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OGH vom 11.09.1990, 5Ob66/90

OGH vom 11.09.1990, 5Ob66/90

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*** Gemeinnützige Kleinsiedlungs- und Wohnbaugenossenschaft für Kärnten, registrierte Genossenschaft mbH, Klagenfurt, Bahnhofstraße 38 c, vertreten durch Dr.Manfred Haslinglehner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Adolf W***, Gastwirt, Klagenfurt, Lidmanskygasse 19, vertreten durch Dr.Bruno Pollak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom , GZ 1 R 103/90-18, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 1 R 103/90-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom , GZ 14 C 447/89s-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteiles abgeändert.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.380,20 bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.646,70 an Umsatzsteuer und S 1.500 an Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende gemeinnützige Bauvereinigung ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 1539 KG St.Ruprecht bei Klagenfurt, auf der sie unter anderem mit Hilfe von im Rahmen der Wohnbauförderung 1968 gewährten Darlehen des Landes Kärnten eine Wohnanlage in der Absicht errichtet hat, die Wohnungen sodann Wohnungseigentumsbewerbern ins Wohnungseigentum zu übertragen. Die Pfandrechte zur Sicherung dieser Förderungsdarlehen und die Veräußerungsverbote gemäß § 22 WFG 1968 zugunsten des Landes Kärnten sind grundbücherlich einverleibt. Mit Vorvertrag vom , Beilage C, verpflichteten sich die Streitteile, über eine bestimmt bezeichnete Wohnung dieser Wohnanlage und die dazugehörenden Liegenschaftsanteile einen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag abzuschließen. (Nach dem Vorvertrag Beilage C handelt es sich um die Wohnung top.Nr.6 im zweiten Stock, nach der Rücktrittserklärung der klagenden Partei Beilage 3 und nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen im gegenständlichen Verfahren um die Wohnung top.Nr.5 im zweiten Stock des Hauses Seegasse 39, verbunden mit 1149/100.000 Anteilen an der genannten Liegenschaft.) Nach Punkt V des Vorvertrages kann die klagende Partei von diesem Vorvertrag unter anderem dann zurücktreten, wenn der Wohnungseigentumsbewerber die Voraussetzungen zur Teilnahme an der öffentlichen Wohnbauförderung nicht mehr erfüllt.

Die Wohnung wurde dem Beklagten nach Fertigstellung übergeben. Am schlossen die Streitteile den Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag, der noch nicht verbüchert ist. Am wurde über das Vermögen des Beklagten das Konkursverfahren eröffnet, das noch anhängig ist. Mit dem an den Masseverwalter im Konkurs des Beklagten gerichteten Schreiben vom , Beilage 3, erklärte die klagende Partei, von dem Kauf- und Wohnungeigentumsvertrag vom zurückzutreten, weil der Beklagte seiner Verpflichtung aus diesem Vertrag nicht nachgekommen, insbesondere mit den laufenden Betriebskosten und Kaufpreiszahlungen in Rückstand geraten sei und infolge des Konkursverfahrens auch nicht mehr die Voraussetzungen zum Erwerb der Wohnung nach den wohnbauförderungsrechtlichen Bestimmungen erfülle; der Räumung und ordnungsgemäßen Rückgabe der Wohnung bis werde entgegengesehen. Am wurde das Anwartschaftsrecht des Beklagten auf die Eigentumswohnung aus dem Konkursverwertungsverfahren ausgeschieden und dem Beklagten zur freien Verfügung überlassen.

