OGH vom 02.05.2011, 6Ob73/11w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Juan V*****, vertreten durch DDr. Ernst Gramm, Rechtsanwalt in Neulengbach als Verfahrenshelfer, gegen die Antragsgegnerin Anita V*****, vertreten durch Dr. Alexander Lindner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rückführung der mj Ana Maria Cristina V*****, geboren am *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 118/11t S 112, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung:
Nachdem das Erstgericht den Antrag des Vaters auf Rückführung des Kindes nach Spanien abgewiesen hatte, ordnete das spanische Amtsgericht mit Beschluss unter Bezugnahme auf Art 11 Abs 8 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (Brüssel IIa Verordnung) die Rückführung des Kindes an. Dieser dem österreichischen Bundesministerium für Justiz übermittelten Entscheidung ist eine Bescheinigung gemäß Art 42 Brüssel IIa VO angeschlossen, in der ausdrücklich festgehalten ist, dass die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat nicht vollstreckbar ist.
Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, nach Art 42 Abs 1 Brüssel IIa VO werde nur eine in einem Mitgliedstaat ergangene vollstreckbare Entscheidung über die Rückgabe des Kindes in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und dort vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedürfe und ohne dass die Anerkennung angefochten werden könne; diese Voraussetzung sei nach der ausgestellten Bescheinigung nicht erfüllt. Mangels vollstreckbarer Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat komme auch eine Vollstreckung in Österreich zwangsläufig nicht in Betracht.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig.
Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers ist es keine denkmögliche Auslegung von Art 42 Abs 1 Brüssel IIa VO, dass die Entscheidung des Ursprungsmitgliedstaats lediglich tatsächlich vollstreckbar sein müsse, dieser Umstand aber nicht bescheinigt zu werden brauche und sich aus der Tatsache der Ausstellung der Bescheinigung durch das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats per se ergebe, dass die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sei, wenn nämlich wie hier die Bescheinigung selbst die Entscheidung des Ursprungsmitgliedstaats ausdrücklich als nicht vollstreckbar bezeichnet.
Aus der nicht bestehenden Möglichkeit, eine Entscheidung zu bekämpfen, folgt keineswegs zwingend deren Vollstreckbarkeit.
Der Rechtsmittelwerber meint weiter sinngemäß, das spanische Gericht habe die im vorliegenden Fall verneinte Frage 10 der Bescheinigung gemäß Art 42 Abs 1 Brüssel IIa VO über Entscheidungen über die Rückgabe des Kindes (Anhang IV) mit dem Wortlaut „Ist die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar?“ so verstanden, Exekutionsmaßnahmen in Spanien seien im konkreten Fall nicht möglich, weil sich das Kind in Österreich und nicht in Spanien befinde.
Diese Auslegung würde zu einem absurden Ergebnis führen, weil dann diese Frage stets verneint werden müsste, sind doch im Ursprungsmitgliedstaat, wo sich das Kind definitionsgemäß nicht aufhält, Vollstreckungsmaßnahmen zu dessen Rückführung niemals möglich. Die Frage wäre dann sinnlos. Davon abgesehen ist dem Vollstreckungsmitgliedstaat die Prüfung inhaltlicher Mängel der Bescheinigung verwehrt ( Sengstschmied in Fasching/Konecny ² Art 45 EuEheKindVO Rz 17), wozu auch das vom Rechtsmittelwerber dargelegte irrige Verständnis der Frage 10 der Bescheinigung gehörte.
Weil schon deshalb eine Vollstreckung des spanischen Beschlusses nicht in Betracht kommt, kommt es auf die Auslegung von Art 42 Abs 2 lit a Brüssel IIa VO (Anhörung des Kindes) nicht an.