OGH vom 28.03.2014, 2Ob94/13g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. mj S***** P*****, geboren am ***** 2009, und 2. mj C***** P*****, geboren am ***** 2005, beide vertreten durch die Mutter C***** P*****, sämtliche wohnhaft in *****, vertreten durch Dr. Erich Holzinger, Rechtsanwalt in Liezen, gegen die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, vertreten durch Eisenberger Herzog Rechtsanwalts GmbH in Graz, wegen jeweils 16.353,28 EUR sA und Rente (Streitwert: jeweils 18.397,44 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 229/12d 24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben vom , GZ 7 Cg 62/12i 17, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang (Abweisung eines teilweise kapitalisierten Teilbegehrens auf Zahlung weiterer Rentenbeträge von monatlich 150 EUR an die Erstklägerin und 200 EUR an den Zweitkläger jeweils ab sA) aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Am kam es in St. Martin am Grimming zu einem Verkehrsunfall, bei dem G***** G***** als Lenker eines Motorrads tödliche Verletzungen erlitt. Das Alleinverschulden trifft den Lenker eines bei einem bulgarischen Versicherungsunternehmen haftpflicht-versicherten Pkws. Die beklagte Partei hat für die Schadensfolgen einzustehen.
Der Getötete war der leibliche Vater der am ***** 2005 und ***** 2009 unehelich geborenen Kläger. Er lebte ab dem ersten Lebensjahr des Zweitklägers zusammen mit dessen Mutter im Haus des Vaters der Mutter (des Großvaters der Kläger), dem er für das Wohnen zunächst 100 EUR und ab 150 EUR monatlich bezahlte. Nach der Geburt der Erstklägerin beschlossen die Eltern der Kinder, in eine eigene Wohnung zu ziehen. Mitte Mai 2009 übersiedelten sie samt den Kindern in die neue Wohnung. Da sich der Vater zu (nicht näher konkretisierten) „Eigenleistungen“ verpflichtet hatte, betrug die Barmiete lediglich 450 EUR monatlich. Nach dem Tod des Vaters und dem Wegfall der Eigenleistungen hätte die Miete 700 EUR betragen. Die Mutter konnte sich diese Miete nicht leisten, weshalb sie mit den Kindern wieder in das Haus des Großvaters zog.
Der Vater der Kläger war in einer Maschinenfabrik als Maschinenschlosser beschäftigt. Im letzten Halbjahr vor seinem Tod erzielte er einschließlich seines Dazuverdienstes für die Reparatur landwirtschaftlicher Maschinen ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von rund 2.250 EUR.
Die Mutter, eine gelernte Restaurantfachfrau, war nach der Geburt der Erstklägerin geringfügig beschäftigt. Sie bezog zur Zeit des Unfalls monatlich rund 1.000 EUR einschließlich der Familienbeihilfe und des Karenz bzw Mutterschaftsgeldes. Sie konnte sich ihre Arbeit so einteilen, dass diese in die Abendstunden fiel. Während dieser Zeit wurden die Kinder vom Vater beaufsichtigt.
Der Vater bezahlte vor seinem Tod für seine Kinder die gesamte Bekleidung, den größten Teil der Nahrungsmittel und die benötigten Windeln. Zum Haushaltsgeld steuerte er ca zwei Drittel bei, während die Mutter rund 150 EUR für Lebensmittel ausgab. Er hatte für beide Kinder je einen Bausparvertrag abgeschlossen, auf den er monatlich 20 EUR einzahlte. Außerdem machte er den Kindern regelmäßig Geschenke. Kurz vor der Geburt der Erstklägerin hatte der Vater einen VW Passat angeschafft, der der Mutter und den beiden Klägern allein zur Verfügung stand. Er selbst hatte (neben dem Motorrad) einen alten VW Polo, den er für seine Arbeitsfahrten verwendete.
Seit dem Tod des Vaters kommt die Mutter allein für den Unterhalt der Kläger (Nahrung, Kleider, Spielzeug, Diverses) auf, wofür sie monatlich rund 600 EUR aufwenden muss. Die Kläger beziehen seit eine Halbwaisenpension von jeweils 288,36 EUR (14 mal jährlich).
Die Kläger begehrten jeweils den Ersatz entgangenen Unterhalts von 16.353,28 EUR sA für den Zeitraum bis und als monatliche Rente in Höhe von 511,04 EUR ab . Zusätzlich stellten sie ein Feststellungsbegehren.
