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OGH vom 24.05.2012, 1Ob94/12y

OGH vom 24.05.2012, 1Ob94/12y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin DI Mag. E***** B*****, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Antragsgegner C***** B*****, Thailand, vertreten durch Zauner Mühlböck Rechtsanwälte KG in Linz, wegen Aufteilung gemäß §§ 81 ff EheG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 331/11i 6, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 4 Fam 56/11i 2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Über Klage der Antragstellerin wurde die Ehe der Streitteile mit Urteil vom gemäß § 49 EheG aus dem gleichteiligen Verschulden beider Streitteile geschieden. Gegen das ihren Prozessvertretern am zugestellte Urteil erhob allein die Antragstellerin Berufung und beantragte, das Alleinverschulden des Antragsgegners auszusprechen. Der Berufung wurde nicht Folge gegeben, eine außerordentliche Revision der Antragstellerin mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom zurückgewiesen.

Die Antragstellerin begehrte mit ihrem am beim Erstgericht eingelangten Antrag die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sowie die Bewilligung der Verfahrenshilfe für das Aufteilungsverfahren. Sie brachte unter anderem vor, das Scheidungsurteil sei mit Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs am in Rechtskraft erwachsen. Sie habe mit Schreiben vom einen Aufteilungsvorschlag gemacht, auf den der Antragsgegner nicht geantwortet habe.

Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag sowie den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab. Da sich die Berufung der Antragstellerin im Scheidungsverfahren nur gegen den Verschuldensausspruch gerichtet habe, sei der Scheidungsausspruch bereits seit rechtskräftig. Der Aufteilungsantrag sei erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG, nämlich am , eingebracht worden.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Die Frist für den Aufteilungsantrag werde mit Eintritt der Rechtskraft eines Teilurteils in Lauf gesetzt, wenn dieses über die Auflösung der Ehe selbst ergehe und die Verschuldensfrage dem Endurteil vorbehalten bleibe. Gleiches gelte, wenn das erstinstanzliche Urteil mangels Anfechtung des Ausspruchs über die Scheidung in diesem Umfang in Rechtskraft erwachse. Vergleichsgespräche vor Einleitung des Aufteilungsverfahrens bewirkten eine Hemmung des Ablaufs der Präklusivfrist des § 95 EheG, sofern der Aufteilungsantrag nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen ohne unnötigen Aufschub eingebracht werde. Das Vorliegen eines Hemmungsgrundes habe die Antragstellerin aber erst im Rekurs behauptet und diesbezüglich im Aufteilungsantrag nichts vorgebracht. Da es sich bei der Frist des § 95 EheG um eine materiell rechtliche Präklusivfrist handle, die von Amts wegen wahrzunehmen sei, wäre es an der Antragstellerin gelegen, schon im Aufteilungsantrag das Vorliegen eines Hemmungsgrundes zu behaupten. Da zu dieser Frage aber Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig. Eine Begründung für die Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses über die Abweisung des Verfahrenshilfeantrags findet sich in der Rekursentscheidung nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragstellerin erweist sich als unzulässig.

Soweit es um die Verfahrenshilfefrage geht, hat das Rekursgericht zwar die Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht begründet, der Revisionsrekurs ist aber insoweit gemäß § 62 Abs 2 Z 2 AußStrG jedenfalls unzulässig, weshalb auch das Fehlen einer Begründung nicht aufgegriffen werden kann. Im Übrigen hängt die Entscheidung des Rekursgerichts von keiner iSd § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage ab, weshalb der Revisionsrekurs in der Hauptsache nicht zulässig ist.

1.) Zum Beginn der Frist des § 95 EheG:

