OGH vom 21.11.2018, 1Ob99/18t

OGH vom 21.11.2018, 1Ob99/18t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. HoferZeniRennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch die EnginDeniz Reimitz Hafner Rechtsanwälte KG, Wien, gegen die beklagte Partei Dr. T***** J*****, vertreten durch Dr. Franz Nistelberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung und Zwischenantrag auf Feststellung, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil und den Rekurs der beklagten Partei gegen den darin enthaltenen Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 39 R 346/17x159, mit denen der Zwischenantrag der beklagten Partei auf Feststellung zurückgewiesen und das Endurteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom , GZ 10 C 384/10t151, bestätigt wurden, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Dem Rekurs der beklagten Partei gegen die Zurückweisung des Zwischenantrags auf Feststellung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 349,46 EUR (darin enthalten 58,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

3. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich der Punkte 3. bis 6. der zweitinstanzlichen Entscheidung dahin abgeändert, dass das Urteil insofern lautet:

„3. Die Aufkündigung wird auch hinsichtlich des weiteren Eventualbegehrens, nämlich des in dem dem erstgerichtlichen Urteil als integrierender Bestandteil angeschlossenen Plan Beilage ./E farbig eingezeichneten Teils der Wohnung Nr 15 + 16 im Haus *****, aufgehoben.

4. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den im Plan Beilage ./E farbig eingezeichneten Teil der Wohnung Nr 15 + 16 im Haus *****, von Fahrnissen geräumt zu übergeben, wird abgewiesen.“

Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz aufgetragen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 632,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt und 214 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Wohnungen Nr 15 und 16 wurden in den 1960er-Jahren zusammengelegt. Die zusammengelegte Wohnung besteht aus vier Zimmern, einem Kabinett, zwei Vorräumen, einer Küche, einem Bad und zwei WC. Die Wohnfläche beträgt rund 162 m². Diese Wohnung wurde mit einheitlichem Vertrag angemietet, es wird auch ein einheitlicher Mietzins vorgeschrieben. Nach dem Tod seiner Ehefrau im Mai 2008 teilte der Beklagte der Klägerin, die Eigentümerin der Liegenschaft ist, seinen Eintritt in das Mietrecht seiner verstorbenen Frau mit.

Der Beklagte benützt alle Räumlichkeiten ständig, wie er dies auch gemeinsam mit seiner verstorbenen Frau tat. Seine Ehefrau nutzte keinen Raum alleine. Sämtliche Zimmer sind mit vielen Möbelstücken voll möbliert; in keinem der Räume besteht eine Möglichkeit, weitere Einrichtungsgegenstände – sinnvoll – unterzubringen. Die Wohnung ist überreich mit Ziergegenständen, Bildern, Vasen etc ausgestattet und in sehr gepflegtem Zustand. Die Kästen, Laden, Regale und Stellagen sind allesamt bis zum Rand gefüllt. Der Beklagte besitzt einige Wertgegenstände und viele Sammlerstücke, darunter insbesondere eine Vielzahl an Porzellan- und Glasantiquitäten, antike Möbelstücke, Bilder etc.

Er ist Arzt in einem Krankenhaus, ordiniert nicht in der Wohnung und empfängt dort keine Patienten. Er schreibt jedoch manchmal an medizinischen Vorträgen und arbeitet in diesen Fällen zu Hause in zwei Zimmern.

In einem 2008 gegen die Verlassenschaft der früheren Hauptmieterin, der verstorbenen Frau des Beklagten, eingeleiteten Kündigungsprozess hatte sich die klagende Vermieterin auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG berufen. Ihr Begehren wurde nach Berichtigung der Parteibezeichnung der Verlassenschaft auf den inzwischen rechtskräftig eingeantworteten Erben (den nunmehr Beklagten) rechtskräftig abgewiesen.

