zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 26.11.2002, 1Ob97/02z

OGH vom 26.11.2002, 1Ob97/02z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Patrick E*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Andreas S*****, vertreten durch den Abwesenheitskurator Dr. Andreas Mirecki, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 621/01h-80, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom , GZ 10 P 59/98m-77, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom wurde der Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 2.100 S verpflichtet.

Der Sachwalter des Minderjährigen begehrte die Erhöhung dieser Unterhaltsverpflichtung ab auf 3.000 S monatlich. Der Vater sei auf Grund seiner Berufsausbildung in der Lage, ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 15.000 S zu erzielen. Der für den Vater einschreitende Abwesenheitskurator wendete ein, der Unterhaltspflichtige könne nur ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 12.000 S erzielen, weshalb ihm nur eine Unterhaltsleistung von 2.400 S monatlich zumutbar sei. Das Erstgericht erhöhte die vom Vater zu erbringende monatliche Unterhaltsleistung antragsgemäß ab auf 3.000 S. Der bei einem Haftausgang geflüchtete Vater sei unbekannten Aufenthalts und nur für den mj Patrick sorgepflichtig. Es sei ihm möglich, durchschnittlich monatlich 15.000 S zu verdienen, weshalb das Erhöhungsbegehren zur Gänze berechtigt sei.

Im Rekurs gegen diese Entscheidung führte der Vater unter Hinweis auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofs und die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 89/01h aus, die vom Minderjährigen bezogene Familienbeihilfe stelle keinen "Unterhaltsbestandteil" zu Gunsten des Minderjährigen dar, weshalb die Unterhaltsverpflichtung des Vaters "um den Bezug der Familienbeihilfe" reduziert werden müsse.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Die von der Mutter des Minderjährigen bezogene Familienbeihilfe habe bei der Unterhaltsbemessung außer Betracht zu bleiben. Nach dem Wortlaut des § 12a FamLAG stelle die Famlienbeihilfe kein Eigeneinkommen des Kindes dar. An das zu B 1285/00 des Verfassungsgerichtshofs ergangene Erkenntnis seien die Zivilgerichte nicht gebunden; es sei nicht Aufgabe der über Unterhaltsforderungen absprechenden Gerichte, eine Umverteilung steuerlicher Lasten zum Nachteil der Unterhaltsberechtigten vorzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters, der die Festsetzung des von ihm monatlich zu leistenden Unterhalts mit 2.400 S begehrt, ist nicht berechtigt.

Bereits im Erkenntnis vom vertrat der Verfassungsgerichtshof die Ansicht, eine steuerliche Entlastung der Unterhaltsleistungen an nicht haushaltszugehörige Kinder durch Anrechnung eines Teils der Transferleistungen (Unterhaltsabsetzbetrag, Kinderabsetzbetrag, aber auch Familienbeihilfe) auf den Unterhalt sei verfassungsrechtlich geboten (AZ B 1285/00).

In der Folge stellte unter anderem der Oberste Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) - anlässlich anhängiger Revisionsrekurse - den Antrag, § 12a FamLAG 1967 idF BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom , G 7/02 ua, hob der VfGH die im § 12a FamLAG enthaltene Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf. Er sprach aus, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten. In Anlehnung an das schon zuvor zitierte Erkenntnis vom führte der VfGH aus, nicht nur der Unterhaltsabsetzbetrag und der Kinderabsetzbetrag, sondern auch die Familienbeihilfe müssten der steuerlichen Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils dienen.

