OGH vom 09.10.1984, 5Ob66/84
Norm
Kopf
SZ 57/153
Spruch
Der gemäß § 12 Abs. 3 MRG angemessene Hauptmietzins kann wertgesichert begehrt werden
(LG Innsbruck 3 a R 146/84; BG Schwaz Msch 23/83)
Text
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Hauses in S, F-Straße 2, in dem sich Geschäftsräumlichkeiten (zwei Räume im Ausmaß von 42.83 m2) befinden, die vorerst an Martha H zum Betrieb einer Tabaktrafik vermietet waren. Mit sind die Hauptmietrechte gemäß § 12 Abs. 3 MRG auf die Antragsgegnerin übergangen.
Mit dem am beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte die Antragstellerin die Entscheidung, daß gemäß § 12 Abs. 3 MRG für das Mietobjekt der Antragsgegnerin der Hauptmietzins von 2 570 S pro Monat wertgesichert zu entrichten sei. Der angemessene Mietzins für das von der Antragsgegnerin übernommene Geschäftslokal betrage monatlich 2 570 S zuzüglich Umsatzsteuer sowie Betriebskosten. Da sich eine Angemessenheit des Mietzinses gemäß § 12 Abs. 3 MRG nicht nur auf die Gegenwart beziehen könne, sondern auch für die Zukunft Geltung haben müsse, müsse der angemessene Hauptmietzins wertgesichert sein. Es könne nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, für schutzbedürftige Objekte gemäß § 16 Abs. 4 MRG eine Wertsicherung für zulässig zu erachten, hingegen für Geschäftslokale mit einer relativ freien Mietzinsgestaltung eine Wertsicherung auszuschließen. Unter einem angemessenen Hauptmietzins iS des § 12 Abs. 3 MRG könne daher nur ein indexregulierter Mietzins verstanden werden. Da es üblich sei, Miet- oder Pachtverträge mit Indexregelung abzuschließen, hätte der Gesetzgeber, wenn er eine Indexregulierung hätte ausschließen wollen, dies expressis verbis tun müssen.
Die Antragsgegnerin stellte den für ihren Mietgegenstand angemessenen monatlichen Hauptmietzins mit 2 570 S zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskosten außer Streit, bestritt jedoch die Berechtigung der Antragstellerin, eine Wertsicherung zu verlangen. § 16 Abs. 4 MRG könne nicht analog herangezogen werden, weil die Frage der Mietzinsbildung bei Abtretung des Mietrechtes an einer Geschäftsräumlichkeit ausschließlich im § 12 Abs. 3 MRG geregelt sei, diese Bestimmung aber keine Wertsicherung vorsehe. Da der Mietvertrag mit Martha H, in den sie eingetreten sei, keine Indexvereinbarung enthalten habe, könne eine Anpassung der Mietzinshöhe von ihr nicht verlangt werden.
Das Erstgericht wies den Antrag der Antragsstellerin ab. Nach § 12 Abs. 3 MRG könne zwar dann, wenn der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins sei, ein angemessener "Betrag" begehrt werden; hiebei sei jedoch von einem bestimmten Betrag und nicht von einem veränderlichen Betrag die Rede. Es fehle jede Grundlage, § 16 Abs. 4 MRG auf den Betrag eines angemessenen Mietzinses gemäß § 12 Abs. 3 MRG analog anzuwenden. Die Wertsicherungsanpassung beziehe sich ausschließlich auf Wohnungen iS des § 16 Abs. 2 MRG. Im Falle eines Betriebsüberganges sei daher nur eine einmalige Anhebung auf einen