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OGH vom 09.07.2014, 7Ob78/14t

OGH vom 09.07.2014, 7Ob78/14t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, 1041 Wien, Prinz Eugen Straße 20 22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 203/11d 11, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 49/11v 5, teilweise abgeändert wurde, beschlossen und mit Endurteil zu Recht erkannt:

Spruch

I. Das Revisionsverfahren wird fortgesetzt.

II. Der Revision wird auch hinsichtlich Punkt 1. der Urteile der Vorinstanzen (Zahlscheingebühr und Urteilsveröffentlichung) nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.961,64 EUR (darin enthalten 326,94 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist ein österreichweit tätiges Versicherungsunternehmen, das mit Konsumenten in Geschäftsbeziehungen tritt. Ohne dass dies in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern vorgesehen ist, verrechnet sie jenen Kunden, die die Versicherungsprämien mit Zahlscheinen entrichten, eine Gebühr, die sie bei Zahlungen auf andere Art nicht verlangt.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, im Rahmen des Abschlusses von Versicherungsverträgen bei der Vorschreibung von Versicherungsprämien im Zusammenhang mit Zahlungsdiensten von Kunden, die sich für die Zahlungsweise Zahlschein entscheiden, wie auch immer bezeichnete Entgelte, insbesondere eine Zahlscheingebühr, die bei anderen Zahlungsweisen wie etwa Einziehungsermächtigung und Kundenkonto nicht verlangt würden, zu verlangen. Die Einhebung einer Zahlscheingebühr verstoße gegen § 27 Abs 6 Satz 2 ZaDiG, weil die Einhebung von Entgelten durch Zahlungsempfänger im Fall der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments unzulässig sei. Die Bestimmung gehe § 41b VersVG als lex posterior und specialis vor.

Die Beklagte stützt sich unter anderem darauf, dass die Bestimmungen des ZaDiG auf Versicherer nicht anwendbar und Zahlscheine von § 27 Abs 6 Satz 2 ZaDiG nicht erfasst seien. Sollte dies doch der Fall sein, seien keine Übergangsbestimmungen für bestehende Verträge vorgesehen, wodurch in die Eigentumsfreiheit der Beklagten eingegriffen werde. Die Umsetzung durch den österreichischen Gesetzgeber sei nicht richtlinienkonform erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Begehren statt. § 27 Abs 6 ZaDiG sei unmittelbar auf den Zahlungsempfänger, damit auch auf die Beklagte, anwendbar. Die Einhebung eines Entgelts durch die Beklagte im Fall der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments sei unzulässig.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung. Die Einhebung einer Zahlscheingebühr durch die Beklagte verstoße gegen den unmissverständlichen Wortlaut des § 27 Abs 6 Satz 2 ZaDiG. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten seien nicht stichhältig. Durch § 27 Abs 6 ZaDiG sei für alle Sparten ein Sonderzivilrecht für Zahlungsdienste geschaffen worden.

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit den weiteren Einwänden der Beklagten gegen diesen Teil des Klagebegehrens bereits mit seinem Teilurteil vom , zu 7 Ob 201/12b, auseinandergesetzt und kam zu dem Ergebnis, dass das Klagebegehren berechtigt sei, wenn bei richtlinienkonformer Auslegung des § 27 Abs 6 letzter Satz ZaDiG die Beklagte Zahlungsempfängerin und Erlagscheine Zahlungsinstrumente im Sinn der Bestimmung seien.

Es wurde das Verfahren im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs vom zu 10 Ob 31/11y, das einen Mobilfunkbetreiber betraf und auf die Abklärung dieser Rechtsfragen abzielte, unterbrochen.

Rechtliche Beurteilung

Mit Urteil vom , Rs C 616/11, hat der EuGH die Vorlagefragen wie folgt beantwortet:

1. Art 52 Abs 3 der RL 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (in der Folge: RL) ist dahin auszulegen, dass er auf die Nutzung eines Zahlungsinstruments im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen einem Mobilfunkbetreiber als Zahlungsempfänger und seinem Kunden als Zahler Anwendung findet.

2. Art 4 Nr 23 der RL ist dahin auszulegen, dass es sich sowohl bei dem Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags durch einen vom Zahler eigenhändig unterschriebenen Zahlschein als auch bei dem Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags im Onlinebanking um Zahlungsinstrumente im Sinne dieser Bestimmung handelt.

3. Art 52 Abs 3 der RL ist dahin auszulegen, dass er den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, Zahlungsempfängern generell zu untersagen, vom Zahler für die Nutzung eines Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen, sofern die nationale Regelung insgesamt der Notwendigkeit Rechnung trägt, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Im Vorlagefall kam der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil vom , 10 Ob 27/14i, zu dem Ergebnis, dass der Weg des österreichischen Rechts, die gesonderte Verrechnung etwaiger Zusatzkosten des Gläubigers im Zusammenhang mit der Zahlung gänzlich zu verbieten, es dem Gläubiger aber zu gestatten, solche Kosten bei der Kalkulation seiner Preise mitzuberücksichtigen und zugleich Ermäßigungen für bestimmte (effiziente) Zahlungsinstrumente zuzulassen, weder dem Wortlaut noch dem Zweck der Richtlinienvorgaben widerspricht. Der Gesetzgeber hat die Grenzen des Ermessens im Sinn des § 52 Abs 3 und des 42. Erwägungsgrundes der RL nicht überschritten. Es wird damit auch nicht in die Grundrechte des Zahlungsempfängers, insbesondere in sein Eigentumsrecht, eingegriffen.

Der erkennende Senat schließt sich den in 10 Ob 27/14i dargelegten Überlegungen an. Im Übrigen wurde durch § 41b VersVG idF VersRÄG 2013, BGBl I 12/2013, nunmehr ausdrücklich geregelt, dass das Recht des Versicherers nach dieser Bestimmung nur „vorbehaltlich § 27 Abs 6 ZaDiG“ gelte.

Die Beklagte als Versicherer unterliegt § 27 Abs 6 ZaDiG. Ihre Geschäftspraxis, von Kunden im Fall der Überweisung von Versicherungsprämien mittels Zahlscheins ein gesondertes Entgelt zu verlangen, widerspricht dem Gesetz. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin besteht daher auch in diesem Punkt zu Recht.

Zum offensichtlich berechtigten Veröffentlichungsbegehren enthält die Revision keine Ausführungen. Eine Stellungnahme dazu erübrigt sich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00078.14T.0709.000