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OGH vom 20.04.2010, 5Ob70/10w

OGH vom 20.04.2010, 5Ob70/10w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Hurch, Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin Lucia P*****, vertreten durch Mag. Jacqueline Rieder Oberortner, Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen die Antragsgegner 1. B***** Privatstiftung, *****, 2. Jaromir M*****, 3. Margit M*****, alle vertreten durch Mag. Günter Petzelbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 38 R 132/09g-10, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Vorauszuschicken ist, dass im Revisionsrekursverfahren nur mehr strittig ist, ob der von der Antragstellerin entrichtete Hauptmietzins um einen Befristungsabschlag (§ 16 Abs 7 MRG) zu vermindern ist und ob - infolge Vorliegens eines befristeten Mietverhältnisses - die zehnjährige Verjährungsfrist des § 16 Abs 8 letzter Halbsatz MRG anzuwenden ist. Mangels Bekämpfung des rekursgerichtlichen Sachbeschlusses durch die Antragsgegner ist hingegen nicht mehr strittig, dass der Lauf der dreijährigen Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG wegen Vorliegens einer Pauschalmietzinsvereinbarung - eine Aufspaltung vor Beendigung des Mietverhältnisses erfolgte im Anlassfall nicht - erst mit Beendigung des Mietverhältnisses begann (vgl dazu 5 Ob 205/05s = wobl 2006/92 = immolex 2006/3 [ Prader ]; s auch RIS-Justiz RS0117160).

2. Die Antragstellerin zieht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht in Zweifel, dass sie zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung am bereits Mieterin der Wohnung auf unbestimmte Zeit war: Die Zeiten der zuvor seit 1985 geschlossenen befristeten Mietverträge („Kettenverträge“) sind zusammenzurechnen (RIS-Justiz RS0070355), wobei nach sämtlichen maßgeblichen Übergangsvorschriften für die Beurteilung der Wirksamkeit der Befristung der vorangegangenen Vereinbarungen auf den Abschlusszeitpunkt abzustellen ist (§§ 49a Abs 1, 49b Abs 7, 49c Abs 6 MRG).

Gemäß § 29 Abs 3 MRG idF der WRN 2000 (nun: § 29 Abs 3 lit a MRG idF der WRN 2006), welche Bestimmung auf die letzte, vor getroffene Verlängerungsvereinbarung bereits anwendbar war, gelten Mietverträge auf bestimmte Zeit, die - wie hier - durch den Verlauf der Zeit nicht auflösbar sind, als auf unbestimmte Zeit erneuert.

3. Der Revisionsrekurs steht jedoch auf dem Standpunkt, dass die Vereinbarung vom als neuer, zulässig befristeter (§ 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG idF der WRN 2000) Mietvertragsabschluss zu qualifizieren sei, weshalb sowohl § 16 Abs 7 MRG (Befristungsabschlag) als auch die zehnjährige Verjährungsfrist des § 16 Abs 8 letzter Halbsatz MRG anzuwenden sei.

Demgegenüber hat das Rekursgericht (erkennbar) die Auffassung vertreten, dass eine bloße Auflösungsvereinbarung getroffen wurde. Deren Wirksamkeit erachtete das Rekursgericht nicht prüfen zu müssen, weil auch eine wirksame Auflösungserklärung nur zu einer einvernehmlichen Beendigung des Mietverhältnisses, nicht aber zur Annahme eines befristeten Mietverhältnisses zu führen habe. Aus diesem Grund erachtete das Rekursgericht § 16 Abs 7 MRG und § 16 Abs 8 letzter Halbsatz MRG für nicht anwendbar. Richtig ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Antragstellerin niemals darauf berufen hat, sie sei unter einer „Drucksituation“ gestanden, weshalb die vereinbarte Vertragsbeendigung nicht wirksam wäre. Das Rekursgericht hat eine solche „Drucksituation“ aber auch gar nicht zur Begründung seiner Rechtsauffassung herangezogen.

4. Den Parteien steht es nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs frei, ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Mietverhältnis, sofern die Vereinbarung nicht der Umgehung des MRG dient, in eines auf bestimmte Zeit zu ändern bzw einverständlich die Auflösung des Mietverhältnisses zu einem bestimmten Endtermin zu vereinbaren (7 Ob 563/90 = WoBl 1992/43; 7 Ob 2400/96h = immolex 1997/152 [ Pfiel ]; 2 Ob 28/05i = MietSlg 57.345; 3 Ob 2/06z = immolex 2006/49 [ Prader ]; 3 Ob 145/08g = wobl 2009/76 [ Vonkilch ]; RIS-Justiz RS0113485, RS0070053).

5. Die von den Umständen des Einzelfalls abhängige (6 Ob 31/06m; RIS-Justiz RS0032502 [T8]) Beurteilung des Rekursgerichts, das ursprüngliche Mietverhältnis sei nicht durch einen neuen Mietvertrag ersetzt worden, steht im Einklang mit den Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0032502; RS0032417; RS0032332) und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf: Die Ausstellung einer neuen Mietvertragsurkunde rechtfertigt noch nicht die Annahme, dass das ursprüngliche Mietverhältnis nach der maßgeblichen Parteienabsicht durch ein neues ersetzt werden sollte (vgl 8 Ob 31/05z = SZ 2005/66).

Entgegen dem Vorbringen im Revisionsrekurs bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass - mit Ausnahme des Vertragsendes - in der Vereinbarung vom überhaupt Vertragspunkte geändert wurden: Aus den im Schlichtungsstellenverfahren von der Antragstellerin selbst vorgelegten Urkunden über die vor 2001 getroffenen Vereinbarungen, deren Inhalt zwar von den Vorinstanzen nicht festgestellt wurde, der aber zwischen den Parteien auch nicht strittig war, ergibt sich eine - unter Berücksichtigung anzunehmender Betriebskostensteigerungen - im Wesentlichen unveränderte Höhe des Pauschalmietzinses (290 EUR brutto ab gegenüber umgerechnet 279,79 EUR im Vorgängervertrag).

6. Da das Rekursgericht somit vertretbar von einer Auflösungsvereinbarung, nicht aber vom Abschluss eines befristeten Mietvertrags ausgegangen ist und der Revisionsrekurs die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Rekursgerichts unter dieser Prämisse gar nicht bestreitet, war der außerordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).