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OGH vom 08.05.2003, 2Ob95/03i

OGH vom 08.05.2003, 2Ob95/03i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erwin R*****, vertreten durch Dr. Christoph Brenner, Dr. Alexander Riel KEG, Rechtsanwälte in Krems an der Donau, wider die beklagte Partei Stadt K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner und Dr. Helmut Platzgummer, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 41.629,18 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 12 R 170/02m-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom , GZ 27 Cg 64/01b-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 749,70 (darin enthalten Umsatzsteuer von EUR 124,95, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am wegen eines Karzinoms des rechten Lungen-Oberlappens in dem von der beklagten Partei betriebenen Krankenhaus K***** einer Operation unterzogen. Er gab gegenüber den behandelnden Ärzten an, als Steinmetz gearbeitet zu haben. Die Krankheit des Klägers wurde dem zuständigen Träger der Unfallversicherung vom Krankenhaus nicht angezeigt. Erst Mitte 1999 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Versehrtenrente bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt. Von dieser wurde die Lungenerkrankung des Klägers, die er sich bei seiner Tätigkeit als Steinmetz zugezogen hat, als Berufskrankheit, die zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit zu 100 % geführt hat, anerkannt. Es wurde ihm deshalb ab eine Versehrtenrente gewährt. Der Antrag auf Gewährung einer Versehrtenrente für den Zeitraum bis wurde hingegen abgelehnt.

Der Kläger begehrt die Zahlung von EUR 41.629,18 sA mit der Begründung, schon seit Anfang Dezember 1996 einen Anspruch auf Gewährung einer Versehrtenrente gehabt zu haben. Das Krankenhaus K*****habe es aber unterlassen, dies fristgerecht dem Träger der Unfallversicherung anzuzeigen. Für den Zeitraum Dezember 1996 bis zur tatsächlichen Gewährung sei ihm wegen pflichtwidriger Anzeigenunterlassung der verantwortlichen Ärzte der eingeklagte Betrag entgangen.

Die beklagte Partei wendete eine überwiegendes Mitverschulden des Klägers im Sinne einer Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten deshalb ein, weil sich der Kläger nicht selbst um die Gewährung einer Versehrtenrente bemüht habe.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 11.700,11 und wies das Mehrbegehren auf Zahlung von EUR 29.929,07 sA ab.

Dabei traf es im Wesentlichen folgende Feststellungen:

Dem Kläger war nicht bekannt, dass ihm aufgrund einer Berufskrankheit eine Versehrtenrente zusteht. Erst Mitte des Jahres 1999 wurde er darauf aufmerksam gemacht und stellte umgehend einen entsprechenden Antrag bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt. Diese akzeptierte die Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit im Zuge der Tätigkeit des Klägers als Steinmetz und daraus folgend eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 %. Mit Bescheid vom wurde dem Kläger ab eine Versehrtenrente zuerkannt, der Antrag für den Zeitraum bis jedoch abgelehnt, weil die Antragstellung nicht fristgemäß erfolgte. Hätte das Krankenhaus K***** die Berufskrankheit des Klägers schon im Dezember 1996 dem Träger der Unfallversicherung angezeigt oder hätte der Kläger selbst fristgerecht einen Antrag auf Gewährung einer Versehrtenrente gestellt, so wäre ihm eine solche auch für den Zeitraum bis gewährt worden.

In rechtlicher Hinsicht verwies das Erstgericht auf § 363 Abs 2 ASVG, wonach der Arzt, der bei einem Versicherten eine Berufskrankheit oder Krankheitserscheinungen feststelle, die den begründeten Verdacht einer solchen Krankheit rechtfertigten, diese Feststellung dem zuständigen Träger der Unfallversicherung binnen fünf Tagen anzuzeigen habe. Diese Vorschrift habe den Zweck, allfällige Ansprüche des Versicherten diesbezüglich abzuklären. Dieser Verpflichtung seien die behandelnden Ärzte des Krankenhauses K***** offenbar aus Unkenntnis nicht nachgekommen. Da der Kläger selbst über allfällige Ansprüche auf Versehrtenrente wegen Berufskrankheit nicht informiert gewesen sei, habe er es auch unterlassen, einen diesbezüglichen Antrag zu stellen. Erst Mitte 1999 sei er aufgeklärt worden und habe dann umgehend einen Antrag gestellt; da seit Eintritt des Versicherungsfalles jedoch schon ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren verstrichen gewesen sei, habe ihm gemäß § 86 Abs 4 ASVG eine Versehrtenrente erst ab Antragstag zuerkannt werden können. Den behandelnden Ärzten des Krankenhauses K***** sei daher eine Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht anzulasten.

