OGH vom 16.04.2004, 5Ob70/04m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz M*****, 2. Mag. Dr. Wolfgang M*****, beide vertreten durch Dr. Christian Kleinszig, Dr. Christian Puswald, Mag. Paul Wolf, Dr. Gottfried Kassin, Rechtsanwälte in St. Veit/Glan, gegen die beklagte Stadtgemeinde V*****, dieser vertreten durch Dr. Peter Semlitsch und Dr. Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit (Streitwert EUR 9.447,47), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 7 R 168/03g-45, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom , GZ 3 C 802/01b-38, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Berufungsurteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung:
Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, bestehend aus dem Grundstück .84 (Baufläche) mit dem Gebäude H*****. Im Erdgeschoss des Gebäudes sind die Geschäftsräume einer ehemaligen Bäckerei untergebracht; darüber hinaus befinden sich im Gebäude drei Wohnungen.
Die Beklagte ist Verwalterin des benachbarten Grundstücks Nr. 118/1 EZ ***** (M*****platz). Bei diesem Grundstück handelt es sich um öffentliches Gut.
Die Kläger begehren die Feststellung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art und des Parkens mit Fahrzeugen aller Art auf einem (in einem vorgelegten Plan gekennzeichneten) Teil des Grundstückes Nr. 118/1; außerdem soll die Beklagte schuldig erkannt werden, den im Kreuzungsbereich K*****gasse/M*****platz aufgestellten Schranken zu entfernen oder den Klägern für diesen Schranken einen Schlüssel bzw eine Berechtigungskarte auszuhändigen.
Die Kläger behaupten, dass sie bzw ihre Rechtsvorgänger den im vorgelegten Plan grün umrandeten Bereich des Grundstücks 118/1 seit mehr als 100 Jahren begangen und seit 1945 als Zufahrt für Fahrzeuge aller Art sowie den im Plan rot umrandeten Bereich ? insbesondere seit Wiedereröffnung der Bäckerei nach 1945 - zum Parken von Fahrzeugen aller Art über den Gemeingebrauch hinaus regelmäßig benützt hätten, auch in der Nacht. Andere Verkehrsteilnehmer seien darauf hingewiesen worden, dass sie nicht berechtigt seien, in diesem Zufahrts- und Abstellbereich Fahrzeuge abzustellen. Auf der Kfz-Abstellfläche seien Platten verlegt worden, um diese staubfrei zu machen. Bis 1970 sei der gegenständliche Bereich nur durch Fahrzeuge der Rechtsvorgänger der Kläger und durch Fahrzeuge der Familie G***** frequentiert worden. Erst in den späteren Jahren seien aufgrund des höheren Verkehrsaufkommens andere Fahrzeuge hinzugekommen. Diese Benutzer seien aber keine Langzeitparker gewesen und hätten den Bereich vor dem Gebäude H*****platz 3 nicht in Anspruch genommen worden, weil davon ausgegangen worden sei, dass es sich um eine Parkfläche der klägerischen Liegenschaft handle. Die Nutzung der hier interessierenden Bereiche sei von der Beklagten akzeptiert worden. In den 90er Jahren sei im Zufahrtsbereich eine umlegbare Absperrstange installiert worden, für den die Familie M***** einen Schlüssel erhalten habe. Für den nunmehrigen Schranken hätten die Kläger keine Berechtigungskarte erhalten.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie behauptet, dass das Grundstück Nr. 118/1 stets Teil des öffentlichen Gutes (M*****platz) gewesen und von allen Stadtbürgern, Besuchern und Gästen im Rahmen der für diesen Platz geltenden, ordnungsgemäß kundgemachten Verordnung der Stadtgemeinde V***** genutzt worden sei. Das Begehen und Zufahren, allfälliges Halten und Parken sei im Rahmen des Gemeingebrauchs erfolgt. Darüber hinausgehende Ersitzungshandlungen seien nie feststellbar gewesen. Ein die Stadtbevölkerung, Fußgänger, Lieferanten etc von der Nutzung des Grundstücks ausschließendes Parkrecht der Kläger habe nie bestanden und auch nicht entstehen können, weil das Grundstück seit jeher im Rahmen des Gemeingebrauchs von allen zum Gehen, Fahren und für Ladetätigkeiten benützt worden sei. Bei der Asphaltierung und Herstellung des Platzes hätten sich die Kläger nie geäußert, servitutsberechtigt zu sein und zur Erhaltung des Platzes dazuzuzahlen. Den Klägern stehe die Benützung des Grundstücks im Rahmen des Gemeingebrauchs weiterhin frei. Als der Schranken errichtet wurde, sei dem Erstkläger für Zwecke der Ladetätigkeit gegen Kaution ein Funkschrankenöffner ausgehändigt worden.