angemessenen Betrag des Mietzinses zulässig, wenn in dem Mietvertrag, in welchem der Übernehmer des Betriebes eintritt, eine Wertsicherungsvereinbarung nicht getroffen gewesen sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der Hauptmietzins der Antragsgegnerin für ihr Mietobjekt im Erdgeschoß des Hauses in S, F-Straße 2, in Höhe von 2 570 S pro Monat gemäß § 12 Abs. 3 MRG wertgesichert zu entrichten sei. Die Frage einer allfälligen Wertsicherung des angemessenen Mietzinses nach § 12 Abs. 3 MRG werde im Gesetzestext - anders als in der Bestimmung des § 16 Abs. 4 MRG, die ausdrücklich von einer Wertsicherung der Kategoriehöchstsätze bei vermieteten Wohnungen spreche - offen gelassen. Dies bedeute aber noch nicht, daß eine Wertsicherung vom Gesetzgeber bewußt unterlassen worden sei. Im § 12 Abs. 3 MRG sei von einer Erhöhung des Hauptmietzinses auf den angemessenen Betrag die Rede. Die Schwierigkeit bestehe nur darin, daß der angemessene Mietzins nur für den bestimmten Zeitpunkt des Mietrechtsüberganges feststellbar sei, eine selbstätige Erhöhung iS des § 16 Abs. 4 MRG aber nicht stattfinde, da diese Erhöhung nur für die Kategoriehöchstsätze vorgesehen sei. Das Problem konzentriere sich daher auf die Frage, ob unter dem Begriff der Angemessenheit des Mietzinses auch die Berücksichtigung künftiger Geldwertentwicklungen zu verstehen sei und daher vom Vermieter die Aufnahme einer Wertsicherungsklausel verlangt werden könne. Dies scheine in Zeiten schwankenden Geldwertes so lange gerechtfertigt, als solche Wertsicherungsklauseln von der Rechtsordnung allgemein zugelassen würden. Es erscheine auch nicht gerechtfertigt, den angemessenen Mietzins für Geschäftsräumlichkeiten nicht wertzusichern, wenn nach dem Gesetz sogar der Kategoriemietzins für Wohnungen wertgesichert sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin nicht Folge und bestätigte den rekursgerichtlichen Beschluß mit der Maßgabe, daß der Hauptmietzins in der Höhe von 2 570 S monatlich wertgesichert in sinngemäßer Anwendung der Bestimmung des § 16 Abs. 4 MRG zu entrichten sei.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Zulässigkeit des Rechtsmittels ergibt sich aus der für (Revisions-)Rekurse gegen Sachbeschlüsse oder nach § 527 Abs. 2 ZPO anfechtbare Beschlüsse des Rekursgerichtes, mit denen ein (erstgerichtlicher) Sachbeschluß aufgehoben worden ist, abschließenden Regelung des § 37 Abs. 3 Z 18 MRG, wonach die Anfechtbarkeit derartiger zweitinstanzlicher Entscheidungen nur dann von der Zulässigerklärung des (Revisions-)Rekurses abhängt, wenn ein erstgerichtlicher Sachbeschluß bestätigt worden ist. An dieser Rechtslage hat die Zivilverfahrensnov. 1983, BGBl. Nr. 135, nichts geändert. Die (durch die genannte Zivilverfahrensnov. geänderten) Vorschriften der ZPO über Rekurse gelten nämlich für das Rechtsmittelverfahren in Außerstreitsachen nach § 37 Abs. 1 MRG gemäß § 37 Abs. 3 Z 16 MRG nur außerhalb der Spezialregelung des § 37 Abs. 3 Z 17 und 18 MRG (5 Ob 50/83; ImmZ 1984, 132 ua.).