Zum Leistungsbegehren brachten sie vor, sie hätten gemeinsam mit dem Vater dessen (in der Klage mit 2.248,21 EUR exakt beziffertes) Einkommen zur Gänze konsumiert, sodass sich pro Kläger ein Drittelbetrag von 749,40 EUR ergebe. In dieser Konsumquote finde nicht nur der tatsächlich geleistete Unterhalt Berücksichtigung, sondern auch der Entfall der Mietwohnung bzw der Umstand, dass sich die Mutter diese Wohnung allein nicht leisten habe können. Sowohl die Wohnung, deren Miete der Vater gezahlt habe, als auch das extra angeschaffte sicherere Auto sei den Klägern zugute gekommen. Der Vater habe sich auch in großem Ausmaß an der Erziehung beteiligt und für die Kläger Betreuungsleistungen erbracht, die mit monatlich 50 EUR je Kind zu bewerten seien. Abzüglich der Halbwaisenrente von 288,36 EUR errechne sich der Unterhaltsentgang daher mit je 511,04 EUR. Die Mutter der Kläger habe ihren eigenen Konsum aus den von ihr bezogenen Einkünften zur Gänze befriedigt.
Soweit noch von Bedeutung wandte die beklagte Partei ein, dass der Ersatzanspruch der Kläger selbst unter Einbeziehung der mit 50 EUR bewerteten Betreuungsleistungen durch die ihnen gewährte Halbwaisenpension zur Gänze abgedeckt sei. Es stehe ihnen daher kein Direktanspruch zu. Die angenommenen Konsumquoten seien völlig realitätsfremd.
Mit Teilanerkenntnisurteil vom wurde die Haftung der beklagten Partei gegenüber den Klägern für alle künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom , beschränkt auf die zum Unfallszeitpunkt in Österreich verbindlichen Kfz Haftpflichtmindest-versicherungssummen, festgestellt.
Mit seinem Endurteil verpflichtete das Erstgericht die beklagte Partei zur Zahlung von 6.400 EUR sA sowie einer monatlichen Rente von 200 EUR ab an die Erstklägerin und von 8.000 EUR sA sowie einer monatlichen Rente von 250 EUR ab an den Zweitkläger. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.
Das Erstgericht ging im Wesentlichen vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus und erörterte rechtlich, den Hinterbliebenen sei durch den Schädiger dasjenige zu leisten, was ihnen durch den Tod des Unterhaltspflichtigen wirklich entgangen sei. Maßgeblich sei der vom Getöteten zur Zeit der Tötung geleistete tatsächliche Unterhalt. Ausgehend vom durchschnittlichen monatlichen Einkommen des Vaters der Kläger (2.250 EUR) errechneten sich Unterhaltsansprüche von 340 EUR für die Erstklägerin und 390 EUR für den Zweitkläger. Unter Berücksichtigung eines monatlichen Aufwands von 600 EUR für die Kinder und der festgestellten Umstände erscheine ein weiterer Unterhaltsbetrag von monatlich 200 EUR für die Erstklägerin und 250 EUR für den Zweitkläger angemessen.
Der abweisende Teil dieser Entscheidung erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
Das im Übrigen von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es beiden Klägern je 2.150 EUR sA und beginnend mit eine monatliche Rente von 50 EUR zusprach und das (weitere) Mehrbegehren abwies. Es sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Das Berufungsgericht erachtete die Mängelrüge als unberechtigt. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Unterhaltsansprüche der Kläger seien zu Lebzeiten ihres Vaters in natura erfüllt worden, sodass für die Anwendung der Prozentsatzmethode kein Anlass bestehe. Der Unterhaltsentgang bestimme sich nach dem Anteil, nach dem der eine Elternteil zum Unterhalt des Kindes beigetragen habe. Zu beachten sei, dass der Getötete der Mutter der Kläger (seiner Lebensgefährtin) gegenüber nicht unterhaltspflichtig gewesen sei, weshalb auf eine Konsumquote der Mutter nicht Bedacht zu nehmen sei.
