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OGH vom 17.12.2013, 4Ob83/13d

OGH vom 17.12.2013, 4Ob83/13d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** M*****, vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei H***** S*****, vertreten durch Dr. Michael Schneditz-Bolfras und andere Rechtsanwälte in Gmunden, wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung, Rechnungslegung und 2.000 EUR sA (Streitwert im Sicherungsverfahren 30.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 2 R 263/12d 11, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 39 Cg 47/12y 7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Parteien stehen im Wettbewerb bei der Erzeugung und beim Handel mit Schmuckstücken, die sie mit Symbolen aus dem Bereich der Esotherik gestalten. Insbesondere vertreiben beide einen Ring, der Lauf der Schauseite eine Darstellung der „Blume des Lebens“ aufweist. Dabei handelt es sich um ein geometrisches Symbol, das aus 19 ineinander gelegten Kreisen besteht, wobei die Kreise für den Betrachter Blütenblätter bilden.

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Dieses Symbol wird in der Schmuckbranche häufig verwendet, wobei unstrittig eine Gestaltung als Anhänger mit einem Durchmesser von 5 cm älter ist als beide Ringe der Parteien. Diese Ringe haben folgendes Aussehen, wobei links der ältere Ring des Klägers und rechts jener des Beklagten dargestellt wird

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Der Kläger beantragt, dem Beklagten zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr einen Ring in identischer oder im Gesamteindruck gleicher Ausführung wie den - bildlich dargestellten - Ring des Klägers zu bewerben, zum Verkauf anzubieten, zu vertreiben, oder sonst in Verkehr zu bringen, sei es selbst oder mit Hilfe Dritter.

Sein Ring genieße Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster iSv Art 4 GGV. Eigenart ergebe sich aus einem Vergleich anderer Ringe, die ebenfalls die „Blume des Lebens“ enthielten, aber einen ganz anderen Gesamteindruck hinterließen. Der Ring des Beklagten weise alle wesentlichen prägenden Elemente dieses Ringes auf und rufe beim informierten Benutzer denselben Gesamteindruck hervor. Hilfsweise sei der Anspruch auch lauterkeitsrechtlich begründet, und zwar wegen des Vorliegens sklavischer Nachahmung und einer vermeidbaren Herkunftstäuschung.

Der Beklagte wendet ein, die „Blume des Lebens“ sei seit tausenden Jahren in zahlreichen Kulturkreisen als Energiesymbol bekannt. Der Kläger habe keine eigene, schöpferische Leistung erbracht; insbesondere habe ein dritter Mitbewerber bereits 2002 einen in derselben Laserfertigungstechnik hergestellten Anhänger auf den Markt gebracht. Dem Ring des Klägers fehle daher die Eigenart. Überdies unterschieden sich die Ringe, woraus sich ein anderer Gesamteindruck ergebe.

Die Vorinstanzen wiesen den Sicherungsantrag ab, weil dem Ring des Klägers angesichts des vorbestehenden Formenschatzes, insbesondere des älteren Anhängers, die geschmacksmusterrechtliche und wettbewerbliche Eigenart fehle. Die Bügel der Ringe seien ebenso wie die Öse des Anhängers funktionsbedingt und trügen daher nicht zum jeweils maßgebenden Gesamteindruck bei.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es fehle Rechtsprechung zur Schutzfähigkeit eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters, dessen prägende Formgestalt aus einer „anderen Warenart“ bekannt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Klägers ist ungeachtet dieses Ausspruchs nicht zulässig .

1. Sowohl die Schutzfähigkeit als auch der Eingriff in ein Geschmacksmuster sind nach dem Gesamteindruck (4 Ob 177/05s; RIS-Justiz RS0120720) des informierten Benutzers zu beurteilen (4 Ob 43/07p mwN; RIS Justiz RS0122070). Dieser Benutzer unterscheidet sich durch ein gewisses Maß an Kenntnissen und Aufgeschlossenheit für Designfragen vom „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“, wenn auch nicht Wissen und Fähigkeiten eines Fachmanns anzulegen sind (4 Ob 43/07p; RIS-Justiz RS0122068). Ein hohes Maß an Eigenart gibt dabei Raum für einen großen Schutzumfang, umgekehrt führt geringe Eigenart auch nur zu einem kleinen Schutzumfang (4 Ob 43/07p; RIS-Justiz RS0122071). Ist der informierte Benutzer des Geschmacksmusters bereit, trotz geringer Unterschiede zwischen Formenschatz und Geschmacksmuster die Eigenart zu bejahen, muss er gleichermaßen im Verletzungsstreit bei derartigen Unterschieden zwischen dem Geschmacksmuster und der angegriffenen Ausführungsform die Verletzung verneinen (4 Ob 177/05s mwN; 4 Ob 246/06i).

