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OGH vom 03.09.2009, 2Ob88/09v

OGH vom 03.09.2009, 2Ob88/09v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Feodora H*****, 2. Dr. Philipp H*****, und 3. Mag. Katharina M*****, alle vertreten durch Dr. Reinhard Langner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Eva-Maria H*****, vertreten durch Mag. Felix Kandler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 14.151,06 EUR und Räumung, über den Rekurs und die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen den Beschluss und das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 41 R 74/08y-55, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 44 C 741/04d-49, teilweise als nichtig aufgehoben und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die Kosten der Rekursbeantwortung von 1.042,45 EUR (darin enthalten 173,74 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Kläger sind Vermieter, die Beklagte ist Mieterin eines dem MRG unterliegenden Bestandobjekts. Am wurde über das Vermögen der Beklagten das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und ein Masseverwalter bestellt. Am wurden die Mietrechte über die betroffene Wohnung aus der Konkursmasse ausgeschieden. Das Schuldenregulierungsverfahren wurde am (erst nach Schluss der Verhandlung) wieder aufgehoben.

Die Kläger brachten am die vorliegende Klage, gerichtet auf Leistung von Mietzinsrückständen sowie Räumung des Bestandobjekts, ein.

Die Beklagte ließ sich - anwaltlich vertreten - auf den Prozess ein, ohne auf den über ihr Vermögen eröffneten Konkurs bzw die Bestellung eines Masseverwalters hinzuweisen.

Das erstinstanzliche Verfahren wurde zweimal wegen Verfahren vor der Schlichtungsstelle unterbrochen.

Letztlich verpflichtete das Erstgericht mit Urteil vom die Beklagte zur geräumten Übergabe der Wohnung sowie, nach Ausdehnung um weitere Mietzinsrückstände, zu einer Zahlung von 17.633,11 EUR sA. Die das Mietrecht betreffenden Forderungen seien aus dem Konkursverfahren ausgeschieden worden, weshalb die Beklagte das Verfahren selbst führen könne. Da die Kläger ein von der Beklagten selbst errechnetes Guthaben von 7.572,33 EUR von dem per unbestritten aushaftenden Betrag in Abzug gebracht und die dann ausgedehnten Mietzinsforderungen für die Monate Juli, August, Oktober und November 2007 von der Beklagten nicht bestritten worden seien, hafte insgesamt der Mietzins im Umfang des Zuspruchs unberichtigt aus. Es habe sowohl zum Zeitpunkt der Klagseinbringung als auch jenem des Schlusses der mündlichen Verhandlung ein qualifizierter Mietzinsrückstand bestanden. Dass nicht gemahnt worden sei, sei nicht behauptet worden, das Räumungs- und das Zahlungsbegehren seien daher berechtigt.

Das Berufungsgericht erklärte das Urteil und das diesen vorangegangene Verfahren im Umfang des Zahlungsbegehrens von 14.151,06 EUR (Mietzinse für den Zeitraum September 2004 bis inklusive August 2006) für nichtig und wies die Klage insoweit zurück. Es gab der Berufung, die den restlichen Zuspruch von 3.482,05 EUR nicht, sondern nur das Räumungsurteil bekämpfte, Folge und wies das Räumungsbegehren ab. Zwar seien die Mietrechte aus der Konkursmasse ausgeschieden worden, nach der Judikatur seien aber lediglich jene Mietzinsforderungen, die nach dem Ausscheiden entstanden seien, also im konkreten Fall jene ab September 2006 und das darauf gestützte Räumungsbegehren gegen die Beklagte persönlich geltend zu machen. Die Ansicht der Kläger, es handle sich hier um einen Rechtsstreit nach § 6 Abs 3 KO über Ansprüche, die nicht zur Konkursmasse gehörten, sei unrichtig. Die offenen Mietzinse für den Zeitraum vor Ausscheidung des Mietverhältnisses aus der Konkursmasse seien entweder Konkursforderungen oder Masseforderungen und das darüber mit der Beklagten persönlich abgeführte Verfahren nichtig. Zwar sei die ursprüngliche Klage und auch das darin enthaltene Räumungsbegehren unzulässig gewesen, die Kläger hätten jedoch mit ihrer Klagsausdehnung das Räumungsbegehren ausdrücklich aufrechterhalten, was so zu verstehen sei, dass sie es auch auf die weiteren, zulässigerweise geltend gemachten Rückstände in Höhe von 4.458,42 EUR gestützt hätten. Damit hätten sie einen weiteren - erstmals zulässigen - Rechtsgrund für ihr Räumungsbegehren vorgebracht. Allerdings hätten die Kläger auch die Gegenforderung der Beklagten, die Betriebskostenguthaben aus den Jahren 2002 bis 2004 betraf, in Abzug gebracht und damit vorbehaltlos anerkannt. Bei den weiteren Klagsausdehnungen hätten die Kläger zum Räumungsbegehren nichts vorgebracht und dieses daher auch nicht auf die weiteren Rückstände gestützt. Selbst wenn man dies aber implizit annehmen würde, sei die akzeptierte Gegenforderung mangels gegenteiliger Widmung nach den allgemeinen Aufrechnungsregeln auf die jeweils älteste Schuld anzurechnen, sodass lediglich die in der letzten Tagsatzung geltend gemachten Mietzinsforderungen offen seien. Für diese Rückstände hätten die Kläger eine vorherige Mahnung oder Auflösungserklärung nicht behauptet. Insofern sei daher noch kein qualifizierter Mietzinsrückstand entstanden und daher das Räumungsbegehren abzuweisen. Die ordentliche Revision gegen das in dieser Entscheidung enthaltene Urteil ließ das Berufungsgericht mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Dagegen richtet sich der „ordentliche Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs an den Obersten Gerichtshof) sowie die außerordentliche Revision der Kläger.

Die Beklagte beantragt dem Rechtsmittel der Kläger keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist zulässig (1 Ob 611/95 = MietSlg 47.685), aber nicht berechtigt; die außerordentliche Revision ist unzulässig.

1. Zum Rekurs:

Die Rekurswerber meinen, dass Mietrechte, die die unentbehrliche Privatwohnung des Gemeinschuldners betreffen, gemäß § 42 Abs 4 MRG von vornherein nicht in die Konkursmasse fallen, also konkursfrei sind. Eine allfällige Ausscheidung durch das Konkursgericht habe daher nur deklarative Wirkung. Das Verfahren habe daher als sogenannter Gemeinschuldnerprozess nach § 6 Abs 3 KO gegen die Beklagte persönlich geführt werden können.

Tatsächlich wurde diese Ansicht in der Literatur von Riel, wobl 1995, 40, und ihm folgend von Rathauscher, Bestandrechte und Konkurs, 215, sowie dies referierend von Nunner, Die Freigabe von Konkursvermögen, 43 f FN 101, und differenzierend von Kodek, Handbuch Privatkonkurs, Rz 207 f, vertreten (vgl Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 5 KO Rz 35).

Demgegenüber steht die Judikatur auf dem Standpunkt, dass das Bestandrecht an der Wohnung des Gemeinschuldners in die Konkursmasse fällt, und zwar auch bei mietengeschützten Bestandrechten (RIS-Justiz RS0063815). Mit der Lehre hat sich der Oberste Gerichtshof insbesondere in 8 Ob 163/99z ausführlich auseinandergesetzt und ist ihr, unter Hinweis auf den Bericht des Bautenausschusses über die Vorlage der Bundesregierung betreffend die Abänderung des Mietengesetzes (325 der BlgNR 3. GP, 18 f) zu § 42 MG nicht gefolgt. Dort wird dargelegt, dass ungeachtet dieser Bestimmung im Konkurs die Mietrechte des Gemeinschuldners in die Konkursmasse fallen, weil sie durch die teilweise Einschränkung der Exekutionsführung doch nicht aufgehört haben, der Exekution unterworfenes Vermögen zu sein. Dieser Teil des Ausschussberichts sei keineswegs unklar, sondern gebe den eindeutigen Willen des Gesetzgebers wieder, eine in Einklang mit den Bestimmungen des § 105 EO und des § 5 Abs 3 KO stehende Regelung hinsichtlich der dem Mietengesetz unterfallenden Wohnung zu schaffen. § 105 EO und § 5 Abs 3 KO würden sich aber gerade dadurch auszeichnen, dass nicht bestimmte Wohnräume ex lege der Exekution entzogen würden, sondern dass aus dem an sich tauglichen Exekutionsobjekt unentbehrliche Wohnräume dem Verpflichteten durch Gerichtsbeschluss überlassen werden könnten. Die dem Mietrecht unterfallende Wohnung solle daher nicht schlechthin der Exekution entzogen werden, sondern nur insoweit, als sie unentbehrliche Wohnräume betreffe. Es handle sich somit um eine Exekutionsbeschränkung, die denknotwendig einen Gerichtsbeschluss über ihren Umfang voraussetze, auf den der Gemeinschuldner im Hinblick auf § 5 Abs 4 KO einen Rechtsanspruch habe.

Dieser Ansicht entsprechen letztlich auch die EB der RV zur Konkursordnungs-Novelle 1993, 1218 der BlgNR 18. GP, 15. Dort wird festgehalten, dass Bestandrechte in die Konkursmasse fallen und das Bestandverhältnis mit der Konkursmasse fortgesetzt wird, der Masseverwalter aber nach § 23 KO kündigen könne. Diese Regelung werde den Umständen bei unentbehrlichen Wohnräumen nicht gerecht. Auch § 42 Abs 4 MRG löse dieses Problem nicht. Die Rechtsprechung lege diese Bestimmung dahingehend aus, dass diese Bestandrechte pfändbar seien, die sich aus dem Mietrechtsgesetz ergebende Beschränkung komme erst bei der Verwertung zum Tragen. Dies bedeute, dass die Mietrechte zwar in die Konkursmasse fielen, jedoch, soweit sie unentbehrliche Wohnräume beträfen, nicht verwertbar seien. Der durch die Novelle neu eingeführte Absatz 4 des § 5 KO sehe daher vor, dass das Konkursgericht dem Gemeinschuldner die Miet- oder sonstigen Nutzungsrechte an Wohnungen zur freien Verfügung zu überlassen habe, wenn sie unentbehrliche Wohnräume beträfen. Durch einen derartigen Beschluss schieden sie aus der Konkursmasse aus und blieben damit in der freien Verfügung des Schuldners.

Der Gesetzgeber, der es in der Hand gehabt hätte, dem MRG unterfallende Bestandverträge ausdrücklich aus der Konkursmasse auszunehmen, hat es bei der bestehenden Judikatur belassen und auf der Voraussetzung aufbauend, dass Bestandrechte in die Konkursmasse fallen, die Regelung des § 5 Abs 4 KO geschaffen.

Der erkennende Senat folgt daher der vom 8. Senat dargestellten Rechtsmeinung.

Darauf aufbauend hat es aber dabei zu verbleiben, dass offene Bestandzinsforderungen auch im Anwendungsbereich des MRG bis zur Konkurseröffnung Konkursforderungen und danach, bis zur Ausscheidung der Mietrechte aus der Konkursmasse, Masseforderungen sind. Die bis zur Ausscheidung entstandenen Forderungen bleiben trotz der Ausscheidung Konkursforderungen bzw Masseforderungen (RIS-Justiz RS0064127 [insbes T 5]; 8 Ob 163/99z). Für diese Zeiträume ist daher während aufrechten Konkurses nur eine Geltendmachung in diesem, sei es als Konkursforderung, sei es als Masseforderung, möglich, nicht dagegen jene dem Gemeinschuldner bzw Schuldner direkt gegenüber.

Mit der Ausscheidung der Bestandrechte gemäß § 5 Abs 4 KO werden die danach entstehenden Mietzinsforderungen zu Forderungen, die aus dem konkursfreien Vermögen des Gemeinschuldners zu befriedigen sind.

Das Berufungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die bis zur Ausscheidung der Mietrechte aus der Konkursmasse geltend gemachten Mietzinsrückstände nicht gegen die Beklagte durchgesetzt werden können und das Verfahren insoweit nichtig ist (vgl RIS-Justiz RS0041963).

Die Frage einer Genehmigung der (eigenen!) Prozessführung durch den Gemeinschuldner bzw Schuldner, wie den Rechtsmittelwerbern offenbar unter Bezugnahme auf die Judikatur zur nachträglichen Genehmigung der Prozessführung seitens des Masseverwalters vorschwebt, stellt sich im Hinblick auf diese Rechtslage auch deshalb nicht, weil im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz der Konkurs noch aufrecht war.

Dem Rekurs war daher insgesamt der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

2. Zur außerordentlichen Revision:

Auch hier machen die Rechtsmittelwerber geltend, dass sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage der Konkursfreiheit einer Mietwohnung infolge Unentbehrlichkeit der Wohnräume noch nicht umfassend auseinandergesetzt habe. Hiezu wird auf das zum Rekurs Gesagte verwiesen.

Die von den Rechtsmittelwerbern zitierte Entscheidung 8 Ob 345/97 betrifft einen anderen Sachverhalt, wurde doch dort ein Mietvertrag über eine Fernsprechnebenstellenanlage vom Masseverwalter gekündigt und ein neuer Vertrag mit identem Inhalt abgeschlossen und ausgesprochen, dass nach Aufhebung des Konkurses der ehemalige Gemeinschuldner für aus diesem Vertrag offene Masseforderungen nur mit der Beschränkung auf die Masse hafte.

Das Rechtsmittel führt aus, dass zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Streitverhandlung noch ein für die Vertragsauflösung relevanter Mietzinsrückstand bestanden habe und insofern eine neuerliche Mahnung und Auflösungserklärung für die während des Räumungsprozesses aufgelaufenen und in dieser Verhandlung ausgedehnten weiteren Zinsrückstände nicht erforderlich gewesen sei. Von den Mietzinsrückständen, die überhaupt gegen die Beklagte selbst geltend gemacht werden können, verblieben aber wegen der Einschränkung des Zahlungsbegehrens in der letzten mündlichen Streitverhandlung nur erst in dieser ausgedehnte Mietzinsrückstände. Nach der Judikatur können zwar Mahnung und Aufhebungserklärung auch in der Eindeutigkeit der Haltung des Bestandgebers bei Fortführung des Verfahrens liegen; wenn sich im Lauf des Verfahrens weitere Mietzinsrückstände ergeben, bedarf es keiner neuerlichen Mahnung und Auflösungserklärung (5 Ob 219/08d; 7 Ob 248/97i; vgl RIS-Justiz RS0020952). Da hier die mündliche Streitverhandlung unmittelbar nach der Klagsausdehnung geschlossen wurde, konnten aber in diesem Zeitpunkt - ohne Nachfristgewährung - nicht alle Voraussetzungen des § 1118 ABGB vorliegen.

Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.