zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 25.02.1988, 7Ob3/88

OGH vom 25.02.1988, 7Ob3/88

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Katharina S***, Pensionistin, Salzburg, Kasern Nr. 3, vertreten durch Dr.Herbert Pflanzl, Dr.Eugen Salpius und Dr.Ädidius Horvatits, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei M*** Wechselseitige Versicherung, Graz, Neutorgasse 57, vertreten durch Dr.Ilse Grossauer, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 150.000,-- s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 2 R 44/87-18, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 3 Cg 85/86-12, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.562,80 (darin S 1.414,80 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 16.225,45 (darin S 565,95 an Umsatzsteuer und S 10.000,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Ehemann der Klägerin, Stefan S***, schloß am mit der beklagten Partei für die Zeit vom bis eine Familienunfallversicherung ab, deren Versicherungssumme für dauernde Invalidität S 1,000.000,-- beträgt. Dem Versicherungsvertrag wurden die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1965) zugrunde gelegt. Die Klägerin wurde mit 50 % der für den Versicherungsnehmer als Familienvorstand vereinbarten Versicherungssummen, für dauernde Invalidität demnach bis S 500.000,--, mitversichert.

Am wurde die Klägerin von einem Mopedlenker niedergefahren und schwer verletzt.

Mit der am eingelangten Klage begehrt die Klägerin den Zuspruch von S 150.000,-- s.A. mit der Behauptung sie sei auf Grund des Unfalls vom zu 30 % dauernd invalide. Da sich zunächst nicht habe abschätzen lassen, ob Dauerfolgen eintreten würden, sei mit dem Versicherungsvertreter der beklagten Partei Alois S*** vereinbart worden, mit der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens bis zum Abschluß des Heilvorganges zuzuwarten. Mit Schreiben vom habe die beklagte Partei der Klägerin mitgeteilt, daß sie nunmehr eine fachärztliche Bestätigung als Entscheidungsgrundlage für die Auszahlung der Unfallversicherung benötige. Die Klägerin habe darauf ein entsprechendes fachärztliches Gutachten, in dem ihre Invalidität mit 30 % beziffert worden sei, vorgelegt. Nunmehr aber habe die beklagte Partei eine Versicherungsleistung wegen dauernder Invalidität unter Hinweis auf Art. 8 II 2 AUVB mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe ihren Anspruch nicht innerhalb von 15 Monaten geltend gemacht. Die beklagte Partei verstoße mit dieser Ablehnung gegen Treu und Glauben, da es ihr eigener Vertreter gewesen sei, der der Klägerin vorgeschlagen habe, bis zur endgültigen Beurteilungsmöglichkeit zuzuwarten. Im übrigen habe die Klägerin ihren Anspruch ohnedies rechtzeitig mündlich geltend gemacht.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Der Klägerin fehle die Aktivlegitimation. Nur der Versicherungsnehmer Stefan S*** sei berechtigt, Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu erheben. Die Klägerin habe gemäß Art. 8 II 2 AUVB nichts mehr zu fordern, weil sie dauernde Invalidität innerhalb von 15 Monaten ab dem Unfalltag nicht geltend gemacht habe. Der Versicherungsvertreter der beklagten Partei Alois S*** habe die Klägerin nicht aufgefordert, mit der Anspruchserhebung zuzuwarten. Er wäre gemäß § 43 VersVG zu einer derartigen Erklärung auch gar nicht berechtigt gewesen. Unbehebbare Dauerfolgen aus dem Unfall vom lägen bei der Klägerin nicht vor. Selbst wenn man aber der Darstellung der Klägerin folge, stünden ihr nur 15 % der für den Fall gänzlicher Invalidität gebührenden Versicherungssumme zu.

Das Erstgericht wies die Klage ab und traf folgende

Feststellungen:

