OGH vom 21.09.2017, 7Ob28/17v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Manfred Angerer und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 118.347,27 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 189/16f22, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Oberste Gerichtshof hat die von der Klägerin behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geprüft, sie liegt nicht vor:
1.1. Nach § 480 Abs 1 ZPO steht die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung im Ermessen des Berufungsgerichts; eine Verpflichtung zur Beweiswiederholung oder -ergänzung besteht nicht (RIS-Justiz RS0126298 [T5]). Ist eine abschließende Sacherledigung ohne eine Berufungsverhandlung möglich, stellt es daher keinen Verfahrensmangel dar, die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zu erledigen (RIS-Justiz RS0125957).
1.2. Den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens hat bereits das Erstgericht abgelehnt und das Berufungsgericht hat insoweit einen Verfahrensmangel verneint. Diese Beurteilung kann im Revisionsverfahren nicht mehr erfolgreich bekämpft werden (RIS-Justiz RS0042963).
1.3. Soweit die Klägerin in ihrer Mängelrüge eine näher bezeichnete Negativfeststellung des Erstgerichts bekämpft, handelt es sich um eine in dritter Instanz unzulässige Beweisrüge (vgl RIS-Justiz RS0042903).
2. Eine Aktenwidrigkeit ist nur bei einem Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstücks einerseits und dessen Zugrundelegung und Wiedergabe durch das Rechtsmittelgericht andererseits gegeben (RIS-Justiz RS0043397 [T2]). Die von der Klägerin beanstandeten, vom Berufungsgericht aus dem unstrittigen Inhalt einer Urkunde gezogenen (rechtlichen) Schlussfolgerungen sind dagegen keine Aktenwidrigkeit (RIS-Justiz RS0043256).
3.1. Das Berufungsgericht hat – entgegen der Darstellung der Klägerin in ihrer Rechtsrüge – der Stop-Loss-Order die Tauglichkeit als Sicherungsmittel nicht generell abgesprochen, sondern nur betreffend die hier schlagend gewordene Währungsentwicklung. Es entspricht auch bereits vorliegender Rechtsprechung, dass eine solche Risikobegrenzung grundsätzlich (auch) eine Schutzmaßnahme zu Gunsten der Klägerin (Kreditnehmerin) im Hinblick auf eine nicht absehbare Entwicklung des Wechselkurses darstellt und trotz der damit verbundenen Realisierung des Kurs- und Zinsenrisikos dem beiderseitigen Sicherungsbedürfnis der Vertragsparteien Rechnung trägt (vgl 2 Ob 22/12t = JBl 2013, 519 = SZ 2013/8; 5 Ob 9/13d [jeweils ebenfalls zu Fremdwährungskrediten in CHF]). Dass es nach der Durchführung einer Stop-Loss-Order wieder zu einer Kurserholung kommen kann, die – ex-post betrachtet – ein Zuwarten hätte sinnvoll erscheinen lassen, mag zutreffen; dies erweist aber ex-ante ein solches Sicherungsmittel für Fremdwährungskredite nicht als generell untauglich. Wie demgegenüber die Beklagte in der Lage gewesen sein sollte, zur Zeit der Vereinbarung der Stop-Loss-Order im Dezember 2012 die Änderung der Währungspolitik der Schweizer Nationalbank im Jänner 2015 vorherzusehen, bleibt unerfindlich.
3.2. Wird ein Schaden durch eine unrichtige Beratung zu einer Anlageentscheidung behauptet, ist dieser nach der Differenzmethode im Verhältnis zum hypothetischen Anlageverhalten zu ermitteln (vgl RIS-Justiz RS0120784; RS0108267; RS0030153 [T25]). Dazu hat die Klägerin behauptet, ihr hätte bei richtiger Aufklärung von einer Stop-Loss-Order abgeraten und ihr hätte entweder zur sofortigen Konvertierung oder zum „Aussitzen“ geraten werden müssen, worauf sich die Klägerin dann zur sofortigen Konvertierung entschlossen hätte. Insoweit hat die Klägerin eine schadenskausale Falschberatung durch die Beklagte aber schon deshalb nicht erweisen können, weil die Beklagte der Klägerin ohnehin mehrfach gerade zur sofortigen Konvertierung geraten und die Klägerin diese aber immer abgelehnt hat.
3.3. Die Behauptung der Klägerin, der EURO-Wert des Kredits hätte mit einem Franken-Call (Spekulation auf steigende Frankenkurse) abgesichert werden müssen, ist eine unzulässige Neuerung.
3.4.1. Der Frage, wann und unter welchen Umständen eine Konvertierung des Fremdwährungskredits durch den Kreditgeber zulässig ist, kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, es sei denn, dem Berufungsgericht ist insoweit eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen (6 Ob 275/05t; 6 Ob 128/14p), was hier nicht der Fall ist.
3.4.2. Die Klägerin behauptet, dass die Konvertierung zu einem Fixkurs von 1 EUR = 1,195 CHF vereinbart gewesen sei. Die gegenteilige Rechtsansicht des Berufungsgerichts beruht auf der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung, wonach das EURO-Konto abzudecken war, „wenn der aktuelle Marktdevisenverkaufskurs EUR 1,00 = CHF 1,195 erreicht oder unterschreitet. Die Abdeckung des Fremdwährungskredits (...) dann zu dem (...) nächstmöglichen Devisenverkaufskurs abzüglich Kursspanne zu erfolgen (hat)“. Dass damit keine Konvertierung zu einem Fixkurs vereinbart wurde, ist eine vertretbare Vertragsauslegung im Einzelfall.
3.5. Die Klägerin verweist darauf, dass der Widerruf der Stop-Loss-Order nur mit Zustimmung der Beklagten möglich gewesen sein sollte, was zu einer nicht sachgerechten Knebelung der Klägerin geführt habe. Dem ist zu entgegnen, dass die Klägerin nie behauptet hat, dass die Beklagte nach dem Erteilen der Stop-Loss-Order die dort vereinbarte Konvertierung gegenüber der Klägerin abgelehnt hätte.
3.6. Warum die Konvertierungsabwicklung „im Wege eines Durchschnittswechselkurses“ der vereinbarten Stop-Loss-Order oder den Usancen der Kreditinstitute widersprochen haben soll und wie nach Ansicht der Klägerin richtig hätte vorgegangen werden sollen, wird in der Revision nicht nachvollziehbar aufgezeigt.
4. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision unzulässig und daher zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00028.17V.0921.000 |
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