Nach den Feststellungen sei der Vater zur Gänze für die Wohnversorgung der Kläger aufgekommen. Er habe ferner die gesamte Bekleidung, den größten Teil der Nahrungsmittel sowie die benötigten Windeln bezahlt und zum insgesamt benötigten Haushaltsgeld (450 EUR) rund 300 EUR beigesteuert. Die Kosten der Wohnversorgung und das Haushaltsgeld seien den Klägern nur anteilig zuzuordnen. Demnach ergebe sich unter Annahme einer Konsumquote von 20 % bei den Wohnungskosten von 700 EUR ein Betrag von 140 EUR und bei einem Haushaltsgeld von 450 EUR ein Betrag von 90 EUR je Kläger. Zuzüglich der Aufwendungen für Kleidung etc (20 EUR; § 273 ZPO), Geschenke (30 EUR), Bausparvertrag (20 EUR) und Pkw Kosten (40 EUR; § 273 ZPO) errechne sich nach den Verhältnissen zum Todeszeitpunkt und unter Berücksichtigung der künftigen Entwicklungen ein Unterhaltsentgang von 340 EUR je Kläger, der in etwa der 14 mal jährlich bezogenen Halbwaisenpension (288,36 EUR x 14 : 12 = 336,42 EUR) bzw auch dem fiktiven, nach der Prozentsatzmethode berechneten Geldunterhalt (2.250 EUR x 15 % = 337,50 EUR) entspreche. Selbst die Berechnungsart der Kläger führe zu keinem anderen Ergebnis: Ausgehend von einem fiktiven Nettoeinkommen des Getöteten von 2.250 EUR und einer anteiligen Berücksichtigung der Fixkosten (Wohnungskosten, Pkw Kosten etc) von rund 550 EUR monatlich sowie einer realistischen Konsumquote von 20 % je Kläger errechne sich der Unterhaltsentgang mit 340 EUR. Der Unterhaltsbedarf der Kläger werde somit durch die Leistungen des Sozialversicherungsträgers zur Gänze abgedeckt. Ausgenommen sei nur der Entgang an Betreuungsleistungen des Vaters, wofür der begehrte Betrag von monatlich 50 EUR jedenfalls berechtigt sei (§ 273 ZPO).
Die Kläger hätten somit einen Ersatzanspruch von monatlich jeweils 50 EUR ab . Die seither angefallenen Beträge seien bis zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung, also inklusive März 2013 zu kapitalisieren und ab als Rente zuzusprechen. Gesetzliche Zinsen gebührten erst ab dem der Fälligstellung folgenden Tag.
Über Antrag der Kläger änderte das Berufungsgericht seinen Zulassungsausspruch nachträglich dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Die Berechnungen des Berufungsgerichts stünden zwar im Einklang mit der Rechtsprechung. Die Frage, wie der Unterhaltsentgang nach § 1327 ABGB bei Kindern korrekt zu ermitteln sei, wenn die bisherige Wohnung aufgegeben wurde und die Wohnversorgung nunmehr von Angehörigen zur Verfügung gestellt werde, reiche in ihrer Bedeutung aber über den Einzelfall hinaus. Im Übrigen fehle ein Rechtssatz für die Berechnung der Ansprüche von hinterbliebenen Kindern.
Gegen den abändernden Teil dieser Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei der Berücksichtigung der Kosten der Wohnversorgung von bereits bestehender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Sie ist im Sinn des Eventualantrags auch berechtigt.
Die Kläger machen geltend, die Kosten der Wohnversorgung (700 EUR) sowie die Pkw Kosten (200 EUR) hätten bei der Ermittlung des Unterhaltsentgangs zur Gänze als fixe Haushaltskosten berücksichtigt werden müssen. Richtigerweise wären diese Beträge zunächst vom Nettoeinkommen des Getöteten (2.250 EUR) in Abzug zu bringen gewesen. Von der verbleibenden Bemessungsgrundlage (1.350 EUR) ergebe sich bei einer Konsumquote von 20 % ein Betrag von 270 EUR je Kläger, dem die Fixkosten je zur Hälfte (450 EUR) wieder hinzugerechnet hätten werden müssen. Der auf diese Weise berechnete Unterhaltsentgang von 720 EUR sei sodann um die Halbwaisenpension in Höhe von 336 EUR zu vermindern und um die entgangenen Betreuungsleistungen im Wert von 50 EUR zu erhöhen. Daraus resultiere ein Anspruch von monatlich 434 EUR je Kind, der den vom Erstgericht zugesprochenen Betrag deutlich übersteige. Letzteres gelte auch für die alternative Berechnungsform des Berufungsgerichts, weil diese auf dem unrichtigen Ansatz beruhe, dass die Kosten der Wohnversorgung und auch die Pkw Kosten den Klägern „nur anteilig“ zuzuordnen seien, statt sie ungekürzt zu berücksichtigen.
