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OGH vom 23.10.2018, 4Ob81/18t

OGH vom 23.10.2018, 4Ob81/18t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Familienrechtssache des am ***** 2010 geborenen minderjährigen Antragstellers J***** W*****, in Pflege und Erziehung bei der Mutter V***** W*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (Zahl V-131-01613/2010), gegen den Antragsgegner F***** J*****, vertreten durch Dr. Meinrad Einsle und andere Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Feststellung der Vaterschaft, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 1 R 50/18p-31, womit der Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom , GZ 8 FAM 13/10p-17, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller lebt in Österreich, der Antragsgegner lebte im Jahr 2010 in Frankreich. Zustellungen an letzteren fielen daher in den Anwendungsbereich der Europäischen Zustellverordnung (EuZVO; vgl Art 1 Abs 1 EuZVO).

Das Erstgericht stellte mit Beschluss vom den Antragsgegner als Vater des Antragstellers fest. Die Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsgegner erfolgte gemäß § 10 ZustG durch Hinterlegung bei Gericht.

Dem Antragsgegner war am ein Auftrag nach § 10 ZustellG mit der Ankündigung der weiteren Zustellung ohne Zustellversuch durch Hinterlegung beim Erstgericht erteilt worden; der Beschluss wurde ihm samt Übersetzung zugestellt und nicht bekämpft, sodass er in Rechtskraft erwuchs. Weitere Zustellungen erfolgten nicht.

Mit Eingabe vom erhob der Antragsgegner unter anderem Rekurs gegen den Beschluss vom , weil die Zustellung entgegen der EuZVO erfolgt sei.

Das wies den Rekurs – unter anderem unter Berufung auf 10 Ob 59/08m – als verspätet zurück, weil die Zustellung des angefochtenen Beschlusses aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses nach § 10 ZustG durch Hinterlegung bei Gericht wirksam erfolgt und die Rechtsmittelfrist daher längst abgelaufen sei. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nicht zu.

Dagegen richtet sich der des Antragsgegners mit dem Antrag auf Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist und im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses .

Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 10 Ob 59/08m wurde vom Obersten Gerichtshof mit der Entscheidung 2 Ob 101/14p zu § 98 ZPO als Nachfolgebestimmung des § 10 ZustG unter Auseinandersetzung mit der dazu veröffentlichten Literatur (Brenn, ÖJZ 2013/96, Falmbigl, ZAK 2013/491) fortentwickelt. Demnach sind der gerichtliche, in Rechtskraft erwachsene Auftrag gemäß § 98 ZPO und die durch das Nichtbefolgen des Auftrags ausgelöste Anordnung der Zustellung ohne Zustellnachweis hinsichtlich ihrer Rechtswirkungen gesondert zu beurteilen. Verstößt die Zustellung ohne Zustellnachweis gegen Unionsrecht, löst sie keine Zustellungswirkung aus. Die Rechtskraft eines zuvor wirksam erfolgten Auftrags zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern (2 Ob 101/14p = RIS-Justiz RS0129864).

Im Anwendungsbereich der EuZVO ist eine Zustellung ohne Zustellnachweis (samt Zustellfiktion), wie sie § 98 ZPO für den Fall der Nichtbenennung eines Zustellbevollmächtigten vorsieht, unionsrechtswidrig (vgl EuGH C-325/11, Alder; RIS-Justiz RS0129144).

Die zu 2 Ob 101/14p vorgenommene Beurteilung findet auch auf die Vorgängerbestimmung des § 98 ZPO, nämlich auf § 10 ZustG Anwendung, zumal kein Grund für eine unterschiedliche Beurteilung ersichtlich ist (vgl auch Gitschthaler in Rechberger, ZPO4 § 10 ZustG Rz 3/1, wonach § 10 ZustG idF vor der ZustG-Nov 2008, der für den Fall der Nichtbeachtung des gerichtlichen Auftrags zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten Hinterlegungen nach § 23 ZustG [bei der Behörde] vorsah, gemeinschaftsrechtswidrig gewesen sei).

Folglich war die Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses über die Feststellung der Vaterschaft des Antragsgegners an diesen durch Hinterlegung beim Erstgericht unwirksam.

Der dagegen erhobene Rekurs war daher nicht verspätet. Die angefochtene Entscheidung ist somit aufzuheben und dem Rekursgericht ist die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00081.18T.1023.000

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