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OGH vom 25.03.1998, 3Ob8/98t

OGH vom 25.03.1998, 3Ob8/98t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Anna H*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Hansjörg Schweinester, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr. Christian H*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Sluka, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Löschung einer Grundbuchseintragung (Streitwert S 1,397.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom , GZ 3 R 171/97i-98, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 5 Cg 26/96v-90, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlicher Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz zu behandeln.

Text

Begründung:

Anna H*****, geboren am , eine Tante des Beklagten, war Eigentümerin der EZ ***** des Grundbuches ***** K***** mit einer Gesamtfläche von 113.729 m**2. Alle diese Liegenschaften bilden einen geschlossenen Hof, der aus einer Landwirtschaft und einem Pensionsbetrieb besteht. Beide Betriebe wurden von der unverheirateten und kinderlosen Eigentümerin geführt, die Pension allein, die Landwirtschaft mit einer Arbeitskraft.

Im Jahr 1991 erlitt die (vormalige) Klägerin einen rechtshirnigen Schlaganfall, der eine inkomplette Halbseitenlähmung der linken Körperhälfte nach sich zog. Neben den neurologischen Zeichen bestanden auch psychiatrische Zeichen, im wesentlichen Schwierigkeiten im Bereich des Denkens, Merkens und der Intelligenz. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus verbrachte sie einige Zeit bei ihrem Bruder in K*****. Ihre Pension wurde zwischenzeitlich von ihren Nichten, den Töchtern des Bruders, geführt. Ihr Zustand besserte sich innerhalb von fünf Wochen jedoch soweit, daß ein eingeleitetes Sachwalterschaftsverfahren eingestellt werden konnte; in diesem Verfahren hatte sich ergeben, daß die (ursprüngliche) Klägerin wieder in der Lage war, alle ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen. Sie zog auch wieder auf den Hof. In dieser Zeit - auch schon während des Krankenhausaufenthaltes - besuchte der Beklagte seine Tante öfters. Dabei teilte diese ihm mit, daß sie aufgrund ihrer finanziellen Situation Baugrund verkaufen wolle, um ihre bei den Banken bestehenden Schulden, die durch den Betrieb der Landwirtschaft und der Fremdenpension aufgelaufen waren, abdecken zu können. Der Beklagte bot ihr an, einen Käufer für den Baugrund zu suchen. Dazu erteilte die vormalige Klägerin dem Beklagten am eine Spezialvollmacht samt Vorkaufsrecht und Optionsvereinbarung. Nach Kontaktaufnahme mit diversen Wohnbaufirmen gelang es dem Beklagten Grundstücke zu verkaufen: Mit Kaufvertrag vom verkaufte er ein Grundstück im Ausmaß von 200 m**2 zu einem Verkaufspreis von S 850.000 an Hans B*****. Mit Kaufvertrag vom 9./ verkaufte er ein Grundstrück im Ausmaß von 3.800 m**2 zu einem Verkaufspreis von S 6 Millionen an die Firma I*****gesellschaft mbH. Letztgenannter Kaufvertrag wurde jedoch unter der Bedingung abgeschlossen, daß bis zum eine rechtskräftige Baubewilligung erteilt werde, andernfalls die Käuferin das Recht habe, den Rücktritt vom Vertrag zu erklären.

In dieser Zeit wurde zwischen dem Beklagten und seiner Tante auch die Möglichkeit einer Übergabe des geschlossenen Hofes an ihn erörtert. In mehreren Gesprächen, an welchen teilweise auch der Rechtsanwaltanwärter Dr. Christian B***** beratend teilnahm, wurde zwischen den Parteien die Bedingungen einer solchen Hofübergabe und des zu errichtenden Vertrages erörtert. Dabei sicherte der Beklagte der seinerzeitigen Klägerin zu, daß sie trotz der Eigentumsübertragung weiterhin nach außen den Hof repräsentieren und diesen und die Fremdenpension - falls sie körperlich dazu in der Lage sei - selbst bewirtschaften könne. Er würde alle Schulden übernehmen und die notwendigen Sanierungsarbeiten tragen. Nachdem sie zuerst einer Hofübergabe ablehnend gegenübergestanden war, freundete sie sich schließlich mit den Vorschlägen des Beklagten an und stimmte schließlich in einem Gespräch mit dem Beklagten, welches vor Weihnachten 1992 stattfand, einer Hofübergabe zu. In diesem Gespräch wurde auch die Höhe der monatlichen Leibrentenzahlungen festgelegt.

