. Andrea Seidl, Rechtsanwältin in Großenzersdorf, Vater Mag. C***** H*****, vertreten durch Mag. Christoph Hatvagner, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 20 R 119/11g 91, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom , GZ 1 P 163/02f 86, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Minderjährigen haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Vater der drei Minderjährigen erzielt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Tierarzt, aus Land und Forstwirtschaft als unbeschränkt haftender Gesellschafter einer KEG sowie einer OG, als Gesellschafter einer Biogasanlage, die in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführt wird, und sonstige Einkünfte (Funktionsgebühr, Kapitalvermögen). Er bezog im Jahr 2009 ein durchschnittliches monatliches Gesamteinkommen unter Anrechnung der fiktiven Einkommensteuer von 4.893,83 EUR.
Das Erstgericht sprach den drei Minderjährigen unter Anwendung der Prozentsatzmethode im Zeitraum bis den monatlichen Unterhalt auf der Basis der Unterhaltsbemessungsgrundlage des Vaters von 4.893,83 EUR zu.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz „hinsichtlich der Unterhaltserhöhungen sowie … der Abweisung von Unterhaltsherabsetzungsanträgen“ für den Zeitraum bis nicht Folge. Rechtlich führte es aus, dass das Erstgericht die Unterhaltserhöhung für das Jahr 2009 richtig bemessen habe. In diesem Jahr sei bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage vom Reingewinn auszugehen. Privatentnahmen seien nur heranzuziehen, wenn sie höher als der Reingewinn seien, weil der Unterhaltspflichtige dann die Vermögenssubstanz angreife.
Über - nach dem Deckblatt (das offenbar an die Rechtsmittelgegner nicht zugestellt wurde) an das Erstgericht adressierte und dort rechtzeitig eingebrachte (§ 63 Abs 2 AußstrG) - Zulassungsvorstellung des Vaters sprach das Rekursgericht nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit zulässig sei, weil der Vater „einige Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs“ zitiere, aus denen geschlossen werden könnte „ auch wenn kein vollkommen identer Sachverhalt vorliegt “, dass es die Rechtsfrage unrichtig gelöst habe.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs des Vaters nicht zulässig, weil keine im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage zu beantworten ist. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Die Unterhaltsbemessungsgrundlage bei einem aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielten Einkommen wird nur für den laufenden Unterhalt aus dem Durchschnittseinkommen der drei letzten, vor der Beschlussfassung liegenden Geschäftsjahre gebildet. Im Gegensatz dazu ist bei einem begehrten Unterhalt für die Vergangenheit die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners in den einzelnen Unterhaltsperioden zu prüfen. Der Unterhalt für einen bereits vergangenen Zeitraum ist auf Basis des in den maßgebenden Perioden tatsächlich erzielten Einkommens zu bestimmen (7 Ob 80/10f; 3 Ob 250/07x; 1 Ob 156/06g; 5 Ob 254/05x; 5 Ob 29/04g; 9 Ob 68/01t; 3 Ob 202/01d; 3 Ob 248/00t; 4 Ob 293/00t; 4 Ob 102/99z; 1 Ob 549/95; Gitschthaler , Unterhaltsrecht 2 [2008] Rz 87; Neuhauser in Schwimann/Kodek , ABGB 4 I § 140 Rz 249 aE). Dies trifft auf die im Zeitpunkt des Ergehens des erstgerichtlichen Beschlusses () bereits vergangene Unterhaltsperiode 2009 zu, für welche die Minderjährigen am einen modifizierten Unterhaltsantrag stellten. Für die Unterhaltsbemessung im Jahr 2009 ist das in diesem Jahr erzielte (monatliche) Einkommen des Vaters maßgeblich, wovon die Vorinstanzen zutreffend ausgingen. Soweit der Vater hier einen Durchschnittswert seiner in den Jahren 2007, 2008 und 2009 getätigten Privatentnahmen für die Unterhaltsbemessung im Jahr 2009 heranziehen möchte, widerspricht dies der Judikatur (vgl 3 Ob 250/07x; 9 Ob 68/01t; 3 Ob 202/01d; 3 Ob 248/00t).
Der durchschnittliche monatliche Reingewinn betrug im Jahr 2009 4.893,83 EUR, wovon auch der Vater ausgeht. Wenn er damit argumentiert, dass ihm dieses Einkommen auf Grund der in diesem Jahr getätigten niedrigeren Privatentnahmen „niemals real zur Verfügung gestanden“ sei, so stellt er damit nicht in Abrede, dass er zumindest darüber verfügen hätte können. Bemessungsgrundlage für die Unterhaltsverpflichtung ist nach einhelliger Auffassung die Summe aller tatsächlichen in Geld oder geldeswerten Leistungen erzielten Einkünfte, über die der Unterhaltsverpflichtete verfügen kann . Beim selbständig Erwerbstätigen ist nicht der steuerliche Reingewinn maßgebend, sondern der tatsächlich verbleibende. Insgesamt ist das Gesamteinkommen des Unterhaltspflichtigen nach Abzug von Steuern und öffentlichen Abgaben vom Einkommen und die sich daraus ergebende tatsächliche wirtschaftliche Lage entscheidend, somit die Summe der dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel (2 Ob 115/11t mwN).
Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 101 Abs 2 AußStrG, wonach im Verfahren über Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder ein Kostenersatz nicht stattfindet.