Die Klägerin erlitt beim Unfall vom folgende

Verletzungen: Ein Schädel-Hirn-Trauma zweiter Ordnung, eine Rißquetschwunde an der linken Augenbraune und eine Contusion im Bereich des linken Oberschenkels. Sie stellte alsbald den Verslust des Geruchs- und Geschmackssinns fest, weshalb sie, die bis zum Unfall im gemeinsam mit ihrem Mann geführten Gasthaus gekocht hatte, diese Tätigkeit nicht weiter ausüben konnte. Sie stellte weiters einen teilweisen Verlust des Gehörsinns fest und litt in der Folge auch immer wieder unter Schwindelanfällen, vor allem bei Lagewechseln. Nach einem unfallskausalen Krankenhausaufenthalt war die Klägerin daher weiterhin in ärztlicher Behandlung. Im Mai 1983 berichtete Stefan S*** dem Versicherungsvertreter der beklagten Partei Alois S*** vom Unfall und den aufgetretenen Beschwerden der Klägerin, daß die Ärzte jedoch zuversichtlich seien und mit einer völligen Heilung rechneten. S*** übergab den Ehegatten S*** ein Formular einer Unfallsanzeige mit dem Hinweis, dieses ausgefüllt an die beklagte Partei zu übersenden. Am ging die Unfallsanzeige der Klägerin bei der beklagten Partei ein, wobei als Art der Verletzung ein Schädelbruch angeführt ist. Ein Hinweis auf Invalidität oder Dauerfolgen findet sich nicht. Die beklagte Partei bestätigte mit Schreiben vom den Erhalt der Unfallsanzeige und wies darauf hin, daß die Familienunfallversicherung aus dem Titel Invalidität Leistungen bis S 500.000,-- für die Klägerin vorsehe sowie "daß ein Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität innerhalb von 15 Monaten vom Unfallstag an gerechnet geltend zu machen und unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichtes zu begründen ist. Formulare für dieses Gutachten liegen bei unserer Anstalt auf." Es kam danach zu einem Gespräch zwischen Alois S*** und Stefan S***, bei dem Stefan S*** angab, daß der weitere Heilungsverlauf noch ungewiß sei und man ein ärztliches Gutachten abwarten müsse. Alois S*** beantwortete, daß nach Vorliegen des Gutachtens dieses rasch an die beklagte Partei übersendet werden solle, damit die Ehegatten S*** zum Geld kämen. Nicht festgestellt werden kann, daß Alois S*** selbst den Vorschlag gemacht hätte, vorerst ein Gutachten oder überhaupt den weiteren Heilungsverlauf abzuwarten. Alois S*** warnte die Ehegatten S***

nicht vor einer Versäumung der 15-Monate-Frist gemäß Art. 8 II 2 AUVB 1965, da ihm diese Frist selbst nicht geläufig war. Alois S*** setzte sich mit der beklagten Partei betreffend den Unfall der Klägerin nie in Verbindung und gab Ende 1984 seine Tätigkeit für die beklagte Partei auf. Mit Schreiben vom ersuchte die beklagte Partei die Klägerin bezugnehmend auf den Unfall vom , ihr "in dieser Versicherungsangelegenheit noch einmal behilflich zu sein" und ihr den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners Peter F*** sowie Name und Anschrift ihres Rechtsanwalts bekannt zu geben. Diesem Ersuchen wurde von den Ehegatten S*** mit Schreiben vom entsprochen. Durch das Schreiben der beklagten Partei vom entstand bei den Ehegatten S*** der Eindruck, daß die beklagte Partei ihre Unfallsache in Bearbeitung habe. Sie meinten, die beklagte Partei würde unter Umständen auch einen Arzt mit der Untersuchung der Klägerin beauftragen. Ob es bis Juni 1985 in dieser Angelegenheit weitere Kontakte zwischen den Ehegatten S*** und der Beklagten gegeben hat, kann nicht festgestellt werden.

Im März/April 1984 holte die Klägerin ein ärztliches Gutachten des Univ.Prof.Dr.Werner L*** ein, in dem es ua. heißt, der Gutachter habe bei seiner Untersuchung eine Schwerhörigkeit rechts sowie einen Verlust des Geruchsvermögens feststellen können. Die Klägerin sei stark verlangsamt, unkonzentriert und reaktionsunsicher. Es bestehe eine Hirnleitsungsschwäche. Die Klägerin sei auch schwunglos, vergeßlich usw. Im Gesamten entsprächen die Dauerfolgen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 %. Es bestehe eine Kopfschmerzneigung, die zeitlebens nicht völlig abklingen werde. Naturgemäß sei es nicht exakt möglich, zukünftige Schmerzen und Beschwerden genau vorauszusehen. Nach Vorliegen dieses Gutachtens brachte die Klägerin beim Landesgericht Salzburg noch in der ersten Jahreshälfte 1984 eine Klage gegen ihren Unfallsgegner und dessen Haftpflichtversicherer ein und führte darin Dauerschäden durch den Verlust des Geruchs- und Geschmacksinns und teilweisen Verlust des Gehörsinns an. Im Juni 1985 sprach Stefan S*** in der Filiale der

