OGH vom 24.10.2019, 4Ob85/19g

OGH vom 24.10.2019, 4Ob85/19g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft, *****, vertreten durch Tonninger Schermaier & Partner Rechtsanwälte in Wien, gegen die Beklagte W***** GmbH, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 32.000 EUR), über den Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 36/19w-17, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom , GZ 12 Cg 29/18p-12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist die für die Buch- und Medienwirtschaft zuständige Fachorganisation und die gesetzliche Branchenvertretung der Wirtschaftskammer Österreich. Seine Mitglieder sind vorwiegend Verleger und Buchhändler, deren wirtschaftliche Interessen der Kläger vertritt.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, dessen Unternehmensgegenstand der Vertrieb und die Vermarktung von Onlineportalen ist. Sie betreibt den Onlineshop https://shop.w*****.at unter dem Namen „W***** Gutscheinwelt: Gutscheine für Shop, Hotels & Urlaub“. Die Beklagte veräußerte zumindest seit November 2018 über dieses Onlineportal auch Geschenkgutscheine der Buchhandelskette T*****. Die Gutscheine wurden als „T***** Bücher“ bezeichnet. Zu diesem Gutschein von T***** gelangte man, indem der „T***** Bücher“-Gutschein entweder bereits auf der Startseite als Angebot der Woche präsentiert wurde, oder der Kunde über die vorhandene Suchfunktion durch Eingabe eines Suchworts wie „T*****“ oder „Buch“ oder über den Reiter „Alle Produkte“ zu den T*****-Gutscheinen gelangte. Anschließend erschien ein Foto einer T*****-Buchhandlung mit Angabe des Preises und einer Bewertung, woraus sich ergab, dass ein Gutschein im Nominalwert von 100 EUR um 75 EUR gekauft werden konnte und wobei auf eine 25%ige Ersparnis hingewiesen wurde. Unter anderem wurde dieses Angebot mit folgendem Text beworben: „25 % sparen! Kaufen Sie jetzt einen Gutschein im Wert von 100 EUR um 75 EUR“.

Des Weiteren erfuhr der Besucher der Website, dass die Gutscheine als Geschenkkarte nach Aufladung mit einem Guthabenbetrag zur Bezahlung in allen T*****-Filialen in Österreich und in den Online-Shops der T*****-Gruppe wie Bargeld genutzt und wieder aufgewertet werden können. Weiters erfuhr der Besucher, dass die Gutscheine auf das gesamte Warensortiment von T***** (Bücher, Hörbücher, E-Books und E-Reader sowie Unterhaltung: Spiele, Musik, Vinyls, Filme, Backutensilien, Produkte für die Freizeit, Kerzen und Dekoration, Bastelprodukte, Papierwaren) eingesetzt werden können. Nach der Bestellung des „T***** Bücher“-Gutscheins um 75 EUR zuzüglich 4,90 EUR Versandkosten erhielt der Kunde innerhalb einiger Tage per Post ein Kuvert, in dem sich der Gutschein in Form einer blauen T*****-Geschenkkarte befand, auf der 100 EUR aufgebucht waren. T***** verkaufte und verkauft auch Bücher, die der Preisbindung nach § 5 Abs 1 Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern, BGBl I 2000/45 idF BGBl I 2014/79 (im Folgenden zitiert als Buchpreisbindungsgesetz – BPrBG), unterliegen und daher nicht von den Ausnahmen des § 5 Abs 3 bzw § 6 BPrBG erfasst sind.

Vertreter des Klägers kauften mit einem solcherart bestellten Geschenkgutschein im Onlineshop von t*****.at und auch in einer Filiale der Handelskette T***** preisgebundene Bücher. Dabei wurde durch Verwendung des Geschenkgutscheins ein tatsächlicher Rabatt von rund 21,5 % erzielt, da die Preise in den Buchhandlungen von T***** (anders als im Onlineshop) geringfügig über den im Verzeichnis lieferbarer Bücher gelisteten Letztverkaufspreisen verkauft werden.

