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OGH vom 22.02.1947, 1Ob95/47

OGH vom 22.02.1947, 1Ob95/47

Norm

ABGB § 509;

ABGB § 510;

ABGB § 613;

ABGB § 652;

Außerstreitgesetz § 9;

Außerstreitgesetz § 158;

Grundbuchsgesetz § 94;

Kopf

SZ 21/22

Spruch

Rekursrecht des Substitutionslegatars gegen die grundbücherliche Übertragung des Eigentums am Substitutionsgut.

Die fideikommissarische Substitution begrundet eine Beschränkung der Verfügungsfähigkeit des Vorvermächtnisnehmers nach § 94, Abs. 1, Z. 2 GBG., die vom Grundbuchsrichter, wenn sie ihm amtlich zur Kenntnis gelangt, auch dann zu beachten ist, wenn sie im Grundbuch nicht ersichtlich ist.

Grundbücherliche Eintragungen sind schon dann zu verweigern, wenn beachtliche Gründe für die Annahme einer Beschränkung der Verfügungsfähigkeit zu sprechen scheinen.

Entscheidung vom , 1 Ob 95/47.

I. Instanz: Bezirksgericht Landeck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Der Erstrichter hat den Antrag, die zur Durchführung des Übergabsvertrages de dato erforderlichen grundbücherlichen Eintragungen ob der Liegenschaft EZ. 44 II der Katastralgemeinde St. A. zu bewilligen, unter Berufung auf den § 94, Abs. 1, Z. 2 GBG. abgewiesen, weil er, obwohl nach dem Grundbuchsstand kein Hindernis gegen die aufrechte Erledigung des Ansuchens vorlag, Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der Übergeberin H. F. zur Verfügung über die übergebene Liegenschaft hegte. Laut dem Akte A 141/27 bestehe an dieser Liegenschaft ein Substitutionsband des Inhaltes, daß für die Liegenschaft im Falle, als der Sohn der Eigentümerin H. F. vor erreichter Großjährigkeit sterben sollte, deren Geschwister als Nachvermächtnisnehmer berufen sind. Der in der Substitutionsverfügung genannte Sohn der H. F., R. F., sei laut dem Akte A 24/37 vor erreichter Großjährigkeit gestorben. Es sei daher der Substitutionsfall eingetreten und H. F., nicht mehr berechtigt, die Liegenschaft an ihre Stiefkinder zu übertragen.

Infolge des Rekurses der Antragsteller hat das Rekursgericht die beantragten Grundbucheintragungen bewilligt und dem Erstgericht deren Vollzug aufgetragen. Das Rekursgericht war der Ansicht, daß die in einer fideikommissarischen Substitution gelegene Verfügungsbeschränkung sich nicht als eine Beeinträchtigung der persönlichen Fähigkeit des mit der Substitution Belasteten im Sinne des § 94, Abs. 1, Z. 2 GBG. darstelle. Hierunter fielen nur Mängel der Handlungsfähigkeit, die in der Person lägen. Wenn H. F. durch die Substitution gebunden sei, dann habe sie wohl nicht das Recht, die Liegenschaft zu veräußern, doch mangle ihr aus diesem Gründe nicht die persönliche Handlungsfähigkeit. Der Grundbuchsrichter habe das der Urkunde zugrunde liegende Rechtsverhältnis keiner Prüfung zu unterziehen. Die durch die vorgelegte Urkunde nachgewiesene Rechtlage rechtfertige im vorliegenden Falle formell die Eintragung.

Gegen diesen Beschluß haben zwei Geschwister der Übergeberin, zu deren Gunsten die Substitution angeordnet worden war, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung Revisionsrekurs eingelegt. Die Berechtigung der Revisionsrekurswerber, welche die nächsten Anwärter auf das Substitutionsgut sind, zur Beschwerde gegen die ihr allfälliges künftiges freies Eigentum an dem Gute gefährdende Eigentumsübertragung kann insbesondere im Hinblick darauf, daß die Antragsteller schon in diesem Verfahren (Rekurs) die Gültigkeit der Übernahme geflissentlich hervorheben, nicht zweifelhaft sein (§ 9, Abs. 1 AußstrG.; E. v. 29. Mai 1883, GlU. 9457).

Der Oberste Gerichtshof stellte den erstrichterlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Die Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel hängt von zwei Rechtsfragen ab:

1. Wird durch eine fideikommissarische Substitution die persönliche Fähigkeit des Vorerben (Vorvermächtnisnehmers) zur Verfügung über das Substitutionsgut berührt?