Das Erstgerich t gab dem Klagebegehren statt. Es stellte (mit dem Verweis auf hier nicht reproduzierbare Beilagen) fest:
Die Liegenschaft EZ ***** steht seit rund 80 Jahren im Eigentum der Familie M*****.
Franz M***** sen., der Vater der Kläger, hat von etwa 1945 bis 1980 im Erdgeschoss des Gebäudes H***** eine Bäckerei betrieben, die über einen straßenseitigen, dem Hauptplatz V***** zugewandten Geschäftseingang verfügte. Hofseitig gab es für die Bäckerei einen Zu- und Abgangsbereich, der über den M*****platz erreichbar ist. 1980 verpachtete Franz M***** sen. den Bäckereibetrieb an den Bäcker H*****, der den Betrieb rund zwölf Jahre weiter führte. Danach gab es einen anderen Pächter, der an diesem Standort bis 2002 Bäckereiwaren verkauft hat.
Die drei Wohnungen des Hauses wurden über den hofseitigen Eingang benutzt, wobei es früher auch möglich war, von der im Erdgeschoss gelegenen Bäckerei in die darüber liegenden Wohnungen zu gelangen. Diese Zugangsmöglichkeit besteht etwa seit 1980 nicht mehr.
Straßenseitig (dem Hauptplatz zugewandt) darf vor dem Geschäft nicht mehr geparkt werden, seitdem dort (1980 ?) ein Haltestellenbereich eingerichtet wurde.
Seit Kriegsende 1945 verfügte Franz M***** sen. zumindest über ein Kraftfahrzeug, das er im Rahmen seines Bäckereibetriebes vor allem betrieblich nutzte. Dieser PKW wurde stets, sowohl zur Tages- wie auch zur Nachtzeit und auch an den Wochenenden parallel zum hofseitigen Eingangsbereich abgestellt. Im hofseitigen Bereich wurden sämtliche Backwaren be- und entladen. Der Bereich diente auch stets als Zu- und Abgang für den Bäckereibetrieb und die über dem Bäckereibetrieb gelegenen Wohnungen.
In jenem Bereich, wo der PKW des Franz M***** sen. abgestellt wurde, befand sich auch die Sammelgrube der Familie M*****, in welche die Fäkalwässer des Gebäudes H*****platz 3 flossen. Die Sammelgrube hatte einen Schacht zur Entleerung, der etwa 1 bis 1,5 m vom hofseitigen Eingangsbereich des Gebäudes H*****platz 3 entfernt war. In den späten 60er-Jahren wurde ein Kanalanschluss errichtet und fortan die Grube nicht mehr benützt.
Etwa 1945 war jener Bereich, der von der Familie M***** als Parkplatz genutzt wurde, noch nicht staubfrei. Um eine staubfreie befestigte Fläche zu erhalten, wurden von der Familie M***** hofseitig entlang des Gebäudes in jenem Bereich, wo sich der Zugang befindet und der PKW abgestellt wurde, Platten verlegt.