Gemäß § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung gerichtlich geltend gemacht wird. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Scheidungsausspruch selbständig in (formelle) Rechtskraft erwachsen, sofern lediglich der Verschuldensausspruch bekämpft wird (RIS Justiz RS0057735 [T2, T 3]; RIS Justiz RS0041294 [T2, T 3, T 4]). Die Ausführungen der Revisionsrekurswerberin bieten für den erkennenden Senat keinen Anlass, von dieser Judikatur abzuweichen. Insbesondere ist der Argumentation nicht zu folgen, bei einer Verschuldensscheidung nach § 49 EheG stünden der Scheidungsausspruch und der Ausspruch über das Verschulden in einem untrennbaren Zusammenhang, weil es etwa ohne ein entsprechendes Verschulden des Beklagten gar keine derartige Ehescheidung gäbe. Eine zu derartigen Überlegungen allenfalls Anlass gebende Verfahrenskonstellation liegt im vorliegenden Fall nicht vor, hat doch der Antragsgegner sowohl den Scheidungsausspruch als auch den Ausspruch über sein (demnach zumindest gleichteiliges) Verschulden unangefochten gelassen. Damit konnte die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren das bindend bejahte Vorliegen von Verschuldenselementen auf Seiten des Antragsgegners, das die dortige Klägerin zu einem Begehren auf Scheidung nach § 49 EheG berechtigte, nicht mehr tangieren. Fraglich konnte lediglich sein, ob es beim Ausspruch gleichteiligen Verschuldens bleibe oder es der Antragstellerin gelingen könnte, den Ausspruch des Alleinverschuldens des Antragsgegners zu erwirken. Da somit der von der Revisionsrekurswerberin behauptete untrennbare Zusammenhang zwischen dem unangefochten gebliebenen Scheidungsausspruch und dem allein von ihr angefochtenen Ausspruch über das Verschulden jedenfalls nicht bestand, sind die Vorinstanzen zu Recht in Übereinstimmung mit der zitierten Judikatur davon ausgegangen, dass mit Ablauf der Berufungsfrist gegen das Scheidungsurteil die „Rechtskraft der Scheidung“ iSd § 95 EheG eingetreten ist.

2.) Zur Frage der behaupteten Hemmung der Frist des § 95 EheG:

Dass auch die Frist des § 95 EheG im Fall von Vergleichsverhandlungen der geschiedenen Ehegatten einer Hemmung unterliegt und damit im Ergebnis verlängert werden kann, entspricht herrschender Lehre und Rechtsprechung (vgl nur die Nachweise bei Koch in KBB 3 § 95 EheG Rz 3; RIS Justiz RS0057759 [T1]) und ist im Verfahren auch nicht strittig.

Die Revisionsrekurswerberin erhebt allerdings unter Hinweis auf § 182a ZPO den Vorwurf, das Erstgericht habe durch die Antragsabweisung a limine der Antragstellerin gar nicht die Möglichkeit gegeben, die rechtserheblichen Tatsachen zu geführten Vergleichsverhandlungen vorzubringen. Dabei übersieht sie allerdings, dass ein Verstoß gegen § 182a ZPO (hier in Verbindung mit § 14 AußStrG) der im Übrigen das Vorgehen in der mündlichen Verhandlung betrifft einen (gewöhnlichen) Verfahrensmangel darstellt, der auch im Außerstreitverfahren grundsätzlich in einem Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn er vom Rekursgericht wie hier verneint wurde (vgl nur RIS Justiz RS0050037). Im Übrigen ist der Tatbestand des § 182a ZPO schon deshalb nicht erfüllt, weil dieser die Erkennbarkeit einer unrichtigen Rechtsansicht der Prozesspartei für das Gericht voraussetzt (vgl auch RIS Justiz RS0120056), wovon im vorliegenden Fall schon deshalb keine Rede sein kann, weil die Antragstellerin im Verfahren erster Instanz selbst vorgebracht hat, sie habe einen Aufteilungsvorschlag gemacht, auf den der Antragsgegner nicht geantwortet habe; Anlass zur Annahme, es könnten allenfalls einen anerkannten Hemmungsgrund begründende Tatsachen vorliegen, hat das Antragsvorbringen in keiner Weise gegeben. Schließlich hat die Antragstellerin in ihrem Rekurs auch die mögliche Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht ausreichend dargetan, weil sie dazu (schlüssig) jenes Vorbringen anzuführen gehabt hätte, dass im Falle einer Information über die relevante Rechtsansicht erstattet worden wäre (vgl nur RIS Justiz RS0120056 [T8, T 12]; RS0123872).