Hiezu wurde erwogen:
1. Im Hinblick auf die Unfallsbeteiligung eines in Bulgarien zugelassenen Kraftfahrzeugs ist vorauszuschicken, dass die Vorinstanzen die Schadenersatzansprüche der Kläger zutreffend nach dem gemäß Art 3 des Haager Straßenverkehrsabkommens maßgeblichen Recht des Unfallorts, somit nach österreichischem Recht beurteilt haben. Davon sind auch die Parteien ausgegangen.
2. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Unterhaltsentgang ist § 1327 ABGB. Danach muss, wenn aus einer körperlichen Verletzung der Tod erfolgt, den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden. Die Hinterbliebenen sind so zu stellen, wie sie stünden, wenn der zum Unterhalt Verpflichtete nicht getötet worden wäre (2 Ob 149/09i mwN = ZVR 2011/121, 200 [ Ch. Huber ]; 2 Ob 40/10m = ZVR 2011/120, 198 [ Ch. Huber ]; 2 Ob 57/10m; 2 Ob 67/12z; 2 Ob 31/13t; RIS Justiz RS0031291). Dabei ist von den Verhältnissen (bis) zum Todeszeitpunkt auszugehen. Künftige Entwicklungen sind, soweit möglich, bei der Bemessung im Rahmen einer Prognose zu berücksichtigen (2 Ob 149/09i mwN; 2 Ob 40/10m; 2 Ob 57/10m; RIS Justiz RS0031835).
Im vorliegenden Fall wurden die Kinder im gemeinsamen Haushalt der Eltern betreut und versorgt. Ihr Unterhaltsanspruch wurde durch die Betreuungsleistungen der Eltern und die Befriedigung ihrer sonstigen Bedürfnisse (weit überwiegend) aus den Einkünften des Vaters in natura erfüllt. Zu Recht hat das Berufungsgericht daher keine Veranlassung gesehen, für die Berechnung des Unterhaltsentgangs die Prozentsatzmethode heranzuziehen (so bereits 2 Ob 149/09i).
3. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde für Fälle, in denen beide Ehegatten ihr Einkommen für die Fixkosten, den Unterhalt der Kinder und den Lebensbedarf des Partners anteilsmäßig zur Verfügung stellen, ein Berechnungsmodell entwickelt, bei dem das Gesamteinkommen zunächst um die fixen Haushaltskosten zu vermindern, der verminderte Betrag unter den unterhaltsberechtigten Personen nach deren „Konsumquote“ aufzuteilen und diese sodann um die vom Getöteten getragenen Fixkosten zu vermehren ist, ehe weitere Berechnungsschritte folgen (2 Ob 178/04x; 2 Ob 99/06g; RIS Justiz RS0031954). Dabei wird auch betont, dass die Ansprüche den Geschädigten getrennt zustehen und in Bezug auf Höhe und Dauer ihr eigenes Schicksal haben. Die Unterlassung der anteilsmäßigen Aufteilung der Fixkosten darf nicht dazu führen, dass die Witwe bereichert oder der Schädiger doppelt belastet wird. Kommt es zu einem Übergang der Ansprüche auf den Sozialversicherungsträger gemäß § 332 ASVG, hat eine genaue Trennung der der Witwe und den Kindern zustehenden Ansprüche zu erfolgen (2 Ob 361/99y; 2 Ob 3/04m; 2 Ob 178/04x; RIS Justiz RS0112970).
Im vorliegenden Fall, in welchem die Mutter der Kinder nicht zum Kreis der unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen zählt, sind diese Grundsätze nicht uneingeschränkt anwendbar. In der mehrfach zitierten Entscheidung 2 Ob 149/09i wurde zu einem ähnlich gelagerten Fall bereits dargelegt, dass auf eine Konsumquote der Mutter nicht Bedacht zu nehmen ist. Dieser steht mangels Unterhaltsberechtigung auch kein eigener Ersatzanspruch im Ausmaß des auf sie entfallenden, nun von ihr zu tragenden Fixkostenanteils zu. Dies kann nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls auch dazu führen, dass die Kinder im Rahmen ihres Ersatzanspruchs nach § 1327 ABGB zur Geltendmachung der gesamten Fixkosten berechtigt sind (vgl abermals 2 Ob 149/09i; zust Ch. Huber in seinen Entscheidungsanmerkungen zu 2 Ob 40/10m = ZVR 2011/120, 198 [199] und zu 2 Ob 149/09i in ZVR 2011/121, 200 [202]; ders in Schwimann , ABGB TaKomm² § 1327 Rz 42a).
