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OGH vom 09.06.2009, 5Ob67/09b

OGH vom 09.06.2009, 5Ob67/09b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Dr. Margarete R*****, vertreten durch Dr. Christoph Haffner, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die Antragsgegner 1. Andreas S 2. Dr. Norbert P*****, 3. P***** J*****vereinigung, *****, 4. Frieda H*****, 5. Herbert A*****, 6. Siegmund B*****, 7. Dr. Georg S 8. Wolfgang S 9. Renate E*****, 10. Dr. Karl H*****, 11. Mag. Rupert L*****, 12. Herbert D*****, 13. Rosina S 14. Ing. Johannes F*****, 15. Josef J*****, 16. Helga S 17. Helga J*****, 18. Susanne S 19. Gerhild S 20. Hermann M*****, 21. Gertrud B*****, 22. Waltraud M*****-B*****, 23. Friederike G*****, 25. Gerda Erika S 26. Dr. Johannes P*****, 27. Dr. Elizabeth P*****-S*****, beide *****, 28. Dr. Gertraud H*****, 29. Ing. Alois H*****, 30. Elfriede H*****, beide *****, 31. Johanna G*****, 32. Leopold G*****, beide *****, die Antragsgegnerin zu 3. vertreten durch Dr. Andreas Arnold, Rechtsanwalt in Salzburg, die Antragsgegner zu 1., 2., 6., 7., 11., 18., 19., 21., 25., 26., 29., 30., 31. und 32. vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen §§ 30 Abs 1 Z 1, 52 Abs 1 Z 3 WEG 2002, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 54 R 129/08x-85, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 18 Msch 33/04f-69, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden - abgesehen von der in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung (Verwendung von Sicherheitsglas bei den Oberlichten) - dahin abgeändert, dass der mit Schriftsatz vom (ON 48) gestellte Fortsetzungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen wird.

Alle Parteien haben jeweils die Kosten ihrer rechtsfreundlichen Vertretung und die Antragstellerin hat überdies die von ihr bestrittenen Barauslagen selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin und die Antragsgegner waren zur Zeit der Einbringung des verfahrenseinleitenden Antrags am Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB ***** bestehend aus den Grundstücken Nr 15/9 und 15/33.

Die Antragstellerin begehrte ursprünglich gestützt auf § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002, „den Antragsgegnern den Auftrag zur Durchführung der Sanierungsarbeiten durch Austausch der Fenster und Türen in ihrem Geschäftslokal des Erdgeschoßes des Hauses M*****-R*****-Straße 1 innerhalb der angemessenen Frist von drei Monaten zu erteilen" (ON 1).

Mit ihrem Schriftsatz vom (ON 35), in dem die „Eigentümergemeinschaft EZ ***** GB M*****" als Antragsgegnerin bezeichnet wird, „modifizierte" die Antragstellerin ihren Sachantrag wie folgt:

„Die Antragsgegner sind verpflichtet, der Antragstellerin den Betrag von 34.503 EUR samt 4 % Zinsen zu bezahlen und die Verfahrenskosten zu ersetzen."

Die Antragstellerin begründete diese „Antragsmodifikation" mit der „offenkundigen Verschleppungsabsicht der Antragsgegner und des Hausverwalters", die sie „zur Entscheidung gezwungen (habe), die Sanierungsarbeiten selbst in Auftrag zu geben und vorerst selbst zu finanzieren". Da nach einem eingeholten Sachverständigengutachten die Sanierung 38.915,76 EUR koste, entfalle unter Abzug ihres Eigenanteils von 4.412,76 EUR der Betrag von 34.503 EUR auf die Eigentümergemeinschaft.

Das Erstgericht wies mit Beschluss vom (ON 39) den (modifizierten) Antrag der Antragstellerin auf Zahlung von 34.503 EUR sA wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs zurück. Das Rekursgericht gab mit Beschluss vom (ON 46) dem gegen die Entscheidung des Erstgerichts erhobenen Rekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Die Antragstellerin begehrte daraufhin mit Schriftsatz vom (ON 48), in dem sie „Andreas S***** ... ua" als Antragsgegner bezeichnete, die „Fortsetzung des Verfahrens" über ihren ursprünglichen, verfahrenseinleitenden Sachantrag vom (ON 1) mit der wesentlichen Begründung, dass die Sanierungsarbeiten nicht durchgeführt worden seien und sie daher keinen Anspruch auf Ersatz des Reparaturaufwands habe. Die Antragstellerin führte in diesem Schriftsatz weiters aus: „Der Beschluss vom (ON 39), mit dem ich wegen meiner Forderung auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde, ist rechtskräftig. Diese Formalentscheidung betrifft nicht meinen materiell rechtlichen Anspruch, den ich im gegenständlichen Verfahren mit Antrag vom geltend machte. Das damit eingeleitete Verfahren ist nicht beendet. Weder erging darüber ein Sachbeschluss noch erfolgte eine andere meritorische Entscheidung. Mein Anspruch auf Durchführung der Sanierungsarbeiten an den Fenstern und Türen meines Geschäftslokals ist gegen die Eigentümergemeinschaft nach wie vor aufrecht."

