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OGH vom 21.05.2015, 1Ob95/15z

OGH vom 21.05.2015, 1Ob95/15z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin C***** F*****, vertreten durch Dr. Andreas Hochwimmer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Antragsgegner G***** F*****, vertreten durch die Kinberger Schuberth Fischer Rechtsanwälte GmbH, Zell am See, wegen nachehelicher Vermögensaufteilung, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 21 R 223/14m 28, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom , GZ 25 Fam 14/13v 22, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Aufteilungsantrag abgewiesen wird.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 2.309,14 EUR (darin 350,86 EUR USt und 204 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft vorhandene Vermögen der Ehegatten stammte aus dem Verkaufserlös einer Liegenschaft, die der Antragsgegner während der Ehe von seinem Vater geschenkt bekommen hatte. Die im Jahr 2001 von ihm erworbene Ehewohnung weist eine Nutzfläche von rund 90 m² plus Balkon und Kellerräumen auf. Einschließlich der Einrichtungsgegenstände wendete er rund 290.000 EUR für den Erwerb und die Ausstattung der Wohnung auf. Die Antragstellerin verließ die Ehewohnung am , weil ihr ein weiteres Zusammenleben unzumutbar erschien. Sie wohnt(e) vorübergehend in der Wohnung ihres Sohnes in Tirol und seit Juli 2011 in einer 35 m² Mietwohnung im Wohnort des Sohnes, für die sie einschließlich Betriebskosten 400 EUR bezahlt. Sie möchte wegen der jahrzehntelangen sozialen Kontakte wieder in ihren bisherigen Wohnort zurückkehren. An Pensionseinkünften bezieht die Antragstellerin monatlich durchschnittlich 954 EUR, der Antragsgegner 1.490 EUR; er besitzt noch erhebliches Vermögen aus dem Verkaufserlös der ihm geschenkten Liegenschaft.

Die Antragstellerin begehrte die Aufteilung des ehelichen Vermögens und brachte im Wesentlichen vor, dass die bisherige Ehewohnung in die Aufteilung einzubeziehen sei, weil sie unter der Armutsgefährdungsgrenze lebe, auf die Weiterbenützung zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse angewiesen sei und auch wegen ihrer sozialen Kontakte wieder in ihren bisherigen Wohnort zurückkehren wolle. Um weitere Streitigkeiten zu vermeiden, verzichte sie auf die Übertragung des Eigentums an der Ehewohnung bzw auf die Einräumung eines Nutzungsrechts und begehre trotz ihres Rückkehrwunsches eine entsprechende Ausgleichszahlung, die sich der Antragsgegner aus seinem Vermögen und Einkommen auch leisten könne. Sie verschließe sich aber auch nicht einer alleinigen Zuweisung der Ehewohnung, insoweit ihr damit mit Ausnahme der allfälligen Übernahme von Betriebskosten keine Kosten entstünden.

Der Antragsgegner wandte ein, dass die Ehewohnung nicht der Aufteilung unterliege. Insoweit sei der Aufteilungsantrag auch verfristet.

Das Erstgericht räumte der Antragstellerin ein (unentgeltliches) Wohnungsgebrauchsrecht auf Lebenszeit gegen Bezahlung sämtlicher Betriebskosten an der im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden bisherigen Ehewohnung ein und wies den Aufteilungsantrag im Übrigen ab. Der Verkaufserlös aus der dem Antragsgegner geschenkten Liegenschaft unterliege nicht der nachehelichen Vermögensaufteilung, ebensowenig die aus diesem Verkaufserlös angeschafften Sachen. Gemäß § 82 Abs 2 EheG sei allerdings die ebenfalls aus diesem Erlös finanzierte Ehewohnung in die Aufteilung einzubeziehen, da die Antragstellerin auf die Weiterbenützung zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse angewiesen sei. Sie sei angesichts ihres Einkommens nicht in der Lage, sich ohne unbillige Einschränkung der Wohnqualität auf Dauer eine angemessene „Standard Ersatzwohnmöglichkeit“ beschaffen zu können. Da der Antragsgegner nicht bereit sei, der Antragstellerin eine von ihr primär geforderte Ausgleichszahlung zu leisten, sei ihr ein Wohnrecht an der Ehewohnung einzuräumen. Mangels sonstigen der Aufteilung unterliegenden Vermögens sei der Aufteilungsantrag im Übrigen abzuweisen.

