OGH 08.03.2006, 7Ob26/06h
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Mario K*****, geboren am , wohnhaft bei der Mutter Margit K*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft F*****, über den Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz, 8011 Graz, Marburger Kai 49, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 1 R 178/05m-U-27, womit infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz der Beschluss des Bezirksgerichtes Feldbach vom , GZ 4 P 22/04t-U-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, die Gleichschrift des Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz und den Abänderungsbeschluss des Rekursgerichtes vom auch den Rechtsmittelgegnern Margit K***** und Johann K*****, ebendort, zur allfälligen Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung zuzustellen sowie die Akten nach Erstattung einer solchen bzw fruchtlosem Verstreichen der Frist erneut dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Beide Vorinstanzen bewilligten dem mj. Mario Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe eines gegen den Vater bestehenden Unterhaltstitels über EUR 145 für die Zeit vom bis .
Das Rekursgericht ließ über Zulassungsvorstellung des OLG-Präsidenten Graz dessen ordentlichen Revisionsrekurs zu, wobei jedoch der Freistellungsbeschluss samt Rechtsmittelgleichschrift nach der Aktenlage bisher nur dem Jugendwohlfahrtsträger (Bezirkshauptmannschaft F*****), nicht aber auch den Eltern der Minderjährigen zugestellt worden ist.
Auch die Mutter als Zahlungsempfängerin und der Vater als Unterhaltsschuldner sind jedoch Parteien im Sinne des § 2 Abs 1 AußStrG (vgl § 15 UVG). Ihnen ist daher auch zutreffend bereits der erstinstanzliche Beschluss ON 12 und die diesen bestätigende Rekursentscheidung ON 27 zugestellt worden. Es steht ihnen gemäß § 68 Abs 1 und Abs 3 Z 2 AußStrG frei, eine Revisionsrekursbeantwortung einzubringen.
Es ist daher zunächst die aus dem Spruch ersichtliche Rückleitungsanordnung zu treffen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Mario K*****, geboren am , wohnhaft bei der Mutter Margit K*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft F*****, über den Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz, 8011 Graz, Marburger Kai 49, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 1 R 178/05m-U-27, womit infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz der Beschluss des Bezirksgerichtes Feldbach vom , GZ 4 P 22/04t-U-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Der Vater des am geborenen mj. Mario ist derzeit zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von EUR 145 verpflichtet. Ein Herabsetzungsantrag auf monatlich EUR 50 ab wurde von ihm später zurückgezogen (ON 9 iVm 19). Mit Beschluss des Erstgerichtes vom bewilligte dieses dem Minderjährigen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG Unterhaltsvorschüsse in Höhe des Unterhaltstitels von EUR 145 für die Zeit vom bis und ordnete (angesichts des damals noch nicht zurückgezogenen Unterhaltsherabsetzungsantrages des Vaters) gleichzeitig die Innehaltung der Vorauszahlung ab bis auf monatlich EUR 50 an. Begründend führte das Erstgericht aus, dass eine beim selben Gericht geführte Forderungs- und Fahrnisexekution ergeben habe, dass auch unter Anrechnung hereingebrachter Rückstände auf den laufenden Unterhalt dieser für die letzten sechs Monate vor Antragstellung nicht gänzlich gedeckt sei. Zwischen dem Unterhaltsschuldner und dem Kind bestehe zwar laut Melderegister ein gemeinsamer Haushalt, doch trage der Vater „absolut nichts zum gemeinsamen Haushalt sowie zum Unterhalt der Kinder" (neben dem Minderjährigen auch für dessen inzwischen volljährige Schwester) bei. Mit seinem Einkommen bezahle der Vater nur seinen Autokredit zurück, den Rest verbrauche er für sich selbst. Das Kind sei „nicht in die häusliche Wirtschaftsgebarung des Unterhaltsschuldners einbezogen".
