OGH vom 22.05.2020, 5Ob69/20p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Erwachsenenschutzssache der A*****, vertreten durch Mag. Julia Fux, Rechtsanwältin in Neunkirchen, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 391/19t, 16 R 392/19i-39, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das bestellte in dem über Anregung der mit dem Scheidungsverfahren der Betroffenen befassten Richterin eingeleiteten Erwachsenenschutzverfahren einen Rechtsanwalt zu ihrem Rechtsbeistand. Mit einem weiteren Beschluss wurde dieser Rechtsanwalt zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter für sie mit dem Wirkungskreis der Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten und Sozialversicherungsträgern bestellt.
Das gab den von der Betroffenen selbst dagegen erhobenen Rekursen nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Da das Erwachsenenschutzverfahren nach den Ergebnissen der Erstanhörung hier fortzusetzen war und die Betroffene über keinen geeigneten Vertreter verfügte, war das Erstgericht gemäß § 119 AußStrG verpflichtet einen Rechtsbeistand zu bestellen. Warum dieser – zwingend zu fassende – Beschluss nur deshalb unrichtig sein sollte, weil er an sich schon zu einem früheren Zeitpunkt hätte gefällt werden müssen, führt die Betroffene in ihrem Revisionsrekurs nicht aus. Immerhin bot die Bestellung des Rechtsbeistands diesem die Möglichkeit, unabhängig von dem von der Betroffenen selbst erhobenen Rechtsmittel für sie Verfahrenshandlungen vorzunehmen und etwa den Beschluss über die Bestellung des Erwachsenenvertreters zu bekämpfen. Eine erhebliche Rechtsfrage wird mit dem Hinweis auf die verspätete Bestellung des Rechtsbeistands in diesem Zusammenhang daher nicht aufgezeigt, eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).
2.1. Das Rekursgericht hat sich entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs mit den von der Betroffenen vorgelegten Befunden der Allgemeinmedizinerin und des Psychiaters befasst und nachvollziehbar begründet, weshalb sie nicht geeignet sind, das schlüssige, im Bestellungsverfahren eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten zu entkräften. Eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt auch insoweit nicht vor.
2.2. Das Argument der verspäteten Bestellung des Rechtsbeistands im Verfahren bezog sich ausschließlich auf dessen Bestellungsbeschluss. Die Ausführungen im Revisionsrekurs lassen auch nicht ansatzweise erkennen, aus welchen Gründen eine verspätete Bestellung des Rechtsbeistands relevant für die Entscheidung über die endgültige Bestellung des Erwachsenenvertreters sein hätte können. Eine Mangelhaftigkeit könnte aber nur dann vorliegen, wenn der Mangel die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern geeignet gewesen wäre (§ 66 Abs 1 Z 2 AußStrG). Auch im Außerstreitverfahren obliegt es dem Rechtsmittelwerber darzutun, zu welcher anderen Sachverhaltsgrundlage die Vorinstanzen aufgrund eines mängelfreien Verfahrens gekommen wären (RS0122252 [T3]).
2.3. In § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannte Verfahrensverstöße nach § 56, 57 Z 1 und 58 AußStrG könnten zwar auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn sie vom Rekursgericht verneint oder im Rekurs nicht geltend gemacht wurden (vgl RISJustiz RS0121265). Die Betroffene behauptet eine Gehörverletzung aufgrund der verspäteten Bestellung ihres Rechtsbeistands im Revisionsrekurs nicht. Zum Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses über die Bestellung des Erwachsenenvertreters war sie außerdem bereits durch den Rechtsbeistand vertreten, der sich daher auch am Rekursverfahren beteiligen konnte. Im Rekursverfahren liegt daher kein Vertretungsmangel vor.
2.4. Die Ausführungen im Revisionsrekurs selbst versuchen in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichts anzugreifen. Auch im Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof aber nur Rechts und nicht Tatsacheninstanz (RS0007236 [T4]).
2.5. Auch im Außerstreitverfahren kann eine im Rekursverfahren versäumte Rechtsrüge im Revisionsrekurs nicht mehr nachgetragen werden (RS0043380 [T12]), was auch für unbekämpfte selbständige Streitpunkte zu gelten hat (RS0043480 [T22]). Dass in rechtlicher Hinsicht die Bestellung des Erwachsenenvertreters auch für medizinische Belange erforderlich gewesen wäre, war nicht Gegenstand des Rekurses der Betroffenen selbst. Im Revisionsrekurs, der außerdem nicht die Erweiterung des Umfangs des bestellten Erwachsenenvertreters, sondern die Aufhebung des Bestellungsbeschlusses anstrebt, kann sie dies nicht nachtragen. Soweit sie damit die inhaltliche Unrichtigkeit des Sachverständigengutachtens dartun will, ist dies eine vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbare Frage der Beweiswürdigung (RS0007236 [T4]).
3. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00069.20P.0522.000 |
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