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OGH vom 10.09.2014, 7Ob74/14d

OGH vom 10.09.2014, 7Ob74/14d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft H*****straße *****, vertreten durch Dr. Christian Prader und andere, Rechtsanwälte in Innsbruck, und der Nebenintervenientin N***** Gemeinnützige WohnungsGmbH, *****, vertreten durch Dr. Lisbeth Lass, Dr. Hans Christian Lass, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei G***** H*****, vertreten durch Ing. MMag. Dr. Gerhard Benda, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 50/14b-13, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

1. Die Revisionswerberinnen stehen auf dem Standpunkt, dass durch die dritte Verlängerungsvereinbarung vom 25. 4./ um drei Jahre ( bis ), die von der Beklagten vorbehaltslos unterfertigt worden sei, nunmehr das unbefristete in ein befristetes Mietverhältnis umgewandelt worden sei. Die allenfalls zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten gegebene Mentalreservation sei unbeachtlich.

Rechtliche Beurteilung

2. Den Parteien steht es nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs frei, ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Mietverhältnis, sofern die Vereinbarung nicht der Umgehung des MRG dient, in eines auf bestimmte Zeit zu ändern oder einverständlich die Auflösung des Mietverhältnisses zu einem bestimmten Endtermin zu vereinbaren (RIS Justiz RS0113485, RS0070053 [T4], RS0067213 [T17], 3 Ob 2/06z, 5 Ob 70/10w).

3. Von einem geheimen Vorbehalt (Mentalreservation) spricht man, wenn der Erklärende absichtlich etwas erklärt, was er in Wahrheit insgeheim nicht will. Der Erklärende meint, die Rechtsfolge seiner Erklärung dadurch ausschließen zu können, dass er sie ohne dies zu äußern nicht will (RIS Justiz RS0014727). Aus dem Vertrauensprinzip ergibt sich die Gültigkeit einer unter einem geheimen Vorbehalt (Mentalreservation) abgegebenen Erklärung, wenn der Erklärungsempfänger berechtigt auf die Erklärung vertraut hat (RIS Justiz RS0119373). Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung (RIS Justiz RS0014160). Eine Mentalreservation ist unbeachtlich, wenn keine Anhaltspunkte für die Annahme vorhanden sind, die Gegenseite hätte sie erkannt (RIS Justiz RS0014160 [T7]). Ohne Bedeutung ist, dass der Vertragspartner bei gehöriger Aufmerksamkeit einen geheimen Vorbehalt erkennen konnte, weil eine Nachforschungspflicht in dieser Richtung nicht besteht (RIS-Justiz RS0014710). Von einem durchschauten geheimen Vorbehalt spricht man, wenn der Empfänger einer Erklärung von der Mentalreservation weiß. Der durchschaute geheime Vorbehalt bewirkt die Unwirksamkeit der Willenserklärung und damit des Vertragsabschlusses. Betraf er lediglich einen Teil des Vertragsinhalts, ist die Auswirkung auf die Gültigkeit des Vertrags unter analoger Anwendung des § 878 zweiter Satz ABGB nach dem hypothetischen Parteiwillen zu prüfen (RIS-Justiz RS0014725).

4. Die Auslegung von Willenserklärungen und Auslegungsfragen über die Erklärungsabsicht im Einzelfall haben ebenso wie die Frage, ob irgendwelche besonderen Begleitumstände eine andere Deutung einer Willenserklärung zuließen, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bilden daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0042936; RS0042555).

Das Berufungsgericht beurteilte den vorliegenden Einzelfall dahingehend, dass keine unbeachtliche Mentalreservation der Beklagten vorgelegen sei. Auf Grund der schriftlichen Mitteilung der Beklagten aus dem Jahr 2004, in der sie ausdrücklich auf das Bestehen eines unbefristeten Mietverhältnisses und die Unbeachtlichkeit der Unterfertigung der ihr vorgelegten Verlängerungs-vereinbarung hingewiesen habe, habe die Klägerin auch aus der im Jahr 2007 erfolgten Unterfertigung der Verlängerung der Mietvertragsdauer nicht auf eine Erklärung der Beklagten schließen dürfen, dass diese nunmehr doch ihr unbefristetes Mietverhältnis in ein befristetes umwandeln möchte. In dieser Auffassung ist keine vom Obersten Gerichtshof im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erkennen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00074.14D.0910.000

Fundstelle(n):
QAAAD-67481