OGH vom 26.09.2017, 5Ob67/17i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. K***** H*****, 2. S***** H*****, beide vertreten durch Dr. Stephan Prayer, öffentlicher Notar in Wien, wegen Einverleibung eines Pfandrechts und anderer Grundbuchshandlungen ob EZ ***** KG *****, über den Revisionsrekurs der Antragsteller und der Einschreiterin „die ungeborene Nachkommenschaft des H***** H*****, vertreten durch die Posteritätskuratorin Dr. C***** B*****,“ vertreten durch Dr. Stephan Prayer, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , AZ 53 R 252/16i, mit dem dem Rekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom , TZ 3344/2016, nicht Folge gegeben und der Rekurs der Einschreiterin zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Erst- und die Zweitantragstellerin sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****. Sie beantragten auf ihren Anteilen
– soweit für das Revisionsrekursverfahren noch maßgeblich – die Einverleibung eines Pfandrechts für „die ungeborene Nachkommenschaft des H***** H*****“. Aus den vorgelegten Urkunden, der Pfandurkunde und deren pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung, ergibt sich, dass ein mit einer Nacherbschaft belasteter Erbteil des Erstantragstellers in Form eines mündelsicheren Wertpapierdepots angelegt wurde und dieser nun beabsichtigt, Teile der Substitutionsmasse zu realisieren. Die bestellte Posteritätskuratorin gab diese Teile der Substitutionsmasse gegen Verpfändung von Liegenschaftsanteilen frei. Die Ansprüche der ungeborenen Nachkommenschaft sollen durch das hier einzuverleibende Pfandrecht sichergestellt werden.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die ungeborene Nachkommenschaft sei kein hinreichend namentlich bestimmter Pfandgläubiger, weshalb kein Pfandrecht für sie einverleibt werden könne. Hinzu komme, dass nach der Pfandbestellungsurkunde das Pfandrecht für die Antragsteller lediglich hinsichtlich eines Teils eines Miteigentumsanteils bestellt worden sei und damit kein gültiger Rechtsgrund vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtete sich der Rekurs der Antragstellerin und der Einschreiterin. Den Rekurs der Einschreiterin wies das Rekursgericht zurück, dem Rekurs der Antragsteller gab es nicht Folge. Das Erstgericht habe das Eintragungsbegehren zu Recht abgewiesen. Für seine Einverleibung müsse das Pfandrecht nach Schuldner, Gläubiger und Schuldgrund und auch der Höhe nach bestimmt sein. Im Allgemeinen sei daher zu fordern, dass die Forderung nach den getroffenen Rechtssubjekten (Gläubiger und Schuldner) und dem Rechtsgrund feststehen müsse. Das Substitutionsvermögen selbst habe keine Rechtspersönlichkeit, der nasciturus habe erst ab der Empfängnis eine bedingte und beschränkte Rechtsfähigkeit. Die Posteritätskuratorin wiederum habe mit ihrer teilweisen Freigabe der Substitutionsmasse Verwaltungshandlungen betreffend diese Masse vorgenommen, die ihr so nicht zustünden. Die Posteritätskuratorin habe damit nach § 94 Abs 1 Z 2 GBG keine Befugnis, die Pfandurkunde im Rahmen der Verwaltung der Substitutionsmasse zu unterfertigen, und nach § 94 Abs 1 Z 3 GBG sei kein Pfandgläubiger mit Rechtspersönlichkeit vorhanden. Nachdem die Posteritätskuratorin zur Verwaltung der Substitutionsmasse nicht befugt sei, komme ihr auch kein Rekursrecht betreffend die Verweigerung der Einverleibung eines Pfandrechts zur Sicherung der Substitutionsmasse zu. Dies führe zur Zurückweisung ihres Rekurses. Soweit das Erstgericht in der Fehlbezeichnung der Mindestanteile in der Pfandurkunde samt Aufsandungserklärung einen Abweisungsgrund sehe, bleibe iSd § 95 Abs 3 GBG auszuführen, dass diese Fehlbezeichnung als offensichtlicher Schreibfehler kein Eintragungshindernis für das Pfandrecht bedeuten würde.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil die Frage, ob ein Pfandrecht zu Gunsten einer ungeborenen, noch nicht gezeugten Nachkommenschaft einverleibt werden könne und eine Posteritätskuratorin zur Entgegennahme der Verpfändung der Liegenschaft zur Absicherung der Substitutionsmasse befugt sei, die Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG habe.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller und der Einschreiterin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss abzuändern und die beantragte Einverleibung des Pfandrechts zu bewilligen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1.1. Nach § 94 Abs 1 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung unter anderem nur dann bewilligen, wenn kein gegründetes Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der bei der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den Gegenstand, den die Eintragung betrifft, oder gegen die Befugnis der Antragsteller zum Einschreiten vorhanden ist (§ 94 Abs 1 Z 2 GBG) und das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG).
1.2. Nur bei grundbücherlichen Eintragungen, die nicht vom Grundbuchsgericht, sondern von einem anderen Gericht bewilligt werden, hat das Grundbuchsgericht sich darauf zu beschränken, über die Zulässigkeit der Eintragung mit Rücksicht auf den Grundbuchsstand zu entscheiden (§ 94 Abs 2 GBG). In diesen Fällen ist es dem Grundbuchsgericht verwehrt, die Zulässigkeit der Eintragung nach § 94 Abs 1 Z 2, 3 und 4 GBG zu prüfen (RIS-Justiz RS0002519; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht² § 94 GBG Rz 187).