Es wäre aber auch Sache des Klägers gewesen, sich über die ihm allenfalls zustehenden Ansprüche zu informieren und tätig zu werden, weshalb eine Verschuldensteilung von 1 : 1 gerechtfertigt sei. Ausgehend von einem Gesamtanspruch des Klägers in der Höhe von EUR 23.400,22 gelangte das Erstgericht zu einem Zuspruch von EUR 11.700,11 sA und wies das Mehrbegehren von ER 29.929,07 sA ab.

Das gegen den klagsabweisenden Teil dieser Entscheidung vom Kläger angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 23.400,22 sA verurteilte; es sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, Lehre und Rechtsprechung seien sich einig, dass die Bestimmung des § 363 Abs 1 ASVG ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB darstelle und eine besondere Fürsorgepflicht des Arbeitgebers statuiere, mit dem Zweck, die amtswegige Einleitung des Verfahrens beim Träger der Unfallversicherung und somit die dem Arbeitnehmer erwachsenden Ansprüche aus dem Arbeitsunfall zu sichern. Gleiches müsse auch für die Bestimmung des § 363 Abs 2 ASVG gelten, die eine Anzeigepflicht eines Arztes normiere, der bei einem Versicherten eine Berufskrankheit oder Krankheitserscheinungen feststelle, die den begründeten Verdacht einer solchen Krankheit rechtfertigten. Die grundsätzliche Haftung der beklagten Partei als Betreiberin des Krankenhauses K***** für die Unterlassung der dort tätigen Ärzte sei nicht strittig.

Ob einen Patienten, der selbst eine Meldung der Berufskrankheit oder eine mögliche Antragstellung auf Zuerkennung einer Versehrtenrente unterlasse, ein Mitverschulden im Sinne einer Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten treffen könne, sei zwar umstritten, könne aber hier dahinstehen: Die Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Lehre lehne nämlich ein Mitverschulden des Patienten jedenfalls dann ab, wenn er von der Meldepflichtverletzung nichts gewusst oder auch nicht gewusst habe, dass überhaupt eine Meldepflicht bestehe. Die Normen des § 363 ASVG statuierten nämlich eine besondere Fürsorgeverpflichtung des Arbeitgebers bzw des Arztes. Der Gesetzgeber habe den Arbeitnehmer (Patienten) vor Schäden durch Sorglosigkeit in Bezug auf die Erfüllung der Meldevorschriften und vor den Folgen einer Unterschätzung des von der Sozialversicherung übernommenen Risikos bezüglich der zu gewährenden Leistungen schützen wollen. Der Schutzzweck der Meldevorschriften verbiete daher eine Kürzung des Schadenersatzes selbst bei verschuldeter Unkenntnis des Arbeitnehmers von der Meldepflichtverletzung des Arbeitgebers. Dies müsse umso mehr bei unverschuldeter Unkenntnis des Patienten sowohl vom Vorliegen einer Berufskrankheit als auch einer Meldepflichtverletzung gelten. Dass der Kläger von seiner Berufskrankheit oder auch von der Meldepflichtverletzung der Ärzte im Krankenhaus der beklagten Partei gewusst oder auch fahrlässig nicht gewusst habe, sei von der beklagten Partei im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht und auch nicht festgestellt worden.

Zu Unrecht habe daher das Erstgericht dem Kläger ein Mitverschulden im Sinne einer Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten angelastet.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Schutzzweckes des § 363 Abs 2 ASVG nicht vorliege und die Frage der Haftung des Arztes für die Meldepflichtverletzung eine solche darstelle, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe.