Mit der am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei unter Berufung auf das vorgenannte Rücktrittsschreiben die Räumung und Übergabe der Wohung. (Die Klage wurde gegen den Masseverwalter gerichtet, in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom wurde die Bezeichnung der beklagten Partei auf den Beklagten richtiggestellt.) In der vorerwähnten Tagsatzung vom brachte die klagende Partei weiter vor, die Rechtswirksamkeit des zwischen den Streitteilen geschlossenen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages sei unter anderem auch durch die Zustimmung des Landes Kärnten als Wohnbauförderungsbehörde bedingt. Da über das Vermögen des Beklagten das Konkursverfahren eröffnet worden sei, werde von Seiten der Wohnbauförderungsbehörde, zu deren Gunsten ein Veräußerungsverbot nach dem WFG 1968 einverleibt sei, eine Zustimmung zur Übertragung des Eigentumsrechts an den Beklagten nicht erteilt, weil wesentliche Voraussetzungen des WFG 1968 vom Beklagten nicht mehr erfüllt werden könnten, insbesondere seine Fähigkeit zur Zahlung der Wohnkosten. Aus diesem Grund sei die klagende Partei, die als gemeinnützige Bauvereinigung nach den Bestimmungen des WFG 1968 verpflichtet sei, Vereinbarungen über Mit- und Wohnungseigentumsanteile nur mit förderungswürdigen Personen abzuschließen, vom (Kauf- und Wohnungseigentums-)Vertrag zurückgetreten. Die Rücktritts- und Aufhebungserklärung sei in der am eingebrachten Räumungsklage, unter anderem auch auf § 1118 ABGB gestützt, zu erblicken. Im Zeitpunkt der Klageeinbringung sei der Beklagte mit der Zahlung der laufenden Wohnungskosten im Rückstand gewesen. Die Zahlungsrückstände seien erst in weiterer Folge abgedeckt worden. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom brachte die klagende Partei schließlich noch vor, das Räumungsbegehren sei auch deshalb berechtigt, weil sie mit dem Beklagten am einen Vorvertrag geschlossen habe, in dem ausdrücklich festgehalten sei, daß sie vom Vertrag zurücktreten könne, wenn die Voraussetzungen zur Teilnahme an der öffentlichen Wohnbauförderung nicht mehr erfüllt werden könnten. Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Er befinde sich nicht in Zahlungsrückstand; ein Zahlungsrückstand habe auch bei Klageeinbringung nicht bestanden. Ihm gegenüber sei nie ein Rücktritt vom Vertrag erklärt worden. Der Masseverwalter habe der ihm gegenüber abgegebenen Rücktrittserklärung widersprochen; die klagende Partei habe ihm daraufhin zur Kenntnis gebracht, daß die Rücktrittserklärung hinfällig sei. In der weiteren Annahme der laufenden Zahlungen des Beklagten sei überdies ein Verzicht der klagenden Partei auf die Auflösung des Vertrages zu erblicken. Im übrigen habe im Falle eines Rücktritts vom Vertrag die Rückstellung des beiderseits Geleisteten Zug um Zug zu erfolgen; die klagende Partei habe aber nicht einmal angeboten, die bisher von ihm erbrachten Eigenleistungen auf den Kaufpreis zurückzuerstatten. Weder aus dem Vorvertrag noch aus dem Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag ergebe sich ein Recht der klagenden Partei, wegen der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beklagten vom Vertrag zurückzutreten. Das Land Kärnten habe das Wohnbauförderungsdarlehen nicht aufgekündigt oder ohne Kündigung fälliggestellt. Es lägen auch die Voraussetzungen hiefür nicht vor. Der Beklagte wäre in der Lage, für dieses Darlehen entsprechende Sicherheiten zu bieten oder das Darlehen unter Inanspruchnahme der Bestimmungen des Rückzahlungsbegünstigungsgesetzes zurückzuzahlen. Am und am (Schluß der Verhandlung in erster Instanz) wurde außer Streit gestellt (AS 33 und 43), daß sich der Beklagte in keiner Weise in irgendeinem Rückstand in bezug auf die von ihm gekaufte Eigentumswohnung befindet (Kaufpreis, laufende Zahlungen, Rückzahlungsraten auf das Wohnbauförderungsdarlehen, Betriebskosten).

