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OGH vom 21.04.2010, 7Ob3/10g

OGH vom 21.04.2010, 7Ob3/10g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** K*****, Inhaber der nicht prot Firma S*****, vertreten durch Eisenberger Herzog Rechtsanwalts GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Imre Schaffer Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in Gleisdorf, und die Nebenintervenientin S***** GmbH, *****, vertreten durch Destaller-Mader, Rechtsanwälte in Graz, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 23 Cg 175/06a des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 2 R152/09d-15, womit das „Urteil“ des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 23 Cg 2/09i 10, aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.648,80 EUR (darin enthalten 274,80 EUR an USt) und der Nebenintervenientin die mit 1.647 EUR (darin enthalten 274,50 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Im wieder aufzunehmenden Verfahren wurde der Wiederaufnahmskläger (der dortige Beklagte) zur Zahlung des restlichen Werklohns an die hier Beklagte verpflichtet. Die dort vom Wiederaufnahmskläger behauptete Warnpflichtverletzung wurde verneint, weil er trotz eines sachverständigen Rates, eine Schaumglasdämmung anbringen zu lassen, das Pultdach über dem Hallenbad aus Kostengründen ohne eine solche Dämmung ausführen ließ und sich bewusst auf das daraus entstehende Risiko der mangelnden Dichtheit eingelassen hat.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage nach Durchführung einer mündlichen Streitverhandlung mit „Urteil“ ab. Die herangezogenen Beweismittel hätten zu keiner anderen Entscheidung im Hauptprozess führen können. Zum einen stelle eine thermografische Messung keine neue wissenschaftliche Erkenntnismethode dar und zum anderen bestätige die als Wiederaufnahmsgrund herangezogene thermografische Kurzauswertung nur das Zutreffen der Ausführungen des im Vorverfahren beigezogenen Sachverständigen. Das Wiederaufnahmebegehren scheitere im Übrigen schon daran, dass feststehe, dass der sachverständig beratene Kläger die Ausführung der Schaumglasdämmung im Bereich des Hallenbads ausdrücklich nicht gewollt habe und die Streitteile im Ergebnis keine „sach- und fachgerechte Ausführung des Paneel-Dachsystems“ vereinbart hätten.

Das Rekursgericht behandelte die dagegen vom Kläger erhobene „Berufung“ als Rekurs. Es sprach aus, dass aus Anlass des Rekurses das angefochtene Urteil und das vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen werde. Das Erstgericht habe mit seiner Begründung, dass kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund geltend gemacht worden sei, deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Wiederaufnahmsklage unschlüssig sei. Es hätte daher die Klage mit Beschluss zurückweisen müssen. Maßgeblich sei nicht die vom Gericht gewählte, sondern die vom Gesetz vorgeschriebene Entscheidungsform. Die vorgelegte thermografische Kurzauswertung sei kein Wiederaufnahmsgrund, weil im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht die Dichtheit und damit Mängelfreiheit des Daches der Grund für die Stattgebung der Klage gewesen sei, sondern die trotz Undichtheit des Daches eingetretene Fälligkeit des Werklohns, weil der sachverständig beratene Kläger als Werkbesteller aus Kostengründen die Herstellung eines „dichten Daches“ im Bewusstsein des damit verbundenen Risikos abgelehnt habe.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit einem Abänderungsantrag.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben, die Nebenintervenientin auch, ihn zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig. Das Berufungsgericht hob mit ausführlicher Begründung das Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es hat diese Entscheidungsform also bewusst gewählt. In diesem Fall ist nach der neueren Rechtsprechung analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO der Revisionsrekurs zulässig (1 Ob 26/02h, 1 Ob 251/04z, 5 Ob 11/04k, 3 Ob 160/05h, 3 Ob 281/08g; Jelinek in Fasching/Konecny ², § 543 ZPO Rz 8). Er ist aber nicht berechtigt.

Nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO berechtigen nur solche neue Tatsachen und Beweismittel zur Wiederaufnahmsklage, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten. Es kommt dabei darauf an, ob die Außerachtlassung der neuen Tatsachen oder Beweismittel im Vorprozess einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Findung der materiellen Wahrheit und die Vollständigkeit der Urteilsgrundlage darstellt (RIS-Justiz RS0044676). Für die Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage reicht es aus, dass die neuen Beweismittel für sich allein betrachtet eine andere Entscheidung herbeiführen könnten. Ob ihnen diese Eignung wirklich zukommt, kann aber nicht im Vorverfahren (iudicium rescindes), sondern nur im Hauptverfahren (iudicium rescissorium) beurteilt werden (RIS-Justiz RS0044481). Es ist also zunächst vom Gericht eine Prüfung der Schlüssigkeit und Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage nach § 538 ZPO vorzunehmen. Zu dieser Prüfung gehört auch, ob dem Kläger die neuen Tatsachen oder Beweismittel innerhalb der Frist des § 534 ZPO zur Kenntnis gelangt sind und ob die Kenntnis erst nach Schluss der Verhandlung erster Instanz im Hauptprozess auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen ist. Ergibt die abstrakte Prüfung, dass die in der Klage vorgebrachten Tatsachen oder die aus den neuen Beweismitteln abzuleitenden Tatsachen sogar dann, wenn man sie als richtig unterstellt, zu keiner Änderung der früheren Entscheidung führen können, sind die vorgebrachten Umstände auch abstrakt als Wiederaufnahmsgrund untauglich. Die demnach unschlüssige Wiederaufnahmsklage ist in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0044620).

Es liegt - wie bereits die Vorinstanzen ausgeführt haben - kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund vor (§§ 528a iVm 510 Abs 3 ZPO). Es ist schon nicht erkennbar, dass der Kläger ohne Verschulden nicht in der Lage war, für die Berücksichtigung der nun beigebrachten thermografischen Auswertung während des wiederaufzunehmenden Verfahrens zu sorgen. Abgesehen davon können die vorgelegten Beweismittel von vornherein keinen Einfluss auf die entscheidungswesentliche Feststellung haben, dass der sachverständig beratene Kläger als Werkbesteller im Bewusstsein des Risikos bei fehlender Wärmedämmung und nur aus Kostengründen von der Herstellung einer Schaumglasdämmung abgesehen hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.