Im Laufe der Jahre fanden verschiedene Umbauarbeiten im Gebäude H*****platz 3 statt. Alle erforderlichen Baumaterialien, insbesondere auch Sand, wurden dabei bis zur Verwendung hofseitig im Zu-/Abgangsbereich gelagert. Dieser Bereich wurde - so weit er frei war - von den Kindern der Familie M*****, insbesondere durch die Kläger und deren Freunde, auch als Spielfläche benutzt.
Etwa 1950 wurde der Familie M***** durch die Stadtgemeinde V***** eine Garage bewilligt, die in der Folge auch teilweise zum Einstellen des Firmenfahrzeugs benutzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt verfügte Franz M***** sen. bereits über einen weiteren PKW, den er privat nutzte. Entweder wurde der Privat-PKW oder der Firmen-PKW - je nach den betrieblichen Gegebenheiten - parallel vor dem Gebäude hofseitig geparkt, sodass sich ab diesem Zeitpunkt trotz der Verwendung einer Garage stets ein Fahrzeug des Franz M***** sen. auf dem hofseitigen Parkplatz befand.
Auf diesem Parkplatz wurden - sofern nicht ein Fahrzeug des Franz M***** sen. dort stand - andere Fahrzeuge fallweise abgestellt, wobei es sich fast ausschließlich um Fahrzeuge von Familienangehörigen der Familie M***** oder von Besuchern derselben handelte.
Auch wenn parallel zum Hofeingang ein Fahrzeug der Familie M***** stand, konnte daneben mit einem PKW noch leicht zugefahren werden, weil dieser Bereich ausreichend breit war.
Erst im Zuge der aufkommenden Motorisierung kam es dazu, dass der Bereich nördlich der M*****kirche (entlang derselben bzw entlang der Baufläche .82 mit dem Gebäude H*****platz 2) durch verschiedenste Fahrzeuge befahren und beparkt wurde, wodurch die gegebenen Platzverhältnisse "beengt" wurden. Trotz dieses vermehrten Verkehrsaufkommens blieb aber der parallel zum hofseitigen Eingang durch M***** benutzte Parkplatzbereich diesen mehr oder weniger ausschließlich vorbehalten, das heißt fremde Fahrzeuge wurden in diesem Bereich höchstens fallweise abgestellt. Wenn Franz M***** sen. Derartiges wahrnahm, hat er den jeweiligen Benutzer darauf hingewiesen, dass er sich auf seinem Platz befinde.
Weil der Bereich rund um die Kirche immer stärker benutzt und beparkt wurde und diese Fahrzeuge unter anderem den sonntäglichen Kirchgang behinderten, hat die Beklagte in den 90er-Jahren in etwa am Schnittpunkt der beiden Plätze (Längsseite der M*****kirche und westliche Stirnseite derselben) eine Metallstange so errichtet, dass auf die hintere (nördliche) Fläche des M*****platzes nicht mehr zugefahren werden konnte. Diese Metallstange war mit einem Schlüssel sperrbar und konnte umgelegt werden. Die Beklagte hat damals der Familie M***** und der Familie G*****, die das Gebäude H*****platz 2 benutzten, jeweils einen Schlüssel ausgehändigt, damit sie die Metallstange öffnen und zufahren können. Etwa 1995 wurde diese Metallstange wieder entfernt, wodurch der nördliche Bereich des M*****platzes wieder allgemein befahrbar wurde. Dadurch trat keine Änderung der Benutzung des unmittelbar vor dem hofseitigen Eingang des Gebäudes H*****platz 3 gelegenen Bereiches ein. In diesem Bereich wurde, je nach Notwendigkeit, nach wie vor zumindest ein Fahrzeug der Familie M***** geparkt.
Am hat die Beklagte eine Beschränkung für das Halten und Parken (Halteverbot) für den M*****platz ab der Schrankenanlage verordnet, und zwar mit der Zusatztafel "Ausgenommen Zustell- und Ladetätigkeit". In der Folge wurde eine Schrankenanlage in jenem Bereich errichtet.