Dieses Urteil wird von der beklagten Partei insoweit angefochten, als dem Begehren der klagenden Partei über einen Betrag von EUR 11.700,11 sA hinausgehend stattgegeben wurde; die beklagte Partei beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die Unterlassung einer Meldung an den Träger der Unfallversicherungsanstalt gehöre nicht zu den Haupttätigkeiten eines behandelnden Arztes. Die strikte Einhaltung der Bestimmung des § 363 Abs 2 ASVG würde den Arzt nämlich zu einer überaus zeitaufwändigen Befragung des Patienten über seine gesamte bisherige Berufslaufbahn unter Angabe sämtlicher bisheriger Arbeitgeber verpflichten. In der Praxis werde die Einhaltung der Bestimmung des § 363 Abs 2 ASVG wohl nur dann nötig sein, wenn sich der Verdacht auf eine Berufskrankheit geradezu aufdränge. Unbestritten sei, dass es sich bei der Meldepflicht nach § 363 Abs 1 ASVG um ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB handle. Zwischen Arbeitgeber und Arzt bestünden jedoch erhebliche Unterschiede. Im Falle des Arbeitgebers seien die ihn treffenden sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten Ausfluss der besonderen arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Im Sinne dieser Fürsorgepflicht werde auch die gesetzliche Unfallversicherung zur Gänze von den Arbeitgebern finanziert, weshalb sie nur noch für Vorsatz hafteten. Dieses System schütze die Arbeitgeber aber auch in gewisser Hinsicht vor Ansprüchen der Arbeitnehmer. Insoweit sei es auch gerechtfertigt, an die Meldepflichten des Arbeitgebers strenge Maßstäbe anzulegen und bei unverschuldeter Unkenntnis des Arbeitnehmers ein Mitverschulden generell auszuschließen. Anders verhalte es sich aber bei der Meldepflicht des Arztes nach § 363 Abs 2 ASVG. Das Rechtsverhältnis zwischen dem behandelnden Arzt bzw der Krankenanstalt und dem Patienten werde allein durch den Behandlungsvertrag bestimmt. Anders als beim Arbeitgeber sei in den meisten Fällen dem Arzt nicht einmal die genaue berufliche Tätigkeit des Patienten bekannt. Infolge des völlig anders gearteten Verhältnisses des Arztes zu seinen Patienten sei eine Übertragung der die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer behandelnden Judikatur zum Mitverschulden des Arbeitnehmers bei Vorliegen des Tatbestandes von § 363 Abs 1 ASVG nicht gerechtfertigt und unbillig. Es müsse zwar ein Arzt die ihn betreffende Gesetzeslage besser kennen als ein Patient. Anderseits sei es aber auch selbstverständlich, dass das Unterlassen der Geltendmachung eigener Rechte an sich eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten darstelle. Eine solche Wertung sei schon dem Gesetz selbst zu entnehmen, da in der im § 363 Abs 2 ASVG statuierten Meldepflicht und dem dadurch einzuleitenden Verfahren lediglich ein Korrektiv zur in § 361 ASVG geregelten Antragstellung durch den Anspruchswerber selbst und umgekehrt zu sehen sei. Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes sei sich der Kläger über eine vorliegende Berufskrankheit sehr wohl im Klaren gewesen, habe er den behandelnden Ärzten doch ausdrücklich mitgeteilt, dass er rund 25 Jahre als Steinmetz gearbeitet habe. Auch wenn der Kläger keine Meldepflicht verletzt habe, sei ihm ein auffallend sorgloses Verhalten in eigenen Angelegenheiten anzulasten. So habe er sich über zwei Jahre hindurch nicht über die ihm zustehenden Ansprüche aus der Unfallversicherung informiert, obwohl ihm der Zusammenhang zwischen seiner Tätigkeit als Steinmetz und seiner Erkrankung bewusst gewesen sei. Auch für den Kläger gelte § 2 ABGB, wonach jedermann verpflichtet sei, sich Kenntnis von den ihn betreffenden Gesetzesvorschriften zu verschaffen. Die Verletzung dieser Pflicht führe dann zu einem Verschuldensvorwurf, wenn mindestens leichte Fahrlässigkeit vorliege, wenn also bei Anwendung gehöriger Sorgfalt eines Durchschnittsmenschen die Rechtskenntnisse in zumutbarer Weise erlangt hätten werden können.