beklagten Partei in Salzburg in einer anderen Angelegenheit vor und erwähnte dabei gegenüber dem Angestellten der beklagen Partei Alfred L***, daß er mit der beklagten Partei unzufrieden sei, weil sie wegen des Unfalls der Klägerin keine Leistungen erbracht habe. Alfred L*** setzte sich mit der Zentrale der beklagten Partei in Graz in Verbindung und richtete am an Stefan S*** ein Schreiben, im dem er darauf verweist, daß die Versicherungsangelegenheit "Unfall der Gattin und Krankenversicherung" noch etwas Zeit in Anspruch nehmen würde. Mit Schreiben vom bat die Leistungsabteilung der beklagten Partei in Graz die Klägerin um einen Unfallbericht eines Facharztes. Die Klägerin übersandte einen Bericht des prakt. Arztes Dr.R***, worauf die beklagte Partei mit Schreiben vom auf die Notwendigkeit eines fachärztlichen Berichtes hinwies und ersuchte, die bleibende Invalidität in Prozenten von einem Facharzt nachtragen zu lassen. In der Zwischenzeit war im Verfahren gegen den Unfallsgegner der Klägerin ein Gutachten durch den Facharzt für Unfallchirurgie Dr.Wolfgang S***

erstellt worden, in dem der Sachverständige ua. ausführt, daß keine Verbesserung des Geruchs- oder des Geschmackssinns eingetreten sei. Das Heilverfahren sei bereits abgeschlossen. Durch den Verlust des Geruchssinns und den Teilverlust des Geschmacksinns werde die Klägerin auch in Zukunft nicht mehr in der Lage sein, ihre Funktion in der Küche des Gasthofes auszuüben. Zum Zeitpunkt der Untersuchung sei voraussichtlich ein Endstadium erreicht gewesen, das sich in weiterer Folge weder wesentlich verschlechtern noch verbessern werde. Anfang 1986 legten die Ehegatten S*** der beklagten Partei einen "Unfallbericht des behandelnden Arztes im Falle einer bleibenden Invalidität" vor, in welchem Dr.Rudolf G*** zum Ergebnis kommt, daß im Hinblick auf die Beeinträchtigung des Geschmacksinns eine 20 %ige und wegen der einseitigen Schwerhörigkeit eine 10 %ige, insgesamt sohin eine 30 %ige bleibende Invalidität gegeben sei. Dr.G*** verwendete für diesen Unfallbericht ein Formular der beklagten Parei, in dem hervorgehoben wird, daß der ausgefüllte ärztliche Bericht unverzüglich nach Abschluß der Behandlung bzw. Feststellung des Ausmaßes der bleibenden Invalidität des Versicherten einzusenden sei.

Am lehnte die beklagte Partei jegliche Zahlung aus dem Unfall an die Klägerin mit der Begründung ab, ein Leistungsanspruch bestehe nur dann, wenn er innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall geltend gemacht werde.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Aktivlegitimation der Klägerin sei nach den §§ 75 bis 79 VersVG gegeben. Die Klägerin habe ihren Anspruch jedoch nicht innerhalb der in Art. 8 II 2 AUVB 1965 normierten, mit dem Unfallstag beginnenden Frist von 15 Monaten gegenüber der beklagten Partei geltend gemacht, obwohl sie von der beklagten Partei mit Schreiben vom diesbezüglich entsprechend und eindeutig informiert worden sei, so daß auch die späteren schriftlichen Äußerungen der beklagten Partei nicht geeignet sein konnten, sie irre zu führen. Auch wenn die Klägerin die völlige Abheilung der Verletzung in Betracht gezogen habe, wäre sie verpflichtet gewesen, die 15-Monate-Frist des Art. 8 II 2 AUVB zu beachten. Diese Bestimmung könne nicht anders verstanden werden, als daß nach Ablauf der 15-Monate-Frist der Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität verwirkt sei, so daß das Klagebegehren abgewiesen werden müsse. Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Die AUVB 1965 bestimmten in Art. 8 unter der Überschrift "Leistungen des Versicherers" unter Punkt II 1 a, daß der Versicherer für den Fall, daß sich innerhalb eines Jahres vom Unfalltage an gerechnet ergebe, daß eine dauernde Invalidität zurückbleibt, die dem Grad der Invalidität entsprechende Versicherungsleistung zu erbringen habe. Nach Punkt II 2 sei ein Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität innerhalb von 15 Monaten vom Unfalltage an geltend zu machen und unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichtes zu begründen. Die Bestimmung des Art. 8 II 2 der AUVB setze keinen Risikoausschluß fest. Denn sie fordere vom Versicherungsnehmer ein bestimmtes Verhalten, nämlich die Geltendmachung des Leistungsanspruches innerhalb einer bestimmten Frist. Sie statuiere aber auch keine Obliegenheit im eigentlichen Sinn, weil sie für die Versäumung nicht die Sanktion der Leistungsfreiheit enthalte. Das Verfahren des Erstgerichtes sei mangelhaft geblieben, weil Beweise über die von der Klägerin behauptete unfallskausale dauernde Invalidität nicht aufgenommen worden seien.

