OGH vom 14.06.2017, 7Ob75/17f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. M***** D*****, vertreten durch Dr. Georg Birkner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Senator KR DI Dr. A***** D*****, vertreten durch Lanker Obergantschnig Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, wegen Abgabe einer Erklärung und Urkundenvorlage, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 159/16a30, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird berichtigt auf „Verlassenschaft nach DI Dr. A***** D*****, geboren am *****, verstorben am *****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****“.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Antrags auf Berichtigung der Parteibezeichnung selbst zu tragen.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Zu I.:
Die Berichtigung beruht auf § 419 ZPO. Eine unrichtige oder fehlerhafte Parteienbezeichnung ist auch vom Rechtsmittelgericht zu berichtigen (RISJustiz RS0039666). Der während des Rechtsmittelverfahrens verstorbene Beklagte war von einem Rechtsanwalt vertreten, sodass keine Unterbrechung des Verfahrens eintrat (7 Ob 20/13m; vgl RISJustiz RS0035686). Die Kosten des Antrags auf Berichtigung der Parteibezeichnung hat die beklagte Partei gemäß §§ 50, 40 Abs 1 ZPO selbst zu tragen.
Zu II.:
1. Gemäß Art XLIII EGZPO kann die Vorlage einer gemeinschaftlichen Urkunde (§ 304 ZPO) auch außerhalb eines anhängigen Rechtsstreits im Weg der Klage gefordert werden. Ein Anspruch auf Urkundenvorlage gemäß Art XLIII EGZPO setzt nur voraus, dass es sich bei der streitverfangenen Urkunde um eine gemeinschaftliche nach § 304 ZPO handelt (1 Ob 94/06i; 5 Ob 225/08m, RISJustiz RS0120878). Als gemeinschaftlich gilt nach § 304 Abs 2 ZPO eine Urkunde insbesondere für die Personen, in deren Interesse sie errichtet ist oder deren gegenseitige Rechtsverhältnisse darin bekundet sind. Als gemeinschaftlich gelten auch die über ein Rechtsgeschäft zwischen den Beteiligten oder zwischen einem derselben und dem gemeinsamen Vermittler des Geschäfts gepflogenen schriftlichen Verhandlungen.
2. Was als gemeinschaftliche Urkunde zu verstehen ist, demonstriert § 304 Abs 2 ZPO anhand zweier Beispielsgruppen. Nach der ersten Alternative muss die Urkunde jedenfalls auch im Interesse des die Vorlage Verlangenden geschaffen worden sein. Ausschlaggebend dafür ist, ob die Urkunde dem ihre Vorlage Begehrenden als Beweismittel dienen oder seine rechtlichen Beziehungen auf andere Weise sichern, klären oder auf sie fördernd einwirken soll. Ob sie diese Funktion erfüllt, hängt vom Zweck der Urkundenerrichtung ab (vgl RISJustiz RS0035021; 2 Ob 151/97p = ZVR 1999/122, 410 = VersE 1772; 1 Ob 2151/96x = JBl 1996, 733). Liegt nicht dieser Regelfall vor, in dem der Anspruchsteller und der Urkundenbesitzer durch das beurkundete Rechtsverhältnis verbunden sind, kommt es nach der zweiten Alternative des § 304 Abs 2 ZPO für die Beurteilung der Gemeinschaftlichkeit einer Urkunde nicht auf deren Zweck, sondern allein auf deren Inhalt an. In solchen Fällen genügt es, wenn der beurkundete Vorgang mit dem Rechtsverhältnis, an dem der die Vorlage Begehrende beteiligt ist, – objektiv betrachtet – in einer unmittelbaren rechtlichen Beziehung steht (9 ObA 153/88 = SZ 61/208). Bei Fehlen einer Verbindung des Anspruchstellers und des Urkundenbesitzers durch ein ihnen gemeinsames Rechtsverhältnis ist somit die Frage nach der Gemeinschaftlichkeit einer Urkunde nach deren Inhalt zu lösen (4 Ob 519/94) und dazu reicht es aus, dass die Urkunde eine objektive und unmittelbare Beziehung zu dem Rechtsverhältnis aufweist, an dem der die Vorlage Begehrende beteiligt ist (1 Ob 2151/96x = JBl 1996, 733; 5 Ob 225/08m).