2. Im vorliegenden Fall könnte zwar angenommen werden, dass der Ring des Klägers gegenüber dem vorbestehenden Formenschatz - insbesondere dem in gleicher Technik hergestellten Anhänger - aufgrund der nicht bloß technisch bedingten Form der Bügel und der gebogenen, ins ovale gezogenen Form der „Blume“ eine für den musterrechtlichen Schutz ausreichende Eigenart aufweist. Allerdings ist diese Eigenart beim zentralen Motiv des Rings der Blume des Lebens äußerst gering. Das führt zu einem schmalen Schutzumfang; schon kleinere Unterschiede können einen gleichen Gesamteindruck ausschließen. Das trifft im vorliegenden Fall zu: Einem informierten Benutzer, der sich für das Design von Schmuckstücken interessiert, wird auffallen, dass zwar das Motiv des Rings und die Bügelform übereinstimmen, sonst aber doch Unterschiede vorliegen. Der Ring des Klägers hat an der längsten Stelle einen Durchmesser von 22 mm, jener des Beklagten nur von (knapp) 20 mm. Wahrscheinlich deswegen macht der Ring des Klägers einen offeneren, durchsichtigen Eindruck, während jener des Beklagten eher kompakt wirkt. Die Schauseiten der Ringe (die „Blumen“) sind zwar jeweils oval, sie sind aber beim Ring des Klägers länglicher ist als bei jenem des Beklagten. Die Struktur der „Blume“ wirkt beim Ring des Beklagten eher geradlinig, bei jenem des Klägers hingegen eher geschwungen. Letzterer sieht dadurch - und wohl auch wegen der größeren frei bleibenden Flächen - tatsächlich wie eine Ansammlung von Blüten aus, während beim Ring des Beklagten die „Blütenblätter“ weniger als solche, sondern eher als durchgehende Linien und damit als Teil einer geometrischen Struktur erscheinen. Das betont dort auch die Kreuzungspunkte dieser Linien, die stärker als beim Ring des Klägers hervortreten. Die Bügel der Ringe sind zwar ähnlich: Von der Schauseite des Ringes gehen Metallbänder aus, die offene Innenbereiche umfassen, wobei diese Bereiche zunächst kreisförmig sind und dann länglich werden. Das Material ist beim Ring des Beklagten aber etwas dicker, was aus einem bestimmten Blickwinkel zum kompakteren Gesamteindruck beiträgt. Hingegen sind die offenen Bereiche bei den Bügeln dieses Rings deutlich größer und die umlaufenden Metallbänder schmäler als beim Ring des Klägers. Auch bei besonderer Bedachtnahme auf die Bügel, die gegenüber dem vorbestehenden Schmuckanhänger als zusätzliches prägendes und daher die Eigenart begründendes Merkmal der Ringe angesehen werden könnten, liegen daher nicht bloß unerhebliche Unterschiede vor.

3. Diese Unterschiede führen beim informierten Benutzer zu einem unterschiedlichen Gesamteindruck. Selbst wenn man daher beim Ring des Klägers Eigenart im Sinn des Geschmacksmusterrechts annehmen wollte, läge kein Eingriff vor. Ansprüche auf dieser Grundlage müssen daher scheitern, ohne dass es auf die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ankäme.

4. Es bestehen auch keine lauterkeitsrechtlichen Ansprüche. Die Nachahmung fremder Erzeugnisse, die keinen Sonderschutz genießen, ist grundsätzlich erlaubt, weil niemand Ausschließungsrechte beanspruchen kann, wenn sie ihm nicht vom Gesetz eingeräumt wurden (RIS-Justiz RS0078138, vgl auch RS0078188). Unlauter könnte im gegebenen Zusammenhang nur eine sklavische Nachahmung sein, also die glatte Übernahme in allen Einzelheiten (RIS Justiz RS0078414) oder doch in erheblichen Teilen (RIS Justiz RS0078341). Eine solche liegt hier aber angesichts der Unterschiede zwischen Ringen nicht vor. Sich von fremden Erzeugnissen für eigenes Schaffen anregen zu lassen ist noch nicht unlauter (vgl RIS Justiz RS0078414).

5. Aus diesen Gründen ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer für die Beurteilung des konkreten Falls erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Über Kostenersatzansprüche ist nicht zu entscheiden, weil der Beklagte keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet hat.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00083.13D.1217.000