Die beklagte Partei bekämpft den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragt, diesen aufzuheben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Mit der Frage, ob in Art. 8 II 2 der AUVB ("Ein Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität ist innerhalb von 15 Monaten vom Unfalltag an geltend zu machen und unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichtes zu begründen") und in der gleichartigen Bestimmung des § 8 II Abs 1 der deutschen AUB ("Eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit - Invalidität - als Unfallfolge muß innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an gerechnet eingetreten sein; sie muß spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten nach dem Unfalljahr ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein") eine Ausschlußfrist oder eine Obliegenheit festgesetzt wird, waren Lehre und Rechtsprechung bereits mehrfach befaßt.

Wussow/Pürckhauer, AUB5, 178 ff, vertreten die Ansicht, es handle sich um eine vertragliche Ausschlußfrist. Dementsprechend sei unter Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Vertragsrecht immer dann Raum zu einer Entschuldigung der Fristversäumnis, wenn diese in irgendeiner Form durch das Verhalten des Versicherers verursacht worden sei. Sei der Unfall selbst ordnungsmäßig gemeldet worden und könne der Versicherer nach der ihm gegebenen Unfallschilderung mit der Möglichkeit einer Invalidität rechnen, so werde er in der Regel für verpflichtet angesehen werden, den Versicherten vor Fristablauf auf die Notwendigkeit der Geltendmachung noch einmal hinzuweisen. Gegen Treu und Glauben verstoße die Berufung auf diese Ausschlußfrist, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer durch sein Verhalten veranlasse, die Forderung nicht rechtzeitig geltend zu machen. Die Unkenntnis der Versicherungsbedingungen entschuldige im allgemeinen nicht. Auch nach Prölss/Martin, VVG23, 1263, bestimmen die AUB eine Ausschlußfirst, nicht eine Obliegenheit, weil sonst wegen der Exkulpationsmöglichkeit gemäß § 6 Abs 3 VersVG ein wirksamer Schutz des Versicherers gegen unklare "Spätschäden" nicht gewährleistet wäre. Doch sei in Ausnahmefällen der Entschuldigungsbeweis zuzulassen, wie etwa im Fall einer mangelhaften Belehrung. Außerdem könne die Berufung auf den Fristablauf treuwidrig sein. Nach Wagner in Bruck/Möller, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz8 VI/1, 210 f, sprechen dagegen erhebliche Gründe für die Annahme, daß die dem Versicherungsnehmer in der erörterten Bestimmung auferlegte Pflicht ihrem materiellen Gehalt nach der Anzeige- und Aufklärungspflicht entspricht und deshalb als Obliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalls zu werten ist.

Der deutsche BGH sieht in der Anmeldefrist eine Ausschlußfrist, nicht eine Obliegenheit. Die Frist zur Geltendmachung begründe nicht vorwiegend eine Verhaltensnorm für den Versicherungsnehmer, sondern ziele in erster Linie darauf, daß der Versicherer unabhängig vom Verhalten des Versicherungsnehmers nicht für schwer aufklärbare und kaum übersehbare Spätfolgen eintreten müsse. Der Versicherer könne sich jedoch auf ihre Versäumung nicht berufen, wenn den Versicherungsnehmer daran kein Verschulden treffe (VersR 1982, 567 f; ebenso die Entscheidung VersR 1978, 1036 ff, in der auch die Meinung vertreten wird, der Versicherer könne nach den besonderen Umständen des Einzelfalls mit der Berufung auf den Fristablauf gegen Treu und Glauben verstoßen).