Bis zur Errichtung der Schrankenanlage wurde von Seiten der Beklagten gegenüber der Familie M***** nie geäußert, sie seien nicht berechtigt, den Parkplatz vor dem hofseitigen Eingang zu benutzen.
Ein "Piepserl" zum Öffnen der Schrankenanlage wurde Herrn Franz M***** sen. und Frau Eva J*****, der Schwester der Kläger, gegen Kaution ausgehändigt. Diese dürfen seither nur mehr im Rahmen der Verordnung zum Zwecke der Zustell- und Ladetätigkeit zufahren.
In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, dass von den Klägern und deren Rechtsvorgängern bereits seit 1945 in einer der Beklagten erkennbaren Weise eine vom Gemeingebrauch abweichende Nutzung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks erfolgt sei. Die erforderliche Ersitzungszeit von 40 Jahren sei bereits 1985 abgelaufen. Die Beklagte habe dadurch, dass sie im Jahre 2000 eine Verordnung erlassen und ein Halteverbot, ausgenommen Zustell- und Ladetätigkeit, in Kraft gesetzt habe, in den Rechtsbesitz der Kläger eingegriffen.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Ohne sich mit der Tatsachenrüge der Beklagten zu befassen, verneinte es aus folgenden rechtlichen Erwägungen die von den Klägern geltend gemachte Ersitzung:
Beim strittigen Bereich des Grundstückes Nr. 118/1 handle es sich nicht nur um ein öffentliches Gut, sondern auch um eine öffentliche Straße. Dies sei vom Erstgericht zwar nicht ausdrücklich so festgestellt worden, ergebe sich aber aus dessen Feststellungen. Nach § 2 Abs 1 des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes (LSTVG) seien Straßen im Sinne dieses Gesetzes alle Straßen, die entweder von den zuständigen Stellen bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind oder in langjähriger Übung ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden.
Im vorliegenden Fall bestehe kein Zweifel, dass der M*****platz als öffentliche Straße im Sinne des § 2 Abs 1 LSTVG anzusehen ist. Einerseits habe die Beklagte mittels Verordnung Verkehrsbeschränkungen im Sinne des § 43 StVO verfügt, woraus erkennbar sei, dass auch die Beklagte von einer öffentlichen Straße ausgeht, andererseits stehe unbekämpft fest, dass der Bereich nördlich der M*****kirche im Zuge der aufkommenden Motorisierung durch verschiedenste Fahrzeuge befahren und beparkt wurde. Dies sei bis 1990 möglich gewesen und ab 1995 bis zur Erlassung der Verordnung im Jahr 2000, sodass auch eine langjährige Übung gegeben sei.
Die Benützung von Straßen, worunter gemäß § 2 Abs 2 LSTVG auch Plätze fielen, stehe jedermann innerhalb der bestehenden, insbesondere straßenpolizeilichen und kraftfahrtechnischen Bestimmungen und im Rahmen ihres bestimmungsgemäßen Zweckes zu (Gemeingebrauch). Unter Gemeingebrauch verstehe man die Benützung einer Straße von jedermann unter den gleichen Bedingungen ohne behördliche Bewilligung und unabhängig vom Willen des über den Straßengrund Verfügungsberechtigten (Redok 3962; Mayer-Maly, Handbuch des Allgemeinen Verwaltungsrechtes, Seite 538). Eine Benützung zu anderen Zwecken (Sondernutzung, Sondergebrauch) bedürfe der Zustimmung der Straßenverwaltung. Durch die besondere Inanspruchnahme der Straße aufgrund einer solchen Bewilligung könne ein dingliches Recht nicht ersessen werden (§ 54 Abs 1 LSTVG 1964).