In der abschließenden Verhandlung () vor dem Erstgericht, welches das Verfahren fortsetzte, modifizierte die Antragstellerin ihr Begehren neuerlich dahin, dass der Eigentümergemeinschaft der Auftrag erteilt werde, innerhalb der angemessenen Frist von drei Monaten die Eingangstüre und sämtliche Fenster des Geschäftslokals der Antragstellerin zu sanieren und auszutauschen, damit diese dem heutigen Standard entsprechen, und zwar insbesondere durch die Verwendung von ESG-Glas und Isolierglasscheiben mit einem U-Wert von 1,1.

Das Erstgericht trug mit seinem Sachbeschluss der Eigentümergemeinschaft die Sanierung der Fenster und Türen im Geschäftslokal der Antragstellerin durch Austausch unter Verwendung von Isolierglasscheiben mit einem U-Wert von 1,1 binnen 3 Monaten auf; das auf die Verwendung von ESG-Glas gerichtete Mehrbegehren wies das Erstgericht ab. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, die (erste) Antragsmodifikation durch die Antragstellerin habe nicht zum Verlust ihres Rechtsschutzanspruchs geführt und inhaltlich sei ihr Begehren weitgehend berechtigt. Die Dringlichkeit der Erhaltungsmaßnahmen ergebe sich nicht nur aus der teilweisen Funktionsunfähigkeit der bestehenden Fenster- und Türelemente, sondern auch aus der notorischen mangelnden Vermietbarkeit eines Objekts im gegebenen Zustand. Auch wirtschaftliche Gesichtspunkte sprächen für den Austausch der Fenster- und Türelemente. Nur die Verwendung von Sicherheitsglas sei weder unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit oder Dringlichkeit geboten, noch entspreche diese zwingenden rechtlichen Vorgaben.

Das Rekursgericht hob aus Anlass der von der Erstantragstellerin und der Drittantragsgegnerin erhobenen Rekurse den Sachbeschluss des Erstgerichts in seinen Punkten 1. (Antragsstattgebung) und 3. (Kostenentscheidung) zur Gänze und in seinem Punkt 2. (Verwendung von ESG-Glas) mit Ausnahme der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung betreffend die Oberlichten auf, und zwar zur neuerlichen Entscheidung des Erstgerichts nach Verfahrensergänzung. Rechtlich führte das Rekursgericht zusammengefasst aus, die Drittantragsgegnerin habe in ihrem Rekurs grundsätzlich zutreffend darauf hingewiesen, dass das Verfahren nach der rechtskräftigen Zurückweisung des Zahlungsbegehrens beendet gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe es keinen offenen Antrag mehr gegeben, zumal die Antragstellerin zur „Modifizierung" ihres Antrags ausgeführt habe, die Sanierungsarbeiten aus Verschleppungsgründen selbst in Auftrag gegeben zu haben; dies habe unweigerlich das Abgehen vom gegen die Eigentümergemeinschaft gerichteten Sanierungsbegehren und damit die Zurücknahme des Antrags nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 bedingt, wäre doch sonst das Zahlungsbegehren nicht zu erklären. Nach Ansicht des Rekurssenats sei allerdings der im Schriftsatz vom (ON 48) gestellte „Fortsetzungsantrag" als neuer verfahrenseinleitender Antrag zu werten, der nach § 11 AußStrG zulässig sei, weil in der mit Schriftsatz vom (ON 35) vorgenommenen Änderung des Antrags kein - unbedingter - Verzicht auf die Durchführung der Sanierungsmaßnahme durch die Eigentümergemeinschaft erblickt werden könne. Werte man jedoch den Schriftsatz vom (ON 48) als neuen verfahrenseinleitenden Antrag, sei dieser auch als solcher zu behandeln. Dieser Antrag führe aber nur einen Antragsgegner, nicht jedoch sämtliche aktuellen Wohnungseigentümer an, enthalte unmittelbar kein Begehren und sei den Antragsgegnern nicht durch das Erstgericht zugestellt worden. Auch die Modifizierung des Antrags in der Verhandlung vom , in dem die Antragstellerin erstmals spezifische Ausstattungsmerkmale betreffend die zu tauschenden Fenster- und Türelemente in das Begehren aufgenommen habe, sei nur den anwaltlich vertretenen Antragsgegnern kundgetan worden, nicht jedoch den seit dem Schriftsatz der Antragstellerin vom (ON 48) von ihr nicht mehr näher bezeichneten Antragsgegnern. Die Wahrung des rechtlichen Gehörs der bisher übergangenen Wohnungseigentümer gebiete die Aufhebung des angefochtenen Sachbeschlusses. Eine Sanierung durch dessen Zustellung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil darin nur ein Antragsgegner namentlich angeführt sei und zudem im Spruch eine Verpflichtung der Eigentümergemeinschaft ausgesprochen bzw abgewiesen werde. Der Antragstellerin werde im fortzusetzenden Verfahren eine Verbesserung des verfahrenseinleitenden Antrags vom (ON 48) aufzutragen sein, der dann den Antragsgegnern begünstigt durch die Bestimmung des § 52 Abs 2 Z 4 WEG 2002 zuzustellen sein werde.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs (richtig: Revisionsrekurs; vgl § 64 Abs 1 AußStrG) zulässig sei, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 11 AußStrG - soweit ersichtlich - fehle.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Rekurs der Drittantragsgegnerin abgewiesen werde; hilfsweise stellt die Antragstellerin auch einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegner zu 3. sowie zu 1., 2., 6., 7., 11., 18., 19., 21., 25., 26., 29., 30., 31. und 32. erstatteten Revisionsrekursbeantwortungen jeweils mit Anträgen dahin, das Verfahren seit dem Fortsetzungsantrag (ON 48) als nichtig aufzuheben, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen und in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht Inhalt und Begehren im Schriftsatz der Antragstellerin vom (ON 48) unvertretbar ausgelegt hat. Der Revisionsrekurs ist allerdings nicht berechtigt, sondern die Rechtssache ist - abgesehen von der in Rechtskraft erwachsenen und demnach unberührt bleibenden Teilabweisung - im Sinn der Zurückweisung des mit Schriftsatz vom (ON 48) gestellten Fortsetzungsantrags entscheidungsreif.