Im vorliegenden, im Berufungsstadium des Vorprozesses gegen den Beklagten als Eintrittsberechtigten eingeleiteten, Kündigungsstreit kündigte die Klägerin den Mietvertrag in Bezug auf eine bestimmte Teilfläche (in eventu drei andere, sich aus den vorgelegten Plänen ergebende Teilflächen) des Mietobjekts nach § 30 Abs 2 Z 5 iVm § 31 MRG auf. Zwischen dem dringenden Wohnbedürfnis des Beklagten und dem Ausmaß der 160 m² großen Wohnung bestehe ein krasses Missverhältnis. Weder nach den bisherigen Lebensverhältnissen und -gewohnheiten noch nach den Grundsätzen einer zeitgemäßen Lebensführung sei irgendein Grund dafür ersichtlich, warum eine alleinstehende Person zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses auf eine ca 160 m² große Wohnung angewiesen sein sollte. Der dem Beklagten verbleibende Teil sei bei weitem ausreichend. Eine abgesonderte Benutzung des verbleibenden Wohnungsteils könne ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten jederzeit hergestellt werden.

Der Beklagte bestritt die Berechtigung der Teilkündigung. Diese sei nicht gerechtfertigt, wenn der Eintrittsberechtigte durch sie schlechter gestellt werde als zu Lebzeiten des Hauptmieters, in dessen Mietrecht er eingetreten sei. Das sei der Fall, wenn die aufgekündigten und verbleibenden Räume nicht abgesondert benutzbar seien oder wenn der Eintrittsberechtigte in der Befriedigung seines Wohnbedürfnisses eingeschränkt werden sollte. Die zu Beginn der 1960er-Jahre durch die Zusammenlegung zweier Wohnungen entstandene aufgekündigte Wohnung stelle eine technische und wirtschaftliche Einheit dar. Da er nur über ein Bad, eine Küche und eine Heizung verfüge, könne die begehrte Trennung nicht ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten hergestellt werden.

Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 212/13b im ersten Rechtsgang stellte der Beklagte im fortgesetzten Verfahren den Zwischenantrag auf Feststellung, im Verhältnis der Parteien werde festgestellt, dass er im Mai 2008 in den Mietvertrag eingetreten sei und die Hauptmietrechte am ganzen Mietobjekt erworben habe. An dieser Feststellung habe er ein rechtliches Interesse, weil die Klägerin nur für das Aufkündigungsverfahren davon ausgehe, dass er in die Mietrechte an der Wohnung eingetreten sei. Die begehrte Feststellung sei eine für die Entscheidung über die Teilkündigung wesentliche Vorfrage, der über den Rechtsstreit hinaus für künftige (Teil-)Kündigungen zu anderen Terminen, aus anderen Gründen oder mit anderen Teilungsvorschlägen Bedeutung zukomme, wie für alle anderen wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Mietverhältnis.

Die Klägerin erachtete den Zwischenfeststellungsantrag für unzulässig. Dieser erschöpfe sich in der bloßen Negation des Klagsanspruchs. Der Beklagte sei im Teilkündigungsverfahren als Eintrittsberechtigter in die Mietrechte nach seiner verstorbenen Frau zu behandeln. Die begehrte Feststellung sei keine für die Entscheidung der Teilkündigung wesentliche Frage.

Das Erstgericht hob die auf § 30 Abs 2 Z 5 MRG gestützte Aufkündigung hinsichtlich einer Teilfläche, über die bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig entschieden worden war, und zwei anderer, sich aus den vorgelegten Plänen ergebender Teilflächen auf, wies die entsprechenden Räumungsbegehren ab, erkannte die Aufkündigung in Ansehung eines weiteren, auf einen bestimmten Plan Bezug nehmenden Eventualbegehrens für rechtswirksam und verhielt den Beklagten zur Übergabe dieses Wohnungsteils. Über den Zwischenantrag auf Feststellung entschied es nicht. Wesentliche Voraussetzung für eine Teilkündigung nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG sei, dass das Wohnbedürfnis des Mieters nach der Teilkündigung ausreichend abgesichert sei. Hiebei sei kein so strenger Maßstab anzulegen, wie dies bei Eigenbedarf (des Vermieters) gefordert werde. Die Judikatur zur Ersatzwohnung aufgrund einer Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG sei analog anzuwenden. Diese Rechtsprechung erachte eine Ersatzwohnung dann als entsprechend, wenn sie dem Mieter nach Größe, Ausstattung, Lage und Höhe des Mietzinses unter Berücksichtigung seiner persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse zumutbar sei. Bei der Prüfung, was dem Mieter billigerweise zugemutet werden könne, seien alle in Betracht kommenden Umstände zu berücksichtigen und auch die subjektiven Verhältnisse des Mieters zu beachten. Der dem Mieter verbleibende Teil müsse abgesondert benutzbar sein oder ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten abgesondert benutzbar gemacht werden können. Bei der Herstellung der Benutzbarkeit komme es nicht auf die Kosten an, sondern darauf, ob dies ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten erfolgen könne. Hiebei sei insbesondere zu beachten, ob die damit verbundene Beeinträchtigung des Mieters diesem nach Dauer und Intensität noch zumutbar sei.

