OGH 26.06.2018, 2Ob95/18m
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am * verstorbenen F* S*, zuletzt *, im Verfahren über den Revisionsrekurs der Vorerben 1. M* K*, und 2. S* K*, beide vertreten durch Mag. Johannes Schröttner, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 4 R 324/17x-38, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom , GZ 8 A 647/15f-35, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, einem für die ungeborenen Nacherben zu bestellenden Kurator Gelegenheit zur Beantwortung des Revisionsrekurses zu geben.
Text
Begründung:
Die Erblasserin hatte die Revisionsrekurswerber zu Vorerben und deren ungeborenen Nachkommen zu Nacherben berufen. Ihre Tochter, die Mutter der Vorerben, hatte sie im selben Testament enterbt, weil sie sie im Notstand hilflos gelassen habe. Die ungeborenen Nacherben waren im Verlassverfahren durch einen Substitutionskurator vertreten. Der im Wesentlichen aus einer Liegenschaft bestehende Nachlass wurde den Rechtsmittelwerbern „als Vorerben“, also mit der Beschränkung aufgrund der Nacherbschaft (§ 178 Abs 2 Z 1 AußStrG) eingeantwortet, wobei in die Verbücherungsklausel die Anmerkung der Nacherbschaft aufgenommen wurde. Zugleich mit der Einantwortung wurde der Substitutionskurator seines Amtes enthoben. Die Verbücherung ist bisher nicht erfolgt. Die Mutter der Vorerben macht außergerichtlich ihren Pflichtteil geltend.
Die Vorerben beantragen die „substitutionsbehördliche Genehmigung“ des von ihnen beabsichtigten Verkaufs der Liegenschaft und die Bestellung eines Substitutionskurators für die „fruchtbringende Anlegung des Restbetrags aus dem Liegenschaftsverkauf“. Da kein Enterbungsgrund vorliege, habe ihre Mutter Anspruch auf den Pflichtteil. Zu dessen Erfüllung sei der Verkauf der Liegenschaft erforderlich.
Das Erstgericht wies beide Anträge ab. Eine titulierte Forderung gegen den Erblasser oder die Verlassenschaft liege nicht vor. Daher sei eine Veräußerung nur mit der – im Prozessweg zu erlangenden – Zustimmung eines Substitutionskurators möglich. Ohne solche Zustimmung könne keine Genehmigung erfolgen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.
Ein Vorerbe könne zur Deckung von Pflichtteilsansprüchen auch ohne Zustimmung der Nacherben über den Nachlass verfügen, benötige dafür aber die Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts als Substitutionsbehörde. Die Genehmigung könne derzeit aber nicht erteilt werden, weil dafür in sinngemäßer Anwendung von § 132 AußStrG zumindest ein Vertragsentwurf erforderlich sei. Denn nur dann könne beurteilt werden, ob die Veräußerung die Interessen der Nacherben verletze. Eine Vorweggenehmigung der „bestmöglichen“ Veräußerung komme nicht in Betracht. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur sinngemäßen Anwendung von § 132 AußStrG im Verfahren über die Genehmigung eines Vertrags durch die Substitutionsbehörde fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich ein Revisionsrekurs der Vorerben, mit dem sie eine zur Gänze stattgebende Entscheidung anstreben. Die Vorlage eines Kaufvertrags sei nicht „zielführend“, weil sich kaum ein Käufer finden werde, der den Schwebezustand bis zur Genehmigung auf sich nähme.
Rechtliche Beurteilung
Die zur Entscheidung über den Revisionsrekurs vorgelegten Akten sind dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückzustellen, einem für die ungeborenen Nacherben zu bestellenden Kurator die Gelegenheit zur Beantwortung des Revisionsrekurses zu gewähren.
1. Die von Vorerben angestrebte „substitutionsbehördliche Genehmigung“ des Verkaufs von Substitutionsgut greift in die Rechte der Nacherben ein. Daher sind diese Partei des Genehmigungsverfahrens (§ 2 Abs 1 Z 3 AußStrG) und folglich zur Beantwortung des Revisionsrekurses berechtigt (§ 68 Abs 1 AußStrG). Dass die Nacherben im konkreten Fall noch nicht geboren sind, kann an dieser Rechtslage nichts ändern. In diesem Fall hat für sie ein Kurator nach § 269 ABGB (Substitutions- oder Posteritätskurator) einzuschreiten.
