OGH vom 14.12.2000, 6Ob76/00w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hans K*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Karl U***** GmbH, ***** gegen die beklagte Partei R***** reg.GenmbH, ***** vertreten durch Dr. Erwin Bajc und Dr. Peter Zach, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen 250.000 S, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom , GZ 2 R 150/99t-11, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom , GZ 6 Cg 178/98t-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 12.195,-- S (darin enthalten 2.032,50 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Gesellschaftsvertrag vom gründeten Karl U***** und Stefanie Z***** die Karl U***** GmbH, an der Karl U***** mit einer Stammeinlage von 480.000 S und Stefanie Z***** mit einer Stammeinlage von 20.000 S beteiligt waren. Ihr Geschäftsführer war Karl U*****.
Am eröffnete Karl U***** als Neukunde bei der Beklagten sowohl ein Privatkonto, auf das ihm ein Überziehungsrahmen von 300.000 S eingeräumt wurde, als auch ein Firmenkonto für die zu gründende GmbH. Zugleich wurde unter Ausnützung des gewährten Überziehungsrahmens am Privatkonto ein Betrag von 250.000 S dem Firmenkonto gutgeschrieben. Zur Besicherung des Privatkredites unterfertigten Karl U***** und Stefanie Z***** einen Blankowechsel und eine Wechselverpflichtungserklärung, in der die Beklagte zur Ausfüllung des Blankowechsels als Rektawechsel für einen Betrag bis zu 300.000 S ermächtigt wurde. Betreffend die Abdeckung des Privatkredites wurde mündlich vereinbart, dass Karl U***** monatlich 30.000 S in Form eines Dauerauftrages von seinem Geschäftsführergehalt auf das Privatkonto zu überweisen habe, und zwar beginnend mit 1996.
Ebenfalls am bestätigte die Beklagte gemäß § 10 Abs 3 GmbHG die Einzahlung der Stammeinlagen von 250.000 S und erklärte, dass das Guthaben auf dem Firmenkonto zur freien Verfügung der Geschäftsführer der Karl U***** GmbH stünden und diese in der Verfügung darüber nicht, namentlich nicht durch Gegenforderungen beschränkt seien.
Die Gesellschaft wurde am in das Firmenbuch eingetragen.
Auf das Privatkonto wurden im Jahr 1996 dreimal Beträge von 30.000 S überwiesen. Die auf dem Geschäftskonto vorhandene Einlage verwendete Karl U***** in der Folge für Geschäftszwecke.
Die Beklagte gewährte der Gesellschaft mehrere Kredite, und zwar erstmals bereits am .
Am wurde über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Die Beklagte meldete Konkursforderungen von rund 1,7 Mio S an.
Der klagende Masseverwalter begehrte Schadenersatz im Ausmaß des Deckungskapitals von 250.000 S, das den Gläubigern durch die Kreditierung dieser Stammeinlagen seitens der Beklagten entzogen worden sei. Infolge Kreditgewährung seien die Stammeinlagen nicht zur freien Verfügung des Geschäftsführers gestanden. Ein Betrag, den ein Gesellschafter nur zum Zweck der vorübergehenen Einlage ausgeliehen habe und zu dessen Rückzahlung sich die Geschäftsführer gegenüber den Gläubigern verpflichtet hätten, seien der Gesellschaft nicht endgültig zugeflossen. Die Bestätigung der Beklagten gemäß § 10 Abs 3 GmbHG sei wissentlich unrichtig, zumindest aber "bedenklich" gewesen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Bestätigung sei korrekt gewesen. Die Einzahlung auf das Firmenkonto sei nicht bloß vorübergehend erfolgt. Es habe sich auch nicht um eine Scheineinlage gehandelt. Vielmehr seien die eingezahlten Stammeinlagen der GmbH endgültig als vollwertiges Betriebskapital und reines Aktivum zugeflossen und als Haftungsfonds zur Verfügung gestanden. Der Geschäftsführer sei im Zeitpunkt der Ausstellung der Bestätigung in seiner Dispositionsbefugnis über den gutgeschriebenen Betrag nicht beschränkt gewesen. Es habe für die Beklagte keine Verrechnungsmöglichkeit zwischen dem belasteten Privatkonto und dem Firmenkonto bestanden. Ob der Gesellschafter die bar zu leistende Stammeinlage aus eigenen oder fremden Mitteln finanziere, sei unerheblich.