Mit ihrem Vorwurf, das Erstgericht hätte zumindest eine „vorbereitende Tagsatzung“ abhalten müssen, womit ihr auch Gelegenheit geboten worden wäre, allenfalls zu einer Ablaufhemmung führende Tatsachenbehauptungen auszuführen, verweist die Revisionsrekurswerberin in der Sache auf den Rekursgrund des § 58 Abs 1 Z 3 AußStrG, der gemäß § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG auch noch in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden kann. Auch ein derartiger Verfahrensfehler wirkt aber anders als die Nichtigkeitsgründe nach der ZPO nicht absolut, sondern führt nur dann zur Aufhebung der vom Verfahrensmangel betroffenen Entscheidung, wenn der angefochtene Beschluss iSd § 58 Abs 1 AußStrG nicht selbst „aufgrund der Angaben im Rekursverfahren“ zu bestätigen ist (s auch RIS Justiz RS0120213, RS0123872).

Auch wenn das Erstgericht somit entgegen § 94 Abs 1 AußStrG in einem Eheverfahren (§ 93 Abs 1 AußStrG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden hat, hätte dieser Umstand nur dann zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses durch das Rekursgericht führen können, wenn die Antragstellerin die Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes durch schlüssige Darlegung jener Tatsachenbehauptungen konkretisiert hätte, die geeignet gewesen wären, eine Ablaufhemmung zu begründen (vgl nur RIS Justiz RS0123872). Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin in ihrem Rekurs nur ganz allgemein ausgeführt, es seien „bis zuletzt“ Vergleichsverhandlungen betreffend eine sinnvolle Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens geführt worden; auch wenn diese Verhandlungen durch die Übersiedlung des Antragsgegners nach Thailand erschwert worden seien, seien sie weiter geführt worden, hätten allerdings kein Ergebnis erbracht. Diese Rekursausführungen waren zu wenig konkret, um bei zutreffender Subsumtion zu einem anderen Verfahrensergebnis im Hinblick auf die Verfristungsfrage zu gelangen und damit nicht geeignet, die Relevanz des Verfahrensverstoßes für das Verfahrensergebnis darzutun. Da die als Hemmungsgrund anerkannten Vergleichsverhandlungen jedenfalls voraussetzen, dass sich auch der andere Ehegatte auf diese einlässt und mit Deutlichkeit zum Ausdruck bringt, er sei bereit, sich um eine außergerichtliche Einigung über die Vermögensaufteilung zu bemühen, hätte die Antragstellerin in ihrem Rekurs zumindest konkret darlegen müssen, zu welchem Zeitpunkt der Antragsgegner bzw dessen Vertreter welche bestimmte Erklärung abgegeben hat, aus der die Bereitschaft zur Aufnahme echter Vergleichsverhandlungen erkennbar war. War die Antragstellerin aber nicht einmal im Rekursverfahren in der Lage, aufzuzeigen, dass sie bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausreichende Tatsachenbehauptungen aufgestellt hätte, die eine Qualifikation als (auch) vom Antragsgegner geführte Vergleichsverhandlungen zugelassen hätten, hat das Rekursgericht diesen Rekursgrund zutreffend verworfen.

Welche für die Revisionsrekurswerberin günstigen rechtlichen Konsequenzen es haben sollte, dass sie erst spät von bestimmten Vermögenswerten des Antragsgegners erfahren habe, ist nicht erkennbar, stellt doch § 95 EheG auf derartige Umstände nicht ab und bilden sie auch keinen eigenen Hemmungsgrund. Auch allfällige Gespräche über Unterhaltsansprüche der Antragstellerin stehen mit dem Aufteilungsanspruch in keinem Zusammenhang. Mit ihrer Ausführung im Revisionsrekurs, sie sei ursprünglich aus guten Gründen davon ausgegangen, dass es mit dem Antragsgegner möglich sein würde, eine außergerichtliche Regelung der Vermögensaufteilungsangelegenheit zu verhandeln und zu vereinbaren, gesteht die Antragsgegnerin letztlich in der Sache wohl auch zu, dass es nie eine eindeutige Erklärung des Antragsgegners gegeben hat, in der er sich bereit erklärt hätte, ernsthafte Vergleichsgespräche über die Vermögensaufteilung zu führen.

Es hängt die Entscheidung daher weder von der vom Rekursgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage ab, noch vermag die Revisionsrekurswerberin eine Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.