OGH vom 24.08.2010, 2Ob94/10b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers D***** P*****, vertreten durch Dr. Arthur Mikesi, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner mj D***** P*****, wegen Unterhaltsherabsetzung, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 169/10m U 63, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom , GZ 29 P 13/08i-U 60, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens durch Zustellung des Antrags an den Antragsgegner aufgetragen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom rechtskräftig zur Leistung von Unterhalt an den Antragsgegner, seinen außerehelichen Sohn, verpflichtet. Am brachte der Antragsteller den Antrag ein, den Unterhaltsanspruch seines in Rumänien lebenden Sohnes wegen geänderter Verhältnisse von monatlich 220 EUR auf 40 EUR herabzusetzen.
Das Erstgericht wies den Antrag ohne Zustellung an den Antragsgegner zurück, weil keine geänderten Verhältnisse vorlägen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung im Ergebnis und ließ den Revisionsrekurs zu, weil noch keine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob bei einer nach der EuGVVO gegebenen Unzuständigkeit des Erstgerichts für ein vom unterhaltspflichtigen Elternteil eingeleitetes Unterhaltsherabsetzungsverfahren vor einer amtswegigen Zurückweisung des Antrags dem Antragsgegner Gelegenheit zu geben sei, sich auf den Rechtsstreit einzulassen. Die Annahme des Erstgerichts, dass unter Bezugnahme auf die nunmehrigen Antragsbehauptungen im Verhältnis zur Vorentscheidung keine geänderten Verhältnisse vorlägen, sei unrichtig. Für den Fall der Zuständigkeit des Erstgerichts wäre eine meritorische Entscheidung zu treffen. Allerdings sei das Erstgericht (international) unzuständig, weil Art 5 (Nr. 2) EuGVVO auf den Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten abstelle. Mangels internationaler Zuständigkeit des Erstgerichts für das vom Vater eingeleitete Unterhaltsherabsetzungsverfahren sei der Antrag daher zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Herabsetzungsantrag stattzugeben, in eventu die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Der Rechtsmittelwerber macht geltend, dass das Erstgericht den Unterhaltsherabsetzungsantrag dem Antragsgegner hätte zustellen müssen, um durch dessen Streiteinlassung eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 104 Abs 3 JN zu begründen.
Dazu wurde erwogen:
1. Art 1 Abs 1 EuGVVO dessen Zuständigkeitsregeln auch für das außerstreitige Verfahren gelten erfasst alle privatrechtlichen Ansprüche, worunter auch Unterhaltsansprüche fallen. Das gilt auch für Abänderungsklagen, für die die EuGVVO keine eigene internationale Zuständigkeit vorsieht. Es besteht keine internationale Zuständigkeit des Staats, dessen Gericht die abzuändernde Unterhaltsentscheidung gefällt hat. Bei einer neuerlichen Klage (hier: Herabsetzungsantrag) ist die Zuständigkeit nach der EuGVVO neuerlich zu bestimmen (5 Ob 41/09d mwN, 4 Ob 7/02m).
Dem Unterhaltsschuldner, der wegen einer Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse eine Änderung des Unterhaltstitels anstrebt, steht nur die internationale Zuständigkeit nach Art 2 EuGVVO, nämlich am Beklagtenwohnsitz, offen ( Simotta in Fasching/Konecny 2 Art 5 EuGVVO Rz 242, vgl Rz 236).
2. Gemäß Art 24 EuGVVO wird ein Gericht eines Mitgliedstaats, sofern es nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, dadurch zuständig, dass sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen oder wenn ein anderes Gericht aufgrund des Art 22 ausschließlich zuständig ist.
Das angerufene Gericht darf daher im Anwendungsbereich der EuGVVO eine internationale Unzuständigkeit nicht von Amts wegen a limine wahrnehmen, sondern hat dem Beklagten bzw Antragsgegner die Möglichkeit zu geben, sich einzulassen (RIS Justiz RS0111247; Tiefenthaler in Czernich/Tiefenthaler/Kodek , EuGVVO 3 Art 24 Rz 4). Dies gilt auch für den vorliegenden Herabsetzungsantrag.
3. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben; dem Erstgericht war die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens durch Zustellung des Antrags an den Antragsgegner aufzutragen. Sollte durch allfällige Einlassung des Antragsgegners in das Verfahren die Zuständigkeit des Erstgerichts begründet werden, wäre von diesem in der Sache zu entscheiden.