Abgesehen von ihrem Onlineshop bewarb die Beklagte die T***** Bücher-Gutscheine auch über die „W*****-Magazine“ der Bundesländer ihrer Mutter-/Schwestergesellschaften, in denen Werbung für die Gutschein-Welt und darin erhältliche Gutscheine abgedruckt war. Die um 25 % ermäßigten T***** Bücher-Gutscheine wurden von der Beklagten auch gezielt gegenüber ihren Facebook-Nutzern beworben, wobei die besondere Kaufgelegenheit von Gutscheinen, die auch auf preisgebundene Bücher eingelöst werden konnten, mit Slogans wie „Nur für kurze Zeit“ und „Bücher-Fans aufgepasst!“ hervorgehoben wurde. Für diese Gutscheinaktion hatte die Beklagte von T 265 Geschenkgutscheine mit einem Nominalwert von je 100 EUR zum Preis von je 100 EUR, gesamt daher 26.500 EUR, erworben. Der Kaufpreis wurde nicht bar bezahlt, sondern ein Gegengeschäft mit T***** abgeschlossen. Im Gegenzug zum Gutscheinkauf beauftragte T***** die Beklagte mit der Schaltung von Werbung/Inseraten in den W*****-Magazinen zu einem Preis von 26.500 EUR netto, sodass die jeweiligen Forderungen miteinander aufgerechnet wurden. Für diese Inserate erhielt T***** einen Rabatt von 35 % gegenüber den offiziellen Listenpreisen der Beklagten. Dieser Rabatt war bei der Beklagten gegenüber Unternehmen der Größe und Wichtigkeit von T***** üblich. Ansonsten gab es keine Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und der Unternehmensgruppe T*****, insbesondere keine weiteren Gegengeschäfte und auch keine sonstigen Rückvergütungen.

Mit dem ermäßigten Verkauf von Gutscheinen verfolgte die Beklagte das unternehmensstrategische Ziel, den Werbewert ihres Onlineportals „Gutscheinwelt“ zu erhöhen, indem die Besucheranzahl (also der sogenannte traffic) des Portals gesteigert wird. Denn der Preis, der für ein Inserat bezahlt wird, hängt von dieser Besucherzahl dergestalt ab, dass umso mehr für ein Inserat bezahlt wird, je höher die Kundenfrequenz des Portals ist. Der Verkauf ermäßigter Gutscheine sollte den Umsatz durch Werbeeinnahmen und dadurch den Gewinn der Beklagten erhöhen. Durch die Limitierung der gekauften Gutscheine war das Kosten-Nutzen-Risiko auch kalkulierbar. Die Beklagte verkaufte nicht nur Gutscheine von T*****, sondern Gutscheine von insgesamt etwa 300 Unternehmen. Dem Geschäftsführer der Beklagten war bewusst, dass T***** auch preisgebundene Waren verkauft und diese mit den von der Beklagten ermäßigt verkauften Gutscheinen erworben werden können. Der Beklagten war daher auch bewusst, dass sie durch den ermäßigten Verkauf von Geschenkgutscheinen von T***** deren Wettbewerb am Büchermarkt mit anderen Buchhändlern förderte.

Der Kläger beantragte zur Sicherung seines gleichlautenden Klagsanspruchs die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach es die Beklagte im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen habe, für Waren iSd § 1 BPrBG gegenüber Letztverbrauchern iSd § 2 Z 4 BPrBG eine Unterschreitung des Letztverkaufspreises iSd § 3 Abs 1 BPrBG anzukündigen und/oder einen Rabatt von über 5 % auf den Letztverkaufspreis (Mindestpreis) zu gewähren, insbesondere in ihrer online abrufbaren Gutschein-Welt den Verkauf von „T***** Bücher“-Gutscheinen, die für Waren iSd § 1 BPrBG eingelöst werden können, mit der Ankündigung „25 % sparen! Kaufen Sie jetzt einen Gutschein im Wert von 100 EUR um 75 EUR“ anzukündigen und/oder einen entsprechenden Rabatt auch zu gewähren.

