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OGH vom 05.05.1972, 1Ob93/72

OGH vom 05.05.1972, 1Ob93/72

Norm

ZPO § 320;

ZPO § 349 Abs 1;

Kopf

SZ 45/56

Spruch

Die Bestimmung des § 349 Abs 1 ZPO, daß gegen die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung einer Aussage ein abgesondertes Rechtsmittel nicht stattfindet, gilt nicht für die Fälle der Unzulässigkeit des Zeugnisses (§ 320 ZPO)

Staatsbeamter iS des § 320 Z 3 ZPO ist jedes mit Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung betrautes Organ. Hat das Gericht oder der Staatsbeamte, der als Zeuge vernommen werden soll, Bedenken, daß durch eine Aussage die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit verletzt werden könnte, muß das Prozeßgericht die Tagsatzung erstrecken und die Frage klären, ob der Vorgesetzte des Zeugen diesen von der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit entbindet; an dessen Bescheid ist das Gericht gebunden

(OLG Linz 4 R 2/72; LG Linz 1 Cg 135/71)

Text

Der Kläger begehrt von den Beklagten als Provision für die von ihm behauptete Vermittlung des Verkaufes von den Beklagten gehörigen Grundstücken an die Stadt L die Bezahlung des Betrages von S 370.000.- sA. Die Beklagten behaupten hiezu, dem Kläger niemals einen Vermittlungsauftrag gegeben zu haben. Zum Beweis, daß sich die Beklagten sogar ausdrücklich verpflichtet hätten, dem Kläger die begehrte Provision zu zahlen, berief sich der Kläger ua auf Erich K, der für die Stadtgemeinde L die Kaufverhandlungen geführt hatte, als Zeugen. Mit Schreiben vom brachte das Präsidialamt der Stadt L dem Erstgericht zur Kenntnis, daß Erich K von der ihm obliegenden Pflicht der Dienstverschwiegenheit nicht entbunden werde. Bei der Tagsatzung vom faßte das Erstgericht dennoch ua den Beweisbeschluß auf Vernehmung des Zeugen Erich K darüber, ob der Kläger für die Beklagten als Grundstücksvermittler eingetreten sei, letztere seine Dienste für die Vermittlung in Anspruch genommen hätten und ihnen die Tatsache, daß er als Realitätenvermittler gegen Provision für sie tätig sei, bekannt gewesen sei. Zur Ablegung der Zeugenaussage über das Beweisthema aufgefordert, erklärte der Zeuge Erich K, daß er im Hinblick auf die Stellungnahme des Präsidialamtes die Aussage ganz allgemein verweigere. Das Erstgericht faßte darauf den Beschluß, daß die Verweigerung der Zeugenaussage des Erich K als nicht gerechtfertigt erkannt werde. Der Zeuge erklärte sodann, trotzdem die Aussage zu verweigern, da er sich an die Weisung seiner vorgesetzten Behörde gebunden fühle.