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der von der klagenden Partei herangezogene Rücktrittsgrund der Nichteinhaltung der Zahlungsverpflichtungen durch den Beklagten sei schon nach den Außerstreitstellungen nicht gegeben. Zudem könne ein säumiger Wohnungseigentumsbewerber gemäß § 24 Abs 4 WEG durch rechtzeitige Nachzahlung rückständiger, auch nicht strittiger Beträge die Abweisung der Klage des Wohnungseigentumsorganisators erwirken (EvBl 1987/90). Soweit sich die klagende Partei darauf stütze, daß über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet worden sei und daher das Land Kärnten einer Eigentumsübertragung an ihn nicht zustimmen könne, sei zu erwägen, daß eine Fälligstellung des gewährten Wohnbauförderungsdarlehens nicht automatisch den Verlust der Möglichkeit zum Eigentumserwerb zur Folge haben würde. Ein Rücktritt der klagenden Partei von dem mit dem Beklagten geschlossenen Vorvertrag unter Berufung auf dessen Punkt V sei niemals erklärt worden.

Das Berufungsgericht gab der Klage mit dem Ausspruch statt, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus:

Die Auffassung des Erstgerichtes, daß eine Rücktrittserklärung der klagenden Partei in bezug auf die behaupteten mangelnden Voraussetzungen des Beklagten für die Teilnahme an der öffentlichen Wohnbauförderung nicht vorliege, könne aber nicht geteilt werden. Die Ausführungen der klagenden Partei in der Tagsatzung vom ließen sich als eine solche Rücktrittserklärung qualifizieren, die auch der Beklagte als solche aufgefaßt habe. Dem Wohnbauförderungskredit, welcher der klagenden Partei gewährt wurde, liege das WFG 1968 zugrunde. Das WFG 1984 sei erst am in Kraft getreten. Nach dessen Übergangsvorschriften (§ 60 Abs 8) sei das WFG 1968 weiterhin auf jene Fälle anzuwenden, bei denen die schriftliche Zusicherung der Förderung vor Inkrafttreten des WFG 1984 erteilt wurde. § 14 WFG 1968 (diesbezüglich gleichlautend aber auch § 27 WFG 1984) sehe vor, daß das Darlehen ohne vorangegangene Kündigung unter anderem dann sofort fälliggestellt werden könne, wenn über das Vermögen des Darlehensschuldners der Konkurs eröffnet wird. Auch dieser Grund für die sofortige Fälligstellung des Darlehens könne wegen seiner schwerwiegenden Auswirkungen nicht abbedungen werden. Demzufolge habe das Amt der Kärntner Landesregierung mit seinem am bei der klagenden Partei eingelangten Schreiben mitgeteilt, daß das Land Kärnten einer Eigentumsübertragung an den Beklagten nicht zustimmen werde (Beilage B). Ein Widerruf der Darlehenszusicherung habe bislang zwangsläufig deshalb nicht erfolgen können, weil mangels Übertragung der Miteigentumsanteile an den Beklagten noch keine Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem Land Kärnten bestehe. An der Absicht des Landes Kärnten, einer Eigentumsübertragung an den Beklagten nicht zuzustimmen, sei nicht zu zweifeln. Gehe man aber davon aus, so sei der im Vorvertrag fixierte Grund für die klagende Partei, vom Vertrag dann zurücktreten zu können, wenn die Voraussetzungen zur Teilnahme an der öffentlichen Wohnbauförderung nicht mehr erfüllt sind, eingetreten, so daß sich das Klagebegehren aus diesem Grund als berechtigt erweise.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist berechtigt.

Der vom Standpunkt des Erstgerichtes abweichenden Ansicht des Berufungsgerichtes, die Räumungsklage sei auch darauf gestützt worden, daß die klagende Partei unter Berufung auf Punkt V des Vorvertrages von diesem Vertrag zurückgetreten sei, ist zwar beizupflichten. Das Berufungsgericht hat aber, worauf der Beklagte in der Revision mit Recht hinweist, übersehen, daß die klagende Partei den Vorvertrag durch Abschluß des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages (ebenso wie der Beklagte) erfüllt hat, ein Rücktritt vom (schon vom Gesetz mit schwächerer Bindung ausgestatteten: Koziol-Welser8 I 112) Vorvertrag durch die klagende Partei also nicht mehr in Betracht kommt.

