OGH vom 20.05.2008, 4Ob83/08x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** SpA, *****, vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Bichler Zrzavy Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Auskunft und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), infolge „außerordentlichen Revisionsrekurses" der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 3 R 9/08b, 10/08z-22, mit dem a) der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 22 Cg 131/07v-2a, und b) der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 22 Cg 131/07v-7, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Der „außerordentliche" Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Bestätigung der Zurückweisung des „Antrags" auf Streitverkündung und Aufforderung zur Nebenintervention betreffend die A***** AG und Hermann C***** im Sicherungsverfahren richtet, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
II. Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Zu I.
Die Beklagte hat den im Spruch genannten Personen im Sicherungsverfahren den Streit verkündet und sie zur Nebenintervention aufgefordert.
Das Erstgericht hat den „Antrag" auf Streitverkündung mit der Begründung zurückgewiesen, im Sicherungsverfahren sei eine Nebenintervention unzulässig.
Das Rekursgericht hat diesen Beschluss aus dem vom Erstgericht genannten Grund bestätigt und unter Verweis auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ausgesprochen, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene „außerordentliche Revisionsrekurs" ist jedenfalls unzulässig.
Gemäß § 402 Abs 1 EO ist der Revisionsrekurs gegen die dort bezeichneten Entscheidungen nicht deshalb unzulässig, weil das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen Beschluss zur Gänze bestätigte. Diese Bestimmung wurde durch die 3. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien BGBl 1992/756 in das Gesetz eingefügt. Nach dem Ausschussbericht (718 BlgNR XVIII. GP) wurde der Rechtsmittelausschluss gegen bestätigende Entscheidungen nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO - vorbehaltlich der in § 402 Abs 2 EO getroffenen Regelung - in den bezeichneten Angelegenheiten des Provisorialverfahrens deshalb beseitigt, weil solchen Entscheidungen oft richtungsweisende Bedeutung für das Hauptverfahren zukommt, in dem wegen unterschiedlicher Bestimmungen für das Revisionsverfahren ein gleichartiger Rechtsmittelausschluss nicht gilt (4 Ob 107/07z). Auf ein - hier als Zwischenverfahren im Zuge eines Sicherungsverfahrens durchgeführtes - Verfahren betreffend die Zulässigkeit der Nebenintervention treffen die zuvor erörterten teleologischen Gründe für die Anfechtbarkeit zur Gänze bestätigender Entscheidungen des Rekursgerichts nicht zu. Eine ungewollte Gesetzeslücke als Grundlage für eine Analogiebildung ist in diesem Punkt nicht zu erkennen. Wird daher die Zurückweisung einer Streitverkündung vom Rekursgericht bestätigt, so ist ein dagegen erhobener Revisionsrekurs nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (vgl zur Nichtzulassung eines Nebenintervenienten RIS-Justiz RS0110042). Dies gilt auch für den Fall einer in Betracht kommenden streitgenössischen Nebenintervention im Sinne des § 20 ZPO (RIS-Justiz RS0110042 [T1]).
Zu II.
1. Der Beklagten wurde ua verboten, Nachbildungen näher beschriebener urheberrechtlich geschützter Möbelstücke zu verbreiten, insbesondere öffentlich (zugänglich) zu machen. Bescheinigt ist, dass die Nachbildungen in der - öffentlich zugänglichen - Lobby jenes Hotels aufgestellt sind, das die Beklagte samt Einrichtung und Ausstattung gepachtet hat und betreibt; die Beklagte ist weder Eigentümerin der Nachbildungen, noch hat sie diese in Auftrag gegeben, entworfen, erworben oder deren Aufstellung veranlasst. Nach Auffassung des Rekursgerichts bringt die Beklagte die beanstandeten Möbelnachbildungen stets von Neuem dadurch in Verkehr (§ 16 Abs 1 UrhG), dass sie sie ihren Gästen als Sitzgelegenheiten zur Verfügung stellt und zum Gebrauch überlässt.
2. Die Beklagte macht im Rechtsmittel geltend, die Nachbildungen seien bei Errichtung des Hotels von der Hoteleigentümerin allein in Verkehr gebracht worden und befänden sich unabhängig von der Person des Hotelpächters im Gebäude; sie könne als - grundsätzlich austauschbare - Pächterin für die Aufstellung der Möbelstücke nicht zur Verantwortung gezogen werden.
3.1. Das allein dem Urheber vorbehaltene Verbreitungsrecht besteht darin, das Werk auf eine Art in Verkehr zu bringen, die das Werk der Öffentlichkeit zugänglich macht (§ 16 Abs 1 UrhG). Ein Werk wird ua dann „in Verkehr gebracht", wenn einem anderen die tatsächliche oder rechtliche Verfügungsmacht über ein Werkstück, insbesondere durch Verkaufen, Verschenken, Verleihen oder Vermieten, eingeräumt wird (RIS-Justiz RS0076899). Wer etwa eine Skulptur einem Galeristen für dessen Galerie während einer Verkaufsausstellung zur Ansicht überlässt, hat ihm damit jedenfalls die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Skulptur eingeräumt und das Werkstück somit auf eine Art in Verkehr gebracht, die das Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat (4 Ob 80/98p = ÖBl 1998, 266 - Figur auf einem Bein).
3.2. Als (Mit-)Täter eines Urheberrechtseingriffs haftet nach ständiger Rechtsprechung, wer tatbestandsmäßig handelt (RIS-Justiz RS0079462 [T13], RS0079765 [T30]). Unmittelbarer Täter (Störer) ist jene Person, von der die Beeinträchtigung ausgeht und auf deren maßgeblichem Willen sie beruht (4 Ob 279/01k = MR 2002, 156 - Aufzugsanlagen).
3. Die Auffassung des Rekursgerichts, in der laufenden unbefugten Gebrauchsüberlassung der Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Möbelstücke an die Allgemeinheit (hier: Hotelgäste) durch eine Hotelpächterin liege ein von der Beklagten zu verantwortender Eingriff in das Verbreitungsrecht des Urhebers, weicht als spezifischer Anwendungsfall von den zuvor referierten Leitlinien der Rechtsprechung nicht ab. Der Beklagten ist vorzuwerfen, dass sie den vom Verpächter durch das Aufstellen der Möbelstücke zum öffentlichen Gebrauch herbeigeführten rechtswidrigen Zustand in Kenntnis dieses Umstands weiterhin aufrecht erhält; sie ist insoweit selbst unmittelbare Täterin. Dass die Beklagte nicht Eigentümerin der Nachbildungen ist, führt nicht zum Ausschluss ihrer Haftung, liegt es doch unabhängig von der sachenrechtlichen Zuordnung der Eingriffsgegenstände in ihrer Hand, den rechtsverletzenden Zustand abzustellen.
4. Auch mit den anderen, im Rechtsmittel erörterten Themen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, die einer Lösung durch den Obersten Gerichtshof bedürfte.