Es sei zwar grundsätzlich richtig, dass nach Lehre und Rechtsprechung auch an öffentlichem Gut Privatrechte durch Ersitzung erworben werden können, sofern die Ausübung von Nutzungsrechten daran nicht ausdrücklich verboten ist und die Nutzung nicht über den Gemeingebrauch hinausgeht (6 Ob 54/00k). Im vorliegenden Fall enthalte aber das LSTVG 1964 im § 54 Abs 1 die Bestimmung, dass jede Benützung von Straßen und der dazugehörigen Anlagen für einen anderen als den bestimmungsgemäßen Zweck der Zustimmung der Straßenverwaltung bedarf. Diese Bestimmung enthalte ein ausdrückliches Verbot von Sondernutzungen. Eine gleichlautende Bestimmung habe bereits das LSTVG 1938 im § 56 Abs 1 enthalten. Der Sinn der Bestimmung liege darin, das Entstehen von Privatrechten an den im Gemeingebrauch stehenden Straßen zu verhindern (7 Ob 575/92). Eine Ersitzung von Privatrechten sei daher nicht möglich.
Aber selbst für den Fall, dass § 54 Abs 1 LSTVG 1964 nicht die Ersitzung von Privatrechten verhindere, sei die Rechtsansicht der Beklagten zu billigen, dass keine vom Gemeingebrauch abweichende Nutzung durch die Kläger und deren Rechtsvorgängern erkennbar gewesen sei.
Die Lösung der Frage, ob für den Grundeigentümer erkennbar war, dass der Ausübende von einem vom Gemeingebrauch verschiedenen Privatrecht habe Gebrauch machen wollen, gehöre in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung. Im vorliegenden Fall sei der verfahrensgegenständliche Teil des M*****platzes eine öffentliche Straße. Die Benützung einer öffentlichen Straße lasse keine Rückschlüsse auf den Willen der Straßenbenützer zu. Das Begehen, das Befahren mit Fahrzeugen, das Halten oder Parken gehöre zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer öffentlichen Straße (vgl SZ 34/49; SZ 52/62). Da somit für die Beklagte keine Benützung der öffentlichen Straße durch die Kläger und deren Rechtsvorgänger außerhalb des Rahmens des Gemeingebrauches erkennbar gewesen sei, müsse die Ersitzung einer Dienstbarkeit verneint werden.
Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar nicht EUR 20.000, aber EUR 4.000 übersteigt. Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu § 54 Abs 1 des Stmk Landesstraßenverwaltungsgesetzes fehle.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes haben nunmehr die Kläger Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag erhoben, es entweder so abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt wird, oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.
Von der Beklagten liegt dazu eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag vor, die Revision nicht zuzulassen (also zurückzuweisen) oder ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und iS ihres Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Als Mangel des Berufungsverfahrens machen die Kläger geltend, dass sich das Berufungsverfahren mit seiner Annahme, es handle sich bei der verfahrensgegenständlichen Grundfläche um eine öffentliche Straße iSd § 2 Stmk LStVG 1964, vom Vorbringen der Beklagten und vom festgestellten Sachverhalt entfernt habe. Die Beklagte habe sich immer nur darauf berufen, das von ihr verwaltete Grundstück sei öffentliches, dem Gemeingebrauch unterliegendes Gut, und habe auch nie geltend gemacht, der von den Klägern beanspruchten Dienstbarkeit stehe ein aus dem Stmk LStVG 1964 ableitbares Ersitzungsverbot entgegen. Unabhängig davon fehlten Feststellungen, die den Schluss zuließen, die verfahrensgegenständliche Grundfläche sei dem öffentlichen Verkehr gewidmet oder - dem § 2 Abs 1 Stmk LStVG 1964 entsprechend - für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt worden. Selbst wenn man davon ausginge, es liege eine öffentliche Straße kraft langjähriger Nutzung für dringende Verkehrsbedürfnisse iSd § 2 Abs 1 zweiter Fall Stmk LStVG 1964 vor, sei der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes entgegen zu treten, aus dem festgestellten Sachverhalt ergäben sich irgendwelche Ersitzungshindernisse. § 54 Abs 1 Stmk LStVG 1964 schließe nämlich nur die Ersitzung von Rechten aus, die auf Grund einer Sonderbewilligung ausgeübt werden. Die Regelung beziehe sich nach ihrem Sinnzusammenhang auch nur auf öffentliche Straßen, die diese Eigenschaft durch einen besonderen Widmungsakt erhalten haben und nicht auf Straßen kraft Gebrauchsübung iSd § 2 Abs 1 zweiter Fall Stmk LStVG 1964. Letztlich versage beim festgestellten Sachverhalt auch das Argument, die Ersitzungshandlungen der Kläger seien für die Beklagte nicht erkennbar gewesen. Die Nutzung der Kläger sei nämlich deutlich über den Gemeingebrauch hinausgegangen.
Die Beklagte stützte sich in ihrer Revisionsbeantwortung im Wesentlichen auf die Argumente des Berufungsgerichtes.
Dazu wurde erwogen:
Das Berufungsgericht hat seine Rechtsansicht, der von den Klägern geltend gemachten Ersitzung eines Geh- und Fahrtrechtes stehe das in § 54 Abs 1 Stmk LStVG 1964 Verbot der Ersitzung dinglicher Rechte an öffentlichen Straßen entgegen, im Wesentlichen auf die Entscheidungen 7 Ob 575/92 (JBl 1994, 476 mit Besprechungsaufsatz von Auckenthaler 444 ff aaO) und 6 Ob 54/00k (MietSlg 52.220) gestützt. Die Leitsätze dieser Entscheidungen tragen jedoch die Abweisung des Klagebegehrens nicht.
Schon in der Entscheidung 6 Ob 54/00k wurde die Frage aufgeworfen, ob es nicht der ausdrücklichen Geltendmachung eines gesetzlichen Ersitzungsverbots bedarf, um dieses Ersitzungshindernis wahrnehmen zu können. Die Frage wurde nur deshalb nicht bindend beantwortet, weil das vermeintliche Ersitzungsverbot gar nicht vorlag. Gleiches gilt auch hier.
Auszugehen ist davon, dass auch an öffentlichem Gut Privatrechte durch Ersitzung erworben werden können, sofern die Nutzung (Ausübung eines vermeintlichen Rechts) über den Gemeingebrauch hinausgeht und nicht ausdrücklich verboten ist (6 Ob 171/63 = SZ 36/130; 7 Ob 575/92; 6 Ob 64/00k; 1 Ob 7/01p = RZ 2002/27 jeweils mwN). Das in einem gesetzlichen Verbot der Nutzungsausübung liegende Ersitzungshindernis wird im Wesentlichen damit begründet, dass ein zwingenden Bestimmungen des öffentlichen Rechts widersprechender und damit rechtlich unmöglicher Sachgebrauch kein ersitzungsfähiger Gegenstand iSd § 1460 ABGB sein kann (1 Ob 262/97d = SZ 70/201; 1 Ob 225/99s = SZ 72/162; 7 Ob 226/01p = NZ 2003/9; 7 Ob 241/02w). Ein solches Ersitzungsverbot erfordert demnach ein unmissverständlich und zwingend angeordnetes Verbot jener Nutzungsausübung, die andernfalls zum Erwerb eines entsprechenden dinglichen Rechts durch Ersitzung führen könnte.