Dem Beklagten sei eine Teilkündigung im Sinn zweier (eventualiter gestellter) Teilungsvarianten nicht zumutbar, weil ihm in diesen Fällen nur eine 62 m² bzw 76 m² große Wohnung verbleiben würde. Bei einer Teilung nach der dritten Eventualvariante blieben ihm neben dem Kabinett als möglicher Schlafraum noch zwei andere Zimmer als Wohn-, Ess- und Arbeitszimmer. Hinsichtlich der Zumutbarkeitserwägungen sei zu bedenken, dass es sich beim Mieter um einen 62-jährigen Arzt handle, der auch bisher großzügig gelebt habe. Zeitweise arbeite er zu Hause, weshalb ihm auch ein angemessener Arbeitsraum zuzubilligen sei. Er besitze darüber hinaus viele Möbel und Antiquitäten, für welche er Platz benötige. In Anbetracht all dieser Umstände erscheine es ihm nicht zumutbar, seine Wohnfläche auf unter die Hälfte des bisherigen zu reduzieren.

Das Berufungsgericht wies den Zwischenantrag auf Feststellung des Beklagten zurück und gab den Berufungen beider Parteien mit der Maßgabe nicht Folge, dass es das ursprüngliche Hauptbegehren (über das bereits rechtskräftig klagsabweisend entschieden worden war) aus dem Spruch der erstinstanzlichen Entscheidung entfernte und den Leistungsbefehl entsprechend § 31 Abs 3 Satz 3 MRG modifizierte. Zum Zwischenantrag auf Feststellung führte es aus, dass es diesem an der erforderlichen Präjudizialität fehle. Werde im Verfahren über die Teilkündigung des Bestandobjekts, in dessen Mietrechte der Eintrittsberechtigte eingetreten sei, ohnedies über den tatsächlichen Umfang seines dringenden Wohnbedürfnisses entschieden, so käme der Entscheidung über den Zwischenantrag auf Feststellung, inwieweit der Eintrittsberechtigte in die Hauptmietrechte eingetreten sei, keine weiterreichendere Bedeutung zu als der Entscheidung über die Aufkündigung selbst. Fehle es aber am Erfordernis der weiterreichenden Bedeutung, so sei der Zwischenantrag zurückzuweisen.

Zum Kündigungsbegehren führte es rechtlich aus, der Klägerin könne nicht gefolgt werden, dass ein krasses Missverhältnis schon dann anzunehmen sei, wenn dem Eingetretenen mehr an Wohnraum verbliebe, als er unbedingt zum Leben benötige. Durch das Abstellen auf ein „krasses Missverhältnis“ werde zum Ausdruck gebracht, dass nur beträchtliche Überschreitungen dessen, was dem allgemeinen Wohnstandard entspreche, eine Teilkündigung rechtfertigen solle. Es folge der vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz in MietSlg 59.333 vertretenen Meinung, dass dem Mieter eine „ausreichende“ Versorgung mit Wohnraum gesichert bleiben müsse und er somit nur auf Räume verzichten müsse, die er tatsächlich nicht brauche. Die Verkleinerung des Mietgegenstands müsse dem Mieter unter Berücksichtigung seiner wesentlichen Interessen noch zugemutet werden können. Es könne auch nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber den Mieter, gegen den eine Teilkündigung eingebracht worden sei, schlechter stellen habe wollen als jenen Mieter, dem der gesamte Mietvertrag unter Beistellung von Ersatzräumen gekündigt werde. Das „Minus“ der Teilkündigung gegenüber einer Gesamtkündigung könne nicht dazu führen, dass dem Mieter nur die dringendst benötigten Räume verbleiben dürfen. Vielmehr müsse der verbleibende Teil des Bestandobjekts etwa jenen Anforderungen entsprechen, die bei einer Aufkündigung nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG an die angebotene Ersatzwohnung zu stellen wären, sodass also die für das Kriterium eines entsprechenden Ersatzes im Sinn dieser Gesetzesstelle entwickelte Rechtsprechung sinngemäß auch für die Beurteilung der Frage heranzuziehen sei, ob der dem Mieter bei einer Teilkündigung nach § 31 Abs 1 MRG verbleibende Teil des Bestandobjekts zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses ausreiche. Eine Wohnung, die – wie der entsprechend dem klagsstattgebenden Teil des Klagebegehrens verbleibende Wohnungsteil – über zwei Zimmer, ein Kabinett, Vorraum, Küche, WC und Bad verfüge, gehe über den heute üblichen Wohnstandard einer im Berufsleben stehenden Einzelperson, die auch zu Hause mit ihrem Beruf verbundene Arbeiten verrichte, nicht „krass“ hinaus, selbst wenn die Nutzfläche 103 m² betrage. Dass eine Wohnung über Wohnzimmer, Schlafzimmer und Arbeitszimmer verfüge, sei heutzutage kein Luxus, sondern auch einer Einzelperson als angemessene Wohnversorgung zuzugestehen. Ein Verweis auf eine nur über ein Zimmer und ein Kabinett sowie Nebenräume verfügende Wohnung würde dem Gedanken, nur ein krasses Missverhältnis solle verhindert werden, zuwiderlaufen, was umso mehr für eine Wohnung mit nur einem Zimmer und Nebenräumen gelte.