Das Erstgericht fertigte den Beschluß, daß die Verweigerung der Aussage durch den Zeugen Erich K als nicht gerechtfertigt erkannt werde, aus und verhängte gleichzeitig über den Zeugen zur Erzwingung der Aussage eine Geldstrafe von S 300.-; außerdem verpflichtete es den Zeugen zum Ersatz der durch seine Weigerung verursachten Kosten. Wesentlicher Inhalt der Verschwiegenheitspflicht sei ein Geheimnis, also ein Umstand, der entweder nur dem betreffenden Amt selbst oder doch nur einem bestimmten, seinerseits wieder zur Geheimhaltung verpflichteten Personenkreis bekannt sei. Auf keinen Fall könne hingegen von einem Amtsgeheimnis dort gesprochen werden, wo gerade denjenigen Personen, welchen gegenüber der Amtsträger sich äußern soll, der fragliche Umstand bereits auf ordnungsgemäße Weise bekanntgeworden sei, ja wenn sie ihn sogar kraft ihrer persönlichen Beteiligung an den betreffenden Agenden jenes Amtes erfahren hätten. Wollte man die Verschwiegenheitspflicht auch auf solche Umstände ausdehnen, so wäre dies eine sachlich völlig ungerechtfertigte Privilegierung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes und eine Umgehung der allgemeinen Zeugenpflicht. Insbesondere dort, wo Gebietskörperschaften im Rahmen ihrer Privatwirtschaftsverwaltung handeln, müsse gegenüber ihren Vertragspartnern nicht nur materiellrechtliche Gleichstellung, sondern auch formalrechtliche Gleichbehandlung in bezug auf die Zeugenpflicht gelten. Da die Parteien kein im Verwaltungsweg durchsetzbares subjektives Recht hätten, daß Beamte vom Amtsgeheimnis entbunden werden, müsse das Gericht iS des § 324 ZPO darüber entscheiden.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die Weigerung des Erich K, in der gegenständlichen Rechtssache als Zeuge iS des Beweisbeschlusses auszusagen, als rechtmäßig anerkannt werde; gleichzeitig hob es den erstgerichtlichen Beschluß, mit dem über den Zeugen eine Ordnungsstrafe verhängt und er zum Kostenersatz verpflichtet worden war, auf. Die Geheimhaltungspflicht des Organes einer Gebietskörperschaft umfasse alle Tatsachen, die ihm aus seiner Amtstätigkeit bekanntgeworden seien; unter Amtstätigkeit sei jede Tätigkeit zu verstehen, durch die das Organ den Willen der Gebietskörperschaft nach außen hin ausführe oder durchsetze. Es bestehe kein Zweifel, daß auch die dem Erich K anläßlich der von ihm zwecks Ankaufs der Liegenschaft der Beklagten durch die Stadt L geführten Verhandlungen bekanntgewordenen Tatsachen von der Verschwiegenheitspflicht erfaßt werden. Die Entbindung von der Amtsverschwiegenheitspflicht obliege dem Dienstvorgesetzten, sei eine Maßnahme der Diensthoheit und gehöre als Akt der Dienstaufsicht nach ihrer Wirkungsweise dem internen Dienstbereich an. Nur der übergeordneten Dienstbehörde obliege daher die Prüfung und Entscheidung darüber, welche Tatsachen unter die Amtsverschwiegenheit fallen. Das Gericht sei an die Mitteilung der Stadtgemeinde L, die als Bescheid aufzufassen sei, gebunden. Diese Bindung schließe eine Nachprüfung des Bescheides, ob dieser durch das Gesetz gedeckt sei, aus. Den Parteien bleibe nur die Möglichkeit, einen ihnen allenfalls aus einer unbegrundeten und rechtswidrigen Verweigerung der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht entstandenen Schaden nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes geltend zu machen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst ist die Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu klären. Diese ist zu bejahen. Das Gesetz unterscheidet zwischen der Unzulässigkeit und der Verweigerung des Zeugnisses (Überschrift vor § 320 ZPO). Die Unzulässigkeit des Zeugnisses ist im § 320 ZPO geregelt, wonach ua Staatsbeamte, wenn sie durch ihre Aussage das ihnen obliegende Amtsgeheimnis verletzen würden, als