Die Annahme eines wirksamen Rücktritts der klagenden Partei von dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag - die zutreffende Auffassung der Vorinstanzen, die gegenständliche Räumungsklage könne nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, daß die klagende Partei vom Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag mit dem Beklagten wegen Zahlungsrückständen des Beklagten wirksam zurückgetreten sei, wird von der klagenden Partei im Revisionsverfahren nicht mehr in Zweifel gezogen - aus wichtigem Grund (objektive Unzumutbarkeit, schwere Erschütterung des Vertrauens in die Person des Schuldners) im Sinne der Ausführungen Reischauers in Rummel, ABGB2, Rz 7 vor §§ 918 bis 933 mwN scheidet gleichfalls aus. Mit Rücksicht auf die in § 24 Abs 4 WEG zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers erscheint es nicht gerechtfertigt, die bloße Befürchtung, der Beklagte werde wegen seiner Insolvenz die auf ihn künftig entfallenden Annuitätsraten des Förderungsdarlehens nicht zahlen können, die klagende Partei werde diese zwecks Vermeidung einer Darlehensaufkündigung nach § 12 lit a WFG 1968 ihr gegenüber (eine Fälligstellung des Förderungsdarlehens im Sinne des § 14 lit b WFG 1968 ist nicht möglich, weil der Beklagte noch nicht Darlehensschuldner ist) zunächst, allenfalls endgültig selbst zu tragen haben, als einen solchen wichtigen Grund anzuerkennen.

Die Rechtswirksamkeit des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages und damit der einem Erfolg der Räumungsklage entgegenstehende Benützungstitel des Beklagten wird durch den Umstand allein, daß über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet worden ist, auch nicht wegen Unmöglichwerden der Leistung beseitigt. Das Land Kärnten, zu dessen Gunsten ein Veräußerungsverbot gemäß (§ 22 Abs 1) WFG 1968 einverleibt ist, hat zwar die Zustimmung zur Übertragung des Wohnungseigentums an der Liegenschaft durch Rechtsgeschäft unter Lebenden unter anderem dann zu verweigern (§ 22 Abs 2 lit c WFG 1968), wenn vom Bewerber um eine Eigentumswohnung nach seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen nicht erwartet werden kann, daß er das gewährte Darlehen tilgungsplanmäßig abstatten wird. Diese Bestimmung (deren Anwendbarkeit auf den Fall, daß eine gemeinnützige Bauvereinigung eine Eigentumswohnung an den ersten Erwerber verkauft, dahingestellt bleiben kann: vgl dazu Brauner-Kazda, WFG 1968, Anm 2 zu § 22) im Zusammenhalt mit der Konkurseröffnung über das Vermögen des Beklagten und mit der Erklärung des Landes Kärnten Beilage B, es werde einer Eigentumsübertragung an den Beklagten nicht zustimmen, weil der Beklagte mit dieser auch ein Zahlungsversprechen gegenüber dem Land Kärnten abgebe, das Land Kärnten den Beklagten jedoch als nicht ausreichend kreditwürdig betrachte und sein Versprechen daher zurückweisen werde, rechtfertigt aber aufgrund des beiderseitigen Parteienvorbringens und des von den Vorinstanzen erhobenen Sachverhaltsbildes sowie insbesondere mit Rücksicht darauf, daß der Beklagte seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber der klagenden Partei bisher nachgekommen ist, nicht die Annahme, die von der klagenden Partei geschuldete Eigentumsübertragung an den Beklagten sei, ohne daß sie dies zu vertreten hätte, nachträglich unmöglich geworden (vgl dazu Koziol-Welser8 I 221 f Äzum Begriff der UnmöglichkeitÜ und 223 f Äzum vom Schuldner nicht zu vertretenden UnmöglichwerdenÜ). Derzeit kann noch nicht gesagt werden, der Erfüllung stehe ein dauerndes Hindernis entgegen, eine ernstzunehmende Chance, der Beklagte werde - allenfalls mit Hilfe Dritter - das Wohnbauförderungsdarlehen sicherstellen oder zurückzahlen können, sei zu verneinen. Es war daher der Revision Folge zu geben und in Abänderung des angefochtenen Urteils das Ersturteil wiederherzustellen, ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auch noch auf die weiteren Revisionsausführungen einzugehen.