In der Entscheidung 7 Ob 575/92 wurde ein solches Ersitzungsverbot aus einer Regelung abgeleitet, die schlechthin die Ersitzung eines dinglichen Rechts durch eine besondere (die Zwecke des Verkehrs überschreitende) Inanspruchnahme öffentlicher Straßen ausschloss (§ 7 Abs 1 Sb LandesstraßenG 1948 idF der Novelle 1955), das Ersitzungshindernis also nicht bloß - wie die hier relevante Regelung des § 54 Abs 1 Satz 2 Stmk LStVG 1964 - auf die Inanspruchnahme der Straße auf Grund einer Sonderbewilligung beschränkte. Die Annahme des Berufungsgerichtes, der erste Satz des § 54 Abs 1 Stmk LStVG 1964, wonach jede Benützung von Straßen und der dazugehörigen Anlagen für einen anderen als den bestimmungsgemäßen Zweck einer Zustimmung der Straßenverwaltung bedarf, enthalte ein ausdrückliches Ersitzungsverbot für den Gemeingebrauch überschreitende Sondernutzungsrechte, ist nicht ausreichend fundiert, weil die Anordnung auch so gedeutet werden kann, dass sie sich nur auf bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straßen (also auf Straßen kraft besonderer Widmung iSd § 2 Abs 1 erster Halbsatz Stmk LStVG 1964) bezieht. Für eine Grundfläche, die durch eine langjährig geübte allgemeine Nutzung für ein dringendes Verkehrsbedürfnis zur öffentlichen Straße geworden ist (§ 2 Abs 1 zweiter Halbsatz Stmk LStVG 1964), gälte demnach das angesprochene Ersitzungshindernis - wie in der Entscheidung 6 Ob 54/00k zur vergleichbaren Rechtslage nach dem Ktn Straßengesetz ausgesprochen wurde - nicht. Damit fehlt es also schon am Erfordernis eines ausdrücklichen Ersitzungsverbots. Hinzu kommt, dass die Möglichkeit der Einräumung von Sondernutzungsrechten durch die Straßenverwaltung am zwingenden Charakter eines generellen Verbots einer den Gemeingebrauch überschreitenden Nutzung der Straße zweifeln lässt. Eindeutig und zwingend ausgeschlossen ist durch § 54 Abs 1 Stmk LStVG 1964 also nur die Ersitzung dinglicher Rechte durch die Inanspruchnahme einer öffentlichen Straße auf Grund einer Sonderbewilligung. Ein solcher Fall liegt nicht vor, weshalb die von den Klägern geltend gemachte Ersitzung nicht an dieser Gesetzesbestimmung scheitert.
Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht aber auch darin, dass dem Klagebegehren auf Basis der vorläufigen Feststellungen mangels erkennbarer Besitzausübungshandlungen der Kläger bzw ihrer Rechtsvorgänger der Erfolg zu versagen sei. Es trifft zwar zu, dass die Ersitzung einer Dienstbarkeit an einer zum öffentlichen Gut gehörigen Liegenschaft die Erkennbarkeit der Inanspruchnahme eines vom Gemeingebrauch verschiedenen Privatrechts voraussetzt (6 Ob 92/66 = SZ 39/77; 1 Ob 700/83 = SZ 56/184; 7 Ob 207/99p ua in RIS-Justiz RS0009762 und RS0009785; = ZfVB 2000/2051), doch reicht hiefür die objektive Erkennbarkeit einer den Gemeingebrauch überschreitenden nachhaltigen Sondernutzung aus (vgl 7 Ob 637/94 = MietSlg 47.158 = NZ 1996, 175 mit Anm von Hoyer; 6 Ob 255/00v = MietSlg 53/12; Mader in Schwimann2, Rz 4 zu § 1460 ABGB). Gemessen daran ist es wohl richtig, dass das Abstellen von Kraftfahrzeugen für sich allein keinen Auffälligkeitswert hat, weil es in Ausübung des Gemeingebrauchs erfolgen kann, doch kamen im konkreten Fall (sollten alle Feststellungen des Erstgerichtes zu halten sein) doch Umstände hinzu, die die Ausübung eines vermeintlichen Sondernutzungsrechts durch die Kläger objektiv erkennbar machten. Schon die Befestigung (Staubfreimachung) des ständig benützten Abstellplatzes und dessen "Verteidigung" gegenüber jeder "Fremdnutzung" weisen in diese Richtung. Nach den bisherigen Entscheidungsgrundlagen wäre daher - anders als vom Berufungsgericht angenommen - die Erkennbarkeit einer den Gemeingebrauch überschreitenden Rechtsanmaßung der Kläger bzw ihrer Rechtsvorgänger zu unterstellen.
Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden. Das Berufungsgericht wird sich mit der Tatsachenrüge der Beklagten auseinander zu setzen haben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.