Zeugen nur vernommen werden dürfen, wenn sie der Pflicht zur Geheimhaltung durch ihre Vorgesetzten entbunden sind (Z 3). Von der Verweigerung des Zeugnisses handeln hingegen die §§ 321 ff ZPO. Bei den Gründen, aus denen Zeugen nicht vernommen werden dürfen, handelt es sich, wie sich das Gesetz an anderer Stelle (§ 372 ZPO) ausdrückt, um Ausschließungsgrunde, die von Amts wegen wahrzunehmen sind (Fasching III, 412; Neumann[4] 1048; Herz in ÖJZ 1969, 384). Auf das Recht zur Verweigerung der Aussage ist hingegen nicht von Amts wegen Rücksicht zu nehmen (Fasching III, 430), wenn auch selbstverständlich der Zeuge über sein allfälliges Recht zur Zeugnisverweigerung zu belehren ist (§ 339 Abs 1 ZPO). Während also Staatsbeamte und die anderen im § 320 ZPO genannten Personen, wenn nicht die dort erwähnten Ausnahmen eintreten, vom Gericht nicht vernommen werden dürfen, können andere Personen, deren Pflicht zur Verschwiegenheit staatlich anerkannt ist, sich nur der Aussage über Tatsachen, durch deren Mitteilung sie diese Pflicht verletzten würden, entschlagen (Neumann[4] 1049 f); der Zeuge ist es hier also selbst, der sein Zeugnisverweigerungsrecht wahrnehmen muß (Herz aaO). Nur von diesem Weigerungsrecht ist in den §§ 323 ff ZPO die Rede, wogegen das Verfahren, das durchzuführen ist, wenn ein Gericht seine ihm sich aus § 320 ZPO ergebende Amtspflicht nicht oder gesetzwidrig wahrnimmt, im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist. Inwieweit trotzdem, wie das Erstgericht meint, die Bestimmungen über die Zeugnisverweigerung analog anzuwenden sind, muß im Rahmen der Erwägungen, inwieweit Rechtsmittel zulässig sind, nicht erörtert werden, da jedenfalls die Bestimmung des § 349 Abs 1 ZPO, wonach gegen die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung einer Aussage (§ 324 ZPO) ein abgesondertes Rechtsmittel nicht stattfindet, nicht auf Entscheidungen nach § 320 ZPO angewendet werden kann; gesetzliche Rechtsmittelbeschränkungen können nämlich nicht ausdehnend ausgelegt werden. DemZeugen Erich K stand damit ein Rekursrecht gegen den erstgerichtlichen Beschluß mit dem er zur Aussage iS des Beweisbeschlusses verpflichtet worden war, unter allen Umständen zu (vgl in diesem Sinne Sperl, Lehrbuch 430; dagegen wohl Pollak, System[2] 665). Es sei daher nur am Rande erwähnt, daß ihm zudem jedenfalls ein abgesonderter Rekurs gegen die Verhängung der Geldstrafe (§ 325 ZPO) zustand, mit dem er auch bei Vorliegen eines Falles des § 321 ZPO seine Beschwerde gegen die Zeugnisablegungspflicht verbinden hätte dürfen (JBl 1967, 90; Fasching III, 431; Neumann[4] 1052; Herz aaO, 386). Dem Kläger, der Erich K als Zeugen führte und ein rechtliches Interesse daran hat, daß dieser auch tatsächlich als Zeuge vernommen wird, muß dann aber auch das Recht eingeräumt werden, einen abändernden Beschluß des Rekursgerichtes ebenfalls zu bekämpfen. Daß zum ersten Beschwerdepunkt ein Ausspruch, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 2000.- übersteigt (§ 527 Abs 1 ZPO) fehlt, spielt keine Rolle, da dieser Ausspruch nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht zwingend und bei seiner Unterlassung der Revisionsrekurs gegen einen abändernden Beschluß des Rekursgerichtes, der keinen Geldbetrag betrifft, immer zulässig ist (JBl 1970, 259; SZ 26/111). Bei der verhängten Ordnungsstrafe spielt aber deren Höhe für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses grundsätzlich keine Rolle (EvBl 1970/378; SZ 35/122 ua; Fasching II, 563). Das muß insbesondere im vorliegenden Falle gelten, in dem es dem Kläger nicht um die Höhe der vom Erstgericht verhängten und vom Rekursgericht abgelehnten Geldstrafe, sondern um die Durchsetzung seines behaupteten Anspruches auf Ablegung der Aussage durch den Zeugen Erich K geht.