Die klagsstattgebende Trennungsvariante erfordere Umbauarbeiten mit einem Zeitaufwand von zwei bis maximal drei Wochen, sodass nicht von „unverhältnismäßigen Schwierigkeiten“ bei der abgesonderten Benutzbarmachung gesprochen werden könne, auch wenn zusätzlich noch Reinigungsarbeiten, Aus- und Einlagerungsarbeiten und die Inventarisierung und Katalogisierung der während der Umbauarbeiten zu verstauenden oder anderswo einzulagernden Wertgegenstände anfielen. Die permanente Anwesenheit des Beklagten während der Umbauarbeiten sei nicht erforderlich. Ziehe er es dennoch vor, die Umbauarbeiten selbst zu überwachen und ständig zugegen zu sein, könne dies nicht dazu führen, die gesamten mit der Wohnungstrennung verbundenen Maßnahmen als unzumutbar, weil einen unverhältnismäßigen persönlichen Zeitaufwand erfordernd, anzusehen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf den Einzelfallcharakter sowie darauf, dass der Oberste Gerichtshof im ersten Rechtsgang bereits zur Frage der Zulässigkeit einer auf § 30 Abs 2 Z 5 MRG gestützten Teilkündigung Stellung genommen habe, nicht zulässig sei.

Gegen die Zurückweisung des Zwischenantrags auf Feststellung richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Begehren, diesem Antrag Folge zu geben.

Die Klägerin beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs des Prozessgegners keine Folge zu geben.

Gegen die Abweisung des zweiten Eventualbegehrens richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren der Aufkündigung hinsichtlich dieser „Streitfläche“ stattzugeben, und gegen die Stattgebung des dritten Eventualbegehrens die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Aufkündigung auch insofern aufzuheben und das Räumungsbegehren auch für diesen Teil abzuweisen.

Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision des Beklagten, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

1. Zwischenantrag auf Feststellung

1.1. Das Berufungsgericht hat aus Anlass der Berufung des Beklagten dessen Zwischenantrag auf Feststellung erstmals zurückgewiesen. Ein solcher Beschluss ist mit Rekurs jedenfalls anfechtbar, weil nach ständiger Rechtsprechung § 519 Abs 1 Z 1 ZPO sinngemäß anzuwenden ist (RIS-Justiz RS0039705 [T8]; vgl RS0039554).

