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OGH vom 27.08.2013, 4Ob84/13a

OGH vom 27.08.2013, 4Ob84/13a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** H*****, vertreten durch Mag. Oliver Lorber Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt, wider die beklagte Partei J***** H*****, vertreten durch Dr. Felix Jurak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 10.790 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 24/13s 12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts St. Veit an der Glan vom , GZ 1 C 26/12a 8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 766,08 EUR (darin 127,68 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin auf Ehegattenunterhalt (Rückstand 4.250 EUR sA, laufender Unterhalt 545 EUR monatlich) ab. Der Beklagte habe der Klägerin das Alleineigentum an der Ehewohnung übertragen; im Gegenzug habe die Klägerin auf ihren Unterhaltsanspruch verzichtet. Die Klägerin bekämpfte dieses Urteil, soweit ihr Klagebegehren von 2.555 EUR Unterhaltsrückstand und 365 EUR monatlicher Unterhalt abgewiesen wurde.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil; es erachtete einen Unterhaltsverzicht der unterhaltsberechtigten Klägerin gegenüber ihrem Ehemann für wirksam, den sie für den Fall der Trennung und Scheidung gegen Übertragung der ehelichen Liegenschaft an sie eingegangen sei. Das Berufungsgericht sprach - auf Antrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil es zwar die Auffassung der Klägerin - der Unterhaltsverzicht sei im Hinblick auf ein dem Beklagten zugestandenes Belastungs und Veräußerungsverbot an der Liegenschaft, das sie in ihrer wirtschaftlichen Verfügungsmacht völlig binde, rechtlich unwirksam nicht teile, diese Ansicht der Klägerin aber vertretbar scheine.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht verkennt, dass bloße Vertretbarkeit einer anderen Lösung noch keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft; andernfalls müsste der Oberste Gerichtshof in jedem derartigen Fall die Sachentscheidung treffen (RIS Justiz RS0114180 [T5]).

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig; die Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

1.1. Die Rechtsprechung prüft die Zulässigkeit des Unterhaltsverzichts nach inhaltlichen Kriterien ( Hinteregger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 94 Rz 80 mwN). So ist ein Unterhaltsverzicht der Ehefrau während des aufrechten Bestands der Ehe unter der Voraussetzung zulässig, dass die Ehefrau auch tatsächlich imstande ist, ihren Unterhalt aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen zu bestreiten (RIS Justiz RS0047073 [T1]).

1.2. Ein sofort wirksamer Verzichtsvertrag hinsichtlich des Unterhalts der Ehefrau, die nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebt, ist dann möglich, wenn diese nicht erwerbsunfähig ist oder sonst nicht des notwendigen Unterhalts ermangelt (RIS Justiz RS0047082). Durch die dauernde Haushaltstrennung wird nämlich die eheliche Beistandspflicht gelockert (vgl 3 Ob 74/02g).

1.3. Der Regelungszweck des § 94 Abs 3 ABGB kann wegen seiner flexiblen Gestaltungen der Unterhaltsregelung zugänglichen Formulierung nur darin liegen, den gänzlichen Ausschluss der ehelichen Beistandspflicht durch vertragliche Regelungen zu verhindern. Daher kann ein Ehegatte jedenfalls so weit auf Unterhalt wirksam verzichten, als sein notwendiger Unterhalt aus eigenem Einkommen gedeckt ist. Diesem Umfang steht § 94 Abs 3 ABGB der Wirksamkeit des Verzichts nicht entgegen (vgl 3 Ob 35/81 mwN).

2.1. Das Berufungsgericht ist von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung nicht abgewichen, wenn es bei einem monatlichen Einkommen der Klägerin von 810,76 EUR (694,95 EUR 14 x jährlich), welcher Betrag annähernd dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende entspricht, deren gegen Übertragung des Alleineigentums am zuvor als eheliche Wohnstätte genützten Wohnhaus abgegebenen Unterhaltsverzicht für zulässig erachtet hat, weil der notwendige Unterhalt der Klägerin gedeckt sei.

2.2. Relevante Sachverhaltsänderungen nach Abgabe ihrer Verzichtserklärung hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht. Davon abgesehen ist einem Unterhaltsverzicht gegen Leistung einer Abfindung die clausula rebus sic stantibus überhaupt nicht zugrunde zu legen, wenn nicht der Wortlaut oder die Absicht der Vereinbarung das Gegenteil zweifelsfrei erkennen lassen (RIS Justiz RS0047166). Letzteres ist im Anlassfall nicht ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.