Dem hiegegen erhobenen Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz gab das Rekursgericht keine Folge. Der Umstand des Vorliegens eines gemeinsamen Haushaltes zwischen dem vorschusswerbenden Kind und dem unterhaltspflichtigen Elternteil begründe keinen Versagungsgrund im Sinne des § 2 Abs 2 Z 1 UVG, wenn der Unterhaltsschuldner keinen Beitrag zur gemeinsamen Wirtschaftsführung leiste. Es komme nicht darauf an, ob zwischen dem unterhaltsberechtigten Kind und dem Unterhaltspflichtigen ein gewisses örtliches Naheverhältnis, etwa durch die Benützung derselben Wohnung, bestehe. Vielmehr sei maßgeblich, ob der Minderjährige in die häusliche Wirtschaftsgebarung des Unterhaltspflichtigen einbezogen sei und in diesem Rahmen für seine Verpflegung gesorgt werde. Wenn der Vater nur bei der Mutter lebe und zum Familienunterhalt nichts beitrage, liege der genannte Versagungsgrund nicht vor. Nach Mitteilung der Mutter lebe der Vater zwischenzeitlich überhaupt nicht mehr im gemeinsamen Haushalt. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde zunächst mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG für nicht zulässig erklärt. Über Zulassungsvorstellung des OLG-Präsidenten änderte das Rekursgericht diesen Ausspruch in der Folge dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei; das Rekursgericht habe sich bei seiner Entscheidung auf die bisherige (im Wesentlichen einheitliche) Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz gestützt; zumindest im Fall 7 Ob 159/98b habe der Oberste Gerichtshof dieser Rechtsansicht allerdings widersprochen, sodass nicht auszuschließen sei, „dass er auch im vorliegenden Fall die Rechtsmeinung des Rechtsmittelwerbers teilt".
Im ordentlichen Revisionsrekurs verweist der OLG-Präsident auf die genannte Entscheidung des erkennenden Senates und beantragt demgemäß die Abänderung der bekämpften Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Vorschussgewährungsantrages; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde weder seitens des Jugendwohlfahrtsträgers als Unterhaltssachwalter noch der Eltern (siehe hiezu Rückleitungsbeschluss 7 Ob 26/06h vom ) nach Freistellung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch gerechtfertigt.
Nach § 2 Abs 2 Z 1 UVG ist ein Vorschussanspruch ausgeschlossen, „wenn das Kind mit dem Unterhaltsschuldner im gemeinsamen Haushalt lebt". Ein gemeinsamer Haushalt des Kindes mit dem Unterhaltsschuldner liegt jedenfalls dann vor, wenn dieser in derselben Wohnung wie das Kind wohnt, in die Wohngemeinschaft eingebunden ist und am Familienleben in einem Ausmaß teilnimmt, wie
dies im Allgemeinen bei intakten Familien üblich ist (7 Ob 159/98b =
SZ 71/188 = RIS-Justiz RS0111118; Neumayr in Schwimann, ABGB³ Rz 17
zu § 2 UVG). Mit der zitierten Entscheidung ist der Oberste Gerichtshof - wie der Rechtsmittelwerber zutreffend hervorhebt - der Rechtsprechung zweitinstanzlicher Gerichte mit ausführlicher Begründung entgegengetreten, welche es für ausschlaggebend erachtet hatten, ob der Minderjährige in die häusliche Wirtschaftsgebarung des Unterhaltspflichtigen einbezogen sei und in diesem Rahmen für die Verpflegung des Minderjährigen gesorgt werde; wenn der Vater nur bei der Mutter lebe, sich dort aber „aushalten" lasse und zum Familienunterhalt nichts beitrage, liege der Versagungsgrund nach der zitierten Gesetzesstelle nicht vor. Der Oberste Gerichtshof ist dieser Auffassung - auch