1. Die sich am Revisionsrekursverfahren beteiligenden Antragsgegner machen übereinstimmend als Nichtigkeit geltend, das vorliegende Verfahren sei bereits ex lege unterbrochen, weil die unvertretene Antragsgegnerin zu 23. und in der Folge auch deren Rechtsnachfolgerin verstorben sei. Dieser Einwand ist unberechtigt, weil gegenüber der vormaligen Antragsgegnerin zu 23. die für wohnrechtliche Verfahren zufolge § 37 Abs 3 Z 12 MRG (iVm § 52 Abs 2 WEG 2002) geltende Ausnahme zu § 25 Abs 1 Z 1 AußStrG zum Tragen kommt.

2. Rechtsfragen im Zusammenhang mit § 11 AußStrG (nF) können sich hier - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - schon deshalb nicht stellen, weil diese Vorschrift gemäß § 203 Abs 3 AußStrG nur auf Anträge anzuwenden ist, die nach dem eingelangt sind. Der ursprüngliche Sachantrag der Antragstellerin (ON 1), den das Rekursgericht im Lichte des § 11 AußStrG untersucht hat, ist aber vor diesem Zeitpunkt erhoben worden.

3. Das Rekursgericht hat selbst zutreffend erkannt, dass das Verfahren nach der rechtskräftigen Zurückweisung des Zahlungsbegehrens beendet war und kein offener Antrag mehr vorlag, zu dessen Entscheidung eine Fortsetzung des Verfahrens möglich gewesen wäre. Ein Antrag auf Fortsetzung eines Verfahrens ohne das Vorliegen eines offenen Sachantrags muss zwangsläufig ins Leere gehen und ist daher zurückzuweisen.

4. Die Umdeutung des mit Schriftsatz vom (ON 48) gestellten Fortsetzungsantrags in einen, ein neues Verfahren einleitenden Sachantrag widerspricht evident den in diesem Schriftsatz enthaltenen - oben auszugsweise wiedergegebenen - Ausführungen der Antragstellerin und den vom Rekursgericht ebenfalls aufgezeigten formellen Mängeln die einer Behandlung als neuen Sachantrag entgegen standen; all diese Umstände zeigen eindeutig, dass der Schriftsatz vom (ON 48) auf die - wenngleich verfahrensrechtlich unmögliche - Fortsetzung dieses Verfahrens abzielte. Selbst in ihrem Revisionsrekurs betont die Antragstellerin wie im gesamten bisherigen Verfahren, keinen neuen verfahrenseinleitenden Sachantrag, sondern nur einen Fortsetzungsantrag gestellt zu haben (vgl insbesondere S 7 in ON 89). Die Auslegung von Parteivorbringen und Antrag gegen den erklärten Willen der Partei ist aber unvertretbar und daher aufzugreifen.

5. Da ein Antrag auf Fortsetzung eines rechtskräftig beendeten Verfahrens nicht in Frage kommt, ist die Sache, soweit sie nicht infolge rechtskräftiger Teilabweisung erledigt ist, im Sinn der Zurückweisung des Fortsetzungsantrags spruchreif (§ 70 Abs 2 AußStrG). Das Verbot der reformatio in peius gilt in diesem Fall nicht (Fucik/Kloiber, § 70 AußStrG Rz 2).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 AußStrG (aF) iVm § 52 Abs 2 WEG 2002.