Der Oberste Gerichtshof hat in JBl 1969, 559 = VersR 1970, 47, jene Ansicht vertreten, der das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung gefolgt ist und wonach in § 8 II 2 der AUVB weder ein Risikoausschluß, noch auch eine Obliegenheit statuiert werde, weil die Versicherungsbedingungen für eine Versäumung der 15monatigen Frist keine Sanktion der Leistungsfreiheit enthielten.

Verfehlt ist es zwar, wenn Wussow/Pürckhauer a.a.O. 179 zum Beleg ihrer Ausführungen, der Oberste Gerichtshof sehe in der 15-Monate-Frist eine Präklusionsfrist, die zum Ausschluß des Leistungsanspruches auch dann führe, wenn der Ablauf unverschuldet eingetreten sei, die Entscheidung VersR 1979, 169 = ZVR 1979, 44 zitieren. Diese Entscheidung befaßt sich nämlich mit der in Art. 20 IV Z 1 der AKIB normierten 15-Monate-Frist, bei der schon nach dem Wortlaut der Bestimmung ("bei sonstigem Verlust") kein Zweifel an dem Charakter dieser Frist bestehen kann (daß die Berufung auf den Fristablauf gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn sich der durch den Fristablauf Begünstigte seinem Gegner gegenüber treuwidrig verhalten hat, wird in der Entscheidung nicht in Frage gestellt). Doch ist der Oberste Gerichtshof der von Prölls/Martin (und in gleicher Weise von Wussow/Pürckhauer sowie vom BGH) vertretenen Meinung nicht nur in 7 Ob 48/81, sondern auch in 7 Ob 9/85 und 7 Ob 52/87 gefolgt. Der Oberste Gerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von der in diesen Entscheidungen vorgenommenen rechtlichen Beurteilung abzugehen. Gewiß sind Unklarheiten bei Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu Lasten des Versicherers auszulegen (SZ 28/37). Die Bestimmung des § 8 II 2 AUVB ist jedoch, auch wenn darin die Worte "bei sonstigem Verlust" fehlen, nicht unklar. Obliegenheiten des Versicherungsnehmers im Sinne des § 6 Abs 3 VersVG werden im Art. 7 der AUVB statuiert. Die Verletzung dieser Obliegenheiten wird im Art. 13 der AUVB geregelt. Daß Art. 8 II 2 der AUVB aus diesem Grund eine sanktionslose Obliegenheit festlege, kann nicht angenommen werden, da sich in diesem Fall die Bestimmung erübrigen würde. Nach dem Zweck der Bestimmung, zweifelhafte Spätschäden vom Versicherungsschutz auszunehmen (vgl. VersR 1982, 567), kann in der vorgenommenen Befristung daher nur eine Ausschlußfrist erblickt werden, mit der die Leistungspflicht des Versicherers grundsätzlich objektiv zeitlich begrenzt wird. Als Obliegenheit im Sinne des § 6 Abs 3 VersVG könnte die Bestimmung den angestrebten Zweck nicht erfüllen. Denn in diesem Fall könnte selbst eine auf grober Fahrlässigkeit beruhende Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers den Versicherer nicht zuverlässig von seiner Leistungspflicht befreien und damit von der Regulierung schwer aufklärbarer Spätfolgen bewahren (VersR 1982, 567).

Die Klägerin hat ihren Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität nicht innerhalb der 15-Monate-Frist geltend gemacht. Da sie auf diese Frist von der beklagten Partei nach der Unfallsanzeige ausdrücklich hingewiesen wurde, kann nicht gesagt werden, die beklagte Partei habe bei ihrer Berufung auf die Frist gegen Treu und Glauben verstoßen. Der Umstand, daß die Klägerin im Juli 1985 auf Grund einer negativen Äußerung ihres Mannes gegenüber einem Angestellten der beklagten Partei von dieser um einen Unfallbericht eines Facharztes gebeten wurde, ist schon deswegen unerheblich, weil dies mehr als zwei Jahre nach dem Unfall und damit lange nach dem Ablauf der Frist des § 8 II 2 AUVB geschehen ist.

Mit Recht hat daher das Erstgericht die Klage abgewiesen, so daß seine Entscheidung nach Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wiederherzustellen war (§ 519 Abs 2 Satz 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.