§ 12 Abs. 3 MRG normiert als Voraussetzung für eine Mietzinsanhebung, daß der bisherige Hauptmietzins niederer ist als der angemessene Hauptmietzins. Ist dies der Fall, kann der Vermieter eine Erhöhung des Hauptmietzinses auf den für den Mietgegenstand - nach bestimmt angeführten Kriterien - angemessenen Betrag begehren. Diese Bestimmung stellt somit sowohl für die Frage der Berechtigung, eine Anhebung des Hauptmietzinses zu begehren, als auch für das Ausmaß der zulässigen Anhebung auf den angemessenen Hauptmietzins ab, wobei die Angemessenheitskriterien auch genannt sind. Die Verwendung des Ausdruckes "Betrag" bei Normierung der zulässigen Obergrenze für die Vereinbarung läßt sich damit erklären, daß der für den Mietrechtsübergang mitentscheidenden Komponente der Unternehmensveräußerung als "zeitlich punktuelles Ereignis" (vgl. EvBl. 1983/143) ein statischer Begriff entspricht. Der im § 12 Abs. 3 MRG geregelte Mietrechtsübergang enthält aber auch ein dynamisches Element, nämlich das Erfordernis der Weiterführung des übernommenen Unternehmens durch den Erwerber. Es erscheint daher zulässig, bei der Beurteilung des Begriffes der "Angemessenheit" des Hauptmietzinses auch den von der Antragstellerin bereits im Antrag erwähnten Umstand zu berücksichtigen, daß bei Bestandverträgen über Geschäftslokale Wertsicherungsvereinbarungen nicht nur zulässig, sondern auch üblich sind. Der vom Rekursgericht übernommenen Argumentation Zingher's (Mietrechtsübergang bei Unternehmensveräußerung, ÖJZ 1982, 117), wonach in Zeiten schwankenden Geldwertes die Berücksichtigung künftiger Geldwertentwicklungen so lange gerechtfertigt sei, als Wertsicherungsklauseln von der Rechtsordnung zugelassen würden, kann somit beigepflichtet werden. Nach der Regierungsvorlage (425 BlgNR 15. GP, § 9 Abs. 2) sollte eine Abtretung der Hauptmietrechte aus Anlaß einer Unternehmensveräußerung nur zulässig sein, wenn der Erwerber die Verpflichtung übernahm, einen angemessenen Mietzins zu entrichten. Von diesem Recht Gebrauch zu machen, war somit ins Belieben der Vertragspartner des Veräußerungsgeschäftes gestellt. Nach dem JAB (880 BlgNR 15. GP) sollte durch die Neufassung die in der Regierungsvorlage vorgesehene Regelung vertieft und verfeinert werden; tatsächlich wurde aber der ipso-facto-Übergang der Mietrechte durch die Unternehmensveräußerung statuiert (vgl. Zingher aaO 113). Damit läßt sich auch der Entstehungsgeschichte des § 12 Abs. 3 MRG nicht entnehmen, daß der Gesetzgeber unter dem "angemessenen Mietzins, dessen Entrichtung die Parteien vorerst hätten vereinbaren sollen und den der Vermieter nun begehren darf", und damit auch unter dem im § 12 Abs. 3 MRG genannten "Betrag", auf den die Mietzinsanhebung begehrt werden darf, bloß einen statischen Begriff verstehen und eine Berücksichtigung künftiger Geldwertveränderungen ausschließen wollte. Im übrigen ergibt sich die Zulässigkeit der Vereinbarung einer Wertsicherung eines iS des § 16 Abs. 1 MRG angemessenen Hauptmietzinses aus § 16 Abs. 6 MRG (vgl. Derbolav, MRG, Anm. 25 zu § 16; Würth-Zingher, MRG[2], Anm. 46 zu § 16). Dies muß wohl auch für das Begehren der Vermieter nach § 12 Abs. 3 MRG gelten. Daß § 12 Abs. 3 MRG - bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen - einen ex lege eintretenden Vertragsübergang normiert, der grundsätzlich die gesamte Vertragsstellung mit allen Nebenrechten und -pflichten umfaßt, steht - entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht - dieser Auslegung nicht entgegen, weil das Gesetz dem Vermieter hinsichtlich des Mietzinses eine Gestaltungsmöglichkeit einräumt. Aus dem Fehlen einer Wertsicherungsklausel in dem Bestandvertrag zwischen dem Vermieter und dem Unternehmensveräußerer ist daher für den Rechtsstandpunkt der Revisionsrekurswerberin nichts zu gewinnen. Der OGH schließt sich somit der Ansicht an, daß der Vermieter im Rahmen der Angemessenheit des Hauptmietzinses auch eine Wertsicherung begehren darf. Da die Antragstellerin eine Wertsicherung unter sinngemäßer Anwendung des § 16 Abs. 4 MRG begehrt hat, war dies in den Spruch aufzunehmen und der angefochtene Beschluß des Rekursgerichtes mit dieser Maßgabe zu bestätigen.
Fundstelle(n):
QAAAD-67108