1.2. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Zwischenantrags auf Feststellung ist gemäß § 236 Abs 1 iVm § 259 Abs 2 ZPO, 1. dass das Rechtsverhältnis oder Recht bestritten wurde, 2. dass es präjudiziell ist, 3. dass das Prozessgericht dafür zuständig ist und 4. dass die Entscheidung nicht in einem ausschließlich vorgeschriebenen (anderen) Verfahren getroffen werden muss. Das Rechtsverhältnis oder Recht ist präjudiziell, wenn die Entscheidung des Prozesses ganz oder zum Teil von dessen Bestehen oder Nichtbestehen abhängt, ohne dass aber das Rechtsverhältnis oder Recht mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch ident ist (RIS-Justiz RS0039539). Zulässig ist der Zwischenfeststellungsantrag nur dann, wenn er für das Hauptbegehren präjudiziell ist und 5. die Zwischenfeststellungsentscheidung über den anhängigen Prozess hinaus wirkt. Ein besonderes Interesse an der alsbaldigen Feststellung ist hingegen nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0039600).

1.3. Gegenstand des Zwischenfeststellungsantrags bildet die Feststellung des Eintritts des Beklagten in den Mietvertrag seiner verstorbenen Frau und das Bestehen seines Hauptmietrechts am ganzen Bestandobjekt.

Das Berufungsgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, dass im Verfahren ohnehin über den tatsächlichen Umfang des dringenden Wohnbedürfnisses des Beklagten entschieden werde, weshalb seinem Zwischenfeststellungsantrag keine weiterreichende Bedeutung zukäme als der Entscheidung über die Aufkündigung selbst. Der Beklagte macht im Rekurs geltend, dass der Entscheidung über den Zwischenantrag für den Fall der Aufhebung der Aufkündigung weiterreichende Bedeutung zukommen könnte und auch der Feststellung des Eintritts in die Hauptmietrechte am ganzen Mietobjekt Rechtskraftwirkung für künftige (Teil-)Kündigungen der Vermieterin zu anderen Terminen, aus anderen Gründen oder mit anderen Teilungsvorschlägen zukommen könnte. Er übersieht aber, dass seine Eintrittsberechtigung nach § 14 Abs 3 MRG in die Mietrechte an der gesamten Wohnung im gegenständlichen Verfahren von der Klägerin ausdrücklich zugestanden wird – somit kein präjudizieller Streitpunkt vorliegt – und zudem aufgrund des Vorprozesses zwischen den Parteien, mit dem die auf § 30 Abs 2 Z 5 MRG gestützte Aufkündigung über die gesamte Wohnung aufgehoben und das Räumungsbegehren rechtskräftig abgewiesen worden war, weil der Eintritt des Witwers in das Mietverhältnis bejaht worden war, bindend seine Eintrittsberechtigung (§ 14 Abs 3 MRG) und damit seine Passivlegitimation in Folgeprozessen über die Kündigung feststeht (vgl 1 Ob 212/13b). Steht aber schon aufgrund der Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils im Vorprozess die Eintrittsberechtigung des Beklagten und sein Eintritt in die Hauptmietrechte über die gesamte Wohnung fest, besteht kein geschütztes Interesse, zusätzlich mit einem Zwischenfeststellungsantrag diese Rechtsfrage zu klären.

1.4. Der Streit um die Zulässigkeit des Zwischenantrags auf Feststellung löst einen Zwischenstreit aus, in dem abgesondert über die ihm zuzuordnenden Kosten zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0053272; Obermaier, Kostenhandbuch3 [2018] Rz 1.164). Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO.

2. Außerordentliche Revision der Klägerin

2.1. Die Klägerin vermag keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

2.2. Die von der Klägerin angestrebte Teilungsvariante des Bestandobjekts würde dazu führen, dass dem Beklagten eine Wohnnutzfläche von 76 m² bestehend aus Vorraum, Küche, WC, Bad, Kabinett und einem Zimmer verbliebe. Sie vermeint, dass der verbleibende Wohnungsteil „weit über den zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Beklagten notwendigen Wohnraum hinausgeht“. Der Wohnungsteil reiche für seine Wohnversorgung als alleinstehende Person aus. Mit ihren weitwendigen und schwer nachvollziehbaren rechtlichen Ausführungen zeigt sie keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf, wonach der Verweis des Beklagten auf eine nur über ein Zimmer und ein Kabinett sowie Nebenräume verfügende Wohnung dem Gedanken zuwiderlaufen würde, dass nur ein krasses Missverhältnis verhindert werden solle. Im Übrigen ist auf die nachfolgenden Ausführungen (Punkt 3.4.) zu verweisen.

2.3. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist somit zurückzuweisen.

