OGH vom 24.10.2017, 2Ob97/17d

OGH vom 24.10.2017, 2Ob97/17d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.Prof. Dr.

Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden Parteien 1. E***** T 2. N***** T*****, vertreten durch Dr. Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin Stadt Wien, vertreten durch RUDECK-SCHLAGER RECHTSANWALTS KG in Wien, wegen Kostenersatz gemäß §§ 50, 55 WrBauO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 376/13v66, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Kostenentscheidung des Rekursgerichts wendet, als absolut unzulässig zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, sofern er sich nicht gegen die Kostenentscheidung des Rekursgerichts wendet und deshalb nach § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG jedenfalls unzulässig ist, mangels einer erheblichen Rechtsfrage (§ 62 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.

1. Der Ausschluss des Revisionsrekurses gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt in § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG erstreckt sich – wie die parallele Bestimmung des § 528 Abs 2 Z 3 ZPO – auf sämtliche Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wird. Das Gericht zweiter Instanz entscheidet in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen endgültig. Das betrifft selbst alle Kostenentscheidungen, in denen das Gericht zweiter Instanz funktionell nicht als Rechtsmittel-, sondern als Prozessgericht erkannte (RIS-Justiz

RS0044233, insb [T11, T 26]; RS0007696; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 62 Rz 15; Klicka in Rechberger, AußStrG2§ 62 Rz 3).

2. Der Senat hat in der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung 2 Ob 216/14z (ON 62) die Zulässigkeit des Rechtswegs bejaht und dem Rekursgericht aufgetragen, über die Rekurse der Parteien gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom meritorisch zu entscheiden. Dem wurde mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss entsprochen. Da die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs geklärt ist, kann sie die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht begründen (vgl RISJustiz RS0035572).

3. Bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallenden Rechtsmaterien kommt dem Obersten Gerichtshof keine Leitfunktion zu (RIS-Justiz

RS0116438). Dass Rechtsprechung zu Bestimmungen des Verwaltungsrechts fehlt, begründet daher für sich allein noch keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0123321 [T7, T 10]).

Seit dem Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes – Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung (LGBl 2013/35) mit sind für Bescheide über den Kostenersatz nach §§ 50, 55 WrBauO nicht mehr – aufgrund der bis dahin in Geltung gestandenen Bestimmung des § 59 Abs 8 WrBauO – die ordentlichen Gerichte sukzessiv zuständig, sondern es ist gemäß § 136 Abs 1 WrBauO das Verwaltungsgericht Wien mittels Beschwerde anzurufen. Eine Kompetenz der ordentlichen Gerichte besteht nur noch unter der Voraussetzung, dass diese – wie im vorliegenden Fall – noch vor dem angerufen wurden (siehe 2 Ob 216/14z).

4. Im Revisionsrekursverfahren ist nur die Höhe des „Kostenersatzes“ (§ 50 WrBauO) strittig. Das Rekursgericht folgerte aus der Bestimmung des § 17 Abs 4a WrBauO, wonach, wenn Grundflächen in das öffentliche Gut nicht gleichzeitig mit der Grundabteilung übertragen werden können, weil sie im Eigentum eines Dritten stehen, die Abtretungspflicht als erfüllt gilt, wenn der Abteilungswerber an die Gemeinde eine Geldleistung in der Höhe des vollen Grundwertes (sowie einen angemessenen Beitrag zu den Kosten, die der Gemeinde im Rahmen des Grundabteilungsverfahrens erwachsen) entrichtet, dass auch im – hier vorliegenden – vom Gesetz ungeregelten Fall, dass der Abtretungspflicht nicht entsprochen werden kann, weil die abzutretende Fläche bereits im Eigentum der Gemeinde steht, der Gemeinde der volle Grundwert zu entrichten sei.

Diese auf einen Analogieschluss beruhende Rechtsansicht ist nicht zu beanstanden, zumal die Kostenersatzpflicht des § 50 WrBauO in der hier maßgeblichen Fassung (LGBl 2005/41 idF 2006/61) alternativ an den Tatbestand des § 17 Abs 4a WrBauO (idF LGBl 2005/41) anknüpft und der Gesetzgeber – wie aus den Materialien ersichtlich (Beilagen Nr 6/2005, 01399-2005/0001-MDSALTG, und Nr 22/2006, LG-06001-2005/0001) – nicht den Fall bedachte, dass sich eine abzutretende Fläche bereits im Eigentum der Gemeinde befinden kann.

5. Weil die Kostenersatzpflicht nach §§ 50, 55 WrBauO nicht davon abhängt, ob die Verkehrsflächen bereits ausgebaut sind oder künftig ausgebaut werden sollen (RIS-Justiz RS0127475), wäre nicht einsichtig, warum ein Abteilungswerber besser gestellt sein sollte, nur weil das von der Abtretungspflicht betroffene Grundstück bereits eine im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Straße ist.

6. Der „volle Grundwert“ ist mit dem Verkehrswert gleichzusetzen. Der von den Antragstellern für ihr Grundstück entrichtete Preis lag unter diesem und ist deshalb nicht maßgeblich. Gegen die Relevanz des Verkehrswerts sprechen nicht die in §§ 50 und 51 WrBauO verwendeten Begriffe „Kostenersatz“ und „Beitrag zu den Kosten“, weil es sich bei §§ 50 ff WrBauO rechtlich um keine Kostenersatzregeln im Sinne einer zivilrechtlichen Entschädigung handelt (vgl Geuder/Fuchs, Bauordnung für Wien4 [2016] 201).

7. Wurden – wie hier – von der Gemeinde die Grundflächen vor mehr als fünf Jahren erworben oder die Höhenlage vor mehr als fünf Jahren hergestellt, so ist der Kostenersatz neu zu bemessen (§ 50 letzter Satz WrBauO idF LGBl 2005/41). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung einer Grundfläche im Sinne des § 50 WrBauO ist der Zeitpunkt der Genehmigung der Grundabteilung (4 Ob 168/11a [in Punkt 7.2.]; VwGH 99/05/0148). Die Vorinstanzen haben zutreffend den Wert des Straßengrundstücks zum Stichtag der Bescheiderlassung ihrer Entscheidung zugrunde gelegt.

8. Der Einheitssatz nach § 51 Abs 6 WrBauO ist nach den Durchschnittskosten der Herstellung einer Fahrbahn in mittelschwerer Befestigung einschließlich der Oberflächenentwässerung, Wasserleitung und der Beleuchtungsanlagen festzustellen. Dieser Einheitssatz deckt damit nur die Kosten der Herstellung der Fahrbahn; den Wert der zur Verfügung zu stellenden Grundflächen kann er nicht ersetzen. Für die Bemessung der Kostenersatzpflicht nach § 50 WrBauO kann er folglich – auch nicht im Wege der Analogie – nicht herangezogen werden.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00097.17D.1024.000
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