OGH 23.05.2013, 4Ob84/13a
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** H*****, vertreten durch Mag. Oliver Lorber Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt, wider die beklagte Partei J***** H*****, vertreten durch Dr. Felix Jurak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 10.790 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 24/13s-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts St. Veit an der Glan vom , GZ 1 C 26/12a-8, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin auf Ehegattenunterhalt (Rückstand 4.250 EUR sA, laufender Unterhalt 545 EUR monatlich) ab. Der Beklagte habe der Klägerin das Alleineigentum an der Ehewohnung übertragen; im Gegenzug habe die Klägerin auf ihren Unterhaltsanspruch verzichtet. Die Klägerin bekämpfte dieses Urteil, soweit ihr Klagebegehren von 2.555 EUR Unterhaltsrückstand und 365 EUR monatlicher Unterhalt abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin mit seinem nach dem gefassten Urteil (Art 16 Abs 4 Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I Nr 52/2009) nicht Folge; es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die gegen dieses Urteil erhobene „außerordentliche Revision“ der Klägerin an den Obersten Gerichtshof, worin der Antrag gestellt wird, der Oberste Gerichtshof möge das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abändern, hilfsweise aufheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter oder erster Instanz rückverweisen, legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der geltenden Rechtslage:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei gemäß § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.
Im vorliegenden Fall übersteigt der Gegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 30.000 EUR nicht: Ein Anspruch auf Bezahlung des laufenden Unterhalts ist mit dem Dreifachen der Jahresleistung zu bewerten; zusätzlich begehrte, bereits fällige Ansprüche führen zu keiner Erhöhung dieser Bewertung (RIS-Justiz RS0103147 [T1]). Die Klägerin begehrte im Berufungsverfahren noch neben der Zahlung eines Rückstands von 2.555 EUR einen monatlichen Ehegattenunterhalt von 365 EUR, sodass der Entscheidungsgegenstand 13.140 EUR beträgt.
Zwar hat die Rechtsmittelwerberin das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum sie entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachtet. Der Revision fehlt freilich die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO) gestellt werde. Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623).
Das Rechtsmittel wäre demnach - auch wenn es als „außerordentliches“ bezeichnet wird - dem Berufungsgericht vorzulegen gewesen. Dies wird das Erstgericht nunmehr nachzuholen haben. Ob die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen, wonach die Revision zulässig sei, den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109623 [T5], RS0109501 [T12]).
Aus diesen Erwägungen ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** H*****, vertreten durch Mag. Oliver Lorber Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt, wider die beklagte Partei J***** H*****, vertreten durch Dr. Felix Jurak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 10.790 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 24/13s-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts St. Veit an der Glan vom , GZ 1 C 26/12a-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 766,08 EUR (darin 127,68 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin auf Ehegattenunterhalt (Rückstand 4.250 EUR sA, laufender Unterhalt 545 EUR monatlich) ab. Der Beklagte habe der Klägerin das Alleineigentum an der Ehewohnung übertragen; im Gegenzug habe die Klägerin auf ihren Unterhaltsanspruch verzichtet. Die Klägerin bekämpfte dieses Urteil, soweit ihr Klagebegehren von 2.555 EUR Unterhaltsrückstand und 365 EUR monatlicher Unterhalt abgewiesen wurde.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil; es erachtete einen Unterhaltsverzicht der unterhaltsberechtigten Klägerin gegenüber ihrem Ehemann für wirksam, den sie für den Fall der Trennung und Scheidung gegen Übertragung der ehelichen Liegenschaft an sie eingegangen sei. Das Berufungsgericht sprach - auf Antrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO - aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil es zwar die Auffassung der Klägerin - der Unterhaltsverzicht sei im Hinblick auf ein dem Beklagten zugestandenes Belastungs- und Veräußerungsverbot an der Liegenschaft, das sie in ihrer wirtschaftlichen Verfügungsmacht völlig binde, rechtlich unwirksam - nicht teile, diese Ansicht der Klägerin aber vertretbar scheine.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht verkennt, dass bloße Vertretbarkeit einer anderen Lösung noch keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft; andernfalls müsste der Oberste Gerichtshof in jedem derartigen Fall die Sachentscheidung treffen (RIS-Justiz RS0114180 [T5]).
Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig; die Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.
1.1. Die Rechtsprechung prüft die Zulässigkeit des Unterhaltsverzichts nach inhaltlichen Kriterien (Hinteregger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 94 Rz 80 mwN). So ist ein Unterhaltsverzicht der Ehefrau während des aufrechten Bestands der Ehe unter der Voraussetzung zulässig, dass die Ehefrau auch tatsächlich imstande ist, ihren Unterhalt aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen zu bestreiten (RIS-Justiz RS0047073 [T1]).
1.2. Ein sofort wirksamer Verzichtsvertrag hinsichtlich des Unterhalts der Ehefrau, die nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebt, ist dann möglich, wenn diese nicht erwerbsunfähig ist oder sonst nicht des notwendigen Unterhalts ermangelt (RIS-Justiz RS0047082). Durch die dauernde Haushaltstrennung wird nämlich die eheliche Beistandspflicht gelockert (vgl 3 Ob 74/02g).
1.3. Der Regelungszweck des § 94 Abs 3 ABGB kann wegen seiner flexiblen Gestaltungen der Unterhaltsregelung zugänglichen Formulierung nur darin liegen, den gänzlichen Ausschluss der ehelichen Beistandspflicht durch vertragliche Regelungen zu verhindern. Daher kann ein Ehegatte jedenfalls so weit auf Unterhalt wirksam verzichten, als sein notwendiger Unterhalt aus eigenem Einkommen gedeckt ist. Diesem Umfang steht § 94 Abs 3 ABGB der Wirksamkeit des Verzichts nicht entgegen (vgl 3 Ob 35/81 mwN).
2.1. Das Berufungsgericht ist von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung nicht abgewichen, wenn es bei einem monatlichen Einkommen der Klägerin von 810,76 EUR (694,95 EUR 14 x jährlich), welcher Betrag annähernd dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende entspricht, deren gegen Übertragung des Alleineigentums am zuvor als eheliche Wohnstätte genützten Wohnhaus abgegebenen Unterhaltsverzicht für zulässig erachtet hat, weil der notwendige Unterhalt der Klägerin gedeckt sei.
2.2. Relevante Sachverhaltsänderungen nach Abgabe ihrer Verzichtserklärung hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht. Davon abgesehen ist einem Unterhaltsverzicht gegen Leistung einer Abfindung die clausula rebus sic stantibus überhaupt nicht zugrunde zu legen, wenn nicht der Wortlaut oder die Absicht der Vereinbarung das Gegenteil zweifelsfrei erkennen lassen (RIS-Justiz RS0047166). Letzteres ist im Anlassfall nicht ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00084.13A.0523.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAD-68248