Das Rekursgericht hob die erstgerichtliche Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidungsfällung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück; es erklärte den (Revisions )Rekurs für zulässig. Die Antragstellerin habe bereits im Rahmen ihres Antrags ausgeführt, dass die Ehewohnung der Aufteilung unterliege und auch sonst erkennen lassen, dass sie wieder in die Wohnung zurückkehren möchte. Sie habe damit von vornherein auch die Wohnung zum Gegenstand des Aufteilungsverfahrens gemacht. Auch wenn sie vorerst nur eine Ausgleichszahlung begehrt habe, sei doch zu beachten, dass im Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Vermögens die Aufteilungsanträge der Parteien als bloße Vorschläge zu werten seien, denen sich das Gericht nicht anschließen müsse. Es sei dem Gericht nur verwehrt, den Parteien gegen ihren Willen eine bestimmte Rechtsgestaltung aufzuzwingen, die diese ausdrücklich ablehnen. Eine Antragsüberschreitung könne dem Erstgericht somit nicht vorgeworfen werden. Eine ansonsten nach § 82 Abs 1 Z 1 EheG von der Aufteilung ausgeschlossene Ehewohnung sei nur dann in die Aufteilung einzubeziehen, wenn der andere Ehegatte auf diese zur Sicherung seines Wohnbedürfnisses existentiell angewiesen sei. Es müssten vitale Fragen der Existenz auf dem Spiel stehen, etwa wenn ansonsten eine längere Obdachlosigkeit drohe, nicht jedoch bei der Möglichkeit, sich etwa durch eine Ausgleichszahlung ohne unbillige Einschränkung der Wohnqualität eine Ersatzwohnmöglichkeit beschaffen zu können. Angesichts ihrer monatlichen Einkünfte von 954 EUR sei die Antragstellerin nicht in der Lage, sich eine solche Ersatzwohnmöglichkeit zu beschaffen, zumal die derzeitige Wohnung ihrer Größe nach nicht den bisherigen ehelichen Wohnverhältnissen entspreche und außerdem in einem anderen Bundesland liege, wogegen sich das soziale Umfeld der Antragstellerin nach wie vor an ihrem bisherigen Wohnort befinde. Es sei dem Antragsgegner zwar zuzugestehen, dass die Zuweisung der Ehewohnung nicht ausdrücklich beantragt worden sei, jedoch sei diese aus Billigkeitserwägungen dennoch wertmäßig zu berücksichtigen. Die Antragstellerin habe sich zu keinem Zeitpunkt gegen die Zuweisung der Ehewohnung ausgesprochen und erkennen lassen, dass sie wieder in diese zurückkehren möchte. Es sei daher aus Sicht des Rekursgerichts die wertmäßige Einbeziehung der Wohnung in die Aufteilungsmasse notwendig, um einen billigen Ausgleich zwischen den Streitteilen zu schaffen, wobei der Antragsgegner finanziell durchaus in der Lage sei, eine angemessene Ausgleichszahlung zu leisten, damit sich die Antragstellerin eine den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechende Ersatzwohnmöglichkeit in ihrem bisherigen Wohnort schaffen könne. Da es für die Bestimmung einer angemessenen Ausgleichszahlung notwendig sei, den Wert der Ehewohnung und des Hausrates in Ansatz zu bringen, habe das Erstgericht das Verfahren entsprechend zu ergänzen. Der Rekurs (richtig: Revisionsrekurs) sei gemäß § 64 AußStrG für zulässig zu erklären, weil kein einschlägiges höchstgerichtliches Judikat zur Frage vorliege, ob bei Fehlen eines ausdrücklichen Antrags auf Zuweisung der Ehewohnung diese unter den oben angeführten Voraussetzungen zumindest wertmäßig in die Aufteilung miteinzubeziehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig und auch berechtigt. Da die Rechtssache im Sinne einer Antragsabweisung spruchreif ist, ist sogleich eine meritorische Entscheidung zu fällen (§ 70 Abs 2 AußStrG).

Unberechtigt ist der Vorwurf des Revisionsrekurswerbers, die Vorinstanzen seien in unzulässiger Weise über den Aufteilungsantrag der Antragstellerin hinausgegangen. Dazu ist auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts zu verweisen, insbesondere darauf, dass keine Bindung an die Aufteilungsvorschläge der Parteien besteht und das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Rechtsgestaltung im Einzelnen auch zu einer abweichenden Aufteilungsentscheidung gelangen kann (vgl RIS Justiz RS0057875). Die Berücksichtigung der Ehewohnung, die die Antragstellerin stets als Teil der Aufteilungsmasse angeführt hat, scheitert daher entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers nicht schon von vornherein am Fehlen eines ausdrücklichen Antrags.

Zutreffend macht der Revisionswerber allerdings geltend, dass eine sonst nicht der Aufteilung unterliegende Ehewohnung nur dann gemäß § 82 Abs 2 EheG in die Aufteilung einzubeziehen ist, wenn der andere Ehegatte (hier die Antragstellerin) auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist.

Der Oberste Gerichtshof nimmt ein solches „Angewiesensein“ nur an, wenn vitale Fragen der Existenz auf dem Spiel stehen, etwa bei drohender länger dauernder Obdachlosigkeit (RIS Justiz RS0058370), wovon im vorliegenden Fall keine Rede sein kann. Ein existenzielles „Angewiesensein“ auf eine bestimmte Wohnung wurde etwa auch in einem Fall verneint, in dem die Antragstellerin bereits Jahre vor der Scheidung aus der Ehewohnung ausgezogen war (RIS Justiz RS0058370 [T5]). Nach den getroffenen Feststellungen ist sie mit ihrem Pensionseinkommen in der Lage, sich eine wenn auch bescheidene Wohnmöglichkeit selbst zu finanzieren. Entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung ist auch nicht von einer unzumutbaren bzw unbilligen Einschränkung ihrer Wohnqualität auszugehen, lebte sie doch vorher gemeinsam mit dem Antragsgegner in einer rund 90 m² großen Wohnung und steht ihr nun für sich allein eine Wohnung mit 35 m² zur Verfügung (vgl etwa 7 Ob 632/86 = EFSlg 51.776).

Da somit die gesetzlichen Voraussetzungen des § 82 Abs 2 EheG für eine Einbeziehung der Wohnung in die Aufteilung nicht vorliegen, stellt sich auch die vom Rekursgericht aufgeworfene Frage nicht, ob die Auferlegung einer Ausgleichszahlung unter wertmäßiger Berücksichtigung der Wohnung in Betracht käme. Da es insgesamt an jeglichem aufzuteilenden Vermögen mangelt, ist der Aufteilungsantrag der Antragstellerin abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die Kosten für den Schriftsatz ON 16 sind nicht zuzuerkennen, weil das darin enthaltene Vorbringen samt Beweismitteln bereits früher ohne zusätzliche Kostenbelastung erstattet hätte werden können. Der für die Tagsatzung am verzeichnete Betrag von 1,80 EUR ist nicht nachvollziehbar. Für den Rekurs wurde eine Pauschalgebühr nicht verzeichnet.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00095.15Z.0521.000