Der Revisionsrekurs ist allerdings nicht berechtigt.

Zunächst ist dem Rekursgerichte darin beizupflichten, daß die Bestimmung des § 320 Z 3 ZPO auch auf den Zeugen Erich K anzuwenden ist, da als "Staatsbeamter" iS dieser Gesetzesstelle jedes mit Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung betraute Organ, für das der Art 20 Abs 2 B-VG oder ein in diesem Sinn erlassenes Gesetz gilt, anzuwenden ist (Fasching III, 413). Für den Zeugen Erich K gilt, wie das Rekursgericht ebenfalls richtig darlegte, das öö Statutargemeinden-Beamtengesetz, LGBl 1956/37 idF der Gesetze LGBl 1964/40 und 1969/28. Dessen dem Art 20 Abs 2 B-VG nachgebildeter § 22 Abs 1 lautet dahin, daß die Beamten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet sind, deren Geheimhaltung im Interesse einer Gebietskörperschaft oder der Parteien geboten ist oder deren Geheimhaltung ausdrücklich aufgetragen ist; eine Ausnahme hievon tritt nur insoweit ein, als ein Beamter vom Magistrat für einen bestimmten Fall von der Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses entbunden wurde. Aus der zitierten Bestimmung ergibt sich, daß Erich K ohne Entbindung von der Amtsverschwiegenheit durch den Magistrat L nur dann nicht vernommen werden durfte, wenn das Beweisthema überhaupt unter die Amtsverschwiegenheit zu fallen hatte oder zumindest fallen konnte. Es entscheidet nämlich zwar die Dienstbehörde des Beamten allein darüber, ob der Gegenstand der Vernehmung ein solcher ist, daß der Beamte durch sein Zeugnis das ihm obliegende Amtsgeheimnis verletzen kann (so auch die zum § 151 StPO ergangene Entscheidung EvBl 1971/204), dem Gericht kommt aber das Recht zu prüfen zu, ob überhaupt die Voraussetzungen des § 320 Z 3 ZPO gegeben sein können; ergeben sich keine Zweifel darüber, daß sich die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nicht auf den Gegenstand der Vernehmung erstreckt und werden in dieser Richtung auch keine Bedenken von dem Beamten selbst vorgebracht, dann kann das Gericht, ohne gegen das Verbot des § 320 Z 3 ZPO zu verstoßen, den Beamten vernehmen (vgl EvBl 1971/204). Auch der Beamte hat ja nicht grundsätzlich die Aussage abzulehnen, sondern nur, soweit die Vernehmung iS des Beweisbeschlusses seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit verletzten würde (Pollak aaO 664), es liegt also nur relative rechtliche Zeugenunfähigkeit vor (Holzhammer, Österr Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren 212). Das oben Dargelegte gilt aber, wie erwähnt, nur dann, wenn weder Gericht noch Zeuge Bedenken gegen die Vernehmung haben; dann ist die Vernehmung, wenn sie von den Parteien nicht gerügt wird, auch gültig erfolgt, ihr Ergebnis kann dem Urteil zugrundegelegt werden (Fasching III, 408, 412, Sperl aaO).

Im vorliegenden Falle hatte nun aber der Zeuge Erich K Bedenken, ohne Verletzung seiner Amtsverschwiegenheitspflicht aussagen zu können, außerdem wies er noch darauf hin, es sei ihm die Geheimhaltung ausdrücklich aufgetragen worden. Die Bedenken des Zeugen bestanden auch zu Recht, steht doch außer Frage, daß er nur über Tatsachen aussagen soll, die ihm im Zusammenhang mit den Kaufverhandlungen, die er für die Stadt L mit den Beklagten geführt hatte, bekannt geworden waren. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses wird aber die Ansicht vertreten, daß es zur Begründung der Geheimnispflicht genügt, wenn die in Frage stehenden Tatsachen dem Beamten nicht in Ausübung, sondern nur aus Anlaß der Ausübung seines Amtes zur Kenntnis gekommen sind; demgemäß sollen auch solche Mitteilungen dem Amtsgeheimnis unterworfen sein, die dem Amtsorgan wohl außerhalb seiner Amtstätigkeit, jedoch in Verbindung mit diesem gemacht worden sind (Hellbling in JBl 1958, 255); ob der Beamte dabei in Ausübung der Hoheitsverwaltung oder der Wirtschaftsverwaltung tätig war, wäre dann unerheblich. Auch das, was dem Zeugen bei den in seiner Amtseigenschaft geführten Kaufverhandlungen an Vereinbarungen zwischen dem Kläger und den Beklagten bekanntgeworden ist, fiele damit unter die Verschwiegenheitspflicht.