Die Beklagte betreibe den Onlineshop „Gutscheinwelt“, über den sie gewerbsmäßig Gutscheine der Buchhandelskette T***** an österreichische Letztverbraucher im Wert von 100 EUR zu einem Preis von 75 EUR verkaufe. Da die solcherart verkauften Gutscheine auch für preisgebundene Bücher bei T***** eingelöst werden könnten, verstoße die Beklagte damit gegen § 5 Abs 1 und Abs 2 BPrBG. Trotz erfolgter Abmahnung sei das Verhalten nicht eingestellt worden. Die vorprozessuale Behauptung der Beklagten, sie bezahle den gesamten Nominalwert an T*****, sei unglaubwürdig. Es sei davon auszugehen, dass mit T***** Gegengeschäfte in Form von Inseraten zu überhöhten Preisen gemacht werden. Die Beklagte sei selbst Letztverkäuferin iSd § 2 Z 3 BPrBG, da eine teleologische Interpretation der Bestimmung dazu führe, dass auch der Verkauf von Gutscheinen für preisgebundene Waren diesen preisgebundenen Waren gleichzusetzen sei.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung ohne Anhörung der Beklagten. Dem Kläger wurde eine Sicherheitsleistung von 20.000 EUR aufgetragen. Nach Erlag derselben wurde die einstweilige Verfügung der Beklagten zugestellt, worauf diese Widerspruch erhob. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Erstgericht den nach § 397 Abs 1 EO erhobenen Widerspruch der Beklagten ab. Bereits der Verkauf von Geschenkgutscheinen, die nach Wahl des Käufers auch auf preisgebundene Bücher eingelöst werden können, sei eine Veräußerung von Waren iSd § 1 BPrBG. Schon der Verkauf solcher Gutscheine sei das maßgebende Grundgeschäft, nicht erst die Einlösung des Gutscheins, mit welcher lediglich das im Gutschein verbriefte Wahlrecht ausgeübt, nicht aber das zugrunde liegende Grundgeschäft abgeschlossen werde. Damit unterliege die gewerbsmäßige Veräußerung von Geschenkgutscheinen, die für preisgebundene Bücher eingelöst werden können, als Waren iSd § 1 BPrBG unmittelbar diesem Gesetz. Die Beklagte sei Letztverkäufer iSd § 1 BPrBG, wenn sie Gutscheine veräußere, die für preisgebundene Bücher verwendet werden können. Dadurch, dass sie diese Gutscheine mit einer 25%igen Ermäßigung veräußere, habe sie selbst als unmittelbare Täterin gegen § 5 Abs 1 BPrBG verstoßen. Darüber hinaus habe sie auch gegen § 5 Abs 2 BPrBG verstoßen, indem sie die Unterschreitung des Letztverkaufspreises beim Verkauf von Geschenkgutscheinen als Waren iSd § 1 BPrBG auf ihrer Homepage im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs angekündigt habe.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs in Ermangelung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt zulässig sei. Die Ausgabe von Gutscheinen, die für den Erwerb von preisgebundenen Büchern eingelöst werden können, sei dem Erwerb von preisgebundenen Büchern gleichzuhalten. Ein Gutschein, der um 75 EUR erworben werden könne, aber 100 EUR wert sei und für preisgebundene Bücher eingesetzt werden könne, umgehe die Buchpreisbindung, weil er die Kaufentscheidung relevant beeinflussen könne. Die Gutscheinaktion der Beklagten umgehe und untergrabe die Ziele des BPrBG und sei daher ein Wettbewerbsverstoß iSd § 1 UWG.

Die Beklagte macht in ihrem – auf die Abweisung des Sicherungsantrags gerichteten – Revisionsrekurs geltend, dass der Buchhändler von ihr den vollen Wert der über sie ausgegebenen Gutscheine erhalten habe. Den wirtschaftlichen Vorteil habe daher nicht der Buchhändler, sondern die Beklagte gewährt, die aber keine Buchhändlerin sei, sodass das BPrBG hier nicht zur Anwendung komme. Ein Verbot der Gutscheinaktion gegenüber der Beklagten würde deren Erwerbsausübungsfreiheit unverhältnismäßig beschränken. Es bestehe keine wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Buchhändler und der Beklagten. Im BPrBG fände sich keine Bestimmung, wonach die Preisbindung von Büchern oder das Verbot der Ankündigung der Unterschreitung des Letztverkaufspreises auch für den Verkauf von (auch auf preisgebundene Waren einlösbaren) Gutscheinen durch Dritte gelte. Die Beklagte betreibe keine gewerbsmäßige Veräußerung von Büchern, sodass schon aus diesem Grund ihre Tätigkeit nicht den Bestimmungen des BPrBG unterliege.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass es im Zusammenhang mit dem Vorwurf von Verstößen gegen das BPrBG auf die Richtigkeit der beanstandeten Gesetzesauslegung und nicht nur auf deren Vertretbarkeit ankommt (vgl 4 Ob 57/13f, Thalia II).