3. Das auf Art XLIII EGZPO gestützte Begehren des Klägers ist auf einen näher bezeichneten Aktenvermerk gerichtet, den ein Rechtsvertreter des Beklagten angefertigt hat. Zuvor waren bei der gerichtlichen Verhandlung am über Ersuchen der Parteienvertreter Vergleichsgespräche geführt worden. Es war zwar nicht beabsichtigt, einen gerichtlichen Vergleich zu schließen, doch war geplant, zwei Tage nach der Verhandlung eine entsprechende Vereinbarung in Form eines Notariatsakts abzuschließen. In der Verhandlung wurde dann eine grundsätzliche Einigung der Streitteile erzielt und es sollte deren Inhalt „im Einvernehmen aller Beteiligten“ in einem Aktenvermerk festgehalten werden, den ein Rechtsvertreter des Beklagten im Gerichtssaal laut diktierte. Dieser Vorgang und der zum Verhandlungsergebnis vom Beklagten eingenommene Standpunkt, nämlich „dass ihm die im Aktenvermerk … festgehaltene inhaltliche Einigung vollumfänglich verständlich war und dass er diese Einigung aus freiem Willen anstrebt“, wurden im gerichtlichen Verhandlungsprotokoll festgehalten.
4. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Aktenvermerk im gegenseitigen Einvernehmen der Parteien gepflogene Verhandlungen über ein (ua) zwischen dem Kläger und dem Beklagten als unmittelbar bevorstehend geplantes Rechtsgeschäft dokumentieren sollte, hält sich damit im Rahmen der Judikatur. In diesem Sinn kann dem Aktenvermerk die von der zuvor wiedergegebenen Rechtsprechung verlangte Funktion beigemessen werden, die rechtlichen Beziehungen ua des Klägers zu sichern, zu klären und darauf fördernd einzuwirken. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts steht daher mit den einschlägigen Judikaturgrundsätzen in Einklang.
5. Dass eine weitere voraussichtliche Vertragspartei an besagten Verhandlungen nicht teilgenommen hat, steht – entgegen der durch keine einschlägige Rechtsprechung belegten Ansicht des Beklagten – der zuvor beschriebenen Funktion des Aktenvermerks für den Kläger nicht entgegen. Die Behauptung des Beklagten, der Kläger sei selbst nicht bei der Verhandlung anwesend gewesen, ist zwar zutreffend, doch war dieser durch insgesamt drei Personen vertreten und insoweit an den Verhandlungen beteiligt. Diese Einwände des Beklagten vermögen daher die von den Vorinstanzen bejahte Eigenschaft des Aktenvermerks als eine den Parteien gemeinschaftliche Urkunde keinesfalls als unvertretbar zu erweisen.
6. Auf welche Art und Weise die Urkundenvorlage zu erfolgen hat, richtet sich regelmäßig nach der Beschaffenheit und dem Umfang der betreffenden Urkunde sowie nach dem legitimen Zweck der Urkundeneinsicht (5 Ob 225/08m). Die hier ausgesprochene Verpflichtung, den Aktenvermerk dem Kläger „physisch oder in elektronischer Form vorzulegen und ihm eine Kopie davon zu übergeben“ ist entgegen der Ansicht des Beklagten durch Art XLIII EGZPO gedeckt. Es ist zulässig, die Ausfolgung einer Fotokopie zu begehren (1 Ob 94/06i). Der Auftrag zur Urkundenvorlage ist zur Überprüfung der Übereinstimmung von Fotokopie und Original vertretbar (vgl 6 Ob 552/95; RISJustiz RS0035065 ferner Konecny in Fasching/Konecny3 II/1 Art XLIII EGZPO Rz 8 mwN aus der Judikatur).
7. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision unzulässig und daher zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00075.17F.0614.000 |
Schlagworte: | 1 Generalabonnement,14 (Zivil-)Verfahrensrechtliche Entscheidungen |
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