Mit Recht vertritt das Rekursgericht nun aber die Ansicht, daß die Entscheidung darüber, ob ein Zeuge durch seine Aussage das ihm obliegende Amtsgeheimnis verletzen würde, ausschließlich dem Vorgesetzten, der die Entbindung von der Amtsverschwiegenheit vornehmen kann, obliegt. Es handelt sich dabei, wie der Verfassungsgerichtshof dargelegt hat (Slg 3005), um eine Maßnahme in Ausübung der Diensthoheit, um einen internen Verwaltungsakt. Den Parteien eines Rechtsstreites steht dabei kein subjektives öffentliches Recht zu, daß ein Beamter vom Amtsgeheimnis entbunden werde; die Bestimmung des Art 20 Abs 2 B-VG wird nämlich als bloßes Organisationsrecht angesehen, das eine Verpflichtung der Verwaltungsorgane, nicht aber Rechte von Einzelpersonen festlegt; wenn ein Gericht die Entbindung eines Beamten von der Amtsverschwiegenheit beantragt, hat daher nicht einmal der Zeuge selbst Parteistellung (VfGH Slg Anh 1953/2); Gleiches gilt von den betroffenen Parteien (VfGH Slg 3005). Hat also das Gericht oder der Staatsbeamte, der als Zeuge vernommen werden soll, Bedenken, daß durch eine Aussage die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit verletzt werden könnte, muß das Prozeßgericht die Tagsatzung erstrecken und die Frage klären, ob die Vorgesetzten des Zeugen diesen von der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit entbinden (2 Ob 555/58) oder aber etwa mitteilen, daß mangels Bestehens einer Verschwiegenheitspflicht bezüglich der in Frage stehenden Tatsachen eine Entbindung nicht Platz greift (Hellbling aaO, 256). Das Gericht darf hingegen die Frage der Entbindung von der Amtsverschwiegenheit nicht selbst als Vorfrage beurteilen, weil es damit gegen die Grundsätze der Kompetenzverteilung (vgl SZ 40/98) verstoßen würde, die einzuhalten der § 320 Z 3 ZPO durch die ausdrückliche Bestimmung, daß die Entbindung von der Amtsverschwiegenheit durch die Vorgesetzten des Zeugen zu erfolgen hat, anordnet. Jede andere Auffassung würde den Beamten - insbesondere den, der weisungsgemäß nicht aussagen darf - in eine Konfliktssituation bringen, die Verfassung und Gesetz ganz offensichtlich gerade vermeiden wollten.

Im vorliegenden Fall kam eine Klärung der Frage, ob eine Entbindung des Zeugen Erich K von der Amtsverschwiegenheit erforderlich ist, überhaupt nicht mehr in Betracht, da die Stadtgemeinde L dem Erstgerichte bereits vor der Tagsatzung, bei der der Zeuge vernommen werden sollte, mitgeteilt hatte, daß der Zeuge von der ihm obliegenden Pflicht der Dienstverschwiegenheit nicht entbunden werde. Daß es sich hiebei um einen Bescheid handelte, obwohl dem Erstgerichte nur eine formlose Mitteilung zugekommen war, hat der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen (Slg 3005). Die im § 58 AVG angeordnete ausdrückliche Bezeichnung der Verwaltungsentscheidung als Bescheid war kein für seine Wirksamkeit wesentliches Erfordernis (EvBl 1952/194 ua) und gerade im konkreten Fall, in dem eine Anfechtung nicht in Betracht kam, unwichtig; dem Erfordernis der Beurkundung des Bescheides (vgl SZ 22/92) war aber entsprochen. Daß der Bescheid des Magistrates der Stadt L aber im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit erlassen wurde, ergibt sich aus § 22 Abs 1 des oben zitierten Landesgesetzes in Verbindung mit § 320 Z 3 ZPO. An rechtskräftige Bescheide einer solchen Verwaltungsbehörde sind die Gerichte aber gebunden (JBl 1970, 428; SZ 23/335 uva), auch wenn den Parteien dieses Prozesses am Verwaltungsverfahren keine Beteiligtenstellung zugekommen war (SZ 40/101). Diese Bindung schließt auch eine gerichtliche Prüfung, ob der Bescheid durch das Gesetz gedeckt war, aus (EvBl 1959/291; JBl 1959, 285 ua, zuletzt 1 Ob 320/71, 6 Ob 193/71), auch wenn der Bescheid unvollständig, mangelhaft oder fehlerhaft war (ZVR 1964/163; SZ 23/176 ua). Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurses steht dem Gerichte dann aber auch nicht mehr die Beurteilung zu, ob die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit etwa deswegen nicht mehr bestehe, weil die auszusagende Tatsache bereits notorisch geworden ist (vgl dazu Hellbling aaO, 257, aber auch EvBl 1971/204). Es hat nur zu prüfen, wie weit der Umfang des Bescheides der Verwaltungsbehörde reicht (EvBl 1967/328); daß er im vorliegenden Falle aber die gesamte Aussage des Zeugen Erich K ausschließt, steht außer Frage. Ob eine allfällige ungerechtfertigte Ablehnung der Entbindung vom Amtsgeheimnis zu einem Schadenersatzanspruch des Benachteiligten führen kann (vgl dazu Hellbling aaO 256), ist hier nicht zu beurteilen.