2.1. Das BPrBG gilt nach dessen § 1 für den Verlag und den Import sowie den Handel mit deutschsprachigen Büchern, E-Books und Musikalien. Es zielt auf eine Preisgestaltung ab, die auf die Stellung von Büchern als Kulturgut, die Interessen der Konsumenten an angemessenen Buchpreisen und die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten des Buchhandels Bedacht nimmt. Letztverkäufer dürfen bei Veräußerung von Waren im Sinne des § 1 an Letztverbraucher den nach § 3 festgesetzten Letztverkaufspreis höchstens bis zu 5 vH unterschreiten (§ 5 Abs 1 BPrBG) und dürfen die Unterschreitung im geschäftlichen Verkehr nicht ankündigen (Abs 2). Letztverkäufer ist, wer gewerbsmäßig Waren iSd § 1 an Letztverbraucher veräußert (§ 2 Z 3 BPrBG), Letztverbraucher ist, wer eine Ware im Sinne des § 1 zu anderen Zwecken als zum Weiterverkauf erwirbt. Gemäß § 7 BPrBG gelten Handlungen gegen ua § 5 Abs 1 bis 3 BPrBG als Handlungen iSd § 1 UWG.

2.2. Das Verbot, Waren zu mehr als 5 % unter dem festgesetzten Letztverkaufspreis zu veräußern, gilt nur für Waren iSd § 1 BPrBG, also für Bücher, E-Books und Musikalien. Was darunter zu verstehen ist, bestimmt sich zunächst nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch (4 Ob 55/13m, Bücher).

2.3. Die Beklagte bewirbt und veräußert selbst keine Waren, sie ist insbesondere keine Buchhändlerin im gewerberechtlichen Sinn. Zu prüfen ist aber, ob das Geschäftsmodell ihres Unternehmens (verbilligte Abgabe von Gutscheinen an Letztverbraucher, mit deren Einlösung auch preisgeregelte Bücher unter dem gesetzlichen Letztverkaufspreis erworben werden können) wirtschaftlich betrachtet dem Verkauf von preisgeregelten Büchern gleichzuhalten ist, weshalb das BPrBG zur Erreichung seines Ziels und zur Vermeidung von Umgehungen per analogiam auch auf die Beklagte Anwendung zu finden hat.

3. Im deutschen Schrifttum werden bei ähnlicher Gesetzeslage (das deutsche Gesetz über die Preisbindung für Bücher gleicht, soweit hier relevant, dem BPrBG in Systematik und Zielsetzung) folgende Ansichten vertreten:

3.1. Zur massenhaften Streuung von Gutscheinen bzw Zuzahlungen von Unternehmern ohne Bezug zum Begünstigten meinen Franzen/Wallenfels/Russ (Preisbindungsgesetz, § 3 Rz 23), dass dadurch das Bewusstsein für feste Preise untergraben werde. Von derartigen Aktionen profitierten zudem vornehmlich große Internetbuchhändler, was mit dem Zweck des Gesetzes, durch Preisbindung eine große Anzahl mittelständische Verkaufsstellen zu sichern, nicht zu vereinbaren sei.

3.2. Mees (Einsatz und Verwendung von Gutscheinen sowie Leistungen Dritter beim Verkauf im Preis gebundener Bücher, GRUR 2012, 353 [355 ff]) stellt auf das tatsächlich zu erwartende Verhalten des Letztverbrauchers ab. Dieser werde bei der Auswahl des Händlers jedenfalls demjenigen den Vorrang geben, bei dem er die Ware preisgünstiger erwerben könne. Er achte dabei nicht darauf, ob der Buchhändler die gebundenen Preise einhalte, sondern alleine darauf, ob er für seinen konkreten Einkauf weniger zu zahlen habe. Dies führe zu einer Verschiebung und Verdrängung auf dem Markt.

