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OGH vom 12.10.2006, 6Ob75/05f

OGH vom 12.10.2006, 6Ob75/05f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm B*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Frieda B*****, vertreten durch Dr. Michael Mathes und Mag. Laurenz Strebl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Gestattung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 45 R 478/04h-18, womit das Urteil des Bezirksgerichts Meidling vom , GZ 1 C 115/03p-13, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 399,74 EUR (davon 66,62 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind seit miteinander verheiratet. Ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Der Kläger lernte 1989 eine Frau kennen, mit der er 1991 eine sexuelle Beziehung einging. Nachdem die Beklagte von diesem Verhältnis erfahren und ihrem Ehemann Vorhaltungen gemacht hatte, verließ er am die von ihm gemietete Wohnung, in der die Streitteile seit den 1960er-Jahren lebten, und zog zu seiner Lebensgefährtin. Vor seinem Auszug verpflichtete sich der Kläger in einem Schreiben vom , während der Dauer seiner Trennung der Beklagten einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 4.500 S zu leisten. Er versprach, für die Kosten der Wohnung aufzukommen, und räumte der Beklagten das „Wohnrecht auf Lebzeiten" in der Wohnung ein. Seit dem Auszug des Klägers benützt die Beklagte allein die 77 m² große Wohnung, die einen Wohnraum, einen Schlafraum, ein Kabinett, eine Küche, einen Vorraum, einen Abstellraum, ein Bad, ein WC und eine Loggia umfasst. Die Beklagte hat keinerlei andere Wohnmöglichkeit. Sie lebt von den Unterhaltszahlungen ihres Ehemanns und von einer monatlichen Nettopension von 87,25 EUR.

Der Kläger lebt seit Juli 1991 mit seiner Lebensgefährtin in deren 60 m² großen Wohnung. Er kann sich nicht selbständig versorgen, weil er auf einem Auge blind ist. Er kann nicht kochen und seine Wäsche nicht waschen. Da die Lebensgefährtin aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme nicht mehr für den Kläger sorgen kann und selbst der Hilfe und Pflege bedarf, forderte sie ihn im Jahr 2003 auf, in die eheliche Wohnung zurückzukehren, wobei sie soziale Dienste bzw Bekannte organisiert hat bzw organisieren würde, die dort seine Betreuung und Pflege bewerkstelligen sollen. Die Lebensgefährtin des Klägers plant, ihre Enkelin und deren Ehemann in ihrer Wohnung aufzunehmen, damit diese sie betreuen. Der Kläger versteht sich mit seiner Lebensgefährtin nach wie vor sehr gut. Sie wollen weiterhin Kontakt zueinander haben.

Der Kläger versuchte am in die eheliche Wohnung zu gelangen, um dort wieder Aufenthalt zu nehmen. Zuvor hatten die Streitteile in den letzten zwölfeinhalb Jahren bis auf seltene Telefonate, in denen es nur um die Höhe der vom Kläger zu leistenden Unterhaltszahlungen ging, keinerlei persönlichen Kontakt mehr. Der Kläger konnte sich keinen Zutritt zur Wohnung verschaffen, weil die Beklagte eine Woche zuvor die Schlösser an der Eingangstür der Wohnung ausgetauscht hatte. Am versuchte der Kläger mit Hilfe eines Aufsperrdienstes neuerlich in die Wohnung zu gelangen. Auch dieser Versuch scheiterte. Der Aufsperrdienst war nicht in der Lage, das Wohnungsschloss zu öffnen.

