OGH vom 17.02.2016, 7Ob3/16s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen B***** O*****, und M***** O*****, Mutter Mag. S***** O*****, diese vertreten durch Mag. Arno Pajek, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Dr. H***** L*****, vertreten durch Mag. Walter Pirker, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 3 R 163/15b 550, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Mit rechtskräftigem Beschluss vom wurde der Antrag des Vaters auf gemeinsame Obsorge wegen Fehlens jeglicher Kooperations und Kommunikationsbasis zwischen den Eltern, mit deren Entstehen auch in absehbarer Zeit nicht zu rechnen war, abgewiesen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung sind auch im außerstreitigen Verfahren ergangene Entscheidungen der materiellen und formellen Rechtskraft fähig (RIS Justiz RS0007171 [T19]). Nachträglichen Tatbestandsänderungen hält die materielle Rechtskraft hingegen nicht stand (RIS Justiz RS0007171 [T16, T 21, T 25]). Im außerstreitigen Verfahren ergangene Entscheidungen können daher nur bei einer Änderung der Verhältnisse abgeändert werden (RIS Justiz RS0007148). Die Verhältnisse müssen sich wesentlich und nicht bloß unbedeutend geändert haben, die Änderung muss den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt betreffen (10 Ob 61/15s).
2. Der Vater hält den, seinen neuerlichen Antrag auf gemeinsame Obsorge mangels Änderung der maßgeblichen Verhältnisse abweisenden, Beschlüssen der Vorinstanzen entgegen, „die Nichtbeachtung von Unionsrechtsprechung, Missachtung der EMRK und die völlige Ausklammerung der im Rekurs relevierten Verfahrensmängel und Anträge auf Basis europäischer Studien und Unionsrechtsprechung“ würde die Nichtigkeit der angeführten Beschlüsse begründen.
Die Revisionsrekursgründe sind in § 66 Abs 1 AußStrG aufgezählt. Die in Z 1 angeführten schweren Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze entsprechen im Wesentlichen einzelnen Nichtigkeitsgründen der ZPO. Ein derartiger Verfahrensverstoß wird nicht aufgezeigt.
3. Der Revisionsrekurswerber unterstellt das Unterbleiben eines Beweisverfahrens dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO.
Auch eine allfällige Verletzung des rechtlichen Gehörs bewirkt aber im Verfahren Außerstreitsachen keine Nichtigkeit, sondern einen Verfahrensmangel, dessen Relevanz im Rechtsmittel darzulegen ist (RIS Justiz RS0120213 [T17, T 21]). Abgesehen davon, dass das rechtliche Gehör gewahrt ist, wenn den Parteien wie hier Gelegenheit gegeben wird, ihren Standpunkt darzulegen und sie sich zu allen Tatsachen und Beweisergebnissen, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, äußern konnten (RIS Justiz RS0074920 [T18]), führt der Revisionsrekurswerber auch nicht aus, inwieweit allfällige Ergebnisse eines solchen Beweisverfahrens die von ihm schon in erster Instanz gar nicht konkret behauptete Verbesserung der Kooperations und Kommunikationsbasis mit der Mutter ergeben hätten.
4. Darüber hinaus sind in zweiter Instanz verneinte Mängel des Verfahrens wie hier die Nichtdurchführung eines Beweisverfahrens und insbesondere das Unterbleiben der Einvernahme des Revisionsrekurswerbers grundsätzlich auch im Außerstreitverfahren in dritter Instanz nicht mehr anfechtbar, es sei denn, eine Durchbrechung dieses Grundsatzes ist aus Gründen des Kindeswohls erforderlich (RIS Justiz RS0030748 [T2]), wofür jedoch keine Anhaltspunkte bestehen.
5. Der Revisionsrekurswerber erstattete weder im erstgerichtlichen Verfahren noch in den Rechtsmittelverfahren konkretes Vorbringen dahingehend, dass sich die Kooperations und Kommunikationsfähigkeit zwischen ihm und der Mutter verbessert hätte. Vielmehr führt er lediglich an, dass die Kommunikation aufgrund schuldhaften Verhaltens der Mutter weiter schwierig sei, ohne aber auch hier konkrete nach Ergehen des Beschlusses vom gesetzte Verhaltensweisen der Mutter zu nennen.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Beurteilung der Vorinstanzen, der neuerliche Antrag des Vaters auf gemeinsame Obsorge sei mangels Änderung des bereits dem Beschluss vom zugrunde gelegten Sachverhalts abzuweisen, als nicht korrekturbedürftig.
6. Der Revisionsrekurswerber regt an, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, weil eine einheitliche Rechtsprechung der Gerichte im Hinblick auf das „EU Recht“ aktuell nicht gewährleistet sei. Er verweise auf das „EGMR, Urteil vom 62198/11, wonach Kindesmutter und Gericht nicht vollendete Tatsachen schaffen und dergestalt die Grundrechte der EMRK ausgehöhlt werden dürften“.
Dieser Anregung wird nicht näher getreten, da der EuGH nur zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht berufen ist. Welche Bestimmungen des Unionsrechts verletzt sein sollten, legt der Revisionsrekurswerber nicht dar. Soweit er dazu lediglich auf die Ausführungen in seinem Rekurs verweist, sind diese für den Obersten Gerichtshof unbeachtlich (vgl RIS Justiz RS0043579, RS0043616, RS0007029).
7. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00003.16S.0217.000