3.3. Weitner (Buchpreisbindung – Wer muss zahlen?, GRUR-RR 2012, 1 [3 ff]) sieht die gesetzlich geschützte Vielfalt des Angebots dann durch Preiswettbewerb für gefährdet, wenn der Letztverbraucher den günstigeren Preis mit dem Buchhändler selbst assoziiert und er aufgrund dessen erwartet, bei diesem Händler dauerhaft oder zumindest regelmäßig günstigere Preise zu erhalten. Dem folgte das OLG Hamburg (GRUR-RR 2013, 348, studibooks.de) und wendete die dargestellten Kriterien auf das Modell eines Buchhandels an, der in Kooperation mit Dritten einen von diesen dotierten „Fördertopf“ für Studienbücher eingerichtet hatte. Aus diesem Topf wurden 10 % des gebundenen Preises entnommen, sodass der Kunde entsprechend weniger zu zahlen hatte.

3.4. Bezogen auf dieses Modell meint Jacobi (Die Anrechnung von Zahlungen Dritter beim Verkauf von Büchern – Ein Verstoß gegen die Buchpreisbindung? WRP 2011, 703 [707 f]), unabhängig von der Frage, ob der Letztverkäufer den vollen Preis erhalte, könne man mit diesem System andere Händler systematisch unterbieten, was das Gesetz verhindern wolle. Doch sei man dabei abhängig von dritten Unternehmen, was den preispolitischen Spielraum erheblich begrenze. Insoweit sei von der Zulässigkeit des Modells auszugehen.

3.5. Möller (Gutscheine, Gewinnspiele, Koppelungsangebote – Wie bindend ist der Buchpreis? GRUR-Prax 2010, 308 [310]; vgl aber auch derselbe, GRUR-Prax 2018, 490 ff) sieht generell keinen Verstoß, wenn der Dritte den Kaufpreis im Vorhinein gegenüber dem Buchhändler bezahlt hat.

4.1. In der deutschen Rechtsprechung vertrat der BGH zunächst eine objektive Beurteilung. Bezugspunkt für die Prüfung eines Verstoßes gegen das Buchpreisbindungsgesetz sei, ob das Vermögen des Buchhändlers beim Verkauf neuer Bücher um den gebundenen Preis vermehrt werde; auf die Auslegung der Werbeaktion durch den Kunden komme es nicht an (I ZR 83/14 = GRUR 2016, 298 [Rn 33]). Abzustellen sei alleine auf das Verhältnis zwischen Buchhändler und Letztabnehmer (BGH I ZR 127/15 = GRUR 2017, 199 [Rn 17 ff]).

4.2. Zuletzt hatte der BGH (I ZR 34/17, MyTaxi = GRUR 2018, 946) zu beurteilen, ob in der Übernahme eines Teils des Fahrpreises durch einen Taxivermittler über eine Bestell-App eine unzulässige Umgehung der geltenden Tarifpflicht liege. Dies wurde verneint. Mit Blick auf die Buchpreisbindung führt die Entscheidung jedoch aus, es könnte aufgrund des dort abweichenden Schutzzwecks eine strengere Betrachtungsweise geboten sein. Provisionsmodelle, die zu einer Konzentration der Nachfrage von Letztverbrauchern bei bestimmten Buchhändlern führten, könnten nämlich eine Verringerung der Zahl der Verkaufsstellen bewirken [Rn 30].

5.1. Der Senat vertritt die Auffassung, dass bei der Auslegung von Preisbindungsgesetzen grundsätzlich von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszugehen ist (vgl 4 Ob 407/85). Zu berücksichtigen ist weiters das zentrale Anliegen des BPrBG, einen Preiswettbewerb zwischen Buchhändlern zum Schutz der Büchervielfalt und der Versorgung der Bevölkerung mit Büchern zu verhindern (AB 113 BlgNR 21. GP 7; 4 Ob 57/13f, Thalia II [2.2]).

5.2. Nach der Rechtsprechung des Senats (RS0072106) repräsentieren Waren- bzw Wertgutscheine eines Warenhändlers oder Dienstleisters ein Forderungsrecht gegen den Aussteller, Waren oder Leistungen aus dessen Sortiment im Gegenwert des verbrieften Nennwerts zu beziehen (4 Ob 310/80 = SZ 53/50 unter Hinweis auf Eccher, Zur Rechtsnatur der Gutscheine, ÖJZ 1974, 337 [341]; vgl RS0072106). Den Erwerbern wird aufgrund des bei ihrer Ausgabe schon endgültig abgeschlossenen Güteraustauschvertrags bereits ein unwiderruflicher Anspruch auf Waren des Ausstellers der Gutscheine in der Höhe des jeweiligen Nennwerts verbrieft. Ausgabe und Einlösung sind wirtschaftlich und rechtlich als zeitlich aufeinanderfolgende Phasen eines einheitlichen Rechtsgeschäfts zu sehen.