1.3. Ein solcher Fall des Auseinanderfallens von Bewilligungs- und Vollzugsgericht liegt hier jedoch
– entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerber – nicht vor. Gegenstand des rechtskräftigen Beschlusses des Pflegschaftsgerichts, mit dem es die Treuhandvereinbarung und die Pfandurkunde pflegschaftsgerichtlich genehmigt hat, ist schließlich nicht die Bewilligung der grundbücherlichen Eintragung des Pfandrechts, sondern nur eine Genehmigung iSd § 167 Abs 3 ABGB.
2.1. Das Pfandrecht ist das dingliche Recht, welches dem Gläubiger eingeräumt wird, aus einer Sache, wenn die Verbindlichkeit zur bestimmten Zeit nicht erfüllt wird, die Befriedigung zu erlangen (§ 447 ABGB). Der nach § 26 Abs 2 GBG urkundlich nachzuweisende Rechtsgrund (Titel) des Pfandrechts ist in der Regel der entsprechende Pfandbestellungsvertrag (RIS-Justiz RS0060430; Kodek aaO § 13 GBG Rz 1). Beteiligte des Pfandrechtsverhältnisses sind der Pfandgläubiger, der persönliche Schuldner des Verpflichtungsgeschäfts (Personalschuldner), der allenfalls von diesem verschiedene Pfandschuldner (Realschuldner) sowie allenfalls der Drittschuldner der zum Pfand gegebenen Forderung. Der Pfandgläubiger ist bei Begründung des Pfandrechts regelmäßig mit dem Gläubiger der zu sichernden Forderung identisch; dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Akzessorietät. Der Pfandgläubiger muss namentlich bestimmt sein (Kodek aaO § 13 GBG Rz 4).
2.2. Die wirksame Begründung eines nach § 9 GBG eintragungsfähigen Pfandrechts setzt freilich voraus, dass der namentlich bestimmte Pfandgläubiger auch Rechtsfähigkeit besitzt. Rechtsfähig (und damit auch parteifähig) sind alle natürlichen Personen, alle juristischen Personen sowie auch sonstige Gebilde, denen die Rechtsordnung nicht den Status einer juristischen Person, aber die Fähigkeit vor Gericht zu klagen oder geklagt zu werden, verliehen hat (7 Ob 234/01i).
2.3. Als Pfandgläubigerin ist in der dem Eintragungsgesuch zugrunde liegenden Pfandurkunde die „ungeborene Nachkommenschaft“ bezeichnet. § 22 ABGB verleiht zwar dem nasciturus ab dem Zeitpunkt der Empfängnis eine bedingte und beschränkte Rechtsfähigkeit; bedingt insofern als sie von der Lebendgeburt abhängig ist, beschränkt insofern, als der nasciturus nur so weit rechtsfähig ist, als es um seine Rechte geht (1 Ob 2259/96d = RIS-Justiz RS0106730, RS0106731). Noch ungezeugte Kinder besitzen diese Teilrechtsfähigkeit (noch) nicht. Die selbständige Rechtsfähigkeit der noch ungezeugten Nachkommenschaft lässt sich im Hinblick auf die klare Anordnung des § 22 ABGB auch aus § 269 ABGB nicht ableiten. Nach § 269 ABGB wird ein Kurator entweder für die Nachkommenschaft überhaupt oder für eine bereits vorhandene Leibesfrucht bestellt. Praktisch wird diese Regelung der Kuratorbestellung für die Nachkommenschaft überhaupt, als für noch nicht gezeugte Personen, bei der Nacherbschaft oder bei unmittelbarer Einsetzung eines noch nicht Gezeugten als Erben. Der – nach § 156 Abs 1 AußStrG – in diesem Fall vom Verlassenschaftsgericht zu bestellende Substitutions- oder Posteritätskurator (vgl RIS-Justiz RS0041420) hat dafür zu sorgen, dass die noch nicht gezeugten Erben hinsichtlich des für sie bestimmten Nachlasses nicht verkürzt werden (1 Ob 2259/96d; Hopf in KBB5§ 269 ABGB Rz 1). Der Posteritätskurator ist aber nicht befugt, den Nachlass zu verwalten oder auf dessen Verwaltung, insbesondere auf einzelne Verwaltungshandlungen, Einfluss zu nehmen (RIS-Justiz RS0006756).
2.4. Der hier als Pfandgläubigerin bezeichneten, unzweifelhaft „ungeboren“ im Sinn von „ungezeugt“ genannte Nachkommenschaft kommt demnach keine Rechtsfähigkeit zu. Die Vorinstanzen haben den Bestand eines nach § 9 GBG eintragungsfähigen Pfandrechts hier zu Recht verneint.
3.1. Der Revisionsrekurs ist daher nicht berechtigt.
3.2. Anzumerken bleibt, dass die Posteritätskuratorin in diesem Verfahren nicht im eigenen Namen (in ihrer Eigenschaft als Kuratorin) sondern als Vertreterin der ungeborenen Nachkommenschaft aufgetreten ist. Diese ungeborene Nachkommenschaft ist während des Streits über ihre Rechtsfähigkeit als parteifähig zu behandeln und daher war auch deren Rechtsmittel in der Sache zu behandeln (vgl RIS-Justiz RS0035423, RS0035392 [T7]).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00067.17I.0926.000 |
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