3. Revision des Beklagten

3.1. Die Revision ist zulässig und berechtigt.

3.2. Auch der Oberste Gerichtshof ist grundsätzlich – mit hier nicht vorliegenden Ausnahmen – an seine in derselben Sache in einem früheren Aufhebungsbeschluss ausgesprochene Rechtsansicht gebunden (RIS-Justiz RS0007010; RS0043752 [T1]).

Der erkennende Senat sprach im ersten Rechtsgang zu 1 Ob 212/13b (= immolex 2014/83, 320 [Pfiel]) aus, dass der Vermieter das Mietverhältnis nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG zum Teil aufkündigen kann, wenn der Eintritt in die Mietrechte über die ganze Wohnung ein krasses Missverhältnis zwischen dem dringenden Wohnbedürfnis des Eingetretenen und dem Umfang der gesamten Wohnung herbeiführen würde (vgl RIS-Justiz RS0068618; RS0068635). Der Oberste Gerichtshof teilte die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Bindungswirkung des Vorprozesses nicht und trug ihm auf, sich mit der Berechtigung der Teilkündigung auseinanderzusetzen. Die Bejahung der grundsätzlichen Möglichkeit einer Teilkündigung ist für das weitere Verfahren sowohl für die Vorinstanzen als auch den Obersten Gerichtshof bindend entschieden. Der Beklagte vermag eine Ausnahme von der grundsätzlichen Bindung an den früheren Aufhebungsbeschluss nicht darzulegen. Hingegen besteht hinsichtlich der hier entscheidenden Frage der Berechtigung der konkreten Teilkündigung und der Beurteilung der dafür erforderlichen Voraussetzungen keine Bindung.

3.3. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur mit § 30 Abs 2 Z 5 MRG vergleichbaren Bestimmung des § 19 Abs 2 Z 11 MG ist eine Teilkündigung nur möglich, wenn zwischen der Größe der Wohnung und dem Wohnbedürfnis des Eintrittsberechtigten ein auffallendes Missverhältnis besteht. Daraus, dass diese Gesetzesstelle nur insofern den Kündigungsschutz gewährt, als die vermieteten Wohnräume einem dringenden Wohnbedürfnis dienen, folgt, dass die Wohnräume dem betreffenden Mieter, soweit sein Wohnbedürfnis anerkannt wird, uneingeschränkt belassen werden müssen (8 Ob 122/65 = MietSlg 17.500; 3 Ob 141/57 = RZ 1957, 168). Für den Eintrittsberechtigten darf bezüglich des aufgekündigten Wohnungsteils ein Wohnungsbedürfnis für absehbare Zeit nicht bestehen. Durch den Erwerb des (allein) vom verstorbenen Hauptmieter benützten Teils des Mietgegenstands muss der Wohnbedarf des Eintrittsberechtigten überschritten werden und dieser Wohnungsteil für ihn als überflüssig bezeichnet werden können (5 Ob 223/69 = MietSlg 21.644 = RIS-Justiz RS0068656). Auf Abgabe überflüssigen Wohnraums ist ganz allgemein immer dann zu erkennen, wenn die Überlassung der ganzen Wohnung an den Eintrittsberechtigten das genannte Missverhältnis zur Folge hätte. Das wird zwar regelmäßig der Fall sein, wenn der Verstorbene einzelne Räume seiner Wohnung ausschließlich benützt hatte; geradezu als Erfordernis einer Teilkündigung nach § 19 Abs 2 Z 11 MG ist eine solche ausschließliche Benützung aber nicht normiert (6 Ob 151, 152/62 = EvBl 1963/29; 4 Ob 621/75 = MietSlg 27.469). Ein Interesse an Einnahmen aus einer Untervermietung von Räumen kann nicht als ein Wohnbedürfnis des Eintretenden angesehen werden (6 Ob 162/61 = RIS-Justiz RS0068462), weshalb in einem solchen Fall ein krasses Missverhältnis besteht, wenn einer alleinstehenden Eintrittsberechtigten ein dringendes Bedürfnis an einer 4-Zimmer-Wohnung zugebilligt würde (5 Ob 480/59 = MietSlg 7426 = MietSlg-U 491). Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall aber ganz erheblich.