Wenige Tage später brach sich Anna H***** bei einem Sturz den linken Oberschenkel und mußte im Krankenhaus Kitzbühel stationär aufgenommen und operiert werden. Nach anfänglich guter Wundheilung trat am ein anhaltender Verwirrtheitszustand auf, der unter der Annahme eines weiteren kleinen Schlaganfalles wie ein solcher erfolgreich behandelt wurde. Spätestens ab war sie wieder vollkommen klar und orientiert und wurde am beschwerdefrei entlassen. In der Zeit nach dieser Entlassung aus diesem Krankenhaus besprach der Beklagte mit ihr wiederum den Kaufvertrag. Schließlich kamen am der Beklagte und Rechtsanwaltanwärter Dr. B***** als Konzipient des RA Dr. V***** aus Salzburg zur späteren Klägerin und brachten die schriftliche Endfassung des Kaufvertrages mit. Dieser Vertrag wurde ihr von Dr. B***** und dem Beklagten erläutert, indem er teilweise passagenweise wörtlich vorgelesen, teilweise sinngemäß zusammengefaßt vorgetragen wurde. Anschließend entfernten sich der Beklagte und Dr. B*****, sodaß die Klägerin die Gelegenheit hatte, den Vertrag in Ruhe durchzulesen und ihren Verkaufsentschluß nochmals allein zu überdenken. Als die Beiden wiederkamen, teilte sie ihren Verkaufsentschluß mit und es wurde der Vertrag sodann, nachdem ein Notariatssubstitut als Urkundsperson geholt worden war, von der Klägerin und dem Beklagten unterzeichnet. Der Kaufvertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

§ 1

Kaufgegenstand

... Gesamtfläche: 113.720 m**2.

Bei der Gesamtfläche sind die bereits verkauften Grundstücke im Ausmaß von 4.000 m**2 noch berücksichtigt, da der Verkauf zum Zeitpunkt der Vertragserrichtung noch nicht verbüchert ist.

Die Verkäuferin verkauft und übergibt an den Käufer und Letzterer kauft und übernimmt von Ersterer alle ob der Einlagezahl ***** beim Grundbuch *****K***** vorgetragenen Grundstücke, so wie diese liegen und stehen mit allen Vorteilen und Lasten, zu den in diesem Vertrag festgehaltenen Bedingungen. Die Verkäuferin verkauft und übergibt an den Käufer und letzterer kauft und übernimmt von Ersterer weiters das gesamte mit den Liegenschaften zusammenhängende Zubehör ...

Weiters erklärt die Verkäuferin ausdrücklich und unwiderruflich, daß die Forderung aus dem zwischen ihr und der Firma I*****gesellschaft mbH, abgeschlossenen Kaufvertrag vom , in Höhe von S 6,000.000 (Schilling sechsmillionen) mit Unterfertigung dieses Kaufvertrages zur Gänze auf den Käufer, Dr. Christian H*****, übergeht, wobei sowohl die Verkäuferin als auch der Käufer davon in Kenntnis sind, daß im März 1993 der erste Kaufpreisteilbetrag in Höhe von S 3,000.000 (Schilling dreimillionen) bezahlt wird, der zweite Kaufpreisteilbetrag in Höhe von S 3,000.000 (Schilling dreimillionen) erst bei Erlangung einer rechtskräftigen Baubewilligung zur Auszahlung gelangt. Weiters sind die Vertragsparteien in Kenntnis, daß der gesamte Kaufvertrag zwischen der Firma I*****gesellschaft mbH bei Nichterlangung einer gültigen Baugenehmigung bis rückabgewickelt werden muß und die zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen Zahlungen zurückgestellt werden müßten. Betreffend den Kaufvertrag zwischen Anna H***** und Hans B***** (Gesamtfläche 200 m**2) erklärt die Verkäuferin ausdrücklich und unwiderruflich, daß die noch offene Kaufpreisforderung (S 350.000 Schilling dreihundertfünfzigtausend), fällig spätestens am mit Unterfertigung dieses Kaufvertrages zur Gänze auf den Käufer, Dr. Christian H*****, übergeht.