4. Auszugehen ist von jenem frei verfügbaren Anteil am Einkommen des Vaters, mit dem er bis zu seinem Tod zum Unterhalt der Kinder beigetragen hat. Die Ermittlung dieses Anteils setzt die Kenntnis sämtlicher der von ihm getragenen Fixkosten, das sind jene Kosten der Haushaltsführung, die sich durch den Wegfall des Verstorbenen in ihrer Höhe nicht wesentlich ändern und Unterhaltscharakter haben (2 Ob 149/09i; 2 Ob 40/10m; RIS Justiz RS0031808), voraus. Nach Abzug dieser Fixkosten verbliebe jener Einkommensteil, an dem neben dem Vater auch die unterhaltsberechtigten Kinder partizipierten. Leistungen, die der Vater an seine Lebensgefährtin erbrachte, wären seiner „Konsumquote“ zuzurechnen.
Die in der Klage verfolgte Berechnungsmethode erweist sich schon deshalb als verfehlt, weil ihr das von den Fixkosten unbelastete Einkommen des Vaters als Grundlage für die Ermittlung einer Konsumquote der Kläger diente. Die in der Revision abweichend davon angestellte Berechnung muss aber ebenfalls scheitern, weil sie nur einen Ausschnitt der bei einer Mietwohnung üblicherweise anfallenden Fixkosten (zu denen etwa auch Gas , Strom , Telefonkosten etc gehören) berücksichtigt und die willkürliche Auswahl einzelner Positionen (Mietzins; Pkw Kosten) keinen Aufschluss über das tatsächlich frei verfügbare Einkommen gibt. Zu den weiteren (üblichen) Fixkosten liegen aber weder Tatsachenbehauptungen noch Feststellungen vor. Bei dieser Ausgangslage erweist es sich durchaus als zielführend, wenn das Berufungsgericht auf Basis der vorhandenen Feststellungen den konkreten Aufwand des Vaters für den Unterhalt seiner Kinder zur Berechnung des Unterhaltsentgangs herangezogen hat. Die gewählte Berechnungsvariante ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Aus den folgenden Erwägungen bedarf es aber dennoch einer Ergänzung des Sachverhalts. Diesen ist voranzustellen, dass die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung die vom Berufungsgericht „in Ansatz gebrachten Positionen“ generell als korrekt bezeichnet, während die Kläger in ihrem Rechtsmittel (nur) die Wohnungskosten und die Pkw Kosten thematisieren. Auf die weiteren Positionen ist in diesem Revisionsverfahren daher nicht mehr einzugehen.
5. Zu den Leistungen mit Unterhaltscharakter zählt auch die Verschaffung einer angemessenen Wohnmöglichkeit (2 Ob 11/06s mwN; 2 Ob 149/09i; RIS Justiz RS0031464), wobei es nicht darauf ankommt, ob das Wohnbedürfnis der Unterhaltsberechtigten in Form einer Miet oder Eigentumswohnung oder eines Einfamilienhauses befriedigt wird (vgl 8 Ob 57/87 mwN; Reischauer in Rummel , ABGB³ II/2b, § 1327 Rz 31). Der Entgang der Wohnversorgung durch die Eltern stellt daher einen Posten des Anspruchs der Waisen nach § 1327 ABGB dar (2 Ob 11/06s mwN; 2 Ob 149/09i; RIS Justiz RS0031647).
