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OGH vom 21.11.1995, 4Ob83/95

OGH vom 21.11.1995, 4Ob83/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****verband *****, vertreten durch Dr.Ernst Ploil, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. C*****, 2. Y*****gesellschaftmbH, ***** vertreten durch Fiebinger & Polak, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000), infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 6 R 535/95-10, mit dem der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 24 Cg 68/95y-4, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Dem klagenden Schutzverband (§ 14 UWG) - im folgenden: Kläger - gehören ausschließlich Elektrogerätehändler, -hersteller und -importeure als Mitglieder an. Verbandszweck des Klägers ist es (ua), unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Die Erstbeklagte vertreibt an mehreren Standorten Elektrogeräte. Sie bedient sich der Zweitbeklagten als Werbeagentur.

In der Ausgabe der "Neuen Kronenzeitung" vom erschien ein ganzseitiges Inserat der Erstbeklagten, welches die Zweitbeklagte gestaltet hatte:

"Offener Brief

an

Karl Oscar Pauer,

Cosmos Elektrofachmärkte

'Geehrter' Herr Pauer!

Bereits in den vergangenen Monaten hat Cosmos mit Aktionen wie den 'Haß-Preis-Tagen' oder der 'Aktion Rücksichtslos' dem Ansehen des Elektrohandels geschadet.

Die für morgen angedrohten 'Überläufertage' bringen das Faß allerdings zum Überlaufen. Sogenannte 'Lockangebote', noch dazu 'schamlose Lockangebote für die Kunden der Konkurrenz' widersprechen sämtlichen moralischen und ethischen Gepflogenheiten des Handels.

Derartige Geschäftspraktiken sind entschieden abzulehnen. Sie führen zu einem nicht wünschenswerten Klima des ruinösen Wettbewerbes und zu Preisen, die jeglicher kaufmännischen Vernunft widersprechen. Auch wenn sie für die Kunden noch so verlockend sind."

Der "offene Brief" war schwarz auf rot gedruckt. In diesen Farben sind die Inserate der M*****-Unternehmen gehalten, die schon wiederholt in Verfahren wegen unlauteren Wettbewerbs Gegner der Erstbeklagten waren. "Karl Oscar Pauer" wurde von den Beklagten erdacht; er tritt immer wieder in ihren Werbeeinschaltungen auf.

Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,

a) in Annoncen den falschen Eindruck zu erwecken, ein Mitbewerber "der klagenden Partei" (richtig: der Erstbeklagten) richte an sie einen in einer Tageszeitung wiedergegebenen offenen Brief;

b) in Annoncen den falschen Eindruck zu erwecken, ein Mitbewerber der Erstbeklagten erhebe gegen sie Vorwürfe wegen ihrer Geschäftstätigkeit, ihrer Geschäftpraktiken, ihrer Werbeaussagen und ihrer Preisgestaltung;

c) den falschen Eindruck zu erwecken, die M***** GesellschaftmbH qualifiziere die von der Erstbeklagten verrechneten Preise in der Öffentlichkeit als zwar für die Kunden verlockend, aber kaufmännisch unvernünftig.

Das Simulieren eines nicht - oder zumindest nicht in dieser Form - ausgetragenen Streites und das Unterschieben von in Wahrheit gar nicht geäußerten Meinungen verstoße gegen §§ 1, 2 UWG. Der Wettbewerbsverstoß richte sich nicht nur gegen die M***** GesellschaftmbH; in Irrtum geführt würden sämtliche Mitbewerber und Konsumenten. Ihnen werde vorgegaukelt, der größte Mitbewerber der Erstbeklagten wisse sich nicht anders zu helfen, als durch einen offenen Brief seinem Unmut und seiner Verzweiflung Luft zu machen.

Das Erstgericht stellte den - nicht schon in der Klage, sondern erst in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellten - Sicherungsantrag den Beklagten nicht zur Äußerung zu. In der bereits vor dem Sicherungsantrag eingebrachten Klagebeantwortung bestritten die Beklagten die Aktivlegitimation des Klägers und die Wettbewerbswidrigkeit des Inserates. Der behauptete Wettbewerbsverstoß richte sich nur gegen ein einzelnes Unternehmen; der Kläger als Interessenverband sei nicht aktiv legitimiert. Mit dem "offenen Brief" werde keine M*****-Werbeidee nachgeahmt; alle in diesem Brief aufgestellten Behauptungen träfen zu.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag in den Punkten b und c statt; Punkt a wies es ab.