§ 2

Kaufpreis und Kaufpreisberichtigung

Der Kaufpreis für den im § 1 genannten Kaufpreisgegenstand beträgt:

1.) Die Übernahme der gesamten Verbindlichkeiten von Anna H***** zum Stichtag ... wobei die Verbindlichkeiten bei der Raika-K***** ca S 1,600.000 (einemillionsechshunderttausend) und bei der Sparkasse K***** ca S 4,500.000 (viermillionfünfhunderttausend) betragen.

2.) Die Bezahlung einer monatlichen Leibrente an Frau Anna H*****, geboren , in der Höhe von S 50.000 (Schilling fünfzigtausend), fällig an jedem Monatsersten im vorhinein. Diese Rente gebührt der Verkäuferin auf ihre Lebenszeit. Die erste Leibrente ist am zur Bezahlung fällig. Für die angeführte Leibrente wird ausdrücklich Wertsicherung vereinbart.

3.) Die Verkäuferin erhält auf Lebenszeit das Recht, in ihrem zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewohnten Haus (Haus mit Hallenbad) alleine bzw mit Pflegepersonal zu wohnen, ohne daß hiefür an den Käufer eine Miete oder ähnliches bezahlt werden müßte. ... Weiters verpflichtet sich Dr. Christian H*****, sämtliche Betriebskosten ... bis zu einem Betrag von S 5.000 (Schilling fünftausend) pro Monat zu übernehmen. Der Käufer verpflichtet sich weiters, die Verkäuferin auf Wunsch in allen rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten unentgeltlich zu beraten.

Mit dem Ableben der Verkäuferin erlöschen sämtliche in diesem Vertrag vom Käufer übernommenen Pflichten bzw Verbindlichkeiten; in diesem Fall ist er zu keinen weiteren Leistungen an die Erben der Verkäuferin verpflichtet (ausgenommen die Verbindlichkeiten zur Leistung fälliger, jedoch noch nicht entrichteter Leibrentenzahlungen).

§ 5

Feststellung zum Kaufvertrag

Nach beiderseits übereinstimmender Auffassung entspricht das Entgelt dem tatsächlichen Wert des Kaufgegenstandes zum Zeitpunkt März 1993 und wird deshalb beiderseits eine Anfechtung gemäß § 934 ABGB ausgeschlossen, des weiteren auch jegliche Anfechtung wegen Irrtums oder sonstiger, wie immer gearteter, Gründe.

Die Klägerin war sowohl bei der Besprechung mit dem Beklagten vor Weihnachten 1992 als auch bei Vertragsschluß vom in der Lage, die Tragweite und die Folgen des konkreten, zur Entscheidung stehenden Vertrages zu beurteilen, und hat nach dieser Erkenntnis gehandelt.

Aufgrund des Kaufvertrages leistete der Beklagte von August 1993 bis zum Tod der Klägerin (am ) Leibrenten- und Betriebskostenzahlungen von insgesamt S 1,988.399. Außerdem leistete er in Entsprechung des § 2 Punkt 1 des Kaufvertrages vom Zahlungen an Banken in Höhe von S 6,250.000 zur Abdeckung bestehender Schulden.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes K***** vom wurde ob der gegenständlichen Liegenschaft das Alleineigentumsrecht des Beklagten einverleibt, und zwar als unmittelbarer bücherlicher Nachfolger seiner Tante als Eigentümerin.

Mit ihrer am eingebrachten Klage begehrte die Klägerin, diese Einverleibung als unwirksam zu erklären und zu löschen. Dazu brachte sie im wesentlichen vor, daß der Kaufvertrag nichtig sei, weil sie bei dessen Abschluß nicht geschäftsfähig gewesen sei. Überdies habe sie der Beklagte unter Anwendung von List über wesentliche Belange des Kaufgeschäftes in die Irre geführt, jedenfalls aber ihre damalige Unerfahrenheit, Gemütsaufregung und Verstandesschwäche ausgenützt und sich für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen lassen, deren Wert zum Wert seiner eigenen Leistung in einem auffallenden Mißverhältnis stehe; auch werde der Kaufvertrag wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes angefochten.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens.