3.4. Die Beurteilung des für die Teilkündigung nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG erforderlichen krassen Missverhältnisses ist nicht abstrakt anhand des dringenden Wohnbedürfnisses einer bestimmten eintrittsberechtigten „Normperson“ zu beurteilen, sondern aufgrund der konkreten Situation und der Nutzung durch den Eintretenden und seine bei ihm wohnenden Angehörigen. Nicht maßgeblich ist, in welchem Umfang ein „durchschnittlicher“ Hauptmieter ein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung hätte.

Die Wohnungen Nr 15 und 16 wurden mit einheitlichem Mietvertrag angemietet und bestehen aus vier Zimmern sowie einem Kabinett und Nebenräumen. Die Nutzfläche beträgt rund 162 m². Nach den nunmehr (im zweiten Rechtsgang) getroffenen Feststellungen nützt der Beklagte alle Räumlichkeiten ständig, wie er dies auch gemeinsam mit seiner verstorbenen Ehefrau tat. Diese nutzte keinen der Räume alleine. Sämtliche Zimmer sind mit vielen Möbelstücken voll möbliert und es besteht in keinem der Räume die Möglichkeit, weitere Einrichtungsgegenstände unterzubringen. Die Wohnung ist überreich mit Ziergegenständen, Bildern, Vasen etc ausgestattet und in sehr gepflegtem Zustand. Daraus ergibt sich, dass der Beklagte bereits vor seinem Eintritt in das Mietverhältnis als Hauptmieter mit seiner verstorbenen Ehefrau die großzügig bemessene Wohnung in vollem Umfang bewohnte. Auch nach ihrem Ableben nützt er als Alleinstehender weiterhin sämtliche Räumlichkeiten der 4 ½-Zimmer-Wohnung. Nach dem festgestellten Sachverhalt besteht sein dringendes Wohnbedürfnis – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen und des Klägers – an der gesamten Wohnung, kann er doch auch seine Einrichtungsgegenstände, das Inventar und die Wertgegenstände nicht in einer kleineren Wohnung unterbringen, sodass das von der Judikatur geforderte krasse Missverhältnis nicht vorliegt. Anders als etwa im Sachverhalt der Entscheidung 2 Ob 534/95 nutzt der Mieter sämtliche Räumlichkeiten der Wohnung und ist auch nicht daran interessiert, Einnahmen aus der Untervermietung eines Teils der Wohnung zu lukrieren (vgl dazu 5 Ob 480/59; 6 Ob 162/61). Ob ein alleinstehender Eintretender im „Normalfall“ die Wohnung im selben Umfang wie der Beklagte nützen würde, ist für das Vorliegen des – nach den konkreten Umständen zu beurteilenden – dringenden Wohnbedürfnisses im Zusammenhang mit einer Teilkündigung in Anwendung des § 30 Abs 2 Z 5 MRG nicht maßgebend.

3.5. Die Revision des Beklagten ist daher (im Hinblick auf das dritte Eventualbegehren) berechtigt, die Aufkündigung insofern aufzuheben und das Räumungsbegehren auch in diesem Umfang abzuweisen.

3.6. Die Kostenentscheidung im Revisions-verfahren beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 ZPO.

Die Übertragung der die Vorinstanzen betreffenden Kostenentscheidungen an das Berufungsgericht ergibt sich aus einem Größenschluss aus § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO. Wenn der Oberste Gerichtshof sogar die Entscheidung der Hauptsache dem Berufungsgericht übertragen kann, sofern die dafür erforderlichen eingehenden Berechnungen einen entsprechenden Zeitaufwand erfordern, muss dies umso mehr für die Kostenfragen gelten. Auch aus den Rechtsmittelbeschränkungen der ZPO ergibt sich, dass der Oberste Gerichtshof grundsätzlich nicht mit Kostenfragen belastet werden soll (RIS-Justiz RS0124588 [T4]). Im vorliegenden Fall ergibt sich die Notwendigkeit eingehender Berechnungen durch die Bestreitung etlicher Positionen in den Einwendungen der Klägerin gegen die Kostenverzeichnisse des Beklagten und dadurch, dass die Überprüfung der Barauslagen (Kosten für diverse Sachverständige) das zeitaufwändige Studium der zahlreichen Gebührenbestimmungsbeschlüsse samt Berichtigungen erfordert.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00099.18T.1121.000

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