Erwecke ein Inserat den wahrheitswidrigen Eindruck, von einem bestimmten Mitbewerber zu stammen, so sei dies wettbewerbswidrig, weil jeder Unternehmer das Recht habe, seine Werbung selbst zu bestimmen. Ein solcher Wettbewerbsverstoß berühre aber nur die Interessen des betroffenen Unternehmens; der Kläger sei insoweit nicht aktiv legitimiert. Die von Punkt b und c des Sicherungsantrages erfaßten Wettbewerbsverstöße richteten sich hingegen gegen sämtliche Mitbewerber. Die Beklagten erweckten durch den Text des Inserates den unzutreffenden Eindruck, daß vor allem die niedrigen Preise der Erstbeklagten die Mitbewerber störten und daß sich ein großer Konkurrent auf diese Art gegen die - im Wettbewerb offenbar äußerst erfolgreiche - Erstbeklagte zur Wehr setzen müsse.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Sicherungsantrag zur Gänze stattgab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Kläger sei gemäß § 14 UWG für den gesamten Sicherungsantrag aktiv legitimiert. Er vertrete Interessen, die durch das beanstandete Inserat berührt werden könnten. Die bloß abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der von der Vereinigung vertretenen Interessen genüge. Verbandszweck des Klägers sei es, im Bereich des Elektrofachhandels und der Elektroindustrie für sauberen Wettbewerb zu sorgen. Der Kläger sei damit auch im Konsumentenschutz tätig. Die Verbraucher würden aber durch den fingierten Brief auf jeden Fall getäuscht; die Aktivlegitimation des Klägers sei auch aus diesem Grund zu bejahen.

Jeder Verstoß gegen den das Wettbewerbsrecht beherrschenden Wahrheitsgrundsatz sei sittenwidrig. Wettbewerbswidrig sei es auch, Wettbewerbsmaßnahmen so zu tarnen, daß sie dem Umworbenen nicht als Werbung erkennbar seien. Das Vortäuschen eines "offenen Briefes" sei angesichts des Interesses der Konsumenten, nicht getäuscht zu werden, und des Interesses der Mitglieder der Kläger an einem sauberen Image des Elektrohandels wettbewerbswidrig. Ob der Inhalt des "offenen Briefes" wahr sei, sei unerheblich. Die Täuschung liege schon allein darin, daß der vermeintliche Verfasser diesen Brief nie geschrieben habe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher nicht über einen gleichartigen Sachverhalt entschieden hat; er ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagten halten an ihrer Auffassung fest, daß der Kläger nicht aktiv legitimiert sei. Erwecke das Inserat den Eindruck, von der M***** GesellschaftmbH zu stammen, so sei nur dieses Unternehmen davon betroffen. Das zeige die Formulierung der Unterlassungsgebote. Wettbewerbswidrig könnte nur der Inhalt des "offenen Briefes" sein. Die M***** GesellschaftmbH habe die die darin enthaltenen Vorwürfe aber tatsächlich erhoben.

Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von

Unternehmern sind aktiv legitimiert, soweit sie Interessen vertreten,

die durch die als wettbewerbswidrig beanstandete Handlung berührt

werden (§ 14 UWG). Dem Kläger gehören nur Unternehmer der

Elektrogerätebranche als Mitglieder an. Er ist schon nach der

Zusammensetzung seiner Mitglieder dazu bestimmt und geeignet, die

wirtschaftlichen Interessen der von ihm vertretenen Unternehmer zu

fördern (SZ 58/200 = EvBl 1986/76 = JBl 1986, 251 = MR 1986 H 1, 24 =

ÖBl 1986, 9 = RdW 1986, 80 = RZ 1986/249 = GRUR Int 1986, 656 -

Wecker-Rabatt; ÖBl 1986, 100 = JBl 1986, 396 = MR 1986 H 3, 22 -

Rabattgutscheine uva).

Ob durch das beanstandete Inserat vom Kläger vertretene Interessen berührt werden, hängt davon ab, wie das Inserat aufzufassen ist. Mit dem Inserat wird ein "offener Brief" eines Mitbewerbers vorgetäuscht, in dem sich dieser über die aggressive Preiswerbung der Erstbeklagten beklagt und damit deren "Seriosität" und Erfolg belegt. Das Inserat ist in Rot-Schwarz und damit in Farben gehalten, welche die M***** GesellschaftmbH für ihre Werbeeinschaltungen verwendet. Für denjenigen, dem die Werbung dieses Unternehmens bekannt ist, entsteht der Eindruck, einen offenen Brief der M***** GesellschaftmbH vor sich zu haben.