Der Inhalt des Kaufvertrages sei vor seinem Abschluß zwischen ihm und der Verkäuferin ausführlich erörtert worden, sodaß der Vorwurf einer Irreführung und List unbegründet sei. Sie sei auch uneingeschränkt geschäftsfähig gewesen. Im Kaufvertrag habe er sich neben der Zahlung der Leibrente und neben der Einräumung eines Wohnungsrechtes auch zur Übernahme aller Verbindlichkeiten der Verkäuferin verpflichtet, sodaß schon deswegen nichts von einem auffallenden Mißverhältnis der beiderseitigen Leistungen gesprochen werde könne. Im übrigen handelt es sich beim Leibrentenvertrag um einen Glücksvertrag, welcher wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes nicht angefochten werden könne. Eine allfällige Anfechtbarkeit sei jedenfalls geheilt, weil die Verkäuferin alle Zahlungen des Beklagten stets vorbehaltslos angenommen habe.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf im wesentlichen die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zur Auffassung, daß nach den Feststellungen der klagenden Partei der Beweis nicht gelungen sei, daß die mittlerweile verstorbene Verkäuferin bei Abschluß des Kaufvertrages vom nicht geschäftsfähig gewesen sei. Auch inhaltlich leide der Vertrag nicht an einer Nichtigkeit. Bei Glücksverträgen, zu denen auch der Leibrentenvertrag gehöre, finde wegen des ihnen typischerweise innewohnenden Elementes der Ungewissheit das Rechtsmittel wegen Verkürzung über die Hälfte des Wertes nicht statt (§ 1286 ABGB), sie könnten jedoch als wucherisch oder sittenwidrig angefochten werden. Die seinerzeitige Klägerin sei zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung noch nicht 68 Jahre alt gewesen und habe zu diesem Zeitpunkt nach der österreichischen Sterbetafel 1980/82 eine Lebenserwartung von 14,5 Jahren gehabt. Damit hätte der Beklagte bis zum Zeitpunkt der maximalen Lebenserwartung der Klägerin Leibrentenzahlungen einschließlich Betriebskosten in Höhe von S 9,570.000 geleistet. Er hätte somit einschließlich der tatsächlich bezahlten S 6,250.000 für die Schulden der Verkäuferin insgesamt S 15,820.000 erbracht, wobei das Wohnrecht noch gar nicht berücksichtigt sei. Nach der Entscheidung EvBl 1958/94 wäre die Leistung nur wucherisch bzw sittenwidrig, wenn sie lediglich 1/4 des Wertes der dafür übergebenen Liegenschaft darstellen würde. Es habe jedoch die klagende Partei nicht einmal behauptet, daß der Wert der Liegenschaft den Betrag von S 63,280.000 übersteige. Angesichts des Lebensalters der Verkäuferin und des zu erwartenden Lebensalters einerseits und der beträchtlichen Leibrentenzahlungen andererseits könne nicht von vornherein gesagt werden, daß das aleatorische Element gänzlich in den Hintergrund getreten sei. Daher sei der Sachverhalt mit dem der Entscheidung NZ 1996, 160 nicht vergleichbar, weil damals die Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits 78 Jahre alt gewesen sei und nur noch eine statistische Lebenserwartung von 3,7 Jahren gehabt habe. Nach den Feststellungen sei auch weder Irrtum noch List gegeben.

Mit dem nunmehr bekämpften Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der klagenden Verlassenschaft nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen der geltend gemachten Verfahrensmängel und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, wobei lediglich zur Frage der Geschäftsunfähigkeit ausgeführt wird, daß sich aus den für die klagende Partei günstigeren Beweisergebnisse höchstens eine Negativfeststellungen hinsichtlich der behaupteten Geschäftsunfähigkeit und hinsichtlich einer Verstandesschwäche ergeben könnte, woraus für den Standpunkt der klagenden Partei nichts zu gewinnen sei.