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens, das abgewiesen wurde - statt. Der Beklagten habe auf Grund der mit Karl U***** vereinbarten Rückzahlungsverpflichtung klar sein müssen, dass das eingezahlte Stammkapital in weniger als acht Monaten zu Gunsten des Privatkredites aufgebraucht sein werde, dass Karl U***** über das auf dem Firmenkonto erliegende Geld nicht frei verfügen habe können und dass die Einzahlung auf die Stammeinlagen nicht dazu geeignet gewesen sei, einen dem Gesetzeszweck entsprechenden Haftungsfonds für die Gläubiger zu schaffen. Die von der Beklagten ausgestellte Bestätigung basiere auf einem äußerst bedenklichen Einzahlungsvorgang und sei im Hinblick auf die Vereinbarung über die Verwendung des Stammkapitals als falsch anzusehen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die Beklagte habe sich geradezu bewusst der Einsicht verschlossen, dass die Rückforderung des Privatkredites aus Gesellschaftsmitteln vorgenommen werde. Dadurch, dass sie die Verkoppelung von Ein- und Rückzahlung aus Gesellschaftsmitteln verschwiegen habe, habe sie eine im Ergebnis unrichtige Bestätigung ausgestellt. Die bloß vorläufige Verfügbarkeit über die Stammeinlage sei nicht mit einer freien Verfügbarkeit im Sinn des Gesetzes zu vergleichen. Der Beklagten habe bereits zum Zeitpunkt der Ausstellung der Bestätigung auf Grund der vereinbarten Rückzahlung des Privatkredites aus Mitteln der Gesellschaft bewusst sein müssen, dass der mit der Pflicht zur Zahlung einer Stammeinlage verbundene Zweck nicht erfüllt werde.
Seinen ursprünglichen Ausspruch, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte das Berufungsgericht auf Antrag der Beklagten gemäß § 508 Abs 3 ZPO im Sinn einer Bejahung der Revisionszulässigkeit ab, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage vorliege, ob die Bestätigung gemäß § 10 Abs 3 GmbHG bei einer Rückzahlungsvereinbarung wie der vorliegenden rechtsmissbräuchlich erfolge.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
§ 10 Abs 3 GmbHG fordert ebenso wie § 29 Abs 1 AktG (und § 155 Abs 2 AktG anlässlich von Kapitalerhöhungen) den Nachweis, dass die Geschäftsführer in der Verfügung über die eingezahlten Beträge nicht, namentlich nicht durch Gegenforderungen beschränkt sind. Ziel dieser Vorschriften ist es, die eingezahlten Stammeinlagen bzw Aktien als Haftungsfonds für die Gläubiger zu sichern. Das eingezahlte Kapital soll nicht nur im Interesse der Gesellschafter bzw Aktionäre, sondern auch im Interesse der Gläubiger möglichst voll zur Verfügung stehen, sodass die künftigen Gesellschaftsgläubiger mit dem Zugriff auf das Eigenkapital der Gesellschaft rechnen können, ohne dabei mit Forderungen von Gläubigern konkurrieren zu müssen, die durch Kreditieren des Stammkapitals selbst entstanden sind. Daher wird die - nach herrschender Ansicht verschuldensabhängige - Haftung des kontoführenden Kreditinstituts auch den Gläubigern gegenüber bejaht, wenn die von ihm ausgestellte, seit der Novellierung durch das IRÄG
1994 obligatorische Bestätigung unrichtig ist (4 Ob 546/91 = SZ
64/143 = ÖBA 1992/333, 568 [Nowotny]; 8 Ob 629/93 = SZ 67/132 = ÖBA
1994/462, 978 [Jabornegg]; Koppensteiner, GmbH-Gesetz2, Rz 29 zu § 10 GmbHG mwN; Umfahrer, Die GmbH5 Rz 138 je mwN; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht2 I, Rz 1/596 ff).