Kosten für die Wohnung, darunter der Mietzins für eine Mietwohnung, gehören, wie soeben dargelegt wurde, zu den Fixkosten ( Reischauer aaO § 1327 Rz 32; Harrer in S chwimann , ABGB³ VI § 1327 Rz 36; Danzl in KBB³ § 1327 Rz 15). Diese Kosten sind bei der Ermittlung des Unterhaltsentgangs der Hinterbliebenen (anteilig) zu berücksichtigen, wie sie nun von ihnen zu tragen sind (2 Ob 149/09i mwN; RIS Justiz RS0031723 [T10, T 11, T 13]). Bewohnt die Familie des Verstorbenen weiterhin dieselbe (Miet )Wohnung, so sind diese Mietkosten vom Schädiger zu ersetzen ( Harrer aaO § 1327 Rz 36; Ch. Huber , Das Ausmaß des Ersatzes bei Tötung des Unterhaltsschuldners im Spannungsfeld zwischen tatsächlich Entgangenem und gesetzlich Geschuldetem [§ 1327 ABGB,§ 12 Abs 2 EKHG], in FS Reischauer [2010] 153 [183]).
6. Verliert ein Hinterbliebener infolge des Todes des Unterhaltspflichtigen seine bisherige Wohnmöglichkeit und ist er daher genötigt, sich eine andere gleichwertige Wohnung zu beschaffen, steht ihm der Ersatz in Höhe der angemessenen Wiederbeschaffungskosten zu (2 Ob 11/06s mwN; RIS Justiz RS0031737). Die Kosten einer erlangbaren gleichwertigen Mietwohnung bilden aber nur die Obergrenze des zu ersetzenden Betrags; ist der mit der Ersatzbeschaffung verbundene Aufwand geringer, kann nur der Ersatz dieses tatsächlichen Aufwands verlangt werden (8 Ob 21/87 mwN). Abzustellen ist auf die Aufwendungen, die mit der konkreten Gestaltung der Wohnverhältnisse verbunden sind (vgl Ch. Huber in FS Reischauer 183).
Bei der Neubegründung eines Wohnsitzes ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Wohnraumbedarf infolge Tötung des Unterhaltsschuldners vermindert hat ( Ch. Huber in FS Reischauer 183). Verringern sich die Wohnungkosten der Hinterbliebenen, etwa weil sie eine kleinere und billigere Wohnung mieten, können diese Kosten auch nur in einem entsprechend reduzierten Maß berücksichtigt werden (8 Ob 54/80 = EFSlg 36.220; Reischauer aaO § 1327 Rz 32; Harrer aaO § 1327 Rz 36). Das gilt auch, wenn die Hinterbliebenen wie hier die Kläger in einen anderen Haushalt ziehen (8 Ob 54/80 = EFSlg 36.220; vgl Reischauer aaO § 1327 Rz 32).
7. Der nur teilweise veröffentlichten Entscheidung 8 Ob 54/80 lag zugrunde, dass ein Minderjähriger, der bei einem Verkehrsunfall beide Elternteile verloren hatte, im Haushalt seiner Großmutter aufgenommen worden war. Der Oberste Gerichtshof ermittelte anhand der fixen Kosten der Haushaltsführung der Großmutter, des Mitbenützungsverhältnisses des Kindes an der Wohnung der Großmutter und des etwas höheren Verbrauchs derselben gemäß § 273 ZPO den aus dem Titel der Wohnungskosten zu ersetzenden Betrag (idS auch Reischauer aaO § 1327 Rz 32, wenngleich in offenbarer Unkenntnis des genauen Entscheidungsinhalts). Des Weiteren betonte er, dass die Mitbenützung der Wohnung nicht zu einer Entlastung des Haftpflichtigen führen darf, dem gegenüber dem Geschädigten die Berufung auf die Unterhalts und Sorgepflicht eines Dritten verwehrt ist (8 Ob 54/80 = EFSlg 36.229; 8 Ob 223, 224/80 = SZ 54/24 = EFSlg 38.629; RIS Justiz RS0031301; vgl auch Reischauer aaO § 1327 Rz 32). Ganz allgemein gilt der Grundsatz, dass die Hilfeleistung Dritter den Schädiger nicht unbillig entlasten soll (vgl RIS Justiz RS0023600; Ch. Huber in Schwimann , ABGB TaKomm² § 1327 Rz 45).
8. Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass für die Berücksichtigung der Wohnungskosten der Kläger (als ersatzfähige Fixkosten iSd § 1327 ABGB) nicht auf den zur Zeit des Unfalls zu entrichtenden Mietzins, sondern auf die gegenwärtigen Wohnverhältnisse beim Großvater der Kläger abzustellen ist. Da die Familie bis wenige Monate vor dem Unfall schon einige Jahre lang im Haus des Großvaters gewohnt hatte, ist die Annahme naheliegend, dass zumindest derzeit das Wohnbedürfnis der Kläger auf angemessene Weise befriedigt ist.