2. Im Falle der Bejahung dieser Frage: Waren die Bedenken des Erstrichters gegen die persönliche Fähigkeit der H. F. zur Übertragung des Eigentums an dem Substitutionsgut begrundet? ad 1. Gemäß den §§ 613, 652 ABGB. kommt dem eingesetzten Erben (Vermächtnisnehmer), bis der Fall der fideikommissarischen Substitution eintritt, das beschränkte Eigentumsrecht mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers zu. Dem Fruchtnießer steht aber nach den §§ 509, 510 ABGB. das Recht der Verfügung über die Substanz des Fruchtgenußvermögens und zu dessen Veräußerung nicht zu. Die fideikommissarische Substitution hat daher eine Beschränkung der freien Vermögensverwaltung des eingesetzten Erben in bezug auf das Substitutionsgut zur Folge, die nur ihn für seine Person trifft. Aus dieser Erkenntnis hat der Oberste Gerichtshof in dem Judikat 214 (GlUNF. 7349) ausgesprochen, daß die fideikommissarische Substitution im Grundbuche im Eigentumsblatt bei dem Rechte des Vorerben anzumerken ist. Diese Anmerkung hat - so führt das Judikat aus den Charakter einer allgemeinen Verlautbarung der Beschränkung des Vorerben in der Verfügung über das unbewegliche Gut, worin die Sicherung des Nacherben gelegen ist, wie sie der § 158 AußstrG. vor Augen hat. Die grundbücherliche Anmerkung der Beschränkung des Eigentumsrechtes durch die fideikommissarische Substitution bei der Eintragung des Eigentums des Vorerben (Vorvermächtnisnehmers) hat zur Folge, daß der Grundbuchsrichter die Übertragung des Eigentums an dem Substitutionsgut im Grundbuch nicht durchführen darf, wenn ihm nicht die Zustimmung der Substitutionsbehörde und der Nacherben (Nachvermächtnisnehmer) nachgewiesen ist, u. zw. selbst dann nicht, wenn der Käufer die Liegenschaft mit der Beschränkung der fidekommissarischen Substitution erwerben will (Bartsch, 7. Auflage, S. 154). Aus diesen Erwägungen kommt der Oberste Gerichtshof zu dem Schlusse, daß die fideikommissarische Substitution eine Beschränkung der persönlichen Fähigkeit des Vorerben (Vorvermächtnisnehmer) zur Verfügung über das Substitutionsgut im Sinne des § 94, Abs. 1, Z. 2 GBG. darstellt. Als solche ist sie nach dieser Vorschrift vom Grundbuchsrichter auch dann zu beachten, wenn sie zwar nicht aus dem Grundbuche ersichtlich, ihm aber sonst aus seiner amtlichen Tätigkeit zur Kenntnis gekommen ist (Klang, I/2, S. 198). Der Erstrichter war demzufolge im vorliegenden Falle berechtigt und verpflichtet, auf die ihm durch seine Tätigkeit als Abhandlungsrichter bekannt gewordene Tatsache des an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft bestehenden Substitutionsbandes bei der Erledigung des Grundbuchsgesuches Rücksicht zu nehmen. ad 2. Aus dem Vorbringen der Beteiligten in den verschiedenen Rechtsmittelschriften und den dem Obersten Gerichtshof vorliegenden Beschlüssen des Bezirksgerichtes Landeck vom , A 141/27, und des Landesgerichtes Innsbruck vom , 4 R 164/46, ergibt sich folgender Sachverhalt: Die am verstorbene Mutter der H. F., M. A., hat in ihrem Testamente vom der H. F. die verfahrensgegenständliche Liegenschaft vermacht und dieses Vermächtnis durch ein Nachvermächtnis folgenden Inhaltes beschränkt:

"Sollte jedoch das Kind dieser Tochter H. F. vor erreichter Großjährigkeit sterben, so fällt dieser Grundbesitz meinen übrigen Kindern zum Eigentum zu." Im Zuge der Abhandlung nach M. A. haben die Erben ein Übereinkommen geschlossen, in dem diese Substitution nicht erwähnt wurde. Die Einantwortungsurkunde und das Abhandlungsprotokoll mit dem Erbübereinkommen wurde, da im Jahre 1928 für die Gemeinde St. A. noch das Verfachbuch bestanden hat, verfacht. Bei der Anlegung des Grundbuches für diese Gemeinde wurde das Substitutionsband im Grundbuche nicht angemerkt. Der in dem Testamente angeführte Sohn der Vorvermächtnisnehmerin H. F., R. F., ist im Februar 1937 vor erreichter Großjährigkeit gestorben. Während nun H. F. in dem beim Abhandlungsgerichte durchgeführten Verfahren wegen Wiederaufnahme der Verlassenschaftsabhandlung nach M. A. auf dem Standpunkt steht, daß ihre Geschwister in dem Erbübereinkommen auf ihre Rechte als Nachvermächtnisnehmer verzichtet hätten, vertreten diese Geschwister die Rechtsansicht, daß die in dem Testament ihrer Mutter verfügt Substitution durch das Erbübereinkommen nicht berührt worden sei.

Die Frage, welche der beiden Parteien im Rechte ist, hatte der Grundbuchsrichter nicht zu entscheiden. Denn der § 94, Abs. 1, Z. 2 GBG. spricht nur von begrundeten Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit eines Beteiligten zur Verfügung über den Gegenstand der Eintragung. Das Gesetz untersagt dem Grundbuchsrichter also nicht erst dann die Bewilligung einer Grundbuchseintragung, wenn der Mangel der Verfügungsmacht eines Beteiligten klar zutage liegt, sondern macht ihm diese Vorsicht schon dann zur Pflicht, wenn die Beschränkung der Verfügungsfähigkeit aus beachtlichen Gründen anzunehmen ist. Diese Voraussetzung lag aber im gegebenen Falle vor, weil einerseits auf Grund des Abhandlungsaktes nach M. A. feststeht, daß die Erblasserin die der H. F. vermachte Liegenschaft mit einer fideikommissarischen Substitution zugunsten ihrer anderen Kinder belastet hat, anderseits eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen H. F. und den Nachvermächtnisnehmern über die Aufhebung des Sustitutionsbandes aus dem Akte nicht zu entnehmen ist. Die vom Erstrichter gegen die persönliche Fähigkeit der H. F. zur Verfügung über die übergebene Liegenschaft gehegten Bedenken sind also wohnbegrundet und der Richter hat daher das Grundbuchsgesuch mit Recht abgewiesen.

Aus diesen Gründen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen.