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OGH vom 09.06.2009, 1Ob92/09z

OGH vom 09.06.2009, 1Ob92/09z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Alexander D*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Gottfried D*****, vertreten durch Dr. Lorenz E. Riegler, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 556/08k-S-156, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 2 P 134/02k-S-113, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird aufgetragen, den Rekurs des Vaters dem Rekursgericht vorzulegen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der Mutter Zhanna D*****, vertreten durch Dr. MMag. Ralf Peschek, Rechtsanwalt in Wien, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom (ON 419) gab das Rekursgericht einem Rekurs des Vaters gegen einen im Obsorgeverfahren ergangenen Beschluss des Erstgerichts nicht Folge; gleichzeitig verhängte es über den Vater eine Ordnungsstrafe wegen bestimmter Äußerungen in seinem Rekurs. Die Ausfertigung der Entscheidungen des Rekursgerichts wurde dem Vater am zugestellt. Sein Verfahrenshilfeantrag vom wurde bewilligt; der Bescheid über die Beigabe eines Verfahrenshilfeanwalts wurde dem Verfahrenshelfer gemeinsam mit der Entscheidung des Rekursgerichts am zugestellt. Am übermittelte der Vater per Telefax einen von ihm selbst verfassten Schriftsatz (gerichtliche Eingangsstampiglie ), der Ablehnungserklärungen sowie einen Rekurs gegen die vom Rekursgericht verhängte Ordnungsstrafe enthielt. In diesem Schriftsatz, der im Original am beim Erstgericht überreicht wurde, wies der Vater unter anderem darauf hin, dass durch den Verfahrenshelfer parallel Rechtsmittel eingebracht würden; der Rekurs enthält inhaltlich ausschließlich Ausführungen zur Ordnungsstrafe, auch der Rekursantrag bezieht sich lediglich auf diese. Am langte ein am zur Post gegebener außerordentlicher Revisionsrekurs des Verfahrenshelfers beim Erstgericht ein, der sich gegen die Entscheidung des Rekursgerichts in der Obsorgefrage wendet; er enthält keine Ausführungen zur Ordnungsstrafe.

Das Erstgericht wies den vom Vater selbst erhobenen Rekurs gegen die Ordnungsstrafe zurück. Dieser sei einerseits wegen des auch im Außerstreitverfahren anzuwendenden Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels unzulässig; sollte sich die bewilligte Verfahrenshilfe nicht auf die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die verhängte Ordnungsstrafe bezogen haben, sei der Rekurs verspätet.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Der Rekurs sei jedenfalls verspätet gewesen. Soweit dem Vater die Verfahrenshilfe bewilligt und ein Verfahrenshelfer beigegeben worden sei, könne innerhalb der mit Zustellung an den Verfahrenshelfer neu laufenden Rekursfrist das beabsichtigte Rechtsmittel nur von diesem erhoben werden. Der Vater selbst hätte einen Rekurs nur bis erheben können. Es stellte einen Rechtsmissbrauch dar, durch einen Verfahrenshilfeantrag eine Rekursfrist wesentlich zu verlängern, dann aber den Rekurs ohnehin ohne Beteiligung des Verfahrenshelfers zu erheben. Der Vater habe sein Rechtsmittelrecht aber auch durch den von seinem Verfahrenshelfer erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs verbraucht. In diesem Rekurs sei ausgeführt worden, dass der bezeichnete Beschluss seinem gesamten Umfang nach angefochten werde. Gehe man davon aus, dass dieses Rechtsmittel auch eine Bekämpfung der in demselben Beschluss verhängten Ordnungsstrafe umfasst habe, sei die abermalige Erhebung eines Rekurses unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und mit seinem Aufhebungsantrag auch berechtigt. Die Rechtsmittelbeantwortung der Mutter ist hingegen als unzulässig zurückzuweisen, weil sie am (einseitigen) Verfahren über die Verhängung einer Ordnungsstrafe nicht beteiligt ist.

Zutreffend verweist der Revisionsrekurswerber darauf, dass das Rekursgericht in seine Entscheidungsausfertigung vom zwei ganz unterschiedliche Beschlüsse aufgenommen hat, die auch mit unterschiedlichen Rechtsmitteln (Revisionsrekurs bzw Rekurs) zu bekämpfen waren. Der Vater hat die Möglichkeit wahrgenommen, die beiden Entscheidungen mit jeweils gesonderten Rechtsmittel zu bekämpfen, wobei sich die einzelnen Rechtsmitteln eindeutig allein auf den darin jeweils behandelten Entscheidungsgegenstand bezogen haben. Davon, dass mit der Erhebung des Rechtsmittels gegen die eine Entscheidung auch das Rechtsmittelrecht zur Bekämpfung der anderen Entscheidung verbraucht worden wäre oder dass einem Rechtsmittel der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels entgegenstünde, kann keine Rede sein, liegen doch zwei ganz unterschiedliche Entscheidungen vor, wobei das Rekursgericht einmal funktionell als Rechtsmittelgericht und das andere Mal (Ordnungsstrafe) funktionell als Erstgericht tätig geworden ist (siehe auch RIS-Justiz RS0040202; RS0043968).

Damit bleibt zu klären, ob die Unterbrechungswirkung des § 7 Abs 2 AußStrG auch dann eintritt, wenn die Partei zwar ursprünglich innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist die Beigebung eines Verfahrenshilfeanwalts beantragt, in der Folge aber ein nicht der Anwaltspflicht unterliegendes Rechtsmittel (vgl RIS-Justiz RS0121603) selbst verfasst und einbringt. Dies ist - entgegen der Auffassung des Rekursgerichts - zu bejahen.

Gemäß § 7 Abs 1 AußStrG sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die Verfahrenshilfe sinngemäß anzuwenden, sodass auch auf die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Schon nach dem Gesetzeswortlaut setzt die Unterbrechung der Rechtsmittelfrist ausschließlich die rechtzeitige Antragstellung auf Beigebung eines Verfahrenshelfers sowie die meritorische Erledigung des Verfahrenshilfeantrags voraus. Selbst wenn etwa die Verfahrenshilfe wegen Aussichtslosigkeit oder Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung verweigert werden sollte, tritt die Unterbrechungswirkung ein, ohne dass diese etwa unter Hinweis auf den Missbrauch des Instituts der Verfahrenshilfe verweigert würde (vgl nur die Nachweise bei M. Bydlinski in Fasching/Konecny2 II/1 § 73 ZPO Rz 5). Darüber hinaus wurde judiziert, dass die Partei nicht gehalten ist, die betreffende Prozesshandlung durch den Verfahrenshelfer vornehmen zu lassen, auch wenn ihr ein solcher aufgrund ihres Antrags beigegeben wurde; werde etwa eine Berufung durch einen frei gewählten Vertreter eingebracht, könne dies eine bereits eingetretene Unterbrechungswirkung nicht beseitigen (RZ 1996/13). Dem ist - schon aus Gründen der Rechtssicherheit - auch für das Außerstreitverfahren zu folgen.

Da sich der Rekurs des Vaters gegen die Ordnungsstrafe somit sowohl als zulässig als auch als rechtzeitig erweist, sind die (zurückweisenden) Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Eine meritorische Erledigung des Rekurses gegen die Ordnungsstrafe kommt allerdings schon deshalb nicht in Betracht, weil der Rekurs zuerst dem Rekursgericht vorzulegen ist, das - insoweit als funktionell erstinstanzliches Gericht - eine allfällige Anwendung des § 50 AußStrG zu prüfen hat.