Bei der Behandlung der Rechtsrüge der Berufung führte das Berufungsgericht aus, daß die Klägerin den ihr obliegenden Beweis einer bei Vertragsschluß bestehenden Geschäftsunfähigkeit der Verkäuferin nicht erbracht und auch unwirtschaftliche Eigenschaften derselben im Sinne des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB nicht erwiesen habe. Angebliche Feststellungsmängel im Zusammenhang damit verneint es, insbesondere auch den Vorwurf in der Rechtsrüge der Berufung, das Erstgericht habe Feststellungen zur Beurteilung der Schwierigkeit des Vertrages unterlassen. Das Erstgericht habe den Inhalt des Vertrages ohnehin wortwörtlich festgestellt. Die von der Berufung vermißten Feststellungen über den Wert der beiderseitigen Leistungen seien entbehrlich, zumal der Versuch einer Anfechtung des Vertrages nach § 934 ABGB - wie das Erstgericht zutreffend erkannt habe - an § 1268 ABGB scheitere und eine solche Wertermittlung auch im Hinblick auf eine Anfechtbarkeit des Vertrages nach § 879 Abs 2 Z 4 ABGB entbehrlich sei, zumal schon der unerläßliche Nachweis unwirtschaftlicher Eigenschaften im Sinne dieser Bestimmung nicht erbracht worden sei. Im Zusammenhang mit der behaupteten Anfechtbarkeit des wegen List und Irrtums sei die Berufung nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrikeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, womit in erster Linie die Abänderung des Berufungsurteils dahin begehrt wird, daß das Ersturteil im Sinne einer Klagstattgebung abgeändert werde. Hilfsweise stellt die Revisionswerberin einen Aufhebungsantrag.

Zur Zulässigkeit führt die Revisionswerberin aus, daß das Berufungsgericht die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes übersehe, wonach eine Anfechtung eines Leibrentenvertrages wegen laesio enormis dann möglich sei, wenn bei Vertragsschluß gewiß war, daß der Berechtigte im Zeitraum einer möglichen Lebenserwartung weniger als die Hälfte des Wertes seiner Leistungen erhalten haben werde (SZ 67/99 = ÖJZ-LSK 1995/28).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht in einer die Rechtssicherheit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO gefährdenden Weise von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Anfechtbarkeit eines Leibrentenvertrages wegen Verkürzung über die Hälfte abgewichen ist.

Sie ist auch im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt.

Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufunsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nicht gefolgt werden kann der Revisionswerberin auch dahin, daß die Urteile der Vorinstanzen im Hinblick auf § 879 Abs 1 Z 4 ABGB Feststellungsmängel aufwiesen. Eine Anfechtung aus diesem Grund muß, worauf in der Revisionsbeantwortung hingewiesen wird, schon am Fehlen konkreter Behauptungen zu den subjektiven Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle bei der Verkäuferin scheitern, wenn man von der sicher ausreichend behaupteten, aber nicht erwiesenen Verstandesschwäche absieht.

Zutreffend wendet sich aber die Revisionswerberin gegen die Auffassung der Vorinstanzen, im vorliegenden Fall sei § 934 ABGB jedenfalls unanwendbar.

Schon in der Klage brachte die damalige Klägerin vor, daß die übergebene Liegenschaft eine Gesamtfläche von über 109.000 m**2 aufgewiesen hätte. Allein das Privathaus mit Hallenbad, Garagen und vornehmer Ausstattung weise einen Verkehrswert von ca S 8 bis 10 Millionen auf. Dazu kämen weitere Bauwerke, sodaß die erworbene Liegenschaft einen Verkehrswert von sicherlich über S 50,000.000 aufweise. Auch zu diesem Vorbringen berief sich die Klägerin ausdrücklich auf ein Sachverständigengutachten.

Hier ist zunächst vorauszuschicken, daß sich der Beklagte nie - auch nicht in der ohne Aufforderung des Obersten Gerichtshofes eingebrachten Revisionsbeantwortung - auf den im Vertrag vereinbarten Ausschluß der Anfechtung gemäß § 934 ABGB (welcher nunmehr § 935 ABGB grundsätzlich unwirksam ist) berufen hat. Darauf ist daher auch nicht weiter einzugehen.

