OGH vom 25.10.2012, 2Ob92/12m

OGH vom 25.10.2012, 2Ob92/12m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj C***** S*****, geboren am ***** 1998, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirk 10, Van der Nüll Gasse 20, 1100 Wien, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 147/12v, 148/12s 61, womit der Rekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 6 Pu 265/10v 50, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 6 Pu 265/10v 52, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Obsorge über die Minderjährige kommt allein der Mutter zu. Seit werden der Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse gewährt. Aufgrund einer zwischen dem Jugendwohlfahrtsträger und dem Vater abgeschlossenen Unterhaltsvereinbarung war dieser zuletzt zur Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von 200 EUR verpflichtet.

Am beantragte der Vater seine monatliche Unterhaltspflicht auf 10 EUR herabzusetzen. Seit beziehe er einen Pensionsvorschuss von täglich 17,01 EUR.

Der zur Stellungnahme aufgeforderte Jugendwohlfahrtsträger erklärte namens der Minderjährigen, auf Wunsch der Mutter dem Herabsetzungsantrag für den Zeitraum ab zuzustimmen. Dieser an das Erstgericht gerichteten Erklärung war eine mit der Mutter aufgenommene Niederschrift angeschlossen.

Das Erstgericht setzte mit Beschluss vom mit Wirkung ab die Unterhaltsverpflichtung des Vaters von 200 EUR auf 10 EUR monatlich herab. Der Beschluss wurde nur mit dem Einvernehmen der Parteien begründet, dem pflegschaftsbehördliche Bedenken nicht entgegenstünden.

Dieser Beschluss wurde, wie der Oberste Gerichtshof erhoben hat, dem Jugendwohlfahrtsträger am zugestellt.

Mit weiterem Beschluss vom berichtigte das Erstgericht seine Entscheidung dahin, dass es im Spruch statt richtig zu lauten hat. Es liege ein offensichtlicher Schreibfehler vor.

Am langte beim Erstgericht ein am zur Post gegebener „Einspruch“ der Mutter gegen den Beschluss vom ein. Darin erklärte sie, mit der Herabsetzung der Unterhaltspflicht nicht einverstanden zu sein. Obwohl sie die Niederschrift beim Jugendamt unterschrieben habe, sei diese „falsch aufgenommen“ worden.

Das Erstgericht übermittelte diese Eingabe an den Jugendwohlfahrtsträger. Dieser erklärte mit Schriftsatz vom , dem Rekurs der Mutter „als Unterhaltsvertreter“ beizutreten. Die Mutter habe sich bei ihrer Zustimmung geirrt. Es könne nicht zu Lasten des Kindes gehen, dass der Vater nicht alle Möglichkeiten ausschöpfe um seiner Unterhaltspflicht nachzukommen.

Das Rekursgericht wies den gegen den erstinstanzlichen Beschluss gerichteten Rekurs der Minderjährigen zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Es vertrat die Ansicht, der Minderjährigen mangle es infolge der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters zum Herabsetzungsantrag des Vaters an der Beschwer. Ein Widerruf dieser Zustimmung sei im Rekursverfahren nicht mehr möglich.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil es an höchstgerichtlicher Judikatur zu der Frage fehle, ob im Außerstreitverfahren Prozesserklärungen auch noch im Rechtsmittelverfahren zurückgenommen werden könnten.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Minderjährigen gegen diese Rekursentscheidung erhobene Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die als erheblich iSd § 62 Abs 1 AußStrG erachtete Rechtsfrage ist für die Entscheidung nicht präjudiziell, weil der Rekurs der Minderjährigen schon aus den folgenden Gründen unzulässig war:

1. Die Mutter legte in ihrem Rekurs nicht offen, ob sie das Rechtsmittel im eigenen Namen oder im Namen der Minderjährigen erhob. Ein eigenes Rekursrecht stünde der Mutter im Verfahren über den Kindesunterhalt von vornherein nicht zu, sie wäre zur Erhebung des Rekurses im eigenen Namen nicht legitimiert (10 Ob 65/11y mwN). Im Zweifel, dh mangels eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte, ist aber davon auszugehen, dass sie namens der Minderjährigen tätig werden wollte (vgl RIS Justiz RS0079248). Dies deckt sich auch mit dem Verständnis des Rekursgerichts. Der Prüfung, ob die Minderjährige durch den erstinstanzlichen Beschluss unter den gegebenen Umständen beschwert sein kann, ist allerdings jene der gesetzlichen Vertretung des Kindes vorgelagert.