Angesichts dieser vom VfGH definierten Verfassungsrechtslage muss bei getrennten Haushalten der Eltern im Rahmen der Unterhaltsbemessung für Kinder gegebenenfalls auch die Familienbeihilfe - neben ihrer Funktion als Abgeltung von Betreuungsleistungen - auch zur steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen herangezogen werden. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 140 ABGB, namentlich dessen Abs 2 Satz 2, muss die Hälfte des vom Geldunterhaltspflichtigen geleisteten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Der jeweils maßgebliche Grenzsteuersatz (50 %, 41 % oder 31 %) ist pauschal abzusenken, weil ein Geldunterhaltspflichtiger typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte bezieht und auch diese begünstigten Einkünfte für die Unterhaltszahlungen verwendet werden können. Es ist nicht erforderlich, auf die individuellen Verhältnisse einzugehen. Da infolge der "Weiterverrechnung" eines Teils der Transferleistungen eine steuerliche Entlastung erfolgt, erhöht sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners und damit auch seine Unterhaltspflicht (Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, in SWK 2001, S 799 [803 f]). Deshalb erscheint es sachgerecht, den Grenzsteuersatz von 50 auf 40 %, den von 41 auf 33 % und schließlich den Grenzsteuersatz von 31 auf 25 % abzusenken (so Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltsansprüche, in JBl 2003 [in Druck]; 1 Ob 79/02b).

Die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Unterhaltsschuldners ist demnach wie folgt zu ermitteln:

Zuerst ist der dem Unterhaltsberechtigten gebührende Unterhalt - so wie bisher - nach rein unterhaltsrechtlichen Kriterien zu bemessen. Ausgehend von einem erzielbaren monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von 15.000 S (einschließlich der Sonderzahlungen) gebührt dem Minderjährigen an sich ein Unterhaltsanspruch von - wie die Vorinstanzen richtig erkannten - 3.000 S. Um feststellen zu können, welcher Grenzsteuersatz anzuwenden ist, bedarf es zwecks Gleichbehandlung der Unterhaltsschuldner, deren Leistungsfähigkeit im Wege der Anspannung ermittelt wird, mit anderen Unterhaltsschuldnern der Feststellung des Brutto-Jahreseinkommens des Geldunterhaltspflichtigen - ohne Sonderzahlungen (Urlaubs- bzw Weihnachtsgeld). Liegt das Bruttojahreseinkommen im Bereich zwischen 100.000 S (oder 7.270 EUR) und 300.000 S (oder 21.800 EUR), dann ist der auf 25 % abgesenkte Grenzsteuersatz von 31 % anzuwenden. Die Anwendung dieses reduzierten Steuersatzes ist - obwohl das Brutto-Jahreseinkommen des Vaters nicht ausdrücklich festgestellt wurde - berechtigt, weil der monatliche Nettobezug des Vaters unter Ausklammerung von Sonderzahlungen (Zorn aaO S 804) mit 12.850 S anzusetzen ist, sodass das jährliche Nettogehalt etwa 154.200 S beträgt; ohne dass es weiterer Ermittlungen bedürfte, ist davon auszugehen, dass das - erzielbare - Brutto-Jahreseinkommen des Vaters zwischen S 100.000 und S 300.000 liegt. Es ist also der halbe Unterhalt (1.500 S monatlich) mit 25 %, d.s. 375 S, steuerlich zu entlasten. Diese Entlastung erfolgt vorerst durch Anrechnung des dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil zukommenden Unterhaltsabsetzbetrags (§ 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG), und erst dann, wenn dieser zur gebührenden Entlastung nicht ausreicht, durch Einbeziehung des dem das Kind betreuenden Elternteil zukommenden Kinderabsetzbetrags und der diesem zufließenden Familienbeihilfe in die Entlastungsrechnung. Zieht man von dem Unterhaltsbetrag, der der steuerlichen Entlastung zuzuführen ist (375 S), den dem Vater zukommenden Unterhaltsabsetzbetrag von 350 S (oder 25,50 EUR) ab, so verbleibt rechnerisch ein Betrag von 25 S monatlich, um den zur steuerlichen Entlastung der nach rein unterhaltsrechtlichen Kriterien ermittelte Kindesunterhalt gegebenenfalls zu kürzen wäre. Dieser Betrag ist so geringfügig, dass er bei einer Unterhaltsbemessung, die rechnerisch nicht penibel genau zu erfolgen hat, unberücksichtigt bleiben kann, weshalb selbst unter Bedachtnahme auf die steuerlich gebotene Entlastung der Unterhaltspflichtigen eine Reduktion des von den Vorinstanzen festgesetzten Unterhalts nicht geboten ist.