Es ist zwar unerheblich, ob die Gesellschafter die bar zu leistende
Stammeinlage aus eigenen oder fremden Mitteln aufbringen. Auch wenn
sie sich die Mittel für die Einzahlung auf Kredit beschaffen, stehen
die Einlagen zur freien Verfügung der Gesellschaft. Anders ist dies
jedoch dann, wenn es sich um eine bloße Scheineinlage handelt oder
die Gesellschaft selbst für diesen Betrag haftet oder das Geld wieder
an den Gesellschafter zurückfließen soll, weil ja dann die
Stammeinlage nicht als vollwertiges Betriebskapital zur Verfügung
steht (4 Ob 546/91; 6 Ob 563/94 = GesRZ 1994, 223 = ecolex 1994, 545
= HS 25.183; Wünsch, Kommentar zum GmbHG, Rz 29 zu § 10 GmbHG).
Wie Jabornegg (Anmerkung zu 8 Ob 629/93, ÖBA 1994, 980 [981]) zutreffend darlegt, bedeutet eine bloß vorläufige Verfügbarkeit keine "freie" Verfügbarkeit im Sinne des Gesetzes. Zudem kommt es darauf an, ob die Bank bei Abgeben der Erklärung mit entsprechender Sorgfalt vorgegangen ist. Die Bank haftet, wenn die Ausstellung der falschen Bestätigung entweder trotz besseren Wissens der Bank bzw der ihr zurechenbaren Leute erfolgte oder wenn die Bank bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen können, dass die bestätigte freie Verfügbarkeit nicht wirklich bestand.
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Gutschrift der Stammeinlagen am Firmenkonto ohne jeglichen tatsächlichen Geldfluss erfolgte. Der gesamte Betrag wurde von der die Bestätigung ausstellenden Bank kreditiert. Zu diesem Zweck wurden zwar zwei Konten, nämlich ein auf den Geschäftsführer lautendes Privatkonto und ein Gesellschaftskonto eröffnet. Es erfolgten aber nicht nur die Kreditgewährung und die Gutschrift in einem, und zwar lediglich durch einen Buchungsvorgang, sondern es wurde auch eine Rückzahlungsverpflichtung vereinbart, bei der für die Beklagte klar sein musste, dass Karl U***** diese nur durch Abschöpfungen von den auf dem Firmenkonto erliegenden Stammeinlagen nachkommen werden könne: Die beiden Gesellschafter verfügten nicht einmal über so viel Barmittel, um zumindest einen Teil der Stammeinlagen aus eigenem aufzubringen. Die ausdrückliche Absprache, dass der Geschäftsführergehalt zur Kreditabdeckung heranzuziehen sei, und zwar "sicherheitshalber" durch Erteilung eines Dauerauftrages, macht deutlich, dass mit anderen Einkünften des Karl U*****, der zugleich Kreditnehmer, Geschäftsführer und Hauptgesellschafter der GmbH war, nicht zu rechnen war. Unter den gegebenen Umständen war es illusorisch anzunehmen, dass das ohne jedes Startkapital neu gegründete Unternehmen schon in absehbarer Zeit soviel Gewinn abwerfen werde, dass die Gesellschaft ein Geschäftsführergehalt auszahlen könne, von dem der Geschäftsführer nicht nur seine Lebenshaltungskosten, sondern auch Kreditrückzahlungen von monatlich S 30.000 leisten werden könne. Die Rückzahlungsverpflichtung konnte bei realistischer Betrachtungsweise nichts Anderes bedeuten, als dass das eingezahlte Stammkapital innerhalb kurzer Zeit wieder an die kreditierende Bank zurückfließen solle. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Sicht der Dinge (vgl 6 Ob 563/94 zur vergleichbaren Problematik der Umgehung des Aufrechnungsverbotes nach § 63 Abs 3 GmbHG) reduzierten sich die beschriebenen Vorgänge, die zur Gutschrift der Stammeinlagen auf dem Firmenkonto führten, in Wahrheit darauf, dass der betreffende Betrag zur Verfügung gestellt wurde, um die Firmenbucheintragung zu erwirken, dann aber wieder, wenn auch nicht in einem Zug, sondern in mehreren größeren Raten, zurückgegeben werden sollte.