5.3. An diesen Grundsätzen ändert sich in Ansehung der Abgabe preisgeregelter Bücher nichts, wenn zwischen Warenhändler und Erwerber ein zweites Unternehmen (hier: die Beklagte) zwischengeschaltet wird, das die zur Einlösung bei einem bestimmten Warenhändler berechtigenden Gutscheine im eigenen Namen veräußert. Zwar tritt in diesem Fall die Beklagte nicht als Buchhändlerin auf, aus Sicht der Letztverbraucher repräsentieren aber die von ihr verbilligt abgegebenen Gutscheine auch preisgeregelte Bücher. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist die Beklagte daher wertungsmäßig den vom BPrBG angesprochenen Letztverkäufern gleichzuhalten, sodass die hier einschlägigen Bestimmungen des BPrBG auch für das Geschäftsmodell der Beklagten analog anzuwenden sind.

5.4. Das Geschäftsmodell der Beklagten unterläuft den Gesetzeszweck des BPrBG, weil auch der in zwei Verkaufsakte aufgelöste Geschäftsvorgang des Ankaufs der Gutscheine von der Beklagten und deren Einlösung beim begünstigten Buchhändler – nicht anders als bei der Abgabe verbilligter Gutscheine durch den Buchhändler selbst – einen für preisgeregelte Bücher verpönten Preiswettbewerb ermöglicht. Die gewerbsmäßige Abgabe verbilligter Gutscheine zugunsten eines bestimmten Buchhändlers kann auch ohne dessen direkte Beteiligung eine große Anzahl von Kunden zu diesem umlenken, wobei einzige Motivation dafür der (gesetzlich verpönte) Preisvorteil ist. Dies kommt vor allem großen Anbietern zugute (vgl Franzen/Wallenfels/Russ [Preisbindungsgesetz, § 3 Rz 23]). Damit gefährdet auch das vorliegende Geschäftsmodell der Beklagten die Vielfalt des Buchmarkts, weil es kleine Anbieter aufgrund preislicher Erwägungen aus dem Markt drängen kann.

5.5. Die Vorinstanzen haben daher im Ergebnis zutreffend einen Verstoß der Beklagten gegen Bestimmungen des BPrBG bejaht.

6.1. Zu Unrecht bestreitet die Beklagte die Gewerbsmäßigkeit ihres Handelns im Sinn des BPrBG. Dafür reicht nämlich Entgeltlichkeit aus, Gewinnerzielungsabsicht ist nicht hinsichtlich des einzelnen Geschäfts erforderlich (vgl Tonninger, BPrBG², § 2 Rz 6). Das ergibt sich geradezu zwingend aus der Zielsetzung des BPrBG, Kampfpreisunterbietung zu verhindern. Dass die Beklagte mit dem Verkauf des einzelnen Gutscheins (zunächst) einen Verlust macht, steht der Annahme von Gewerbsmäßigkeit daher nicht entgegen, zumal sie die Tätigkeit selbstständig und regelmäßig ausführt.

6.2. Auch der Argumentation der Beklagten zur Freiheit der Erwerbsausübung ist nicht zu folgen. Die Verfassungskonformität des BPrBG selbst wird von der Revisionsrekurswerberin zu Recht (vgl Öhlinger, Ist die Buchpreisbindung verfassungskonform?, ÖJZ 2008, 211 ff) nicht in Frage gestellt. Aber auch das Verbot eines die Normen des BPrBG verletzenden Verhaltens ist keine unverhältnismäßige Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit, zumal es der Beklagten ja weiterhin frei steht, Gutscheine für sonstige Waren (darunter auch Bücher, die nicht dem BPrBG unterliegen) zu vertreiben und zu bewerben.Dem Revisionsrekurs der Beklagten kann daher kein Erfolg beschieden sein.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm § 50, 41 ZPO.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00085.19G.1024.000
Schlagworte:
T‑Bücher,

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.