Hiezu wurde erwogen:

Grundsätzlich ist in Lehre und Rechtsprechung unstrittig, dass die Verletzung der Unfallsanzeigepflicht des § 363 Abs 1 ASVG eine Schutzgesetzverletzung im Sinne des § 1311 ABGB darstellt, woraus die Haftpflicht des Dienstgebers für nicht erhaltene Sozialleistungen folgt (Gruber, Der Schadenersatz aus Meldepflichtverletzungen, DRdA 1984, 119; Madl, Die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers bei Verstößen gegen die Meldepflicht gemäß § 363 Abs 1 ASVG und ihre Verjährung, ZAS 1998, 129; RIS-Justiz RS0085509; 9 ObA 163/97d = DRdA 1998, 264 = RdW 1998, 361; siehe auch R. Resch, DRdA 1998, 266 mwN, sowie ders Sozialrecht², 89). § 363 Abs 1 ASVG statuiert eine besondere Fürsorgepflicht des Arbeitgebers mit dem Zweck, (jedenfalls auch) die amtswegige Einleitung des Verfahrens beim Träger der Unfallversicherung und somit die dem Arbeitnehmer erwachsenden Ansprüche aus einem Arbeitsunfall zu sichern (9 ObA 163/97d mwN; Tomandl, Grundriss des österr Sozialrechts5 Rz 90). Wenn auch der Verstoß gegen die Sozialversicherungsmeldepflicht keine im Austauschverhältnis des Arbeitsvertrags stehende Pflicht des Arbeitgebers ist und auch nicht rechtsgeschäftlich (sondern ex lege) begründet wird, konkretisiert die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 363 Abs 1 ASVG die in § 1157 ABGB formulierte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Die schuldhafte Verletzung dieser Fürsorgepflicht stellt eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, sohin eine "positive Vertragsverletzung" dar (Madl, aaO, ZAS 1998, 132 mwN).

Gleiches gilt auch für das Schutzgesetz des § 363 Abs 2 ASVG. So wie Abs 1 dieser Bestimmung die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers statuiert, statuiert Abs 2 des § 363 ASVG Nebenpflichten aus dem Behandlungsvertrag. Es finden sich in § 363 ASVG keine Anhaltspunkte, die eine verschiedene Behandlung der Rechtsfolgen nach Abs 1 und 2 rechtfertigten.

Aufgrund der vertraglichen Sonderbeziehung zwischen den Streitteilen hätte daher die beklagte Partei gemäß § 1298 ABGB zu beweisen, dass sie an der Erfüllung ihrer Verpflichtung kein Verschulden trifft (siehe hiezu Koziol/Welser12, II, Bürgerliches Recht, 300 f mwN), was sie hier aber gar nicht versucht hat. Dass es aufwändig ist, eine Berufskrankheit oder Krankheitserscheinung festzustellen, die den begründeten Verdacht einer solchen Krankheit rechtfertigen, vermag die beklagte Partei von ihrer Verpflichtung nicht zu befreien.

Zu prüfen ist nunmehr, ob dem klagenden Arbeitnehmer eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten iSd § 1304 ABGB anzulasten ist. Kein Zweifel kann daran bestehen, dass das Unterlassen der Geltendmachung eigener Rechte an sich eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten darstellen kann. Jedenfalls bei - die Unterlassung der Antragstellung bewirkenden - leicht fahrlässiger Unkenntnis des Arbeitnehmers von der Meldepflicht bzw Verletzung derselben kann aber eine ins Gewicht fallende Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten nicht angenommen werden. Wenn nämlich das Gesetz den Arbeitgeber und den behandelnden Arzt zur Meldung verpflichtet, so mutet es diesen die Schadensabwehr eher zu, als dem Arbeitnehmer. Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber und den Arzt zur Schadensabwehr, weil zu befürchten ist, dass sich die Arbeitnehmer selbst nicht immer ausreichend schützen können oder sich zumindest nicht sorgfältig schützen würden. Der Arbeitnehmer kann sich vielmehr darauf verlassen, dass der Arbeitgeber bzw der behandelnde Arzt ihre Meldepflicht erfüllen werden. Die gesetzlichen Zurechnungselemente auf Seiten des Schädigers überwiegen damit so stark, dass jene auf Seiten des Geschädigten nicht mehr ins Gewicht fallen und so nicht mehr zu einer Minderung des Schadenersatzanspruches führen können (E. Gruber, aaO, DRdA 1984, 123 f; EvBl 1964/45; aA Binder, ZAS 1982, 191 f). Daraus folgt, dass die beklagte Partei, die gemäß § 1313a ABGB für die Untätigkeit des behandelnden Arztes einzustehen hat, dem Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes die entgangenen Pensionsleistungen - deren Höhe nicht mehr strittig ist - zur Gänze zu ersetzen hat.

Der Revision der beklagten Partei war deshalb keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.