Die Vorinstanzen haben aber die Tragweite der mit der E 8 Ob 562/93 (= EFSlg 78.454 = HS 24.507 = HS 24.638 = HS 24.639 = NZ 1994, 206) eingeleiteten Änderung der Rechtsprechung zu § 1268 ABGB verkannt. Wenn auch § 1269 ABGB den (hier vorliegenden) Leibrentenvertrag nach § 1284 ABGB unter die Glücksverträge rechnet, bei welchen nach § 1268 ABGB das Rechtsmittel wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes nicht stattfindet, hat der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung ausgesprochen, daß dann eine Anfechtung wegen laesio enormis statthaft ist, wenn das für Glücksgeschäfte typische Element der Ungewissheit fehlt, weil schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gewiß ist, daß der Leibrentenberechtigte bis zu jenem Zeitpunkt, der nach heutiger Sicht der Wissenschaft als "absolute Obergrenze für die Dauer eines Menschenlebens" anzusehen ist, bei Berücksichtigung aller ihm in diesem Zeitraum zukommenden Leistungen weniger als die Hälfte des Wertes seiner eigenen Leistungen erhalten haben werde. Schon in dieser Entscheidung gelangte der Oberste Gerichtshof zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen zur Feststellung des Wertes der gegenseitigen

Leistungen. In der darauffolgenden Entscheidung 1 Ob 515/94 (= SZ

67/99 = ecolex 1994, 677 = EFSlg 75.381 = HS 25.499 = JBl 1994, 825 =

NZ 1995, 160) hat der erste Senat weiterhin die Auffassung aufrechterhalten, daß auch die versicherungsmathematische Berechnungsmöglichkeit des Verkehrswertes von wiederkehrenden Leistungen aufgrund der Lebenserwartung einer Person im Leibenrentenvertrag seinen aleatorischen Charakter grundsätzlich nicht nimmt und daß auf ihn nicht aus diesem Grund lediglich die Bestimmungen über Kaufverträge Anwendung finden könnten. Er ließ dabei offen, ob in den Fällen, in denen das aleatorische Element beim Leibrentenvertrag gänzlich in den Hintergrund tritt, ein Glücksvertrag überhaupt zu verneinen ist, oder ob man bei Vorliegen lediglich marginaler glücksvertraglicher Elemente bei richtiger Interpretation des Gesetzes den Ausschluß der Verkürzung über die Hälfte des Wertes gemäß § 1268 ABGB nicht anzuwenden hat. In Abweichung von der Rechtsmeinung des achten Senates sei die Frage, ob der Veräußerer zumindest die Hälfte des wahren Wertes seine eigenen Leistungen erhalten wird, an jener Zeitspanne zu messen, die als mögliche Lebenserwartung der österreichschen Bevölkerung - wobei singuläre Ausnahmen unberücksichtigt zu bleiben haben, anzusehen sei. Hiezu sei erforderlich, die mögliche Lebenserwartung der österreichischen Bevölkerung, etwa durch Anfrage an das österreichische Statistische Zentralamt unter Ausschaltung vereinzelt gebliebener Höchstlebensalter zu ermitteln. Die Leistung des Beklagten werde sodann auf diesen Zeitpunkt hochzurechnen sein. Dabei sei eine durchschnittliche inflationäre Entwicklung einzukalkulieren und eine dementsprechende Abzinsung bei der Kapitalisierung der wertgesicherten Leibrente vorzunehmen.

In der zuletzt ergangenen Entscheidung 8 Ob 2177/96x (= ecolex 1997, 924 Urbanek) hat sich der achte Senat der Auffassung des ersten Senates insofern angeschlossen, als nunmehr auf die "durchschnittliche Lebenserwartung der österreichischen Bevölkerung" abzustellen sei. (Diese Modifikation wird von Urbanek in ihrer Glosse dahin verstanden, daß damit klargestellt werde, daß auch der erste Senat in der zitierten Entscheidung in Wahrheit von einer "durchschnittlichen" Lebenserwartung ausgegangen sei, wenn er gerade in diesem Punkt von der erstmals die laesio enormis bei Leibrentenverträgen anerkennenden 8 Ob 562/93 abgehen wollte.)