Die Beklagten verschleiern damit, daß es sich in Wahrheit um eine Werbemaßnahme der Erstbeklagten handelt. Das Inserat ist - jedenfalls bei bloßem Durchlesen ohne langes Nachdenken - dem Umworbenen nicht als Werbemaßnahme des tatsächlichen Auftraggebers erkennbar (zur Tarnung von Werbemaßnahmen s Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht18 § 1 dUWG Rz 27ff). Der Oberste Gerichtshof hat sich schon wiederholt mit getarnten Werbemaßnahmen befaßt (s etwa zuletzt ÖBl 1995, 64 - Fachbuchverlag): In den Entscheidungen MR 1988, 208 = RZ 1990, 45 = WBl 1989, 123 = GRURInt 1989, 851 - Erlagscheinwerbung I, RdW 1989, 64 - Erlagscheinwerbung II; ÖBl 1989, 74 - Erlagscheinwerbung III (alle vom ) ging es um die Werbung für Einschaltungen in ein privates Telexverzeichnis mit Erlagscheinen ohne mißverständlichen Hinweis, daß bloß ein Angebot unterbreitet wird. Zweck der Tarnung war es in diesen Fällen, zu einer "unbewußten" Auftragserteilung zu verleiten.

In der Entscheidung MR 1992, 207 [Korn] = ÖBl 1992, 265 = ecolex

1993, 34 = EvBl 1993/35 = WBl 1993, 58 = GRURInt 1993, 503 - Product

Placement wurde der zielgerichtete Einbau von Waren, insbesondere Markenwaren, in Fernsehsendungen und Filme als Requisiten zur Verbesserung des Images dieser Waren (Product Placement) der Kennzeichnungspflicht nach § 26 MedG unterstellt. Durch das Product Placement läßt der Werbende die Werbemaßnahme als objektive Unterrichtung durch eine unabhängige Person oder Stelle erscheinen (s Baumbach/Hefermehl aaO und § 1 dUWG Rz 42 ff).

Ein solches Verhalten ist sittenwidrig iS des § 1 UWG: Werbung soll den angesprochenen Verkehrskreisen als Werbung erkennbar sein. Nur dann ist es ihnen möglich, ihren Aussagewert zu beurteilen. Jede Werbung ist subjektiv gefärbt; das macht gewisse Abstriche notwendig, welche der Werbeadressat aber nur vornehmen kann, wenn er weiß, daß es sich um Werbung handelt (s MR 1992, 255 [Korn] = ÖBl 1992, 205 - Redaktionelle Hinweise mwN). Das Interesse der angesprochenen Verkehrskreise zu wissen, daß es sich um Werbung handelt, wird aber nicht nur dann verletzt, wenn Empfehlungen Dritter vorgetäuscht werden, sondern auch dann, wenn der Werbende andere Äußerungen Dritter vorspiegelt, die den gleichen Zweck erfüllen: Auch im vorliegenden Fall belegt die scheinbar von einem Mitbewerber stammende (Unmuts-)Äußerung, daß die Erstbeklagte besonders leistungsstark ist. Sie hat Preise, die ihren Mitbewerbern weh tun, bleibt ihnen doch nur, den ungewöhnlichen Weg eines "offenen Briefes" zu wählen, um zu beklagen, daß die Preise der Erstbeklagten jeglicher kaufmännischen Vernunft widersprechen. Der Zusatz "auch wenn sie für die Kunden noch so verlockend sind" läßt zwar bei kurzem Überlegen erahnen, von wem der Brief in Wirklichkeit stammt, bei flüchtigem Durchlesen wird diese Werbung aber nur als Bestätigung dafür aufgefaßt werden, daß die Preise der Erstbeklagten tatsächlich niedrig sind.

Durch den fingierten "offenen Brief" spannen die Beklagten den wichtigsten Mitbewerber der Erstbeklagten in ihre Werbung ein: Durch seinen vorgespiegelten Unmut wird bewiesen, daß die Erstbeklagte ihren Mitbewerbern überlegen ist. Gleichzeitig wird der Mitbewerber lächerlich gemacht und ihm Heuchelei unterstellt. Es wirft ja ein bezeichnendes Licht auf die Marktverhältnisse, wenn den Mitbewerbern nur bleibt, in einem "offenen Brief" über den Verstoß gegen sämtliche "moralischen und ethischen" Gepflogenheiten des Handels zu jammern, während es ihnen offenbar nur darum geht, überhöhte Preise aufrechtzuerhalten.

Mit dem beanstandeten Inserat versucht somit die Erstbeklagte, durch Tarnung und Täuschung ihren Wettbewerb zu Lasten des Wettbewerbs ihrer Mitbewerber zu fördern. Ihre Werbemaßnahme betrifft nicht nur einen Mitbewerber, sondern beeinflußt durch das mit Täuschungen bewirkte Herausstellen der Leistungsstärke der Erstbeklagten den Wettbewerb der gesamten Branche. Daraus folgt die Aktivlegitimation des Klägers für den gesamten Sicherungsantrag: Die von ihm vertretenen Interessen der Elektrogerätehändler, -importeure und -hersteller werden durch die sittenwidrige Werbemaßnahme der Beklagten berührt.

Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO.

Fundstelle(n):
YAAAD-68138