Die hier zu beurteilende Vorgangsweise steht somit den Wertungen der gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen, dass insbesondere im Fall eines beschränkten Haftungszugriffes stets die Gläubigerinteressen zu wahren sind und daher die reale Aufbringung des Stammkapitals umfassend und zwingend gesichert sein muss (6 Ob 563/94), in nicht zu vereinbarendem Widerspruch. Der vorliegende Sachverhalt rechtfertigt die Annahme, dass gezielt nach Wegen gesucht wurde, wie formal eine Bankbestätigung nach § 10 Abs 3 GmbHG gerechtfertigt werden kann, ohne dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung gerecht zu werden (Jabornegg aaO 982). Da die der Bestätigung vorangehenden Vorgänge der Sphäre der bestätigenden Bank zuzurechnen sind und diese wissen musste, dass die Rückzahlungsverpflichtung das Stammkapital vermindern werde, ist hier nicht von einem bloßen Sorgfaltsverstoß der Bank, sondern von einer wissentlich unrichtigen Bestätigung auszugehen, sodass auf die (der Bankhaftung generell kritisch gegenüberstehenden) Ausführungen Koziols, Haftung der Bank bei Bestätigung der freien Verfügung über Bareinlagen, ÖBA 1996, 272 (277), nach denen für die Bankhaftung zumindest Wissentlichkeit vorauszusetzen sei, nicht weiter einzugehen ist.
Es ist zwar richtig, dass die Bank nur für die Richtigkeit der Bestätigung auf den Zeitpunkt ihrer Austellung bezogen haftet und dass das Gesetz der Bank keine weitergehende Verpflichtung auferlegt, sodass sie auch nicht die weiteren Kontobewegungen auf dem Gesellschaftskonto, auf das sich die ausgestellte Bestätigung bezieht, zu überwachen hat (4 Ob 546/91). Dies ändert aber im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten nichts an ihrer Haftung, weil im vorliegenden Fall schon im Zeitpunkt der Bestätigung über die freie Verfügbarkeit der Stammeinlagen von deren Aufzehrung durch die vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung ausgegangen werden musste, ohne dass es besonderer Prognosen über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft bedurfte.
Soweit sich die Beklagte auf die Entscheidung 15 Os 120/88 = RdW 1990, 13 beruft, ist ihr zu erwidern, dass zwar in dieser Entscheidung (und ihr folgend in 13 Os 125/92) die Verwirklichung des Tatbildes des § 122 Abs 1 GmbHG und die Unrichtigkeit der Bestätigung nach § 10 Abs 3 GmbHG selbst bei vorausgeplanter Rückzahlung der von einem Gründer geleisteten Stammeinlage verneint wurde. Dieser Ansicht
ist aber bereits die Entscheidung 3 Ob 323/97j = WBl 1998, 268 = RdW
1998, 276 = RZ 1999, 229/59 unter Hinweis auf die Ausführungen in 4
Ob 546/91 entgegengetreten: Die Erfüllung des bloß auf eine logische Sekunde (Einlangen beim Firmenbuchgericht) abgestellten Erfordernisses der inhaltlichen Richtigkeit einer Erklärung gemäß § 10 Abs 3 GmbHG möge zwar die Strafbarkeit nach § 122 Z 1 GmbHG ausschließen; nicht vermeidbar sei dagegen die zivilrechtliche Haftung der Geschäftsführer für jedes dem Schutzzweck des § 10 Abs 3 GmbHG widersprechenden Verhaltens, wäre es doch sonst ein Leichtes, Gesellschaften ohne jeden für deren Gläubiger realistisch verfügbaren Haftungsfonds zu gründen. Auch der erkennende Senat pflichtet dieser Ansicht bei und sieht keinen Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung der Zivilsenate abzugehen.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die die Bankhaftung zutreffend bejaht haben, waren daher zu bestätigen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.