2. Der Jugendwohlfahrtsträger wird gemäß § 9 Abs 2 UVG mit der Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt werden, alleiniger gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche. Die ausschließliche Vertretungsbefugnis tritt ex lege ein, weshalb es weder eines gesonderten Bestellungsbeschlusses noch einer Zustimmung des allgemeinen gesetzlichen Vertreters des Kindes entsprechend § 212 Abs 2 ABGB bedarf. Die Befugnis zur Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung in den Unterhaltsangelegenheiten des Kindes steht dann nur mehr dem Jugendwohlfahrtsträger zu, während der sonstige gesetzliche Vertreter insoweit sein Vertretungsrecht verliert (vgl 1 Ob 57/01s mwN; 7 Ob 269/01m; 7 Ob 166/10b; RIS Justiz RS0047441, RS0076450, RS0076463; Neumayr in Schwimann/Kodek , ABGB I 4 § 9 UVG Rz 2 f).

3. Der Mutter stand daher kein Recht mehr zu, in Vertretung des Kindes Anträge zu stellen und Rechtsmittel zu erheben (vgl Neumayr aaO § 9 UVG Rz 11). Der Jugendwohlfahrtsträger ist aber berechtigt, eine andere Person wie hier die obsorgeberechtigte Mutter mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Kindes zu beauftragen. Hat die bisher obsorgeberechtigte Person ohne Ermächtigung des Jugendwohlfahrtsträgers einen Rekurs erhoben, kann der Jugendwohlfahrtsträger die meritorische Behandlung dieses Rechtsmittels erreichen, wenn er innerhalb der ihm offenstehenden Rekursfrist ausdrücklich dem Rekurs „beitritt“ (8 Ob 641/91; 1 Ob 57/01s; Neumayr aaO § 9 UVG Rz 11).

Der erstinstanzliche Beschluss wurde dem Jugendwohlfahrtsträger am zugestellt. Die 14 tägige Rekursfrist (§ 46 Abs 1 AußStrG) endete daher am . Der „Beitritt“ zum Rekurs der Mutter erfolgte somit erst nach dem Ablauf der dem Jugendwohlfahrtsträger dafür offenstehenden Frist.

4. Durch die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses vom wurde keine neue Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt:

Nach § 41 AußStrG sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die Ergänzung und Berichtigung von Entscheidungen sinngemäß anzuwenden, somit also die §§ 419, 423 und 430 ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beginnt nach Berichtigung einer Entscheidung nur dann eine neue Rechtsmittelfrist zu laufen, wenn die Parteien erst durch die Berichtigung volle Klarheit über den Entscheidungsinhalt erlangen konnten. Bestand für die Parteien aber schon vor der Berichtigung kein Zweifel über den wahren Entscheidungswillen des Gerichts, konnte mit der Zustellung der berichtigten Entscheidung keine neue Rechtsmittelfrist zu laufen beginnen (RIS Justiz RS0041797 [T1, T 45, T 52]). Diese Einschränkung soll eine missbräuchliche Verlängerung der Rechtsmittelfrist hintanhalten (2 Ob 179/09a). Ein neuer Fristenlauf wird aber auch dann nicht ausgelöst, wenn die Berichtigung die Stellung des Rechtsmittelwerbers nicht zu seinem Nachteil verändert (2 Ob 96/11y; RIS Justiz RS0041797 [T4]).

Im vorliegenden Fall begründete das Erstgericht seine Entscheidung ausschließlich mit dem Einvernehmen der Parteien, das hinsichtlich einer Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung ab dem vorlag. Es war für die Parteien demnach offenkundig, dass die ausgesprochene Herabsetzung ab nicht dem Entscheidungswillen des Erstgerichts entsprechen konnte. Die Berichtigung des Fehlers wirkte sich überdies zum Vorteil der Minderjährigen aus (Unterhaltsminderung erst ab einem späteren Zeitpunkt). Unter diesen Umständen blieb die ursprüngliche Rechtsmittelfrist maßgeblich.

5. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Mutter zur Erhebung des Rekurses namens der Minderjährigen nicht legitimiert war. Der „Beitritt“ des Jugendwohlfahrtsträgers, der den Mangel der Vertretungsmacht sanieren hätte könne, erfolgte außerhalb der Rechtsmittelfrist und ist deshalb unwirksam.

Die Zurückweisung des Rekurses der Minderjährigen entspricht im Ergebnis der dargestellten Rechtslage, ohne dass noch auf die Frage der Beschwer eingegangen werden müsste. Da sich der Revisionsrekurs nur mit dieser befasst, ist er mangels Dartuung einer erheblichen, für die Entscheidung auch präjudiziellen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.