im Lichte der Gesetzesmaterialien - nicht gefolgt, wobei im Hinblick auf die zwischenzeitliche Veröffentlichung dieser Entscheidung in der amtlichen Sammlung des Obersten Gerichtshofes (weiters EvBl 1999/79 = EFSlg 87.619 und 87.620) eine weitergehende Wiedergabe seiner Begründung entbehrlich ist. Jedenfalls wird - wie in der Entscheidung ebenfalls hervorgehoben wird - damit auch der Gefahr des Missbrauchs vorgebeugt, welche insoweit naheliegt, dass ein solcher Unterhaltsschuldner selbst als Mitglied des Familienverbandes von den gewährten Vorschussbeiträgen als Einkommensquelle profitiert, indem er die Vorschüsse für seine eigenen Bedürfnisse verwendet oder zumindest von diesen vom Bund ausgezahlten Geldern „mitlebt"; diese Gefahr ist gerade dann evident, wenn der Unterhaltsschuldner keinen Beitrag zur Haushaltsführung leisten will. Dieser Auffassung ist auch Neumayr im Praxiskommentar von Schwimann³ (Rz 18 ff zu § 2 UVG) beigetreten. Für die Frage, ob ein gemeinsamer Haushalt des Kindes mit dem Unterhaltspflichtigen anzunehmen ist, ist der Umstand, ob und in welchem Umfang der jeweilige Elternteil zur Finanzierung des Haushalts oder durch Arbeiten im Haushalt zur Wirtschaftsgebarung beiträgt oder den Kindesunterhalt (mit)finanziert oder in welchem Umfang jeder Elternteil jeweils Dienst- oder Sachleistungen zur Verfügung stellt, nicht als entscheidend anzusehen.
Im vorliegenden Fall sind allerdings die maßgeblichen familiären Umstände der Eltern zueinander und im Verhältnis zu ihren Kindern, speziell zum minderjährigen Mario, nicht ausreichend erhoben und insbesondere nicht ausreichend festgestellt. Zwar wurden die Eltern (nach Beschlussfassung erster Instanz und vor Vorlage des Rekurses des OLG-Präsidenten an das Rekursgericht) „zur tatsächlichen Lebenssituation" vom Rechtspfleger des Erstgerichtes niederschriftlich vernommen (ON 19, vgl auch die Niederschrift der Mutter vor dem Jugendwohlfahrsträger ON 22). Danach soll der Vater zwischenzeitlich zwar zu seiner Mutter gezogen sein und dieser für die Haushaltsbetreuung ein Kostgeld bezahlen; gemeldet sei er jedoch immer noch bei seiner Gattin, zu der er jedenfalls dann vorbeikomme, wenn er seine auch weiterhin dorthin adressierte Post abhole. Auch eine Ummeldung vom bisherigen Haushalt in den neuen seiner Mutter sei bisher nicht erfolgt.
Im fortgesetzten Rechtsgang wird das Erstgericht jedenfalls hiezu präzise und klare Feststellungen zur Beurteilung der Annahme oder Nichtannahme eines gemeinsamen Haushalts im Sinne des § 2 Abs 2 Z 1 UVG sowie im Lichte der Entscheidung SZ 71/188 zu treffen haben. Bloße polizeiliche Meldung derselben Adresse mit der Mutter (und den Kindern, speziell dem minderjährigen Mario) und die bloße Postübernahme durch die Mutter für den Vater zur Weiterleitung an ihn bei Abholung würde die Annahme eines gemeinsamen Haushaltes und damit die Versagung der beantragten Unterhaltsvorschüsse nicht rechtfertigen (vgl Neumayr, aaO Rz 20).
Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind somit aufzuheben und dem Erstgericht insoweit ergänzende Feststellungen aufzutragen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in Zak 2006/431 S 254 - Zak 2006,254 = ÖA 2006,151 UV242 - ÖA 2006 UV242 = EFSlg 115.833 = EFSlg 114.525 = EFSlg 114.526 XPUBLEND |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2006:0070OB00026.06H.0308.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAD-67361