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OGH vom 29.08.2019, 6Ob73/19g

OGH vom 29.08.2019, 6Ob73/19g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. F*****, 2. R*****, beide *****, vertreten durch Mayrhofer & Rainer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei R***** GesmbH, *****, vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 197/18f-25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Purkersdorf vom , GZ 6 C 33/17d-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit 460,40 EUR (darin 76,73 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

1. Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit nach der Erklärung des Bestandgebers, ein befristetes Bestandverhältnis nach Fristablauf nicht mehr fortsetzen zu wollen, die Räumung nur eines Teils des Bestandgegenstands begehrt werden kann. Auf diese Frage kommt die Beklagte in ihrer Revision nicht zurück.

2. Aber auch sonst gelingt es der Revision nicht, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen führten der Geschäftsführer der Beklagten und der Erstkläger (dieser auch in Vertretung der Zweitklägerin) Gespräche betreffend das Aufstellen einer Werbetafel der Beklagten auf der Liegenschaft der Kläger. Diese sollte auf eine zu errichtende Metallkonstruktion aufgesetzt werden, unter welcher sich der Müllplatz der Kläger befand und befindet. Dabei sagte der Erstkläger im Zuge der Besprechung, wer die Kosten für diese Metallkonstruktion tragen solle, zum Geschäftsführer der Beklagten, dass dieser die Tafel dort stehen lassen könne, so lange er als Immobilienmakler tätig sei; er werde das Haus auch nicht verkaufen. Die Metallkonstruktion wurde daraufhin von der Beklagten bezahlt, wobei aber nicht besprochen worden war, wer deren Eigentümer sein sollte. Es ist technisch möglich, die Werbetafel von der Metallkonstruktion zu entfernen, weil diese an der Konstruktion lediglich angeschraubt ist. Der Erstkläger und der Geschäftsführer der Beklagten vereinbarten damals einen aus einer Provisionsforderung der Beklagten offenen Betrag von 3.534 EUR, den die Kläger der Beklagten schuldeten, als Bestandzins für den Zeitraum bis ; für die Zeit danach wurde besprochen, dass man Handschlagsqualität habe und dass man sich dann auf einen Bestandzins einigen werde; eine konkrete Höhe wurde nicht besprochen. Nach Ablauf des genannten Zeitraums war der Erstkläger gesundheitlich nicht mehr in der Lage, mit dem Geschäftsführer der Beklagten Gespräche betreffend die Werbetafel zu führen, weshalb die Gespräche zwischen der Zweitklägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten geführt wurden, die hinsichtlich der Höhe des Bestandzinses zu keiner Einigung führten.

Die Vorinstanzen gingen von einem bis Ende 2014 befristeten Bestandverhältnis aus, das mangels Einigung über den Bestandzins nicht verlängert worden sei, und gaben dem Begehren der Kläger, die straßenseitig vor dem Haus der Kläger auf einer Metallsteherkonstruktion oberhalb des Daches des Müllcontainerplatzes angebrachte Werbetafel sach- und fachgerecht zu beseitigen, statt.

2.1. Ein Bestandvertrag kommt als Konsensualvertrag – Abschlusswille vorausgesetzt – mit der Einigung darüber zustande, dass ein bestimmter (bestimmbarer) Bestandgegenstand gegen einen bestimmten (bestimmbaren) Bestandzins auf eine bestimmte (bestimmbare) Zeit zum Gebrauch überlassen werden soll, wobei die Gebrauchsüberlassung jedoch auch mit unbestimmtem Endtermin erfolgen kann (RS0020342, RS0020394). Nach § 1090 ABGB ist es zwar nicht erforderlich, dass das vom Bestandnehmer dem Bestandgeber zu leistende Entgelt schon im Vertrag ziffernmäßig festgelegt wird; es genügt, dass der Vertrag alle jene Elemente enthält, die die Bestimmung des Zinses ermöglichen (RS0020697). Dem Bestimmtheitserfordernis entspricht eine Bestandzinsvereinbarung dabei jedenfalls dann, wenn der zukünftige Bestandzins objektiv bestimmbar ist (RS0020426), also etwa durch Verweis auf einen angemessenen Mietzins iSd § 16 Abs 1 MRG (1 Ob 537/91). Nach der Entscheidung 5 Ob 122/03g ist eine der Bestimmtheit des Kaufpreises gleichzusetzende Bestimmbarkeit aber (nur) anzunehmen, wenn die Parteien zum Markt- oder Börsepreis abschließen wollten, von einem orts- oder geschäftsüblichen Preis ausgingen oder die Bestimmung dem „billigen“ Ermessen eines Dritten überlassen. Dieser Grundsatz kann auch für die Frage der Bestimmtheit (Bestimmbarkeit) des Bestandzinses herangezogen werden.

Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Geschäftsführer der Beklagten sei zwar offenbar von einer Fortsetzung des Bestandverhältnisses auch nach 2014 ausgegangen, die Fortsetzung des Vertrags sei aber unzweifelhaft von einer Einigung über den künftigen Bestandzins abhängig gewesen, jedenfalls vertretbar (Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss [RS0112106 {T1, T 3, T 4}, RS0042776, RS0044358, RS0044298]): Nach den Feststellungen wurde für die Zeit nach 2014 besprochen, dass man sich dann auf einen Bestandzins einigen werde; gerade diese Einigung kam aber nicht zustande. Dass der Erstkläger und der Geschäftsführer der Beklagten in diesem Zusammenhang von ihrer „Handschlagsqualität“ sprachen, ändert nichts daran, dass die Fortsetzung des auf bestimmte Zeit geschlossenen Bestandvertrags von einer Einigung über den Bestandzins ab 2015 abhängig war.

Damit endete das Bestandverhältnis mit , sodass seit diesem Zeitpunkt die Beklagte titellos benützt. Auf die Frage einer allfälligen stillschweigenden Vertragsverlängerung nach § 1114 ABGB kommt die Beklagte im Revisionsverfahren nicht mehr zurück.

2.2. Gegen die Beurteilung des Benützungsverhältnisses als Leihvertrag – wie die Beklagte nunmehr in ihrer Revision meint – spricht schon allein, dass der Leihvertrag nach dem Wortlaut des § 971 ABGB voraussetzt, dass die Parteien Unentgeltlichkeit vereinbarten (RS0011844 [T6], vgl auch RS0019106); Entgeltlichkeit, die hier ausdrücklich vereinbart wurde, spricht somit gegen die Annahme eines Leihverhältnisses (RS0016008).

2.3. Ein Räumungsbegehren muss klar zum Ausdruck bringen, welche Objekte geräumt werden sollen. Die Festlegung der Forderung selbst, also die Formulierung eines bestimmten Begehrens, kann nicht dem Gericht überlassen werden (RS0037599 [T2]), wobei die Anforderungen nach einer entsprechenden Individualisierung auch nicht überspannt werden dürfen (RS0037874 [T3]). Zur Bestimmtheit eines Begehrens ist nicht erforderlich, dass alle Identifizierungsangaben im Begehren selbst erschöpfend wiedergegeben werden; es kann auch auf Urkunden oder auf andere Unterlagen verwiesen werden, wenn diese zu einem integrierenden Bestandteil des Begehrens gemacht werden (RS0037420). Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Klagebegehrens zu stellen sind, hängt von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0037874 [T39]).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen besteht die Werbetafel zwar aus zwei Seiten mit Werbung, wobei die zwei Seiten im spitzen Winkel als nach hinten offenes Dreieck konstruiert sind. Das Lichtbild Beilage ./A, das integrierter Bestandteil sowohl des Klagebegehrens als auch des erstinstanzlichen Urteilsspruchs ist, zeigt allerdings bloß eine der beiden Seiten – Klagebegehren und Urteilsspruch sprechen von der sichtbaren Werbetafel –, deren Beseitigung angestrebt und angeordnet wurde, worauf die Kläger in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend hinweisen. Mangelnde Bestimmtheit des Begehrens bzw des Urteilsspruchs (§ 7 EO), die die Beklagte erstmals im Revisionsverfahrens behauptet, liegt somit nicht vor.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00073.19G.0829.000

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