Mag auch, wie die referierten Entscheidungen zeigen, noch eine gewisse Divergenz in den Entscheidungen insofern vorliegen, als die für die Bewertung der gegenseitigen Leistung maßgebliche Zeitspanne unterschiedlich definiert wird, so geben die vorliegenden Entscheidungen keinen Hinweis darauf, daß nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes eine Verkürzung über die Hälfte etwa nur bei Klägern oder Klägerinnen möglich sei, die ein bestimmtes Lebensalter im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits überschritten hätten, wie anscheinend das Erstgericht vermeinte. (In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob die lapidaren Ausführungen der zweiten Instanz diesen Erwägungen beitreten wollten oder ob darin eine bloße Berufung auf den Wortlaut des § 1268 ABGB zu erblicken ist.) Wie sich aus den zitierten Entscheidungen ergibt, kommt es keineswegs darauf an, wie lange der zu beurteilende Zeitraum ist. Vielmehr kommt es auf das objektive Verhältnis zwischen den im Sinne der Entscheidung 1 Ob 515/94 zu ermittelnden Leistungen an. Demnach vermag die Anfechtung der klagenden Partei keineswegs am Lebensalter der ursprünglichen Klägerin von rund 68 Jahren im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu scheitern. Vielmehr wird ihre Lebenserwartung, und zwar richtigerweise, wie zu den zitierten Entscheidungen zu ergänzen sein wird im Hinblick auf ihr Geschlecht und auf ihren konkreten Gesundheitszustand, zu ermitteln sein, wobei die in 1 Ob 515/94 (= SZ 67/99) dargelegte Kapitalisierung vorzunehmen sein wird. Überdies sind selbstverständlich auch die weiteren vom Beklagten zu erbringenden Leistungen zu bewerten. Maßgeblich ist, ob der Gesundheitszustand der Übergeberin im Vergleich zu gesunden Menschen ihres Alters eine Verkürzung ihrer Lebenszeit als wahrscheinlich erscheinen ließ. Gerade bei an solchen Krankheiten leidenden Personen ist die Reduktion des Glücksmomentes offenkundig.

Entgegen der Ansicht des Beklagten hat die klagende Partei sehr wohl konkrete Behauptungen über den Wert des von ihm Empfangenen aufgestellt und hiezu auch Beweise angeboten. Bei der Bewertung der Leistungen der Verstorbenen wird sich das einzuholende Sachverständigengutachten lediglich auf die noch nicht verkauften Teile der Liegenschaft zu beziehen haben, während für die übrigen der Verkaufspreis, der schon vor Abschluß des Leibrentenvertrages feststand (abgezinst auf diesen Zeitpunkt) einzusetzen sein wird. Daß der Beklagte mit diesen Kaufpreisen die übernommenen Schulden der Verkäuferin abdecken konnte, ist allerdings ohne Bedeutung, kommt es doch für § 934 ABGB lediglich auf den Wert des jeweils Erhaltenen an.

Soweit sich der Beklagte in der Revisionsbeantwortung auf die E 15 a zu § 934 ABGB34 (= MietSlg 35.107) beruft, ist ihm entgegenzuhalten, daß ein derartiger Fall schon deshalb nicht vorliegt, weil hier die laesio enormis hier nicht mittels Einrede, sondern mit Klage geltend gemacht wurde. Im übrigen ergibt sich aus der in der Entscheidung angeführten Literaturstelle (Klang in Klang2 IV/1 561f mN), daß mit diesem Rechtssatz nur ausgeschlossen werden soll, daß der Verkürzte die erhaltene Leistung als Gegenleistung für den bisher bezahlten Teil des Entgeltes behält, während es doch nach § 934 Satz 2 ABGB dem anderen Teile zusteht, das Geschäft durch Aufzahlung bis zum gemeinen Wert aufrecht zu erhalten.

Der Kostenvorbehalt beruht auf die §§ 50, 40 ZPO.