Zu den Fixkosten im Haushalt des Großvaters und den weiteren Umständen, die eine Ermittlung des den Klägern zu ersetzenden Fixkostenanteils nach den Kriterien der Entscheidung 8 Ob 54/80 ermöglichen würde, liegen allerdings weder Behauptungen noch Feststellungen vor. Die aufgezeigte Rechtslage wurde mit den Parteien aber auch noch nicht erörtert. Aus diesem Grund und um die Parteien nicht mit einer von ihnen nicht bedachten Rechtsansicht zu überraschen sind die Urteile der Vorinstanzen im noch streitverfangenen Umfang aufzuheben. Das Erstgericht wird die dargelegte Rechtsansicht mit den Parteien zu erörtern und ihnen die Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen und zu Beweisanboten zu geben haben. Nach Maßgabe dieses Vorbringens wird es das Verfahren sodann zu ergänzen und Feststellungen über die noch offenen Fragen zu treffen haben.
Bei der neuerlichen Entscheidung wird zu beachten sein, dass den Klägern auch der auf ihre Mutter entfallende Fixkostenanteil (des nunmehrigen Haushalts) zu ersetzen ist. Da sie auf die Pflege und Betreuung durch ihre Mutter angewiesen sind, setzt ihre Wohnversorgung den gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter voraus. Auch bei Anmietung einer der nunmehrigen Wohngelegenheit gleichwertigen Ersatzwohnung wären entsprechende Kosten angefallen. An dieser Beurteilung ändert nichts, dass gleichzeitig auch das Wohnbedürfnis der Mutter befriedigt wird (vgl 2 Ob 149/09i; Ch. Huber zu ZVR 2011/121, 200 [202]).
9. Die Kosten der Erhaltung und des Betriebs eines Pkws zählen zu den fixen Haushaltskosten, wenn das Fahrzeug tatsächlich uneingeschränkt zur Befriedigung der Bedürfnisse aller Haushaltsangehörigen verwendet wurde und sich die Betriebs- und Erhaltungskosten durch den Wegfall eines von ihnen nicht wesentlich ändern (2 Ob 43/89 mwN; 2 Ob 2430/96h; 2 Ob 108/05d; RIS Justiz RS0031808 [T1]; vgl Danzl aaO § 1327 Rz 16).
Diese Voraussetzung eines Familienfahrzeugs trifft jedenfalls auf den vom Vater für seine Lebensgefährtin und die Kinder angeschafften Pkw (VW Passat) zu, während der VW Polo und das Motorrad ausschließlich den Zwecken des Vaters dienten. Auch hier gilt das zu den Wohnungskosten Gesagte, dass nämlich den Klägern die Betriebs und Erhaltungskosten für dieses Fahrzeug einschließlich des auf ihre nicht ersatzberechtigte Mutter entfallenden Anteils zu ersetzen sind. Dass auch diese Kosten vom Vater getragen wurden, ist in dritter Instanz nicht strittig.
Zur Höhe dieser Kosten liegen jedoch keine Feststellungen vor, weshalb sie das Berufungsgericht unter Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO mit rund 80 EUR festgesetzt hat. Da das Berufungsgericht diesen Betrag nicht wie die Wohnungskosten oder das Haushaltsgeld nach der angenommenen Konsumquote kürzte, ist davon auszugehen, dass sich seine Schätzung auf die „vollen Pkw-Kosten“ bezog.
Die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO bleibt in der Revision ungerügt (vgl RIS Justiz RS0040282). Der revisiblen Betragsfestsetzung (RIS Justiz RS0040341) halten die Kläger aber ohne nähere Begründung nur entgegen, dass die „vollen Pkw Kosten“ mit einem Betrag von 200 EUR zu berücksichtigen gewesen wären. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung vermögen sie mit dieser Behauptung nicht aufzuzeigen. Insoweit muss die Rechtsrüge daher erfolglos bleiben.
10. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind somit im angefochtenen Umfang aufzuheben, weil es zur Klärung der Ansprüche der Kläger noch einer Verfahrensergänzung im Sinn der in Punkt 8. dargelegten Erwägungen bedarf.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00094.13G.0328.000