2. Der vom Verlassenschaftsgericht für die ungeborenen Nacherben bestellte Kurator wurde mit der Einantwortung seines Amtes enthoben. Aus diesem Grund ist eine neue Bestellung erforderlich. Sie obliegt analog § 156 Abs 1 iVm § 5 Abs 2 Z 2 lit a AußStrG dem Verlassenschaftsgericht.
2.1. Der Oberste Gerichtshof hat zwar in 6 Ob 703/81 ausgesprochen, dass die Aufsicht über den Substitutionskurator nach der Einantwortung nicht mehr vom Abhandlungsgericht, sondern vom Pflegschaftsgericht zu führen sei. Umso mehr müsste dann eine allenfalls erforderliche Bestellung vom Pflegschaftsgericht vorgenommen werden. Dafür ist aber kein Grund erkennbar. Denn das Verlassenschaftsverfahren ist mit der Einantwortung an den Vorerben nicht abgeschlossen; vielmehr bleibt das Verlassenschaftsgericht (jedenfalls) zur Entscheidung über das Erlöschen der Nacherbschaft oder zur Durchführung der Substitutionsabhandlung zuständig (Mondel, Die Kuratoren im österreichischen Recht [2013] Rz 3/19 mwN). Damit besteht aber kein Anlass, die Aufsicht über einen Substitutionskurator und gegebenenfalls dessen Bestellung einem davon getrennten Pflegschaftsgericht zu übertragen (Mondel, Kuratoren Rz 3/19).
2.2. Zwar erfasst der Wortlaut von § 156 Abs 1 AußStrG nur die Bestellung eines Kurators zur „Durchführung der Abhandlung“. Entscheidend ist aber, dass diese Bestimmung dafür die Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichts vorsieht, während für Minderjährige und andere Pflegebefohlene nach § 156 Abs 3 AußStrG das Pflegschaftsgericht tätig zu werden hat. Diese Wertung hat solange Berechtigung, als das Verlassenschaftsgericht noch zu Entscheidungen befugt ist, die in Rechte der ungeborenen Nacherben eingreifen können. Das trifft, solange keine Einantwortung an die Nacherben erfolgt ist, bis zum Erlöschen der Nacherbschaft (§ 615 Abs 1 ABGB) zu.
3. Aus diesen Gründen hat das Erstgericht einen Kurator nach § 269 ABGB zu bestellen und ihm die Möglichkeit zur Rechtsmittelbeantwortung einzuräumen. Die Akten sind nach Einlangen der Beantwortung oder ungenütztem Ablauf der dafür offen stehenden Frist wieder vorzulegen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** 2015 verstorbenen F***** S*****, über den Revisionsrekurs der Vorerben 1. Mag. M***** K*****, und 2. S***** K*****, beide vertreten durch Mag. Johannes Schröttner, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 324/17x-38, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom , GZ 8 A 647/15f-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Substitutionskurators auf Zuspruch der Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, dass die substitutionsgerichtliche Genehmigung eines Liegenschaftsverkaufs in sinngemäßer Anwendung von § 132 Abs 1 AußStrG zumindest die Vorlage eines Kaufvertragsentwurfs erfordere. Den Revisionsrekurs ließ es zu, weil Rechtsprechung zu dieser sinngemäßen Anwendung
– also zur Notwendigkeit der Gleichbehandlung von pflegschafts- und substitutionsgerichtlichen Genehmigungen – fehle.
Der Revisionsrekurs der Antragsteller beschränkt sich im Kern auf die Aussage, dass die Vorlage eines Kaufvertrags nicht „zielführend“ sei, weil sich kaum ein Käufer finden werde, der den „Schwebezustand“ bis zu einer Genehmigung auf sich nähme; daher sei eine Vorweggenehmigung (auch ohne Kenntnis des Kaufpreises) erforderlich. Diese Argumentation würde aber in gleicher Weise auch für pflegschaftsgerichtliche Genehmigungen gelten. Damit nimmt der Revisionsrekurs aber zur vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen pflegschafts- und substitutionsgerichtliche Genehmigungen in diesem Punkt gleich oder verschieden zu behandeln sind, nicht Stellung. Er ist daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0043654 [T11]).
Ein Kostenersatz findet im Verlassenschaftsverfahren – außer im Verfahren über das Erbrecht – nicht statt (§ 185 AußStrG).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2019:E123922 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAD-68207