OGH vom 29.05.2000, 7Ob73/00m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Florian W*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Minderjährigen, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familien - Rechtsfürsorge für den
23. Bezirk, 1230 Wien, Häckelstraße 4, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 45
R 917/99g-23, mit dem infolge Rekurses des Minderjährigen der Beschluss des Bezirksgerichtes Liesing vom , GZ 5 P 59/96f-19, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung:
Der Vater des Minderjährigen ist auf Grund eines Vergleiches vor dem Bezirksgericht Liesing vom , 5 C 19/96a-1 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung an den Minderjährigen in Höhe von S
3.500 verpflichtet. Bei dem in Deutschland selbständig tätigen Vater ist nach Auskunft des Landesratsamtes Schwarzwald-Baar-Kreis die Vollstreckung sehr erschwert.
Mit seinem - neuerlichen - Antrag vom begehrt der Minderjährige die Gewährung von Unterhaltsvorschuss auf Grund dieses Vergleiches, da die Exekution gegen seinen in Deutschland selbständig tätigen Vater keinen Erfolg bringen werde.
Das Erstgericht wies den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass erst dann ein Unterhaltsvorschuss gewährt werden könne, wenn die Exekution im Ausland zumindest versucht wurde.
Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs des Minderjährigen Folge und hob den angefochtenen Beschluss mit dem Auftrag zur Ergänzung des Verfahrens durch das Erstgericht auf. Es ging dabei davon von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Z 1 Unterhaltsvorschussgesetz aus, wonach Unterhaltsvorschüsse auch zu gewähren sind, wenn die Führung einer Exekution deshalb aussichtslos scheint, weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten lasse, nicht bekannt sei. Im Hinblick auf das Fehlen eines inländischen Exekutionsobjektes und die Notwendigkeit der Exekutionsführung im Ausland die mit der Notwendigkeit einer Verwertung gepfändeter Vermögenswerte im Ausland verbunden wäre, seien aber Voraussetzungen für die Vorschussgewährung gegeben. Die Ergänzung des Verfahrens sei dem Erstgericht aufzutragen, da zwar entsprechend § 12 Unterhaltsvorschussgesetz generell der Unterhaltsverpflichtete - in erster Instanz - nicht zu hören sei, er jedoch im Hinblick auf eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses durch das Rekursgericht sonst keine Möglichkeit der Bekämpfung der Entscheidung auf Tatsachenebene habe, was Art 6 MRK widerspreche.
Den Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht im Hinblick auf abweichende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes als zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Im Ergebnis zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, dass unter Zugrundelegung der derzeitigen Feststellungen die Voraussetzungen des § 4 Z 1 UVG vorliegen. Der Oberste Gerichtshof hat zwar im Anschluss an die Entscheidung 6 Ob 648/90 - ÖA 1991, 110
= EFSlg 63.650 unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen
Entscheidung 2 Ob 582/90 - ÖA 1991, 110 = EFSlg 63.651 in der vom
Erstgericht zitierten Entscheidung vom , 4 Ob 530/94 und nunmehr in ständiger Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0076054 mwN) ausgesprochen, dass dann, wenn die Exekution im Ausland geführt werden muss, zwar die Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung im Sinne des § 4 Z 1 UVG naheliege, dies aber das Gericht nicht jedweder Prüfung der Aussichtslosigkeit enthebt. Wenn also bei Ländern wie der BRD eine Vollstreckung durch internationale Verträge nicht bloß angeordnet, sondern auch nach der Behördenpraxis gewährleistet ist (vgl ÖA 1991, 111; RZ 1991/23 ua) so bedarf es konkreter Umstände, die die Aussichtslosigkeit annehmen lassen. Solche wurden aber hier erhoben, da nach der Auskunft einer deutschen Behörde, eine Exekution in absehbarer Zeit kaum einen Erfolg erwarten lässt. Längere Zeit in Anspruch nehmende Erhebungen widersprächen aber dem Zweck des UVG den Minderjährigen möglichst rasch zu seinem Unterhalt zu verhelfen.
Berechtigt moniert aber der Revisionsrekurs, dass die Begründung des Rekursgerichtes für die Rückverweisung an das Erstgericht nicht zu überzeugen vermag.
§ 12 UVG ordnet allgemein an, dass der Unterhaltsschuldner nur zu hören ist, wenn dadurch Zweifel über das Vorliegen der Voraussetzungen geklärt werden können und das Verfahren nicht verzögert wird. Dadurch soll eine rasche Vorschussbewilligung erreicht werden (vgl Neumayr in Schwimman ABGB2 § 12 UVG Rz 1).
Der in Art 6 MRK festgelegte Grundsatz des rechtlichen Gehörs gilt nun auch im Außerstreitverfahren (vgl zuletzt OGH 6 Ob 9/00t unter Hinweis auf SZ 69/20). Dieser Grundsatz wird auch nicht nur dann verletzt, wenn sich eine Partei in einem Verfahren überhaupt nicht äußern konnte, sondern auch dann, wenn der Entscheidung Tatsachen oder Beweisergebnisse zugrundegelegt werden, hinsichtlich derer der Partei diese Möglichkeit nicht offenstand (vgl RIS-Justiz RS0074920 = SZ 58/142, RZ 1992/49, SZ 64/1, SZ 68/151, uva; RIS-Justiz RS0005915 = SSV-NF 3/77, EvBl 1992/54, RZ 1993/65 uva). Auch der Unterhaltsschuldner ist als Partei des Verfahrens zu betrachten, da mit der Entscheidung über die Gewährung des Unterhaltsvorschusses doch auch in seine Rechte eingegriffen wird (vgl § 14 zur Zustellung an den Unterhaltsschuldner; § 13 Abs 1 Z 6 UVG zur Verpflichtung zur Zahlung der Pauschalgebühr, § 26 Abs 3 UVG zur Verlängerung der Verjährungsfrist; aA Birkner Parteistellung und rechtliches Gehör im Außerstreitverfahren, 115). Bei der Frage der Gewährung des rechtlichen Gehörs ist aber auch wesentlich, ob der Partei noch die Möglichkeit offensteht, ihre Rechte im Rechtsmittelverfahren entsprechend geltend zu machen. Daher wird der mögliche Ausschluss des Unterhaltsschuldners vom Verfahren erster Instanz nach § 12 UVG deshalb als unbedenklich eingestuft, weil es dem Unterhaltsschuldner ohnehin noch offensteht, im Rekursverfahren entsprechende Neuerungen vorzubringen (vgl Neumayr in Schwimann ABGB2 § 12 UVG Rz 1 mwN; ebenso allgemein zum Außerstreitverfahren 6 Ob 9/00t mwN). Da aber eine solche Neuerungsmöglichkeit im Revisionsrekursverfahren nicht mehr besteht (vgl Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen, 48 mwN), muss dem Unterhaltsschuldner also vor einer stattgebenden Entscheidung durch das Rekursgericht, die die Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung im Sinne des § 4 Z 1 UVG bejaht, die Möglichkeit der Äußerung geboten werden.
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes hat dazu aber keine Rückverweisung an die erste Instanz zu erfolgen, sondern das Rekursgericht hat selbst dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl Neumayr aaO Rz 1 mwN).
In diesem Sinne wird das Rekursgericht sein Verfahren zu ergänzen haben. Eine unmittelbare Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof kommt im Hinblick auf den dargelegten Verfahrensmangel nicht in Betracht.