Der Kläger begehrt, die Beklagte zu verpflichten, ihm den Zutritt zur Wohnung zu gestatten, insbesondere ihm einen Schlüssel zur Eingangstür der Wohnung zur Verfügung zu stellen, damit er die Wohnung betreten kann. Hilfsweise begehrt er, die Beklagte zu verpflichten, das neue Schloss zu entfernen und das alte Schloss wieder zu montieren. Da er nicht länger in der Wohnung seiner Lebensgefährtin wohnen könne, keine andere Wohnmöglichkeit habe und ihm aufgrund seines Alters nicht zumutbar sei, irgendwo anders Aufenthalt zu nehmen, habe er ein dringendes Wohnbedürfnis an der Ehewohnung.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe am die Wohnung böswillig verlassen. Seit diesem Zeitpunkt habe er die ehemalige Ehewohnung nicht mehr betreten. Dies wäre ihm jedoch möglich gewesen, weil er über Jahre hindurch noch den Schlüssel zur Wohnung gehabt habe und das Schloss nicht geändert worden sei. Er habe daher schlüssig auf sein Benützungsrecht an der Ehewohnung, ebenso auf sein dringendes Wohnbedürfnis verzichtet. An diesem fehle es ihm, weil er die häusliche Gemeinschaft aus eigenem aufgehoben habe und aus der Ehewohnung ausgezogen sei. Der Beklagten sei es nach mehr als zwölfjähriger Trennung vom Kläger nicht zumutbar, Intimbereiche wie Schlafzimmer, Badezimmer usw zu teilen. Eine örtliche Trennung dieser Bereiche sei in der Wohnung nicht möglich.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung stellte es noch fest, der Kläger wolle die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin fortsetzen und strebe eine gemeinsame Wohnungsnahme mit der Beklagten nicht deshalb an, um seiner Pflicht zum gemeinsamen Wohnen nachzukommen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die rechtliche Auffassung des Erstgerichts, dass der Kläger einerseits aufgrund der Formulierung seines Schreibens vom und andererseits durch die länger als 12 Jahre dauernde Nichtbenützung der Wohnung auf sein Benützungsrecht verzichtet habe. Dem Schreiben sei nicht zu entnehmen, dass er sich ein Benützungsrecht an der Ehewohnung vorbehalten hätte. Die Beklagte habe als redliche und verständige Partei aufgrund des objektiven Verhaltens des Klägers in Verbindung mit seinem Schreiben vom eindeutig annehmen können, dass er die Ehewohnung nicht weiter benützen wolle; dies insbesondere deshalb, weil er über einen durchgehenden Zeitraum von über 12 Jahren die Ehewohnung nicht benützt habe und abgesehen von seltenen Telefonaten mit der Beklagten kein Kontakt bestanden habe, während er seine ehewidrige Beziehung aufrechterhalten habe. Eine Vereinbarung der Ehegatten über die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft sei zulässig und nicht sittenwidrig. Aus den Umständen des Falles sei zu erkennen, dass der Verzicht des Klägers auf sein Benützungsrecht nicht unter der Umstandsklausel erfolgt sei. In seinem Schreiben vom habe er eine Änderung der Verhältnisse nur insoweit berücksichtigt, als er seine Unterhaltsleistungen auflösend mit der Beendigung seiner Trennung („...während der Dauer meiner Trennung....") bedingte. Hingegen habe er das Wohnrecht an der Ehewohnung der Beklagten auf Lebenszeit eingeräumt. Dass der Kläger das Wohnrecht der Beklagten im Gegensatz zu seiner Unterhaltsverpflichtung nicht an die Dauer der Trennung gebunden habe, schließe die Anwendung der Umstandsklausel aus. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zu dem „konkret vorliegenden Fall des einvernehmlichen Auszuges aus der Ehewohnung, über zwölfjähriger Nichtbenützung und Begehren auf Wiedereinzug" nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), nicht zulässig.

Das Berufungsgericht hat mit eingehender Begründung seine, mit derjenigen des Erstgerichts übereinstimmende Rechtsansicht begründet, der Beklagte habe schlüssig auf sein Benützungsrecht an der Wohnung verzichtet.

Dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu diesem konkreten Sachverhalt nicht vorhanden ist, begründet für sich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO. Das Berufungsgericht hat im Einzelnen begründet, weshalb es in Erklärungen und Verhalten der Streitteile einen schlüssigen Verzicht auf das Benützungsrecht der Wohnung erblickt. Die Beantwortung der Frage nach einem schlüssigen rechtsgeschäftlichen Verhalten entbehrt regelmäßig einer über den Einzelfall hinausreichenden Bedeutung (1 Ob 6/03v; 6 Ob 331/99s; 10 Ob 151/97x ua; Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 89 mwN). Der Kläger vermag nicht plausibel zu begründen, weshalb das Berufungsgericht die im angefochtenen Urteil erörterte Konkludenzfrage in unvertretbarer Weise gelöst haben soll. Ob der Kläger bei Abgabe seiner schriftlichen Erklärung über die Umstandsklausel rechtlich belehrt wurde oder nicht, ist für die angenommene Konkludenz seines Gesamtverhaltens ohne Bedeutung. Die aus dem Wortlaut des Schreibens des Klägers vom und dem Verhalten der Streitteile gezogene Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass eine dauernde Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft vorliegt, ist keine aufzugreifende Fehlbeurteilung. Das Berufungsgericht hat weiters im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (SZ 73/28 mwN) erkannt, dass die Vereinbarung der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zulässig ist. In der genannten Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof ferner ausgesprochen, dass in Anbetracht der mit der Aufrechterhaltung einer ehewidrigen Beziehung verbundenen dauernden Belastung des friedlichen Zusammenlebens von Ehegatten und der damit verbundenen dauernden psychischen Beeinträchtigung des nicht gegen die Treuepflicht verstoßenden Ehegatten es gerechtfertigt ist, diesem nahezu eine Unzumutbarkeit des Zusammenlebens zuzubilligen. Komme aber ein Tatbestand dem in § 92 Abs 2 ABGB gesetzlich geregelten derart nahe, könne eine Vereinbarung ähnlichen Inhalts nicht als sittenwidrig qualifiziert werden. Auch in diesem Punkt ist das Berufungsgericht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gefolgt. Da die Revision insgesamt keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage darlegt, war sie zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte wies in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hin.

Fundstelle(n):
QAAAD-67562